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Nr. 122. — 8. Jahrgang Der jeden Wochentag Abend (mit Datum h«, jodenden Tage-) zur B-rjeudung gelangende„Sächsische LanveS-Aiizciger" mit täglich einem besonderen Unter- baltungSblatte und mit dem Extrabeiblatt Lästige- Bilderbuch kostet bei den Ausgabe stellen monatlich 70 Psg., bei den Post-Anft. 7b Pf. (1888er Ztgs.-Preisliste Nr. 50üb.) FürAbonnenten erscheintje eininal in, Jahr: Sommer-Eiseubahnfahriilanheft für Suchten. «iuter-Eiscubahnfahrplankeft für Sachsen. Zllustr. staleuder de- Sächsische» Lundboteu. Illustrirte-Jahre-buchdesLaiides-Auzeiger-. Sächsischer Liüdes-APriskl mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. Dienstag, 29. Mai 1888. «u,eigen drei- de« ..SIchs. rm>da-«ii,ti,»»1 kaum einer schmalen Torpuszelle 1° Mr . Bevorzugt« Stelle (lspalt. Petitzeile) SO Ps. BeiWiederholung großer Annonce» Rabatt. Bei Bestellungen von Auswärts wolle man Jnsertsonsbetrag'sin Briefmarke») beifüge» i>e 8 Silben Torpusschrist bilde» ca. 1 Zeile.) «»noncenaunahme nur bis Vormittag. KM: Mlliiikr «t. Bnchviuckcrri. Clieinuitz. Theaterliraße 5 (Ferniprechstelle Nr.lSS). Telegr-Adr-: Landes-Anzeiger, Lheumt^ Mit täglich emeiu besonderen UiiterbMiugsblntt: i. Kleine Botschaft - 2. Sächsischer Crzahler - 3. Sächsische Gerichts-Zeitung 4 Sächsisches Allerlei — 5. Illnstrirtes Unterhaltnngsblatt — 6 Sonntagsblatt — Ertta-Beiblatt: Lnftiges BilderbnG Politische Rundschau Für den Monat Juni nehme» die Ausgabestellen in Chemnitz und Um gegend zum Preise von 70 Pfa. (die Postanstalte» zu 75 Pfg.) Abonuements- Bestelliingen auf de» Sächsischen Landes-Anzeiger entgegen. Der Sächsische Landes-Anzeiger ist in der deutschen Post-ZeitungS- Preisliste unter Nr. 5035 (in der österreichische» unter Nr. 230?) eingetragen. Alle» Abonnenten wird vollständig gratis als Extrabeigabe geliefert: Eisenbahn-Fahrplanheft für Sachsen (Sommer-Halbjahr 1888). (Giltig vom 1. Jnni 1888 ab.) Diese? Eisenbahn-Fahrplanhcst ist in Umschlag gehestet und enthält in sauberem deutlichen Druck die Fahrpläne sämuitlicher Strecken des sächsischen Eiscnbahn-Nctzes nebst den Anschlüssen sowie mit Angabe der Entfernungen und der Falnvreise. Preis dieses Heftes für Nicht-Abonnenten 20 Psg. Ferner erhält jeder neubcitretende Abonnent, welcher die Abonnements- Quittung (Post-Abonnenten wolle» lO-Pfg.-Marke für Porto beifügen) dirbct an die Verlags-Expedition einsendet, vollständig gratis geliefert: 1. Jllnstrirter Kalender für 18 Uli, 84 Seiten 4" mit Oeldruckbild, Almanach, Kalendarium, Märkte-Verzcichniß: reich-illnstrirtem umsangreichen humoristischen Theil u. fesselnden Erzählungen. (Preis s.Nicht-Abon»entcn40Pfg.) 2. Des Sächsische» Landes-Anzeigers Illnstrirtes Jahresbnch für Illlt»; 64 Seiten gr. 8" mit Almanach und vielen Erzählungen und Bildern. (Preis für Nicht-Abonnenten 40 Pfg.) Abermaligen zahlreiche» Beitritt neuer Abonnenten erbittet die Beilags-Expedition des Sächsische» Landes-Anzeigerö. Um Verwechslungen z« vermeiden, werden Post-Abonnenten ersucht, bet Bestellung freuudlichst genau zu verlangen» den in Chemnitz erscheinenden „Sächsischen Landes-Anzeiger" (Nr. 5035 der Post-Zeitungs-Preisliste). Telegraphische Nachrichten. Vom 27. Mai. Nürnberg. Eine furchtbare Feuersbrunst in Uchlfcld äscherte 60 Firste, darunter 25 Wohnhäuser, ein. (Uchlfcld ist ein Markt in Mittelfrankc», Bezirksamt Neustadt a. Aisch, mit etwa 1000 Ein wohnern in 140 Wohngebäuden.) Rom. In der heutigen feierlichen Jahrcssitzuug der hiesigen Akademie der Wissenschaften, welcher auch das Königspaar und der Kronprinz änwohnten, feierte der Präsident der Akademie, der Physiker Brioschi, die Verdienste Mommsen's um die Erforschung des italieni schen Alterthums. Aller Augen waren auf Mommsen gerichtet, der unter den anderen Akademikern saß. Konstaiitinopel. Der englische Konsul in Salouichi tcleqra- phirt hierh r, daß die in Macedvnie» gebildeten Banden bulgarischer Flüchtlinge mm die ostrumelische Grenze zu überschreiten beabsichtige». Die bulgarische Regierung wurde gewarnt. London. Nach einem Telegramm des „Reuter'schen'Bureau" ans Toronto von gestern sind dmch die Explosion eines Gasometers in Montreal nach den bisherigen Ermittelungen 7 Personen gctödtet und 30 verletzt worden. Berlin, de» 28. Mai, S Uhr 40 Min. Vorn». In« Königlichen Schauspielhause, worin gegenwärtig bauliche Verättdermigeu stattfiudeu, stürzte heute früh ei» The«! des Dachstuhles eiu. Vou 40 beim Bau beschäftigte» Arbeiter» sind bis jetzt 26 herausgeschafft, von dencu 6 tobt sei» solle». Die Rettungsarbeite» seitens der Feuer wehr dauern fort. Berti», den 28. Mai, 11 Uhr Norm. Das bereits in Aussicht gestellte, heute morgen S Uhr auSgegebeue Bulletin berichtet: Der Kaiser suhlte sich vorgestern etwas ermüdet; im Uebrigen war das Befinde» in letzter Woche in» Ganze» gut, es zeigte sich kein Fieber, Appetit und Krästezustand waren befriedigend. Frankfurt a. M.. de» 28. Mai 10 Uhr 10 Min. Vorm. Aus Rom wird telegraphirt: Dis officiöse „Riforma" demciitirt kategorisch die Nachricht der „Kölnischen Zeitung" von einem bevor stehenden Besuch des Kaisers von Oesterreich in Italien. (Siehe auch unter „Oesterreich-Ungarn.") Otto Deviient's „Luther" auf der Wanderschaft.*) I. Jena und das Aufführungrecht. Es war ein hvchbcdeutsamcr Beschluß, als im Oktober des vorigen Jahres der Vorstand des Jenaer Lnlherfestspielvcrcins die Aufführung der Devrient'schen Dichtung auch für andere Orte frei geben zu wollen erklärte. Nicht ohne ein Wehmüthiges Bedauern, thcilweisc selbst nicht ohne Mißbilligung nahm man in Jena die Preisgebung des bisher eingenommenen Standpunktes ans, nach welchem allein Jena das ihm durch die Schenkung des Dichters überlassene Aufführungsrecht in Anspruch zu nehmen habe. Aber konnte dieser Standpunkt ohne die schwerste Schädigung eben der Sache, für die man wirken wollte, noch länger behauptet werden? War nicht durch hartnäckiges Beharren auf demselben vielleicht schon ein Schaden erwachsen, den man gar nicht wieder gut machen konnle? Es wird gut sein, sich auf den Ursprung und die eigentliche Be stimmung dieses Festspiels zu besinnen. Es waren große und ernste Gedanken, welche unter dem Antrieb des Jnbcljahrcs 1883 zunächst die Idee eines Lutherfestspieles in Jena hervorriefen, und für deren Verwirklichung man dann das Glück hatte, in Otto Devrient den berufensten Dichter zu finden. Galt es doch in einer.religiös erschlafften Zeit das noch unbenutzte, aber gewaltigster Wirkung sichere Mittel einer deutschen Volksbühne in den Dienst der evangelischen Sache zu stellen und auch die dem kirchlichen Leben entfremdeten Kreise wieder heranzuführen an den Reformator und sein Werk; galt es doch gegenüber dem verwirrenden Einfluß einer die Wahrheit fälschenden, die Schattenseiten der Refor mation gewaltsam aufbauschenden, Luthers Bild zur Karrikatur ver zerrenden Geschichtsschreibung eben dieses Bild in seiner leuchtenden, alles vergänglich Schwache mächtig überstrahlenden Wescnswahrheit in greifbarer Lebendigkeit vor die Augen zu stellen und in die Herzen cinzugraben und dadurch in unserem Volke wieder das rechte Ver- ständniß und das lebendige Bewußtsein der unvergänglichen Güter zu erwecken, welche das deutsche Volk, und nicht nur das protestan tische, der Reformation verdankt, und von deren fortgesetzter treuer Pflege die in der evangelischen Freiheit des deutschen Geisteslebens wurzelnde Größe der Nation abhängt. *) Das ganz außerordentliche Interesse, welches alle Kreise in Chemnitz und dessen weitester Umgebung dem Dcvrieiit'schcn Lutherfestspiel entgegeii- brachten, veranlaßt die Nedaction des Sächsischen Landes-Anzeigers, folgende zwei Artikel der Jenaischen Zeitung auch unserem Leserkreis zu bieten. Chemnitz, den 28. Mai. Deutsches Reich. Aus Schloß Charlottenburg. Das Allge meinbefinden des Kaisers ist fortdauernd ganz zufriedenstellend. Die von einigen unzuverlässigen Berliner Blättern gebrachten Mittheilungen über eine „Entzündung des Wundkanals oder am Halse" werden in der „Nordd. Allg. Ztg." von kompetenter Seite als durchaus unbe gründet bezeichnet. Die Nacht zum Sonnabend war für den Kaiser recht zufriedenstellend. Die Absonderung dauerte nur in geringem Umfange fort, Puls und Athmnng waren normal. Bei der Morgen-- konsultatioii, an welcher auch die Proscssoreii Bardeleben und Senator theiliiahmcn, wurde eine neue Kanüle eingesetzt. Der verhältnißmäßiz hänfigc Kanülcnwechsel soll, wie die „Nat.-Ztg." hört, dadurch bedingt sein, daß die Verhältnisse des Halses, welcher magerer geworden ist, und namentlich die der erkrankten Luftröhre, nicht konstant bleiben, sondern sich öfter ändern. Infolgedessen wird die Kanüle, welche bis dahin gut gelegen hat, unpassend und muß geändert oder durch eine neue ersetzt werden. Zu diesem Zwecke war der Hosinstrnmenteii- macher Windler auch im Schlosse erschienen. Nach der Konsultativ» der Aerzte verließ der Kaiser das Bett und begab sich in sein Ar beitszimmer. wo er die laufenden Vorträge hörte und mit dem Mi nister von Pnttkamer arbeitete. — Die Uebersiedlnng des Kaisers nach Schloß Friedrichskron bei Potsdam erfolgt, wie bis jetzt bestimmt ist, in den Tagen vom 1. bis zum 3. Juni, und zwar nicht mit Eisenbahn, sondern zu Schiff. Von den Aerzicn, die bisher neben den Mackenzie und Hovell an den Koiijultationcn theilnahmen, werden Geh. Rath Leyden und Proscffor Krause, so lange der Kaiser in Potsdam weilt, jeden Morgen sich dorthin begeben. Geh. Rath Bardeleben wird dreimal bei den Berathungeii zugegen sein, während Geh. Rath Senator zweimal wöchentlich zu denselben erwartet wird. Der Aufenthalt des Kaisers in Schloß Friedrichskron ist zunächst bis Ende Juni in Aus sicht genommen. Es liegt die Absicht vor, den Kaiser alsdann in Homburg v. d. H. längere Zeit Aufenthalt nehmen zu lassen. Wie lange dieser Aufenthalt währen wird, ist zur Zeit nicht zu bestimmen, wie denn auch die Dauer des Aufenthalts in Potsdam ganz von dem Befinden des Kaisers abhängig bleibt. — Die Kaiserin Victoria wird heute oder morgen in das Ueberschwemmungsgebiet in Westprenßen sich begeben. Wenigstens sind jetzt die bezüglichen Dispositionen dahin getroffen, doch ist es möglich, daß hierin noch Aenderungcn eintretcn. — Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht die vom Kaiser vollzogene Verordnung über das Inkrafttreten des Gesetzes betr. die Unfall- und Krankenversicherung der in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben beschäftigten Personen vom 5. Mai 1886. — Gerüchtweise heißt es, Landrath Graf Wilhelm Bismarck werde schon zum 1. Juni zum Regierungspräsidenten in Hannover ernannt werden. — Rcichsgerichtspräsident vr. Simson aus Leipzig brachte am Sonnabend auf dem Festmahl der in Weimar tagenden General versammlung der Göthcgesellschaft folgenden Toast aus, der einen mächtigen Eindruck hervorgernfen hat: „In diesem Kreise glaubt Niemand an irgend welche Unfehlbarkeit; also brauchen wir auch nicht an eine Unfehlbarkeit der Aerzte zu glauben, mögen sie englische oder deutsche sein. Viele Helden waren groß im Handeln, Andere im Dulde». Unser Kaiser ist gleich groß in Beiden,. Wir hoffen und wünschen, daß die Zahl der Tropfen unserer Gläser den Ledenstagen Kaiser Friedrichs zngelegt sein möge." — Die „Krenzztg." erklärt alle Nachrichten von bevorstehenden Reformen im Mililärwesen für unbegründet. Vorläufig sind noch keine Vorarbeiten in dieser Beziehung im Gange. — Die „Post" schreibt: „Der Dircctor des Allgemeinen Kricgsdepartements im So war es — man lese nur die damals erlassenen Aufrufe — ein hoher vaterländisch religiöser Zweck, cs war die Förderung der protestantischen Sache, der diese Spiele dienen sollten, dieser Grund satz muß der durch kein Nebenwerk zu verdunkelnde Hauptgesichts- pniikt bleiben, hinter ihn hat, wenn es sein muß, auch das ört liche Interesse unbedingt zurückzutreten. Mit welcher Begeisterung der Gedanke eines Lutherfestspicls in Jena ergriffen wurde, wie die Idee der deutschen Volksbühne wie mit einem Zauberschlage verwirklicht schien, welchen tiefen und nach haltigen Eindruck die Jenaer Aufführungen aus Tausende von nah und fern wieder und immer wieder hcrvorbrachten, wir haben es mit freudiger Genugthuimg erlebt. War cs nach den ersten Erfolgen ein zu kühner Gedanke, wenn man zu hoffe» wagte, es würden sich die Mittel finden, um in Jena ein großes nationales Festspiel haus zu errichten, das alljährlich viele Tausende von Beschauern aus Alldcutschland anziehen würde, um sie alle in den gleichen Strom protestantischer Begeisterung hineiiizutauchcii und so von dem einen Mittelpunke aus ein neuer thatkräftigcs evangelisches Glaubcnsbc- wußsein über das ganze Vaterland zu verbreiten? Nicht nur die Jenenser, mit fast noch stärkerem Nachdruck waren es die auswärtigen Besucher, welche in begeisterten Worte» solchen Erwartungen Ausdruck verliehen. So schrieb Professor Leopold Witte nach Schluß der ersten Spielperiode: „Das ist gesunde Speise für unser evangelisches Christenvolk, und das Festspiel darf nicht wieder unter uns ver schwinden. Haben die Obcrammergaucr ihre Festbühnc, haben be geisterte Kniistjünger für die Toiischöpfungen Richard Wagners ein eigenes mächtiges Theater gebaut — hier liegt ein Stoff vor, der wahrlich auch zu Opfern begeistern kann, damit im weitesten Umfange die evangelische Christenheit dies hehre Bild vorgeftthrt erhalte. Nicht sechshundert, wie jetzt im primitiven Jenaer Sommertheater, nein, sechstausend müßten es sein, die auf einmal schauen und hören könnten. Und aus den Reihen derer, die geschaut haben und tief erbaut worden sind, muß der Ruf ergehen: schafft die Möglichkeit, daß nicht der kleine scenische Raum eine solch maßlose Kraslvcr- schwendnng bedinge, wie sie jetzt stattgefmiden hat. Zehnmal haben die Jenenser in den letzten Wochen gespielt! Im nächsten Frühjahr soll eine neue Serie der Darstellungen beginnen: daß bis dahin die Mittel zu einem Kvlossalbau zusammengebracht wären! — Der Dich ter ist von der dankbaren Stadt Jena zum Ehrenbürger und am Luthcrfeste von der philosophischen Fakultät zum Ehrendoktor ernannt worden. Der schönste Dank muß der Erwerb des Festspiels für die ganze deutsche Nation werden!" Kriegsministeriiim, Generalleutnant von Hänisch, ist an Stelle deS Generalleutnants von Goltberg, dessen Abschiedsgesuch Allerhöchst ge nehmigt wurde, zum Cvmmandeur der Kavallerie-Division (zu Metz) des 15. Armeekorps ernannt worden. Für seine wichtige Stellung im Kricgsiiiinisterium ist der Jnspector der Jiifanterieschulen, General major von Bergmann, in Aussicht genommen. Herr von Hänisch, seit Weihnachten 1885 Generalleutnant, dürfte, da er vor dem jüngsten General der Infanterie, dem Admiralitätschef von Caprivi, nur etwa zwölf Generalleutnants vor sich in der Anciennität hat, nicht allzu lange sein neues Commando führen, um bereits in ein noch höheres zu gelangen. General von Hänisch war bei der Ver tretung der großen Militärvvrlagen im Reichstage hervorragend be- theiligt. — Preußisches Abgeordnetenhaus. Der aus dem Herrenhause zurückgekommene Gesetzentwurf betr. die Erleichterung der Volksschul lasten wurde am Sonnabend im Ganzen mit 194 gegen 121 Stimmen nach den Beschlüssen des Herrenhauses angenommen. Der vom Ab- gcordnetenhause eingefngte H 7, welcher die Vorlage als eine Ab änderung der Verfassung hinstellte, ist damit wieder gestrichen worden. Wegen der Streichung stimmten gegen das ganze Gesetz Centrum, Freisinnige, Polen und einige Conservative. Dann wurden die Wahlen der konservativen Abgg. von Pnttkamer und Döhring im Wahlkreise Elbing dem Beschlüsse der Wahlprüfungscommission entsprechend für ungiltig erklärt. An die Berathnng knüpfte sich eine längere, ganz außerordentlich heftige Debatte über den Angriffsartikel der „Dresdn. Nachr." gcgcn die Kaiserin Victoria („Keine Frauenzimmerpolitik"). Unter den schärfsten Worten warfen die freisinnigen Abgg. Rickert, Richter, Meyer-Halle den Cartellparteien das Verhalten ihrer Presse gegen die Kaiserin vor; die Abgg. von Muchhaupt, Cremer (cons.)» von Zcdlitz-Neukirch (freicons.), vr. Friedberg (natlib.) wiesen diese Vorwürfe mit größter Entschiedenheit und der Erklärung zurück, die Parteien könnten unmöglich für einzelne, wenige Taktlosigkeiten in der Presse, die sie gleichfalls entschieden mißbilligten, verantwortlich sein. Darauf gab der Präsident von Köller die übliche Uebersicht übetc die letzte Session, empfing den Dank des Hauses für die Leitung der Geschäfte und mit einem dreifachen Hoch auf Se. Maj. den Kaiser schloß die Sitzung. Abends 6 Uhr fand unter Vorsitz des Herzogs von Natibor, Präsidenten des Herrenhauses, die Schlußsitzung der vereinigten beiden Häuser des Landtages statt. Minister von Putt- kamer verlas die vom 25. Mai datirte kaiserliche Ordre, durch welche die Session geschloffen wird. Mit einem dreifachen begeisterten Hoch auf den Kaiser trennten sich die Versammelten. ^ — Die Berliner „Post" will erfahren haben, daß die Einführung von deutschen Zollreprcssalien Rußland gegenüber für jetzt nicht zu erwarten sei. Dagegen schreibt die „Köln. Ztg.": „Sicherem Ver nehmen nach wird die Einführung von Vergeltungszöllen gegen Ruß land thatsächlich nicht mehr lange auf sich warten lassen. Man spricht von der Möglichkeit, eines gemeinsamen Vorgehens Deutsch lands und Oesterreichs und von der bereits erfolgten Anknüpfung von Verhandlungen in dieser Richtung." — Ans Madras kommt folgende Warnung: Nicht selten sind hier Deutsche anzutrcffen, die in der Hoffnung hierher kamen, Unter kommen und Beschäftigung zu finden. Dies gelingt bei den hiesigen Verhältnissen nur in den seltensten Fällen, die Sitten und Gebräuche Indiens geben dem Fremden weniger als die irgend eines anderen Landes Gelegenheit, vorwärts zu kommen, und schließlich wird ihnen die letzte Erwerbsquelle, die anderswo fast immer noch aus der Noth hilft, die Tagelöhner-Arbeit, durch das Klima verschlossen. Angesichts dieser Thatsachen können Deutsche, die etwa die Absicht haben, sich ohne vorheriges festes Engagement nach Indien zu wenden, nur dringend vor einem solchen Schritte gewarnt werden. Oesterreich-Ungarn. Die Nachricht der „Köln. Ztg." von einer für den Herbst zu erwartenden Reise Kaiser Franz Josephs Aber „leicht bei einander wohnen die Gedanken, doch hart im Raume stoßen sich die Sachen!" Trotz der selbstlosen Hingabe, mit welcher alle Mitwirkenden nach dem Vorbilde des Dichters und Künstlers selbst aus jeden äußeren Lohn verzichteten, konnten doch bei den hohen Kosten der Spiele zunächst (Überschüsse von irgend welcher Erheblichkeit nicht und auch später nur ein mäßiger, wenn auch langsam wachsender Gewinn gehofft werden; und die begeisterte Erwartung, cs würden aus den bemittelten Kreisen des evangelischen Volkes für den Bau einer großen Volksbühne in Jena namhafte Geldunterstütz- ungen gewährt oder Stiftungen gegründet werden, sie ist unerfüllt geblieben. Von keiner Seite, weder von vermögenden Gönnern, noch von der Stadt Jena selbst, ist dem Unternehmen eine außerordentliche Hilfe zu Theil geworden; was erreicht wurde, verdanken die Mit- wirkeiiden außer dem Dichter und seiner treuen Helferin lediglich der eigenen Kraft. Von Errichtung eines großen Nationaltheaters konnte unter diesen Umständen nicht die Rede sein — gewagte Finanzunter- nehmiingen hat der Vorstand in weiser Vorsicht grundsätzlich ausge schlossen —, es war schon eine höchst ehrcnwerthe Leistung, daß der Verein im Jahre 1886 aus den inzwischen angesammelien Mitteln und auf die in der Spielperiode des JahrcS 1687 zu erwartenden Ueberschüsse hin dem Besitzer des städtischen Theaters, Herrn Brau meister Köhler, dessen entgegenkommender Bereitwilligkeit die Sache so viel zu verdanken hat, den Betrag von 8000 M. für eine Erweiterung des Theatergebäudes zur Verfügung stellen konnte, wogegen derselbe den Umbau nach den mit dem Dichter vereinbarte» Vorschlägen des Vorstandes, welche auf spätere bedeutende Umbauten berechnet waren, aussühren ließ, und dem Verein die unentgeltliche Benutzung des Hauses für seine Aufführungen vertragsmäßig einräumte. Dankbar hat die Stadt Jena die Erweiterung und Verschönerung des Bühnenhauses empfunden, welche trotz der vom Verein gewährten Beihilfe ohne er hebliche persönliche Opfer des Herrn Köhler nicht möglich gewesen wäre und für deren ebenso zweckmäßige wie anmuthige und geschmack volle Ausführung dem bauführenden Architekten Herrn Weber Dank und Anerkennung gebührt. Aber auch so stehen die Größcnverhält- isse des Zuschauerraumes, von der Bühne ganz abgesehen, zu den wirklichen Bedürfnissen großer Volksaufführungen, wie sie in den mitgetheilten Worten des Prof. Witte bezeichnet sind, noch immer im stärksten Mißverhältniß. Großartig und eher sich steigernd als verringernd war der Erfolg der Aufführungen. In vier Spielperioden ist der „Luther" in 36 Aufführungen über die Bühne gegangen. Und gleich wohl! Wie unendlich gering ist doch die Wirkung gewesen gegen-