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Seite 6. — „Sächsische Dorfzeitung." — 9. Juli 1905. wurfshaufen im Galopp ohne jede Schonung des Material oder des Insassen hinwegziehen, und man wird sich eine kleine Vorstellung von den Qualen machen können, die der Prinz ebenso wie die Herren des Gefolges 17 Tage lang über sich ergehen lasten mußten. In Urga, dem Mekka der Mongolen, dem jetzigen Sitz deS Dalai-Lama-, wurde ein Tag Ruhepause gemacht und dafür die etwa 300 Kilo meter lange Strecke von Urga bis Kiachta in der kurzen Zeit von drei Tagen zurückgelegt. * August Reiff, der beliebte, jetzt verstorbene Dar- steller derbkomischer Rollen, war auch ein eifriger Anhänger des Angelsports, den er während der Sommermonate mit Leidenschaft betrieb. Jahre hindurch besaß er auf dem Hundekehlensee ein Floß, auf dem eine sehr gemütlich und praktisch ausgestattete Bude stand mit der Inschrift: „Will kommen in der Angel-Akademie." Viele seiner Freunde werden sich mit großem Vergnügen der Nächte entsinnen, die sie als Gäste Reiffs auf dem Floß verbracht haben. Er sorgte dann väterlich für alle Bedürfnisse, seinen Haupt trumpf spielte aber so gegen Mitternacht aus. Während alles schweigend, rauchend und — trinkend die ausgelegten Angeln beobachtete, verschwand Reiff still in die Bude, aus der sich bald ein berückender Duft verbreitete. R. war mit der Zubereitung des berühmten Angler-Gulasch, in seiner Sprache auch Schmunzelberger genannt, beschäftigt, und bald ertönte sein Rus: „Bitte, zum Abendbrot!" Die Angeln wurden einem Famulus überlasten, und in der Stille der Nacht ging'- an ein lustiges Schmausen. Nachher pflegte er eine achtbare Flasche herbei zu holen, deren Inhalt er geheimnisvoll als „Bleiwasser" bezeichnete — mit Beziehung auf die Bleie, die hauptsächlich im Hunde kehlensee gefangen wurden —, es war ein kräftiger Rohstocker Korn. — In den letzten Jahren hatte R. seine angel- sportliche Tätigkeit nach den, herrlichen, fischreichen Liepnitz- see verlegt, wo er auf einer Insel bei einem Bauernguts- besitzer hauste. Das waren ebenfalls schöne Stunden, die man dort mit ihm verleben konnte, denn er war bei einer manchmal derben Ausdrucksweise ein Mensch mit einem fast kindlichen Gemüt, der für seine Freunde durchs Feuer ging. * Friedrich Mitterwurzer-Anekdoten erzählt die Münchener „Allg. Ztg " Charakteristisch für das künst lerische Schaffen Mitterwurzers ist folgende Geschichte: In seinen jungen Jahren spielte er in Graz den Prinzen in Lessings „Emilia Galotti". Er brachte in dieser Rolle die eigentümliche Nuance an, den ganzen Abend über den rechten Arm an die Brust zu lehnen und, ohne ihn zu bewegen, mit einer gewissen Regelmäßigkeit die Hand zu senken. „Du hast Dir wohl den Arm verletzt?" fragte ihn teilnahms- voll der Regisseur. — „Nein. Warum ?" — „Was machst Du denn fortwährend mit der rechten Hand ?" — „Das ist doch sehr einfach: ich denke mir einen Prinzen, der diese Gewohnheit hat. Jeder Mensch hat seine Gewohn heiten." — Während seiner Gastspielreisen in Amerika besuchte Mitterwurzer auch die Mormonenstadt, um sich dort ein Pferderennen anzusehen. Auf dem Wege zum Hippodrom, den er zu Fuß angetreten hatte, ermüdete er, und da gerade ein zweirädriger Karren vorüberfuhr, auf dem zwei Männer mit grauen Zylinderhüten saßen, bat er sie, aufsitzen zu dürfen. Anstandslos wurde es ihm bewilligt. Am Reiseziel angekommen, zog er seine Börse, um sich erkenntlich zu zeigen. Man wies jedoch das Geld zurück, und zu seinem größten Erstaunen erfuhr er, daß eS der Gerichtskarren gewesen, mit dem er gefahren war. „Wir haben soeben einen armen Sünder hinausgebracht." — „Wo hinaus?" - „Zum Galgen." — „Gerechter Gott, so sind Sie der Henker?" — „Nein, Sir, ich bin der Gefängnisdirektor; der Scharfrichter ist der andere Herr." Entsetzt sprang Mitterwurzer vorn Karren herunter. Allgemein wurde er für einen direkt aus der Strafanstalt entlassenen Verbrecher gehalten und jedermann ging ihm aus den Wege. Das kam ihm übrigens sehr gelegen, denn auf diese Weise gelangte er bequem durch das dichte Menschengewühl zum Schauplatz des Rennens. Nur ein Mann trat auf ihn zu, ein Mormonen-Geistlicher, der dem vermeintlichen Mistetäter salbungsvoll Buße predigte. Bei diesem wohnte Mitter wurzer dann vierzehn Tage, lernte durch ihn die Grund sätze der mormonischen Religion kennen und wurde von ihm in den ersten der zwölf mormonischen Himmel ein geführt. * Attentat auf der Elektrischen. Eine auf- regende Szene spielte sich am Mittwoch in später Abend stunde in Berlin auf einem Wagen der elektrischen Straßen bahn Friedrichstraße -Pankow ab. Das „B. T." schreibt: Der Wagen hatte gerade die Haltestelle in der Dorotheen- straße verlosten, als im letzten Augenblick noch zwei Herren auf die Hinterplattform hinaufsprangen. Einer der beiden mußte jedoch wieder absteigen, da nur noch ein Platz frei war. Triumphierend blickte der „Glückliche", der als Erster den Wagen erreicht hatte, dem Absteigenden nach. In diesem Augenblick verließ ein dritter Fahrgast den Wagen. Schnell sprang nun auch noch der anfangs Zurückgewiesene auf. Der erste fixierte nun triumphierend den nach- gekommenen Heern derartig, daß dieser so erregt wurde, daß er Plötzlich ein Dolchmesser aus der Tasche zog und mit diesem seinen Rivalen in die Brust stieß. Als er nun sah, wozu er sich hatte hinreißcn lasten, sprang er schnell vom Wagen herunter und flüchtete. Der Getroffene versuchte, den Fliehenden zu folgen, brach aber auf der Straße bewußtlos zusammen. Als jetzt mehrere Personen hinzueilten, war der Täter bereits entkommen. * „Bevor ich sterbe, verhau' ich Dich noch!" Die Schlächtermeisterswitwe Charlotte Zimmermann in Berlin tötete gestern früh ihren Sohn, indem sie ihn durch das Fenster in den Hof warf. Dann stürzte sie sich selber in den Hof. Nahrungssorgen und Furcht vor Geistes krankheit sind die Motive der Tat. Die Mutter muß mit dem Sohn vom Sterben gesprochen haben, denn der fünf jährige Knabe sagte vorher zu einem Spielgefährten: „Bevor ich sterbe, verhau' ich Dich noch!" * Ein „Drückeberger". Eine heitere Episode soll sich dieser Tage auf dem Rathaushose in Höchst beim Ab holen einer Landwehrkompagnie zugetragen haben. Als die Kompagnie abmarschieren sollte, meldete ein Mann, daß in einer Ecke des Hofes noch ein Mann stehe, der dem Anscheine nach nicht mitgehen wolle. Ein Unteroffizier eilte schnellen Schrittes hin, um den „Drückeberger" ins Glied zu führen. Allein er kehrte unverrichteter Sache zurück, denn der „Drückeberger" war eine große Puppe, die beim Abrichten der Polizeihunde verwendet wird. Die Sache löste sich also in Wohlgefallen auf, der „Drücke berger" brauchte nicht mit zur Uebung, und mit lachendem Gesicht nahm die Landwehrkompagnie von ihm Abschied. * Münchner S-E-Marsch. „Was heißt da-, S-C?" so fragt beim Trefler, dem bekannten Trefflokale der Studenten in München, die Schokoladenverkäuferin bei Tietz, Fräulein Resi, ihren Kollegen, den Herrn Obernieder- maier Maxi vom steifleinenen Rayon. Es saßen noch mehrere Handlungshrrren mit ihren Matschackerln umanand. (Matschackerl ist wien-münchnerisches Volapük und bedeutet so viel wie Gschpusi.) „Also, was ist das, Münchner S-C-Marsch? S-E, das mußt Du doch wissen als Student!" so drängte das fragende Fräulein Reserl aber mals und äugelte dabei umher, ob man auch merke, wo für einen noblichen Kavalier sie habe. „O mei," ent gegnete der Herr Max leichthin und mit einer Ruck bewegung seines in eine Würgröhre von 12'/, Zentimeter Höhe eingezwängten Halses. „Dös san halt die Sanitärerer, die ausrucken oder umifahr'n, wenn wo was los is oder was passiert is." „Um Gotteswillen, sei schtill. Du blamierst oan ja," zischelte das Fräulein Reserl, mit einem eiligen Rundblick über sämtliche Nebentische. Dem schwer gekränkten Obcrniedermaier Maxi aber kam das Fräulein Cent von derselben Fakultät zu Hilfe, indem sie aufs eleganteste flötete: „Ja, ganz gewiß, S-C heißt Sanitäts - Colonne. Dös weiß ich von meinen früheren Schatz. Der war Dokter!" Das Menschenskelett im Fuchsbau. In Eilvese (Provinz Hannover) wurde in einem Fuchsloch unweit einer Scheune das Skelett eines Menschen und der Stiel einer Hacke, wie sie zum Plaggenhauen benutzt wird, gefunden. (Plaggen sind Stücke des Heidebodens.) Man bringt den Fund in Zusammenhang mit dem vor 21 Jahren erfolgten Verschwinden des ehemaligen Vorsteher- Schmädecke in Eilvese. Er verschwand damals plötzlich und man vermutete einen Mord, da die Annahme, seine Bücher seien nicht in Ordnung, als hinfällig erkannt wurde. Man glaubte, daß er heimlich nach Amerika ausgewandert sei. Die Frau des Schmädecke und ein Sohn leben noch in Eilvese. Die Rekognoszierung wird schwer sein, da nur einige Haare und die Stiefel als Anhaltspunkte dienen können, sowie die vielleicht als Mordinstrument benutzte Hacke. Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß er in den Fuchsbau hincingekrochen und dann darin erstickt ist. * Die Flucht des Hungerkünstlers. Au- Bochum in Westfalen wird geschrieben: Im Reichshallen theater produzierte sich seit einigen Tagen ein sogenannter Hungerkünstler, der sich bei einer Wette um 2500 M. anheischig gemacht hatte, 19 Tage lang bei Mineralwasser und schöner Aussicht in einem Glaskäfig zu fasten. Die Einmauerung des Hungervirtuosen ging in der üblichen feierlichen Weise vor sich, und das Fasten begann, nachdem ein Doktor der Medizin festgestellt hatte, daß der Gesund heitszustand des Mannes ein guter sei. Das Publikum verfolgte mit wachsendem Interesse den Verlauf der Hunger kur und prophezeite dem Glaskastenbewohner schon einen glänzenden Erfolg, als gestern abend plötzlich der ganze Zauber ein unvermutet schnelles Ende fand. Ein Gast des Reichshallentheaters ließ sich eine Portion große Bohnen niit Speck geben und beging die Unvorsichtigkeit, sich mit diesem Götterschmaus in die Nähe des Glaskäfigs zu setzen. Das konnte der Hungerkünstler, ein echter West fale, nicht lange mit ansehen. Er zerschlug die Glaswände seines selbstgewählten Kerkers und machte sich auf und Urirxrt -Bekanntmachungen. Dank. Zurückgekehrt vom Grabe meines lieben, viel zu früh Heimgegangenen Gatten, unseres lieben Sohnes, Bruders, Schwagers, Schwiegersohnes und Onkels, Kerrn Kugo ^unlsch, drängt es mich, allen lieben Freunden und Bekannten für die herzliche Teilnahme und den schönen Blumenschmuck, sowie dem „Militärverein Pieschen", den Gesangvereinen „Zephyr" und „Frohe Sänger", dem „Gastwirtsverein" und dem Schießklub „Gut Ziel" gleichfalls für den Blumenschmuck, für die ehren- volle Begleitung zur letzten Ruhestätte und für den erhebenden Gesang meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Insbesondere vielen Dank Herrn Pastor Freiesteden für die trostreichen Worte am Grabe, sowie Herrn Ur. Schaumann für seine aufopfernde Tätigkeit während seiner schweren Erkrankung. Dir aber, lieber Entschlafener, rufen wir ein „Habe Dank" >nd „Ruhe sauft" in die Ewigkeit nach Dresden-Striesen, den 6. Juli 1905. Markgraf - Heinrich - Straße 29, UI. Anna verw. Mmtsch, zugleich im Namen sämtlicher Hinterbliebenen »IMMer Gurten, Dresden. 's N Jluli IVOS 7 M lchtm ZchiMmP-Ksinlag »tt Uitsto-WMschrs <Zti-Kch 2 — geruchlos präpariert — Z Eintrittspreis ausnahmsweise SL 1*1 2 Bon nachm. L Uhr ab Großes Aonzert von der Kapelle de- 8 S. 1. (Leib-) Gren.-Regt Nr. 100 (Direktion: O. Herrmann). M sb21j »iS Vlrskttvn. herzlichster Dcrnk. Für die uns in so reichem Maße dargebrachten Glückwünsche, Geschenke und für die schöne Morgenmufik zu unserer Silbernen Hochzeit sagen wir der lieben Gemeinde, unseren lieben Freunden, Nachbarn und dem Spielklub unseren herzlichsten Dank. Reitzendorf, den 4 Juli 1905 AkNNlit Stadt Leipzig. " vrestNev-IV., QelpLtxvr 8tr»88« 7V. - Sonntag und Montag Kroße MiLitär-Wcrllmukrk von der Kapelle des Tromptterkorps des 1. Feldartillerie-Regiments Nr. 12. WW^ Militär sreien Gintritt. "WA Es ladet ergebenst ein krlestrleN Besitzer. Neue Kapelle! Neue Kapelle! Wilder Mann. Heute sowie jeden Sonntag und Montag Wie MiMl-WmW mit Kimtkl von der Kapelle des 4. Artillerie-Regiments Rr. 48. Montags Vis 10 Ahr Hanrverein SV Uf. — Eintritt frei. Weu! Weu! Saal mtt Veranda! Saal mit Veranda! st6j Hochachtung-voll G. Opitz.