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Nr. 67. — 8. Jahrgang. Der jeden Wochentag Abend (mit Datum de« folgende» Tage«) zur Versendung gelangende „Sächsische LandeS-Anzetgrr" mit täglich einem besonderen Unter- haltnnatbiatteund mit dem Extrabeiblatt Lllstige» tiliderbuch kostet bei den Ausgabe« pellen monatlich 70 Psg., bei denPost-Anst. 75 Pf. (1888er ZtgS.-ßreisliste Nr. 5085.) ür Abonnenten ers Sächsischer 3ll«strltter3ahrerb»ch»er L'NlL >en Laiidbite». udti-llnjeiger«. mit „ChemZritzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen nnd Thüringen. Mittwoch, 21. März 1888.' >n,eI,en»reirde«..Silchf.ran»er.An,elgee«"r Raum einer schmalen TorpnSzeile lo Pfg. Bevottugt, Stelle (Isvalt. Petitzeile) SV Pf. B eiWi ederholung grober Annoncen Rabatt. Bei Bestellungen von AnSwärt« wolle man JnsertionSbetrag (in Brief,narken) beifügen tl« 8 Silben TorpuSfchrist bilden ca. IZeile.) Annoncenannahin« nur bi» Vormittag. KM: MM» Mit. «»chdnilkerei. Eliemnitz. Dbeaterstratze 5 (Femfvrechstelle Nr. ISS). Delegr -Adr-: LandeS-Anzriger, Lhenmltz. Mit täglich einem besonderen 4. Sächsisches Allerlei - Unterhaltungsblatt: i. Kleine Botschaft — 2. Sächsischer Erzähler — 3 Sächsische Gerichts-Zeitungo s. JllnsirirteS UnterhaltnngSblatt — 6 Sonntagsblatt — Ertra-Beiblatt: LusiigeS Bilderbuch« ! Abonnement für das II. Quartal. ' Der Sächsische LandeS-Anzeiger bringt in seinem UnterhaltungStheile im nächsten Quartal zunächst den äußerst spannende» Sensations-Roman von Lriedr Berner: Im Unheimlichen HttUfe, sowie im weiteren Verlauf des Quartals die Erzählungen: Unter dem erzogsmantel von R. Ortmann, SnzonS Ende von E. Peschkau und « den Höllengrund. Für die „Kleine Botschaft" sint sür's nächste Quartal gelegentlich der im in Chemnitz stattfindenden Aufführungen des Devrienflschen Luther-Fest es in Aussicht genommen: Artikel über die Zeit der Reformation mit den ildern der bedeutendsten damaligen Zeitgenossen. Fernerbringen wir Schil derungen der Bewegung im Jahre 1848 mit Bildern der damals in den Vordergrund getretenen Männer. Für den „Sächsischen Erzähler" sind abermals eine Reihe sächsischer und thüringischer Erzählungen, Sagen und Schilderungen zum Abdruck erworben worden. Als Haupt-Erzählung nennen wir: Verschmähte Lieb« von W. Schilling. Im „Jllustrirten Unterhaltungsblatt" erscheinen im nächsten Quartal neben verschiedenen unterhaltenden kleinere» Erzählungen der Roman: Gesucht und gefunden' von V. Redclifse und die Novelle: Die zwei Schwestern von L. Kimmich mit zugehörigen Illustrationen. Im Monat Mai wird außerdem noch als Extrabeigabe allen Abonnenten -Vollständig gratis geliefert: Eisenbahn-Fahrplanhest für Sachsen (Sommer-Halbjahr 188»). Dieses EisenSahn-Fahrplanhest ist in Umschlag gehestet und enthält in sauberem deutlichen Druck die Fahrpläne sämmtlicher Strecken des sächsischen Eisenbahn-Netzes nebst den Anschlüsse» sowie mit Angabe der Entfernungen nnd der Fahrpreise. Preis dieses Heftes sür Nicht-Abonnenten 20 Psg. Ferner erhält jeder neubcitretende Abonnent, welcher die Abonnements Quittung sür das am 1. April beginnende 2. Quartal (Post-Abonnenten wollen lO-Pfg.-Marke für Porto beifügen) direct an die Verlags-Expedition einsendet, vollständig gratis geliefert: 1. Jllustrirter Kalender für 1888, 84 Seiten 4° mit Oeldruckbild, Almanach, Kalendarium, Märkte-Verzeichniß; reich-illustrirtcm umfangreichen humoristische» Thcil nnd fesselnden Erzählungen. (Preis sür Nicht-Abonnew len 40 Psg.) 2. Des Sächsischen LandeS-AnzeigerS JllnsirirteS JahreSbuch für 1888; 64 Seiten gr. 8° mit Almanach und vielen Erzählungen und Bildern. (Preis für Nicht-Abonnenten 40 Psg.) 3. Eisenbahn-Fayrplanheft für Sachsen (Winter-Halbjahr 1887/88) 40 Seiten stark, enthält die Fahrpläne des sächsischen Eisenbahn-Netzes nebst Anschlüssen, Angabe der Entfernungen und der Fahrpreise. (Preis sür Nicht Abonnenten 20 Psg.) Für das am 1. April beginnende neue Quartal nehmen die Ausgabestellen ln Chemnitz und Umgegend zum Preise von 210 Psg., (die Postanstalten zu 225 Psg.) Abonnements-Bestellungen aus den Sächsischen Landes-Anzeiger mit sämmtlichen 7 Beiblättern entgegen. Der Sächsische Landes-Anzeiger ist in der deutsche» Post-Zeitungs-Preis liste für das Jahr 1888 unter Nr. 5035, (in der österreichischen unter Nr. 2307) -eingetragen. Abermaligen zahlreiche» Beitritt neuer Abonnenten erbittet die Verlags-Expedition des Sächsischen Landes-Slnzeigers. Um Verwechslungen zn vermeiden, werden Post-Abonnenten «rsucht, bei Bestellung freundlichst genau zn verlangen: den in ChöMNih erscheinenden „Sächsischen Landes - AjttZeigev" (Nr. 5035 der 1888er Post-Zeitungs-PreiSliste). Telegraphische Nachrichten. Vom 19. März. Nom. Nach besten Informationen erklärt die Tribuna, daß die Zurückziehung der Truppen aus Afrika direkt bevorstehend sei. Nur ein Spezialkorps unter General Gens und die Besatzung der Stadt Massauah unter General Lanza sollen zurückbleiben. — Das selbe Blatt weist auf die bedenkliche Aufregung der französisch-italie nischen Grenzbcvölkcrung hin, welche geschürt werde durch die Agi tation der klerikalen und der gemäßigten Presse der beiderseitigen Grenzorte. — Kardinal Howard ist geisteskrank geworden und wird in ein Irrenhaus in Frankreich gebracht werden. Paris. Wie in Marseille, so findet in Aude und in Aisne die Kandidatur Boulangers lebhaften Widerstand. In ersterem De partement hat sich gestern ein radikales Wahlkomitce gegen ihn ent- Von Geschlecht zu Geschlecht. Erzählung von W- Widder». Fortsetzung. Nachdruck verboten. „Das war wohl nur eine Folge seines guten Glückes, aber nicht Lie eines Restes von Gewissen und Ehrenhaftigkeit!" brauste Lotte La auf. „Graf Golo von Görgcnstcin wußte jedenfalls nicht, ob dazumal seine erste Frau schon gestorben, — im Armen-Jrrenhause, Frau Baronin, — oder —" Das alte Fräulein machte plötzlich eine Pause. Ihre leidenschaftlich funkelnde» Augen waren den flehenden Blicken Gittas begegnet. Nun beugte sie sich nieder, und ihre zittern den Arme um die Schultern beider Mädchen schlingend, setzte sie be ruhigend hinzu: „Aber es ist abscheulich, — so recht altjüngferlich gehässig, daß ich Euch unschuldigen Kindern auch noch den letzten Funke» von Glauben an die Rcchtichasfcnheit Eures Großvaters nehme! O Gott, ja, nnd ich will versuche», vhne Haß an ihn zu denken, und mich schon glücklich schätzen, daß ich endlich das holde Bild meiner Mutter von allen Flecken befreit sehe. Nach dem Namen der Gör genstein verlangt es mich nicht, ich bin zufrieden mit dem, den mein Pflegevater mir gegeben. „So, und nun mag die alte Geschichte auch begraben sein für alle Zeit. Freilich, das eine erbitte ich mir noch, und zwar von Dir, meine kleine Angelica! Das Portrait der armen Julia darf vorerst nur ihrer Tochter gehören und erst nach meinem Tode in andere Hände kommen. Wenn es also wieder in Deinem Besitz ist, über- gicbst Du es mir wohl, damit ich ihm nach unserer Rückkehr in den Klostcrhof einen Ehrenplatz neben meinen Büchern anweisc." «Ja, ja, gewiß, Dein Wunsch soll erfüllt werden, Du liebe, herzige, gute Tante!" erwiderte Angelica, welche unter de» Aufreg ungen der letzten Stunden ganz ihren eigenen Kummer vergessen hatte. Zum ersten Male hörte sich die Greisin auf das vertrauliche Du, welches sie selbst gebraucht, nun bei dem Namen nennen, der ihr doch rechtmäßig gebührte. Mit einem herzbezwingenden Laut der Freude begrüßte Lotte das trauliche Wort. „Tante, Tante," wiederholte sie, während es wie lichter Sonnenschein über daS gelbe, gefurchte Gcsichtchen glitt, das alle Tage kleiner zu werden schien. „Ach, Kinder!" setzte sie dann hinzu: „Ich bin nun doch «m vieles glücklicher als früher! schieden; in letzterem veröffentlicht das republikanische Comitee von Laon einen Protest gegen eine Manifestation für den General. In der Kammer wird vielleicht heute von opportunistischer Seite die Re gierung über Boulanger interpellirt werden. DaS Ministerium selbst wünscht nicht, wie man zuverlässig erfährt, eine Interpellation, weil es, um Beweise für die Schuld Boulangers zu liefern, bekennen mußte, das Briefgeheimniß verletzt zu haben. Politische Rundschau. Chemnitz, den 20. März. Deutsches Reich. Aus Charlottenburg wird der „Nat.-Ztg." über daS Befinden Kaiser Friedrichs geschrieben: „In der Nacht zum Montag war der Schlaf mehrfach unterbrochen. Die Absonderung war am Montag geringer, als in den letzten Tagen, aber immer noch gefärbt. Das Befinden ist im Allgemeinen relativ befriedigend, der Appetit ziemlich rege und der Schlaf trotz der durch die Abson derung bedingten Unterbrechungen immerhin ein erquickender zu nennen. Bewundert wird der außerordentliche Fleiß und die Arbeitskraft, welche der Kaiser auf die Erledigung der Regierungsgeschäfte verwendet. In folge dieser seine Kräfte oft übersteigenden Anstrengung fühlt er sich zuweilen matt »nd abgespannt; dann erholt er sich durch einen kurzen Schlaf am Nachmittag und begiebt sich wieder an seinen Arbeitstisch, Der Kaiser besitzt die Eigenschaft, trotz seines leidenden Zustandes die infolge der vielen Arbeiten und Empfänge eintretende Ermattung leicht zu überwinden und in kurzer Zeit die geistige Elastizität wieder zu erlangen. Am letzten Sonntag wurde auf Wunsch des Kaisers auch Geheimrath von Bergmann zur Konsultation der Acrzte zuge gezogen, welcher auch i» Zukunft von Zeit zu Zeit nach Charlotten burg berufen werden soll. Am Sonntag Vormittag wohnte der Kaiser in der Schloßkapelle dem ganzen Gottesdienst in einem Sessel sitzend bei. Das Aussehen des Kaisers war nach Ansicht der Anwesenden verhältnißmäßig gut, jedenfalls besser, als man erwartet hatte." Am Sonntag Nachmittag empfingen beide Majestäten die nach Berlin ge kommenen Vertreter fremder Staaten, sowie Deputationen der russi schen und österreichischen Regimenter. Um 3 Uhr hielt Graf Herbert Bismarck Vortrag. Montag arbeitete der Kaiser mit dem Geh. Rath von Wilmowski. Die fürstlichen Trauergäste haben jetzt, bis auf die Verwandten, sämmllich Berlin wieder verlassen. — Kronprinz Wilhelm empfing im Schlosse eine Deputation der in Moskau lebenden Deutschen. — Der Kaiser arbeitete Montag noch mit Justizminister von Friedberg. Von einer neuen kleinen Operation zur Beseitigung der durch die Geschwüre losgelösten und abgestorbenen Kehlkopfknorpel soll die Rede sein. Glaublich klingt das nicht recht, denn die Knorpel werden meist ganz von selbst durch den Auswur' beseitigt. Zur Benachrichtigung von der Thronbesteigung des Kaisers Werden eine Anzahl hoher Militärs die europäischen Höfe besuchen, — Vom Montag Abend wird aus Charlvttcnburg noch berichtet, daß an diesem Tage das Befinden des Kaisers befriedigend, am Sonntag vorzüglich war. — Die Kaiserin hat einen leisen Schnupfen. Beim Gottesdienst am Sonntag erzählte die Kaiserin, der Kaiser merke ja den Klima-Unterschied, aber sein Pflichtgefühl hebe ihn über manches Unangenehme hier fort, — Generalfeldmarschall Graf Blnmcnthal ist vom Kaiser Friedrich empfangen worden und hat seinen Dank für die Beförderung ausgesprochen. Die Nachrichten, welche von einer schweren Augen krankheit des Generals berichteten, sind unbegründet. Vor 20 Jahren hatte GrasBlumenthal ein Augenleiden, das ist aber längst auscurirt. — Kaiser Friedrich hat die landesherrlichen Rechte des Statt halters von Elsaß-Lothringen, welche durch Kaiser Wilhclm's Tod erloschen waren, bestätigt, ebenso hat der Kaiser eine überaus herzliche Proklamation an die Bevölkerung des Rcichslandes gerichtet. — Der Rcichsanzeigcr bringt folgende Erlasse: Sr. Majestät dem Kaiser und König sind ans Anlaß des Dahinscheidens Sr. Majestät des in Gott ruhenden Kaisers und Königs Wilhelm aus allen Tbeilen des deutschen Reiches von Städten, Landgemeinden, Corporation«», Vereinen, insbesondere auch Kriegcrvereinen und Privatpersonen Beileids- und Huldigungstelegramme und Zuschriften in außerordentlich großer Zahl zugegangen. Se. Majestät sind von diesen Kundgebungen treuer Anhänglichkeit und Liebe in diesen für Allerhöchstdenselben so schmerzlichen Tagen tief gerührt gewesen, von Pnttkamer.—Die erhabenen Kundgebungen der Trauer und Theib nähme bei dem Hinscheiden Meines in Gott ruhenden Gemahls, de» Kaisers und Königs Wilhelm, Majestät, legen das letzte ergreifende Zeugniß dafür ab, was Er dem Vaterlands, was Sein vom All mächtigen begnadetes Leben für die Welt gewesen ist. Die über wältigende Macht dieser weit umfassenden Liede und Verehrung für unseren, zur ewigen Heimath eingegangenen lieben Herrn läßt Mich, die Gefährtin Seines Lebens, an Sie die Bitte richten, den Dank für Alles öffentlich auszusprechen, waS Ihm in der pflichttreuen, gottesfürchtigen Erfüllung Seines verantwortlichen Berufes, was Mir nach Seinem friedlichen Scheiden in der Schwere meines Leid» an unzähligen Beweisen solcher ehrenvoller Gesinnung au» Deutsch land und dem Auslande dargebracht worden ist. Worte versagen für die Tiefe Meine» Schmerzes, wie sür die Fülle Meines Dankes. Möchten ihn Alle, die mit Mir trauern, so aufnehmen, wie mein wundes Herz denselben Allen, vom Höchsten bis zum Geringsten, entgegenbringt. Was mir an Kräften verbleibt, soll dem Vorbild und dem Vermächtniß dessen geweiht sein, dem zur Seite zu stehen Mir vergönnt gewesen ist. An den Reichskanzler. Berlin, den 18. März 1888. Augusta. — Preußischer Landtag. Unter dem Vorsitze des Herzog» von Ratibor fand gestern die bereits angekündigte gemeinschaftliche Sitzung beider Häuser statt. Kurz nach ^2 Uhr wurde die Sitzung eröffnet. Gleich darauf verlas Fürst Bismarck unter nur wenigen Worten folgende Botschaft des Königs: Wir Friedrich von Gottes Gnaden König von Preußen rc. thun kund und fügen hiermit zu wissen: Nachdem es Gott gefallen hat, nach dem Hinscheiden Seiner Majestät des Kaisers und Königs Wilhelm, Unseres vielgeliebten Herrn Vaters, Uns auf den Thron Unserer Vorfahren an der Krone zu berufen, entbieten Wir dem Landtage Unserer Monarchie hierdurch Unseren Gruß. Die Gesinnungen und Absichten, in welchen Wir Unsere Regierung angctreten haben, die Grundsätze, nach denen Wir Unseres königlichen Amtes walten wollen, haben Wir Unserem ge treuen Volke verkündet. In den Wegen Unseres glorreichen Herrn Vaters wandelnd, werden Wir kein anderes Ziel Unseres Streben» kennen, als das Glück und die Wohlfahrt des Vaterlandes. In ge wissenhafter Beobachtung der Verfassung, unter Wahrung der Macht sülle der Krone, im vertrauensvollen Zusammenwirken mit der Lande»- Vertretung hoffen Wir dieses Ziel unter Gottes Beistände zum Heile des Vaterlandes zu erreichen. Wir sind Uns der »ach Art. 54 der Verfassung Uns obliegenden Pflichten voll bewußt. Da jedoch Unser Gesundheitszustand Uns zur Zeit nicht gestattet, dieser Verpflichtung persönlich nachznkommen, Wir aber das Bedürfnis fühlen, »»verweilt Unsere ohnehin keinem Zweifel unterworfene Stellung zu den Ber- sassungsordnnngen des Landes vor der Volksvertretung zu bekunden, so geloben Wir hiermit schon jetzt, daß Wir die Verfassung Unsere» Königreiches fest und unverbrüchlich halten und in Uebereinstinimung mit derselben und den Gesetzen regieren wollen. Eharlottenburg, 17. März 1888. gez. Friedrich, (ggz.) Fürst v. Bismarck, v. Pnttkamer. v. Maybach. Lucius, v. Friedberg. v. Boetticher. v. Goßler. v. Scholz. Bronsart v. Schellcndorf. Hierrauf hielt der Präsident eine kernige Ansprache, die mit einem Hoch auf den König Friedrich endete; dann erfolgte der Schluß der Sitzung. — Die vorstehende Pro lamation Kaiser Friedrichs an die preußische Landes vertretung, durch welche er den vorgeschricbenen Eid aus die Verfas sung ablcgt, da ihn das Halsleiden am persönlichen Erscheinen hindert, ist eine würdige Ergänzung des Aufrufes „An mein Volk!". Ver fassung, Recht and Gesetz stellt der Kaiser auch hier oben an, auch Pier zeigt sich deutlich der in dem Aufruf so erhebend ausgesprochene feste Wille, das Glück des Vaterlandes durch kräftige Fricdensarbeit zu fördern. Darum wird diese Landtags-Proklamation auch außer halb Preußens eine begeisterte Aufnahme finden und aller Orten von Neuem den Segenswunsch wecken: Gott schütze Kaiser Friedrich. Wenn Ihr mich auch immer als ein liebes Familienmitglied behan delt habt, so mußte ich das doch stets als eine besondere Huld von Euch aufnehmen. Jetzt weiß ich aber, daß ich zu Euch gehöre und auch in meinen Adern das Blut der Görgensteins fließt." Wenn die so folgenreiche Kur Or. Bellonis nicht noch einen längeren Aufenthalt der Familie im Süden beansprucht haben würde, so hätte Frau Mathilde jedenfalls den Aufbruch veranlaßt. Wurden doch die Nachrichten über das Umsichgreifen des Fiebers, dem vor nehmlich Ausländer zum Opfer fielen, in der Umgegend immer be ängstigender. und leider begünstigte die Witterung diesen Umstand in recht bedenklicher Weise; denn schon seit acht Tagen regnete es unaus gesetzt, und die Luft war so kalt, daß die Damen bedauerten, nicht ihre Pelze mitgcbracht zu haben. Und um so empfindlicher wurde diese Kalamität, als die Fußböden der Villa von Stein waren, die Fenster aber bis zum Boden hinabreichten. Dabei gab es weder Ocfcn noch Kamine, und die Damen mußten ihrer alten, italienischen Hnusvorstehcrin Signora Anunziata noch Dank wissen, daß sic ihnen große Kohlenbecken herbcischaffte, über denen sic doch wenigstens die erstarrten Hände wärmcn konnten. Trotz des abscheulichen Wetters kam aber Belloni olle Tage zu ihnen heraus, um seinen übernommenen Pflichten zu genügen. Doch eine Scene, wie die war, welche wir unseren verehrten Lesern bereits geschildert, wiederholte sich nicht mehr zwischen Arzt und Patientin. Der Doktor trat jetzt auch nicht für die Dauer einer Minute aus seiner kühlen, vornehmen Ruhe heraus. Selbst der immer augenfälligeren, fortschreitenden Genesung Komtesse Gittas gegenüber, welche von der Baronin »nd den übrigen Glieder» der Familie wie ein Gnaden geschenk Gottes ausgenommen wurde, behielt er seine starre Gemessen heit. Nnr wcun er sich ganz unbeachtet wußte, hingen die Augen Belloni's so heiß, sehnsüchtig und zärtlich an dem lieblichen Gesichichen seiner Patientin, daß diesen Blick wohl Niemand in den düstere», graue» Augen gesucht haben würde. Aber Gitta sah doch nur die gleichgültige Miene des DoctorS, hörte nur den leidenschaftslosen Tonfall seiner Stimme, nachdem sie einmal das mächtige Auge des bewunderten, glühend verehrten Mannes aufleuchtcn gesehen in heißer, inniger Zärtlichkeit für sie, nachdem sie einmal diese leise, klanglose Stimme vibriren gehört, das Aufjauchzen fast i» dem Nus: „Gitta, theure Gitta!" Das arme Kind litt furchtbar. Ja, je mehr sie körperlich gr ündete, desto elender fühlte sie sich seelisch, ohne doch Jemandem zu verrathen, wie sie innerlich kämpfte. In einer stillen Stunde aber, als die beiden jungen Schwestern allein in' ihrem luxuriösen Schlafzimmer waren, während sich die Baronin im Wohnzimmer vergebens bemühte, Tante Lotte dazu zu bewegen, das Görgenstein'sche Erbe mit ihr und de» Kindern zn theilen, schmolz das Eis von Gitta's Brust. Es war sonst nicht Angelica's Art, sich gewaltsam in irgend Jemandes Vertrauen zn drängen; aber wie sie auch heute wieder die Schwester in ihrem Bette weinen hörte, da sprang sie leichtfüßig aus dem eigenen heraus und trippelte mit den nackten Füßen geschwind nach der gegenüberliegende» Wand, wo Gitta's Ruhebett stand, da» sie auch Nachts benutzte. „Gitta, liebe Gitta!" flüsterte die Cvmtesse jetzt und kniete auf dem weichen Bärenfell nieder, das vor dem Lager ausgebreitet lag. „Gitta, Du weinst schon wieder! Oeffne mir doch Dein Herz» Schwesterchen!" hauchte sie dann schmeichelnd, während ihre weichen Hände kosend über das thränenüberfluthete Gesicht der Weinenden glitten. „Mir kannst D» ja Alles anvertrauen, ich bin verschlossen wie das Grab, wenn cs sich um Anderer Geheimnisse handelt. Ach» und glauben darfst Du mir auch, es ist nichts tröstlicher im Leid, als wenn man sich ausspreche» kan»." „Du hast Recht, Schwester!" flüsterte Gitta, dann lehnte sie ihren Kopf an den Angelica's, und nun gestand sie leise, zögernd, daß auch an ihr sich das ewige Gesetz der Liebe erfüllt habe, aber auch ie hoffnungslos und unglücklich sei. „Getheiltcs Leid ist halbes Leid!" Es giebt kaum ein wahrere» Sprüchwort als dieses. Im Ausspruch ihrer Gefühle, in dem Erguß der jungen Seelen ineinander und der festen Ueberzeugung, daß eine die andere verstand — verstehen mußte, fanden die Schwestern Trost. — Von nun an ging auch kein ungestörtes Beisammensein vorüber, ohne daß sie von den Geliebten sprachen. Während aber Gitta für den Doctor schwärmte, der trotz seines düsteren Wesens doch nie in Härte und Rauhheit verfiel, und dabei angstvoll fragte: „Aber wa» ist ihm nur, weshalb verrieth er sich mir, wenn er gleich darauf doch wieder in Abgemessenheit und Kälte versinken wollte?" erging sich Angelica in tausend Variationen über da» Thema: „Alfonso hat mich