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Nr. 23S. — 8. Jahrgang. Der jeden Wochentag Abend (mit Datum des folgenden Tages) zur Versendung gelangende „Sächsische Landes-Anzriger" mit täglich einem Extra-Beiblatt: 1. Kleine Botschaft s. Sächsischer Erzähler s. Sächsische SerichtSzeitung 4. Sächsisches Allerlei b. Jllustrirtes Untrrhaltungsblatt 6. Sonntagsblatt 7. Lustiges Bilderbuch loslci bei den Ausgabestellen monatlich 70 Pfg., bei den Post-Anstalten 7:> Psg. (Post-ZeitungS-Preisliste Nr. Mb.) Sächsischer Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. Verlags-Expedition: Alexander Wiede, Buchdrnckerei, Chemnitz, Theaterstratze Rr. S. Fcrusprech-Anschluß Nr. 136. — Telegramm-Adresse: Landes>Anzeiger, Chemnitz. Frettag, 12. October 1888. von den Hanptblättern de» „Sächsischen LandeS-AnzeigerS" erscheint (ohne dessen tägliche Extra-Beiblätter) eine billigere Sonder-AuSgabe unter dem Titel: Chemnitzer General-Anzeiger für monatlich nur 50 Pfg. mit Zuträger»; außerhalb Chemnitz monatl. 57 Pf. »l. Ztk. (Zeitungs-Preisliste v. Nachtr. Nr. 1250a.) Für Abonnenten erscheint je einmal im Jahr! Sommer-Cisenbahnfahrplanheft für Sachsen. Wiiiter-Elsrnbahnsahrvianheft für Sach en. Jllustr. «alendrr der Sächsischen Lanbdo e». Jllustrirtes Jahres buch des iiaudes-tliijeigerS. Aiizrigrnprcis: Raum einer schmalen Corvuszeile 15 Pfg. — Bevorrngte Stelle (tspaltige Petitzeile) 30 Pfg. — Bei Wiederholung großer Anzeigen Preisermäßigung. — Bei Bestellungen von Auswärts »volle inan den Einrückungsbetrag (in Briefmarken) beifügen «je 8 Silbe» Corpusschrist bilden ca. 1 Zeile) — Aiizeigen könne» nrrr bis Vormittag angcnouime» werden, da Druck und Verbreitung der großen Auflage längere Zeit erfordern. — Tie Anzeigen finden ohne Preisaufschlag gleichzeitig Verbreitung durch den „Chemnitzer General-Anzeiger" (billigere Sonder-Ausgabe der Hauvtblätter des „Sächsischen Landes-Anzeigers" ohne dessen tägliche Extra-Beiblätter.) Neueste Nachrichten. Sofia, 10. October. Zufolge Nachrichten, welche der bul garischen Regierung und diplomatischen Kreisen ans Konstnntinopel zugegangen sind, hat Rußland neue Vorschläge in Betreff Bulgariens den Signatarmächten unterbreitet. Darnach verlangt Rußland jetzt nur die Einsetzung einer ans Mitgliedern aller Parteieil zusammen gesetzten Regierung, die Entsendung eines türkische» Commissars, die Ausschreibung von Neuwahlen zur Sobranje und eine Fitrstcnwahl. Rom, 10. October. Der Botschafter Graf Solms reiste dem Kaiser Wilhelm entgegen, dessen Ankunftsstunde noch unbestimmt ist. Wagen und Pferde für den Besuch des Papstes langten heute früh an. Eine begeisterte Stimmung herrscht in der Stadt, die schon heute eine» prächtigen Eindruck macht. Die Atientatsgerüchte werde» nun als völlig »»begründet bezeichnet. Das unbcständige, vielfach regnerische Wetter macht Aenderungen des Programms nothwendig. Wahrscheinlich wird die Parade wegsallen. — Die Verhaftung einiger Hundert von Angehörigen der Maffia in Palermo entbehrt des poli tischen Beigeschmackes Es ist eine Aufhebung von Banditen en müsse, welche der fortwährenden Unsicherheit auf der Insel Sizilien ein von Allen ersehntes Ende machen dürste. (S. unter „Italien".) Petersburg, den 11. October. (Drahtbericht unseres Anzeigers.) Die Königin von Griechenland ist gestern Abend mit dem jüngst geborenen Prinzen in Begleitung ihrer Mutter und ihres Bruders Demetrius nach Odessa abgereist. Aus Tiflis wird gemeldet: Das Kaiserpaar empfing in feierlicher Audienz den außerordentlichen persischen Gesandten. Die Bevölkerung hat dem Kaiserpaar einen glänzenden Empfang bereitet. Der grusinische Adel bildete Ehren wache. Auf die Huldigungsansprachc des Avelsmarschalls erwiderte der Kaiser, er zweifle nicht an der unveränderlichen Ergebenheit des heldenmüthigen grusinischen Adels. Politische Nundschan. Chemnitz» den 11. October. Deutsches Reich. Am Mittwoch Vormittag sollte bei Schloß Mürzsteg in Steiermark die letzte Jagd unter Anwesenheit Kaiser Wilhelms statlfinden, allein das Wetter war dermaßen schlecht, daß die Jagd abgesagt wurde. Der Kaiser hat »nährend des ganzen Aufenthaltes in Steiermark 4 Gemsen und 8 Hirsche geschossen; das ungünstige Wetter hat eben die diesjährigen Jagdresultate arg be einflußt. Am Mittwoch Morgen arbeitete der Kaiser längere Zeit mit dem Grafen Herbert Bismarck, welcher am Abend vorher in Mürz sieg eingetroffen war, und „ach eingenommenem Frühstück trat die ganze Jagdgesellschaft die Abreise an. In Nenbcrg und Mürz Zuschlag wurden die Majestäten von der »veit und breit zusammen- geströmten Volksmenge begeistert begrüßt. Eine kleine Mahlzeit fand dann statt. Ueberaus herzlich war der Abschied der beiden Kaiser von einander. Kaiser Wilhelm sprach nochmals seinen herzlichen Dank für Alles aus, was er 'während seines Aufenthaltes in Oesterreich erfahren, Kaiser Franz Joseph drückte die Hoffnung ans, der hohe Gast werde auf der Rückreise von Rom nach Berlin noch mals in der Hofburg mit vorsprechen. Die vom deutschen Kaiser in der vorigen Woche bewohnten Räume sollen bis ans Weiteres unverändert bleiben. Kaiser Wilhelm verabschiedete sich auch vvn dem König von Sachsen und den übrigen hohen Herren in freund lichster Weise, umarmte nochmals den österreichischen Kaiser und bestieg daun den aus Wien gekommenen Extrazug, in welchem sich auch sein Gefolge befand. Unter fortwährenden Grüße» der Majestäten und donnernden Hochrufen der Volksmenge verließ der Zug den mit einer herrlichen Blumendekoration ausgestatteten Bahnhof. Das Der Geistersee. Original-Novelle von Gustav Höcker. Fortsetzung. Nachdruck verboten. „Nicht vergebens bist du gekommen," redete die Erscheinung weiter. „Die Geister des Sees sind erzürnt, denn unicr de» Menschen geht die trügerische Rede, es habe ein Mann, den du kennst, in diesem See seinen Tod gesucht. Niemand aber lügt sich ungestraft unter die Opfer dieser Tiefe hinab. Wir nehmen ihn beim Worte und ziehen ihn hinunter, ob er auch am Ende der Welt wohne. Nur du vermagst ihn vor diesem Schicksale zu retten. Dreimal muß deine Stimme den falschen Namen rufen, unter welchem der Frevler unter den Lebenden wandelt; dreimal mußt du die Stätte nennen, wo er weilt, damit er frei sei und die Lüge im See versinke". „Versinkei" hallte es vom Felsen herüber. „Versinke!" rief es, wie in weiter Ferne ersterbend. Schratt kämpfte mit sich selbst, welche Antwort er geben solle. Wenn dies Menschentrug war, so beging er einen Verrath an Zelter. Dennoch konnte er nicht umhin, diesen Gedanken von sich avzuweisen. Keinem Sterbliche» außer ihm war es vertraut, daß der Maler nicht im See ruhte. Das konnte wirklich die Mahnung jenes überirdischen, von ihm nie angezweisclten Wesens sein. Noch schwankte er, was er thun solle, als cs Plötzlich in den Erle» knisterte und ein an ihm vorüberfliegcnder schwarzer Schatten sich auf die Erscheinung stürzte. Mehrere Augen blicke stand Schratt entsetzt und regungslos. „Verrath! Hilfe!" ertönte es vom Ufer und ein Echo gab die lnfc des anderen weiter. In der Richtung, von Welcher jene schwarze Schatten heran- gcglittcn war, schloß sich an das Erlengehölz der das Fclsengcstadc einhüllende Wald an, und dort zeigte sich jetzt ein Lichlschimmer, der rasch näher kain und von einer Kicnfackcl herrührte. „Zelter!" kam es über Schratt's Lippen, als er im Scheine de« dunkclrothen Lichtes die Züge des herbeistürzcndcn Fackelträgers er kannte. Ohne zu antworten, eilte dieser nach der Uferstclle, wo zwei weibliche Gestalten in heißem Ringen am Boden lagen. „Herbei, herbei mit dein Lichte, daß es in das Gesicht einer abgefeimten Diebin leuchte!" Hörle Schratt eine athcmlose Stimme rufen, in welcher er sofort diejenige Fanny'« erkannte. „Ich habe Wetter war schön bei der Abfahrt. Kaiser Franz Joseph und König Albert von Sachsen fuhren mit ihrer Begleitung nach Schloß Schönbrunn bei Wien zurück» wo die Ankunft am Abend erfolgte. Dem deutschen Kaiser wurden in Bruck und Villach, wo Prinz Heinrich sich seinem kaiser lichen Bruder anschloß, von der Bevölkerung Ovationen barg-bracht, auch die Behörden begrüßten den Monarchen. Bei Pontebba überschritt der Zug die italienische Grenze und hier wurde der erste Aufenthalt auf italienischem Boden genommen. Der Bahnhof in Pontebba war prachtvoll ausgestattet und glänzend durch mächtige Kandelaber, bengalisches Licht erleuchtet. Im Innern des Stationsgebäudes waren aus den kahle» Räumen zwei prunkvolle Säle geschaffen, in de» deutschen Reichssarben gehalten, fürstlich ansgestattct und mit herrlichen Pflanzen- und Blumenschmuck versehen. Das gcsammte italienische Grenzpcrsonal, auch die Spitzen der Civilbehörden waren in großer Gala erschienen. Der Kaiser war sichtlich angenehm von den brausenden Evviva-Rnfe» berührt, er dankte wiederholt in liebens würdigster Weise und nahm dann die officielle Begrüßung durch den Grasen Solms, einen Generaladjntanten König Humbert's und die Behörden entgegen. Nach der Vorstellung der dem Kaiser zngetheilten Ehrcnkavaliere wurde in de», eigens hcrgcstcllten Speisesalon ei» Diner eingenommen, zu welchem die italienischen Herren, die nähere Umgebung des Kaisers, die österreichischen Kavaliere geladen waren. Nach der Tafel verabschiedete sich der Monarch von den österreichischen Herren, dankte den lokalen Behörden für den herzlichen Empfang, und setzte dann unter enthusiastischen Zurufen die Reise fort, deren Endziel, Rom, heute Donnerstag Nachmittag »ach vier Uhr erreicht wird. Längerer Aufenthalt wird unterwegs nicht mehr genommen. — Die deutschen Bewohner von Nom werden am Sonntag Kaiser Wil helm eine knastvvlle Adresse überreichen, in welcher der Freude über den Besuch des Kaisers in Rom und der festen Anhänglichkeit an das deutsche Reich Ausdruck gegeben wird. Mit Glück und Segens wünschen für den Kaiser schließt das Schriftstück. — Ein unerwarteter Erfolg. Unter dieser Ueberschrift schreibt die „Köln. Ztg." Folgendes: Wenn die gegenwärtige Strömung der öffentlichen Meinung in Rußland Vorhalt, so hat die Veröffentlichung des Tagebuches des Kaisers Friedrich ein erfreuliches Ergebnis) erzielt. Es geht den Russe» nämlich die Sonne des Erkcnnens auf und die Wahnvorstellung, als sei Fürst Bismarck der Mittelpunkt alter Russen- fcinbschaft in Europa, beginnt sich zu verflüchtigen. Man betrachtet den Fürsten Bismarck jetzt als den Mann, welcher den englischen Einfluß, der Dculschland in einen Krieg mit Rußland zu verwickeln suchte, im Interesse des Friedens bekämpft hat. So schreibt das sonst sehr wenig deutschfreundliche Journal „Graschdanin": „So lange Fürst Bismarck seine» jetzigen wichtigen Posten cinnchnicn wird, läßt sich dreist behaupten, daß es zwischen Rußland und Deutschland nicht zum Kriege kommen wird. Wir behaupten sogar, daß die Mißver ständnisse zwischen Deutschland und Rußland ihre Eristenz gerade der doppelzüngigen Politik Englands verdanken, und daß die Saat dieser Zwietracht, die so große Früchte zeitigte, bereits vom verstorbenen Beacvnssield zur Zeit des Berliner Kongresses gestreut worden ist. Gewöhnlich wird die ganze Schuld dem Fürsten Bismarck zngeschoben, aber warum vergißt man Englands, dessen Jntriguen doch wohlbe kannt genug sein dürsten; man braucht bloß der letzten Jahre des Battenberg'schcn Regimes in Bulgarien zu gedenken. Allerdings hat Fürst Bismarck das Bündniß mit Oesterreich zu Stande gebracht, das gegen Rußland gerichtet ist, aber blieb ihm etwas zu thnn übrig angesichts des Grolles, der nach dem Berliner Kongreß gegen ihn in Rußland zu Tage trat? Es wäre vom Standpunkt der Interessen veider Nachbarstaaten äußerst wünschcnswcrth, daß dieses Ereigniß, das so viel Lärm in Europa gemacht hat, zum Pfände einer weiteren Annäherung zwischen Rußland und Deutschland würde." Leider macht eine Schwalbe noch keinen Sommer. Dich und halte Dich fest, Leopoldine Orlando, und Du sollst mir nicht entkommen!" Die düstere Gluth der Fackel ergoß sich ans die weißgekleidete Gestalt Lcopoldinens in dem Augenblick, wo cs ihr gelungen war, sich ans Fauny's wilder Umarmung lvszumachcn. Sie war anfgesprnngcn, wollte fliehen, prallte aber mit dem Ausruf: „Orlando!" vor dem Fackelträger entsetzt zurück. Infolge des Kampfes am Boden, von dem sic sich eben emporgerungc», über die Richtung getäuscht, floh sie dem See zu. Ein durchdringender Schrei dnrchschnitt die Luft »nd unter einem Sprühregen schlugen die schwarzen Wasser über ihr zusammen. Furcht bar weckte der Schrei das Echo der Felsen, und als er in weiter Ferne zu erklingen schien, war der Mund, der ihn ausgestoßcn hatte, bereits für immer geschlossen. Als Schratt sein starres Auge von der Stelle, wo Leopoldine versunken war, wegwandtc, sah er die Kicnfackcl am Boden liegen und ihren Träger im Handgemenge mit einem anderen Mann, der plötzlich ans cincm Hinterhalt aufgctancht schien. Schratt riß den Kicnbrand, der dem Erlöschen nahe war, empor und eilte dem Angegriffenen zu Hilfe. Die beiden Kämpfenden stürzten zur Erde und ihre Körper bildeten eine einzige verschlungene Masse. Schratt konnte nichts thun. Durch das qualmende Feuer hindurch, das er vor sich hin hielt, sah er nur, wie Plötzlich zwischen den Ringenden ein Messer anfblitzte. Mit der Schnelligkeit des Gedankens wurde cs der Hand, die cs gezückt hatte, entrissen; der Arm mit seiner Beute hob sich hoch empor, fuhr dann mit der Kraft der Verzweiflung ans den Gegner nieder und stieß die schneidige Waffe in dessen Körper. Nur einer von den beiden erhob sich, nachdem er seine Kehle von de» Händen befreit hatte, welche dieselbe noch krampfhaft um klammerten. Während Schratt dem am Boden Liegenden ins Gesicht leuchtete und die Züge des Kommissionärs erkannte, eilte der Sieger nach dem User, wo sich Fanny auf den Knie» erhoben hatte. Sie hielt die Fetzen des Schleiers, den sie Levpvldinen vom Gesicht gerissen, »och in der bebenden Hand, und neben ihr lag ein schwarzer Mantel, unter welchem sich die weiße Gestalt verborgcn zu haben schien, che sie sich Schratts Blicken zeigte. „Dort!" rief Fanny dem Hcraiinahenden zu. „Ich vergebe ihr. — möge Gott ihr auch verzeihen." — Geheimrath Geffckcn in Berlin. Am Dienstag und auch Mittwoch ist vr. Geffckcn im Gefängniß zu Moabit, wo er am Montag Abend aus Hamburg angekommcn ist, von» Untersuchung». Achter Or. Hirschfeld vernommen. Alle, die ihn gesehen, bezweifeln, daß dem Entmüiidigungsantrage seiner Familie Gehör gegeben wird» denn er zeigt sich durchaus ruhig, besonnen und überlegend in seinen Antworten, vr. Geffckcn erklärt, das Tagebuch sei ihm vom Kaiser Friedrich selbst übermittelt; einige schriftliche Notizen des hoch- seligen Herrn scheinen dies auch zu bestätigen. Es ist übrigen» leicht möglich, daß der später folgende Prozeß, zum mindesten in einzelnen Theilen, unter Ausschluß der Oeffentlichkeit geführt werden wird. — Berliner Blätter berichte», daß der frühere Haushofmeister Kaiser Friedrichs, Krug, thatsächlich ein Exemplar des Kriegstagebuchs von 1870/71 erhalten hat, nachdem K. verschiedene Abschriften von dem Original genommen hatte. Diese Arbeit ward in einem ver schlossene» Zimmer vorgenommen. Das Exemplar soll sich noch im Besitze der Frau Krug befinden, welche die Herausgabe bisher abge lehnt, weil sie es als unveräußerliches Andenken, nicht nur als Ge schenk, betrachtet. — Eine neue Garnisondienst-Vorschrift ist durch das neue deutsche Excrcier - Reglement bedingt worden. Diese Vorschrift hat jetzt die Presse verlassen und wird demnächst mit örtlichen Zusatz- bestimmungen in den einzelnen Garnisonen zur Anwendung kommen. Da nach dem heutigen Excrcier - Reglement das Anfassen des Ge- webres, welches als militärische Ehrenbezeugung vor den Snbaltern- Osfizieren galt, in Fortfall gekommen ist, so mußte die Garnison- dienst-Vorschrist hinsichtlich dieser Ehrenbezeugung abgeändert werden; dies ist in der Weise geschehen, daß von der Einführung der neuen Garnisondienstordnuiig ab die Wachtposten vor allen Offizieren der Armee und der Marine, vor den Sanitäts-Offizieren und Rittern unserer höchsten Orden zu präsentiren haben. Im Marsch befind liche Trnppenthcile erweisen nur noch das Honneur mit Gewehr über und mit den Augen nach dem Vorgesetzten hin. Das Still stehen der Posten mit Gewehr über vor Rittern des Eisernen Kreuzes re. ist niiverändert geblieben. Oesterreich-Ungar». In Wien sind die Antisemiten und Behörden schon wieder einmal aneinander gerathen. Die Antisemiten versenden Briefe mit schwarzrothgoldenen Siegelmarken, welche die Aufschrift enthalten: „Wir Deutsche fürchten Gott und sonst Nie manden." Die Regierung hat daraus die Beförderung solcher Briefe verboten. Italien. Aus Palermo auf Sizilien wird berichtet: Die Stadt ist infolge fortgesetzter Masseiivcrhaftniigeii, deren Ursache in Dunkel gehüllt bleibt, auf das Höchste erregt. Die Zahl der Verhaftungen in der Stadt und Hingebung soll achthundert übersteigen. Alle Ver hafteten wurden zur Verfügung des Ministeriums des Innern ge stellt und einTheil ist bereits nach Rom übergeführt. — Der Zudrang ans Sizilien zu den Kaiser-Festlichkeiten ist enorm. Man schätzt die Zahl der Reisenden auf 90,000. — lieber den Besuch Kaiser Wilhelms im Vatikan verlautet: Der Kaiser frühstückt am Freitag bei dem Ge sandten von Schlözer mit den Cardinälen Rampolla und Prinz Hohenlohe und fährt in dem aus Berlin nach Nom gebrachten Gala wagen nach dem Vatikan. Am Fuße der Treppe empfängt Sc. Maj. der Oberceremonienmrister und die Nobelgarde, an deren Spitze ein Neffe des Papstes steht. Nach der Unterredung mit Leo Xlll. stattet der Kaiser dem Cardinalstaatssecretär Rampolla einen Besuch ab und läßt sich von ihm durch die Sknlpturen-Gallerie, die Biblio thek, die Gemälde-Gallerie, die Stanzen und Loggien Rafaels führen. — An der Einzngsstraße vom Bahnhofe bis zum Quirinalpalaste wird noch gearbeitet. Dieselbe wird einen außerordentlich großartigen Anblick gewähre». „Es war mein Weib!" tönte die Antwort. Sie war an Schratt gerichtet, der sich ebenfalls genähert hatte, und benahm ihm den letzten Zweifel, daß er Orlando vor sich sah. „Der Verwundete verlangt nach Wasser," sagte Schratt. „Das Messer ist ihm in die linke Brust gedrungen." „Wenn ich eine» Mord begangen habe, so geschah es in der Nochwehr," erwiderte Orlando. „Ich kenne diesen Mann nicht. Ist Hilfe noch möglich, so soll sie ihm werden. Aber wie ist sie an diesem abgelegenen Orte zu beschaffen?" „Die Stadt liegt zu fern," versetzte Schrattt. „Wir müssen ihn nach dem Dorfe trage». Es ist nur ein Weg von zehn Minuten." Die beide» Männer nahmen de» Verwundeten behutsam ans und traten mit ihrer Last die beschwerliche Wanderung nach dem Walddorfe an, gefolgt von Fanny. Kein Wort wurde unterwegs gesprochen. So wenig Schratt sich erklären konnte, wie Orlando, den er in Brasilien glaubte, gerade zu dieser Stunde, wie auf Verabredung, mit Madame Suchard hier znsammengctrvffcn war, so fand er doch den Zeitpunkt zu Fragen nicht passend. Schweigend bewegte sich der Zug die Straße hinab und nichts unterbrach die Stille, als das Stöhnen des Verwundete» und sein oft wiederholtes Verlange» nach Wasser. Als das Dorf erreicht war, machte man vor den: am Schild leicht erkennbaren Wirthshause Halt, weckte den Wirth, brachte den Verwundeten zu Bett, stillte seinen Durst und das aus der Wunde rinnende Blut und sandte einen Boten nach der Stadt, »m einen Arzt zu holen. Nach einer Weile brach der Verwundete eine Menge Blut. Obwohl dies, abgesehen von der Tiefe des Messerstichs, ein bedenkliches Zeichen war, so sagte er doch, es sei ihm jetzt leichter, und verfiel in Schlaf. Fanny blieb bei ihm, während Orlando sich mit Schratt in das anstoßende Zimmer begab, welches durch eine Kerze spärlich beleuchtet wnrde. , „Schweres Unrecht ist Ihnen geschehen," wandte sich Orlando leise an Schratt, „aber dieser jungen Frau," fügte er mit einem Blick nach der Thür hinzu, „ist am übelsten mitgespielt worden. Die Rücksicht auf den Kranken nebenan verbietet uns, viel zu sprechen. Ich will Ihnen aber einen Brief zu lesen geben, der Ihnen alles auskläreii wird." Orlando blätterte unter den Papieren seines Portefeuilles, bi» er den gesuchte» Brief gefunden hatte, den er Schratt überreichte. 4 'A >78