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2^8 1ßg,ML Gegenwärtig werde sich diese Summe äuf ca. 183z Mll. stellen; pro Kopf betrage dies 7G Thlr. Hiervon die Schulden mit 36z Thlr. ab, ergebe pro Kopf ein PluS von 34 Thlr. Dies wären Verhältnisse, wie sie sich gleich günstig nur in Mecklenburg, den sächsischen Herzogthümern, Baden, Württem berg und allenfalls Baiern herausstellen, während alle anderen Staaten ungünstiger fttuirt find. Man müsse jedoch unterscheiden zwischen productiv (werbend) angelegtem und anderen ohne directe Erträge (nicht werbend) Kapital. Das werbende StaatSvermögen belaufe sich gegenwärtig auf 139 Mill. Thaler, so daß nach Abzug von 94 Mill. Staatsschulden, deren Verzinsung und Tilgung pro Jahr 5,^ Mill, beansprucht, noch ein Ueberschuß von 45 Mill. Thlr. (pro Kopf 17^ Thlr.) refultirt. Dies günstige Verhältnis kennzeichne sich in dem hohen Cour« unserer StaatSpapiere. Ueber- gehend zum ordentlichen und außerordentlichen Budget, ermahnt Redner, daß im ordentlichen Budget Einnakme und Ausgabe mit je 13z Mill. Thlr. balancire. Fast ebenso hoch (12^ Mill.) be läuft sich das außerordentliche Budget, bei dem 10^ Mill. Thlr. productiv, 2^ Mill, zu sonstigen Staatszwecken verwendet werden sollen Nur wenig Staaten könnten sich erlauben, ihre außerordent lichen Ausgaben in gleicher Höhe wie das ordentliche Budget fest zustellen, beispielsweise würde ein gleiches Verfahren in Preußen einer Anleihe von 173 Mill Thaler, in England von 474 Mill. Thlr, in Frankreich 2000 Mill. Frcs. entsprechen. Bei unS macht die Creditbeschaffung keine Schwierigkeit, weil wir die Capitalien zu 4 Proc. und bei Eisenbahnbauten doch eine Rente von 6—7 Proc. erlangen. DaS ordentliche Budget in Höhe von 13z Mill. Thlr. ge winne die Einnahme zu 70^ Procent aus productivem StaatS- vermögen und zu 29^ Proc. aus Steuern, was ein ziemlich be friedigendes Berhältniß sei. Hierbei verzinsen sich, falls hie WerthS- ermittelung der Regierung sich richtig hcrausstellte, die StaatSforstcn doch nur zu 3 Proc., die Eisenbahnen 6^ Proc. und die übrigen Regalien und Domänen (Kohlenwerke, Porzellansabrik, Hüttenbe trieb u. s. w.) zu 4/g Procent. Durch Erhöhungen, welche die ginanzdeputation meist im Einverständniß mit der Regierung bean tragt, stellen sich die Betrage noch etwas besser und zwar so, daß 55 Mill. Thlr. Staatsforsten 3^ Proc., 69 Mill Thlr Eisen- bahnen 7^, 15 Mill. Thlr. übrige Domänen u. s. w 5^ Proc. abwersen. Immerhin sei dies trotz des guten Standes unserer Finanzen kein glänzendes Zeugniß für die Rentabilität der StaatS- industrie. Hierzu komme nun noch, daß in der Regel keine Ab schreibungen erfolgen und dann später nothwendig werdende Er gänzungen, Bauten rc. die Einnahme mehrerer Jahre auf einmal absoMrten. Hier und da, u. A. bei den Forsten von Kammer- güterw, ständen übrigens den Einnahmen noch besondere Ausgaben für dieselben Zwecke in anderen Positionen des Ausgabebudgets gegenüber, wie ferner die höheren Aussichtsbeamten mit ihren Ge- halten nicht immer den betreffenden Special-EtatS zugewiesen seien. Denke man sich ferner die gesammte Staatsindustrie im Privat besitz, so würde letzterer an Steuern nach den Sätzen der Actien- gesellschasten allein 160,000 Thlr. jährlich zu entrichten haben, was man doch auch von der Rentabilität in Abzug bringen müsse. Aufmerksam gemacht wird sodann auf die politischen Bedenken einer dominirenden Staatsindustrie; das depravirende Element für Wahlen u. s. w.; die Abhängigkeit einer großen Anzahl von Beamten; die Concurrenz, welche der Privat-Jndustrie erwächst; endlich auf den Umstand, daß der Staat mit seiner Industrie vielfach Richter und Kläger in eigener Sache und Aufsichtsbehörde über seine Con currenten sei. Regelmäßig wirthschaste der Staat theurer als der Privatmann. Nur bei zwei Branchen und zwar bei den Staats- forsten, aus klimatischen Rücksichten, sodann bet der Post, weil die selbe ohne Monopol nicht gedeihlich wirksam sein könne, wolle Redner die StaatSindustrie gelten lassen. Selbst unsere besser rentirenden Staatsbahnen zu veräußern, trage er kein Bedenken, sobald nur der Kaufpreis die gleiche Rente erwarten lasse. Einen besonderen Antrag zu stellen, sei, so lange Offerten fehlen, nicht räthlich und die Veräußerung nicht pressant. Um so wünschenS- werther aber, daß Regierung und Landtag sich über den zweifel haften Nutzen der Staatsindustrie klar würden. Mindestens möge der Fiuanzminister acceptable Offerten nicht von der Hand weisen, sondern darüber das Gutachten deS Landes hören. Redner ver wendet sich darauf zu dem AuSgabe-Budget, dessen procentaler Verlheilung zwischen den einzelnen Ministerien und zum Rechen schaftsbericht. Eine Vereinfachung werde darin zu finden sein, daß ordentliches und außerordentliches Budget in Zukunft ver schmolzen würden. Sodann wird eine correctere Anordnung deS Einnahme-Budgets empfohlen. Schließlich berührt Redner, daß in die einzelnen Ministerien (das auswärtige werde wohl im Laufe der Zeit von selbst verschwinden) die Positionen de- besonderen BauetatS und deS Pensionsetats vertheilt, werden möchten: Be fremdend bleibe, daß da- Budget trotz sonstiger großer Korrektheit doch noch manche Lilien zeige, ha u. Ä. der Etat der Fürstenschut« Meißen, die Verwaltung des UniverfitätSdetmögeyS und sonstiger Stiftungen ganz fehlen und das CultuSmtnisterium die Ziffern vorzulegeu sich weigert. (Allseitiges Bravo.) Um 3 Uhr Nach- mittag wurde die Wetterberathung aus HÄte Vormittag 10 Uhr vertagt. Leipzig. Nicht ohne Wehmuth vernimmt man, daß dem allbekannten Professor 0r. Bock der Verlust seines Augenlichte- droht. DaS Uebel ist schon soweit vorgeschritten, daß der thätige und für seine Wissenschaft glühende Mann fich des Selbstlesen« enthalten muß. Die Aeper, welche naMeNtlich gegen den Schwindel in der Heilkunst ankämpfte und der BolkSausklärung diente, er kann sie nicht mehr selbst führen. Vermischtes. * Der Berliner „Börsen Courier" vom 29. Januar schreibt: „Ein Besucher der letzten parlemantarischen Soriöen beim Fürsten Bismarck erzählt uns ein neues Bonmot deS Reichskanzlers, da- sich den unter derselben Firma bereits circulirenden um so würdiger anreiht, als eS an einem Tage gesprochen wurde » an dem Her« v. Mühler noch in den Augen der nichtofficiellen Welt als im Voll besitz seines cultuSministeriellen Portefeuille galt. An jenem Abende der vorerwähnten Soiree nämlich wandte sich einer der zahlreichen Herren, welche äe rebus politicig disputirend, in den Salons de« Fürsten-ReichSkanzlerS eiuyerstolzirten, an diesen mit den Worten: „Wie schade doch, Durchlaucht, daß soviel unser- einheimischen Silber die bayerische Grenze passiren muß. Zwanzig Millionen, was bleibt denn da noch für uns übrig?" „Genug, mehr alS genug, mein lieber Herr Doctor", erwiderte lächelnd der Fürst; „denken Sie doch nur an unser Ministerium, daS ist ja das reine Silber- Ministerium." „Silbermiuistertum? Darf ich um eine nähere Er klärung dieser sonderbaren Bezeichnung bitten, Durchlaucht?" „Recht gern, geben Sie Acht. S ist zunächst mein landwirthschaftlicher College Selchow, I der Haodelsminister Gras Jtzenplitz, L gehört dem Justizminister l)r. Leouhard, B erlaube ich mir zu sein, E Graf Eulenburg gehört in daS Ministerium des Innern, und mit R, der Initiale meines kriegerischen College« Roon, schließt daS Silberministerium." „Charmant, Durchlaucht; aber, gestatten Sie mir die Frage, wo bleibt Hr. v. Mühler?" „Hr. v. Mühler? Der zählt nicht mit, für M haben wir leider keine Verwendung", ent gegnete der Kanzler mit einem bedeutungsvollen Lächeln und empfahl sich unserm Gewährsmann« mit einem höflichen „Aus Wiedersehen!" * BreSlau, 28. Januar. Mehrere Berliner Zeitungen haben einen Vorfall gebracht, welcher augenblicklich daS Gespräch in der Gesellschaft Berlins bildet und einen dortigen Banquier betrifft, der selbst, Bürgerlicher, fich geweigert haben sollte, einen bürgerlichen Officier in sein HauS zu laden, weil er (nämlich der Banquier) nur mit Adeligen verkehren wolle. Der wahre Sachverhalt ist, wie die „K. Z." berichtet, nach sorgfältiger Erkundigung folgender: Herr Bleichröder, der in den Berichten deS früheren französischen Militär-Bevollmächtigten, Baron v. Stoffel, öfter- genannt und von einem berühmten Minister mehrfach zu Kinanz-BerathungeN. zugezogen wurde, ist dadurch eia großer Mann geworden, der sich ein feines HauS miti prächtigem Salon gebaut hat und darauf capricirt, die Gesellschaft deS HofeS bei sich zu sehen- Ein Theil der Hofgesellschaft ging hin, auch die tanzlustigen Offiziere dek Berliner Garde-Regimenter gaben ihre Karten bei Herrn B. ab, und eines Tage- musterte derselbe in Gesellschaft eines Hauptmann- v. Lh., de« ein eben so brillanter Tanz-Arrangeur ist, al- er fich als schuldigen Offizier bewiesen hat, die Namen Derjenigen, welche auf die Eiuiadungsliste zu seinem demnächftlgeu Balle gesetzt werden sollten. Unter den Karten fand sich auch die eines bürgerlichen OsfizierS in einem der Berliner Garde-Regimenter. Herr B. machte ein langes Gesicht, als er einen Namen la-, vor dem nicht „Gras" oder „Freiherr", nicht einmal „von" stand, einen Namen, der bloß Name war, gerade wie der seinige. ES half nicht«, daß Herr v. Ch. den Betreffenden als einen sehr liebenswürdigen Menschen und gewandten Tänzer schilderte. „Wollen wir ihn lieber nicht einladen", war die Antwort deS bürgerlichen Banquier«. „Ich will Ihnen sagen, wir müssen un« da« bürgerliche Element möglichst vom Halse halten." DaS OsfizierScorp« de« betreffenden Regimentes nahm diese Aeußerung sehr ernst aus, e« sah darin eine Beleidigung, indem es dabei an der Auffassung festhielt, daß einem Osstziercorp« gegenüber weder von adeligem noch bürgerlichem Element die Rede sei» könne, der Offizier sei eben Offizier. In folge dessen verbot der Lommandeur seinen Offizieren, da« Hau de- Herrn B. wieder zu besuchen. (Wir würden diese im neun zehnten Jahrhundert befremdliche Erzählung gar nicht ausnehmea, wenn nicht die „Kreuzzeitung" auf einen ähnlichen Vorgang hinge- deutet hätte. Die Wahrheit de» Erzählten vorausgesetzt, hat sich.daS Offizier-corp« eben so würdig benommen, als der Herr B. abgeschmackt.)