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und Tageblatt. Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. GerichtsSmter u. der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. «04. Erscheint i. Freiberg jed. Wochcnt.Ab. 6U. für dm and. Tag. Jnser. werden bis V. 11 U. für nächste Nr. angen. Donnerstag, 3. September. Preis vierteljährl. SV Ngr. Inserate werden die gespaltene Zeile oder deren Raum mit 1 Ngr. berechnet. 1874. Tagesgeschichte. Am 1. September Mittags fand die feierliche Einsegnung des Prinzen Friedrich Wilhelm (Sohn des deutschen Kronprinzen) in der Friedenskirche zu Potsdam, in Anwesenheit des Kaisers, der Kaiserin, des deutschen Kronprinzen und seiner Gemahlin, der übrigen Königsfamilie, des Prinzen von Wales, des Großherzogs von Sachsen-Weimar, der Minister Camphausen, Delbrück, Falk, Achenbach und Kameke, des Botschafters Fürst Hohenlohe, der Generalität, hoher Hofbeamten und Regterungsbeamten, Geistlich keit und der Vertretung der Städte Berlin und Potsdam statt. Der Hofprediger Heym prüfte und segnete den Prinzen, der sein silbstverfaßtes Glaubensbekenntniß vorlas, ein. Der Kaiser von der erhebenden Feier tief ergriffen, umarmte und küßte am Schluffe der Feier den Prinzen und das kronprtnzliche Paar wiederholt herzlichst. Am Genüsse des heiligen Abendmahles nahm außer dem Prinzen auch das kronprtnzliche Paar thetl Das ultramontane „Kathol. Volksblatt aus Sachsen" tritt in seiner letzten Nummer (Nr. 35) wieder einmal gegen die Politik des Fürsten Bismarck in die Schranken, den es als einen Mann bezeichnet, „Dessen sich die Vorsehung zu bedienen scheint, um alle schwebenden Fragen zur Krisis zu bringen", Dasselbe Blatt be zeichnet Herrn Don Carlos als einen „legitimen Fürsten, der zur Wiederherstellung von Tyron und Altar in dem der Revolution und ihren Gräueln verfallenen Spanien das Schwert ergreift", um „für Wahrheit, Freiheit und Recht einzutreten". Also Don Carlos, der Banditenkönig, ist nach dem „in der Wolle ultramontan ge färbten" „Kathol. Volksblatt aus Sachsen" ein Kämpfer für Wahr heit, Freiheit und Recht. Man darf sich hierüber aber nicht zu sehr wundem, denn Don Carlos und sas „Kath. Volksbl." kämpfen ja für dieselbe Sache, d. h. den Sieg des Jesuitismus; von ihnen gilt das alte Sprichwort: „Gleiche Brüder, gleiche Kappen", und darum schließt das genannte ultramontane Organ des Herrn Rochus von Rochow seinen Don Carlos-Artikel auch mit dem emphatischen Wunsche, daß „alle Diejenigen, die guten Willens sind, sich immer mehr für dieselben großen Prinzipien (etwa des Raubens, Mordens und Brennens?) begeistern, welche augenblicklich König (?)Karl VI l. von Spanien so heroisch (?) vertheidigt". Don Carlos kann sich freuen; es erkennt ihn zwar keine einzige Staatsmacht der Welt als legitimen König an, dafür geschieht dies aber durch das „Kath. Bolksblatt aus Sachsen" und Herrn Rochus von Rochow. Zur Erinnerung an den Todestag Lassalle's wurde am Montag in Breslau das Grab desselben auf dem jüdischen Kirchhofe von den dasigen Sozialdemokraten mit Kränzen geschmückt. Aus etwa 50 Städten waren Kränz» mit Widmungen eingesandt, die am Grabe niedergelegt wurden. In Folge polizeilicher Anordnungen wurde nur Gruppen von je sechs Personen der Zutritt zum Kirch hofe gestattet und haben weitere Kundgebungen am Grabe nicht stattgefunden. Am Dienstag Abend ward eine Todtenfeier im Schießgatten abgehalten, bei der Hasenclever eine Rede zum Ge dächtnisse Lassalle's gehalten. Der Tag von Sedan wird in Mainz trotz dem Bischof Ketteler in der feierlichsten Weise begangen werden und wird dadurch, daß sich der bürgerlichen Feier auch eine große militärische, welche mit 100 Kanonenschüssen eingeleitet wird, anschließt, um so allgemeiner werden. An einem Theile des Festprogramms hat der Bischof schon sein anti-seda^ischeS Müthchen gekühlt, indem er nicht zugestand, daß von dem Thurme des Domes Choräle geblasen werden. Die Choräle werden aber doch geblasen werden, wenn auch von einem andern Thurme. Ein ähnliches Verhalten hat dem Herrn Bischof 1859 bei Gelegenheit der Schillerfeier gefallen, damals war die Antwort auch allseitige Theilnahme an der Feier und der Bers: Wir feiern doch den großen Poeten Auch ohne vom Dome zu trompeten. Der „Köln. Ztg." wird aus Fulda vom 31. Aug. gemeldet, daß das dortige Domkapitel die Diözesangeistlichkeit angewiesen habe, der kirchlichen Sedanfeier keinerlei Schwierigkeiten ent gegenzustellen. Der VereinStag der deutschen Erwerbs- und WirthschaftS- genoffenschaften in Bremen hat am Montag seine letzte Sitzung gehalten. Es wurde beschlossen, der Anwaltschaft zum Zweck der Agitation für das Genossenschaftswesen aus den Fond de- Genoffenschastsverbandes einen Kredit zu eröffnen und ferner allen Baugenossenschaften den Zutritt zum Unterverbande der deutsche« Baugenossenschaften anzuempfehlen. Der Kreistag des Landkreises Metz, welcher sich bisher noch nicht konstituirt hatte, ist zusammengetreten, nachdem 8 von 9 Mit gliedern den Eid auf den Kaiser und die Reichsverfassung geleistet hatten. König Ludwig von Bayern ist in Schloß Berg wieder eingetroffen. Die bayerischen Kunstindustriellen werden in nächster Zeit alle Hände voll zu thun haben, um den vielen und hastigen Wünschen der durch den Pariser und Versailler Aufenthalt nun doppelt lebhaft an- und aufgeregten Phantasie des Königs nur einigermaßen nachzukommen. Die Vermutbung, daß König Ludwig ein „Klein-Versailles" nachzubauen beabsichtige, hat, wie man be hauptet, ihre Richtigkeit. Als Platz dafür ist bereits vor längerer Zeit die vielleicht schon in dieser Absicht für Rechnung der KabinetS- kafle angekaufte Herren-Insel im Chiemsee bestimmt, und Skizzen und Pläne sind zu diesem Zweck von einem Hof-Architekten schon vor Monaten ausgearbeitet und vorgelegt worden. Es hieß zwar unterdessen einmal, der Plan sei wegen der enormen Kosten auf gegeben, da alles Baumaterial über den See geschafft werden muß; indessen ist bekannt, daß der König, wenn er einmal ein solche- LteblingSprojekt im Sinne hat, sich von der Ausführung durch keinerlei Bedenken abschrecken läßt. Die Kosten der neuen Felsen- burg bei Hohenschwangau, die, wie es scheint, eine Art Tempel des heiligen Gral werden sollte, find z. B. auf acht Million»« veranschlagt- Wenn dieser schon vor sieben oder acht Jahren in Angriff genommene Bau nicht fettig wird, so ist daran gewiß viel weniger der Kostenpunkt schuld, als die unterdessen verändert» Geschmacksrichtung des Königs, der in Folge dessen an jenem Projekt die Lust verloren hat. Seit einigen Tagen dreht sich in Oesterreich in allen Blättern und Gesellschaftskreisen, im Salon wie im Kaffeehaus, auf der Börse wie auf dem Wochenmarkte und in der Eisenbahn wie auf der Landstraße die Diskussion um den Sieg, den die Kcupp'schen Geschütze bei dem Probeschteßen auf dem Steinfeld» über die österreichischen Geschütze errungen haben. Rust doch der „Pester Lloyd" aus: „Die österreichische Armee hat zur Stund« keine Artillerie." — Thatsache ist, daß das Kruppsche Gußstahl geschütz das österreichische achtpfündige Feldgeschütz wett in den Schatten gestellt hat, so daß Oesterreich schon in den saueren Apfel beißen muß, für seine Artillerie solche neue Geschütze, deren jedes 1080 Thlr. kostet, anzuschaffen. Zu den Versuche« hatte die Fabrik in Essen vier 8- und 7-Centimeter-Geschütze gestellt und und waren die Scheiben in drei Entfernungen, von 5000, 3000 und 2000 Schritt ausgestellt. Von jedem Geschütz wurden zehn Schüsse abgegeben. — Auf 5000 Schritte hatte die Gußstahl- Batterie von 40 Schüssen 491 Treffer in 207 Rotten, die öster reichische Achtpfünder-Batterie dagegen nur 68 Treffer in 48 Rotten;