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Ivttblatt des «gl. B^irkSgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. «erichtSämter a der StadtrSthe zu Freiberg «. Brand' ä-81. »rschttnt t. Sretdnz jed. Wochmt. Nb. k U. für dm and. Tag. Jnser.wndm bl« D. 11 U. für nichstt Nr. angm. Freilag, 10. April. Urei« »lmrljtdrl. SO Nzr. 3nsn«1« wtrdm bi« gespallmt Adll« »t«r d«rm Raum mit 1 Ngr. berrchne». 1874. 4- Freiberg, den 9. April 1874. Septennat heißt die neueste Verfassung Frankreichs. Sie hatirt vom 19. und 20. November vorigen Jahres. Die königlich gefilmte Majorität der französischen Nationalversammlung in ihren lutfichten auf eine baldige Thronbesetzung durch den Brief deS -rasen Chambord vom 27. October v. I. bitter enttäuscht, mußte, M den Republikanern das Feld nicht zu überlasten, einen raschen Entschluß fasten. Der Herzog von Magenta schrieb seine Bedin gungen vor, unter denen er die am 24 Mai auf ihn übertragene -Malt fortsitzen wollte. Die Mehrheit ließ sich die geforderte fitbenjährige Dauer seiner Regierung (Septennat) gefallen Dies Eeptennat ist eine Verfassung, die sich jeder nach seiner Fa?on auSlegt. Am ernstlichsten nehmen sie noch die Republikaner. Sie meinen -. die Republik mit einem Präsidenten an der Spitze sei jetzt auf sieben Jahre offiziell gesichert; und wenn sie die sieben Jahre werde gehalten haben, dann könne sie auch recht wohl sortbestehen. Aber kein Monarchist denkt daran, die sieben Jahre ehrlich zu haltet». Jedem ist die Regierung Mac Mahons nur der Durch zug M die Ordnung aufrecht zu erhalten, bis sein Prätendent in der Lage ist, sich auf den Thron zu setzen. Nicht alle sind freilich so offenherzig, wie kürzlich der Deputirte Dohirel mit seinem Lntrage - Die Legitimisten haben den Klerus, hen Papst und die fromme Heerde im Volke für sich. Jeder Fortschritt der Karlisten in -Mien ermuthigt sie. Sie hören nicht auf, mit „ihrem König" in FrohSdorf zu unterhandeln. Der Brief vom 27 October war sicher nicht sein letztes Wort Jedoch haben sie die Fühlung mit den Orleanisten, die vom August bis in den October vorigen Jahre» ßch so stark erwies, jetzt ganz und gar verloren. Dar Bedenklichste fiir sie ist der Umstand, daß ihr „König" viel Salbung, aber wenig Keckheit besitzt, sich dem Kampf und den Stürmen um Frankreichs Dhron auSzusetzen. Er will berufen sein und da kann er lange warten. Die Orleanisten sind nie thatkräftig und kühn, sie denken, Zeit und Umstände sollen für sie arbeiten. Thätig sind sie nur im Dreißiger-Ausschuß, um das Wahlgesetz, das Zweikammer, syiitm, di« Gemeindeordnung „konservativ" und für ihre Zwecke einzurichten. Auch denken sie, daß Broglie wesentlich für sie arbeitet Viel Aufhebens machen sie mit Aumale und suchen ibn in der Armeeverwaltung an die Spitze zu bringen. Aber viel, sthr viel verderben sie wieder durch jene Eigenschaft der Habsucht, vtlche schon Louis Philipp diskreditirte. Der BonapartismuS regt sich stärker und mit mehr Erfolg, stit der junge Napoleon mündig geworden. Man hat in Paris seine Erklärung belacht, aber das will bei den Franzosen nicht viel sagen. Die Dynastie Napoleons glaubt sich so lange im rechtlichen ksltz der Krone, al- die Ration sich nicht in einem anderen Sinne Vit im Mai 1870 ausgesprochen hat, wo sie bekanntlich mit Maltiger Mehrheit für da- mit liberalen Institutionen umgebene napoleonische Kaiserthum sich erklärte. Mac Mahon, der Waffen gefährte Napoleons und Theilnehmer an seinem Unglück von Sedan, soll die Ruhe in Frankreich aufrecht erhalten, bis der rechtmäßig» Nachfolger den Thron besteigen kann; natürlich unter voraus» gegangener Volksabstimmung. So finden sich Orleanisten und Bonapartisten einstweilen mit dem Eeptennat ab, ohne sich zu binden; aber den Moment erwarttnd, der sich etwa im Laufe der Zetten böte, dar Ziel ihrer Wünsche zu erreichen. War im Augenblicke aussichtslos ist, kann ja zu einer andern Zeit Chancen haben. Ollivier hat es bereits an der Zeit gehalten, Napoleon m. als den edelsten Menschen und als den größten Staatsmann des Jahrhunderts zu feiern. ES wird nicht gar lange dauern, so macht unter dem Druck und Elend der Zustände die napoleonische Legende wieder Propaganda. Mittlerweile gelingt es der republikanischen Partei, während der Jntriguen der Monarchisten gegen das Eeptennat und gegen einander Fortschritte > zu machen.^ Sie beruft sich darauf, daß Mac Mahon und seine Minister bei jeder Gelegenheit für die Dauer und das Definitivum der sieben Jahre etnstehen und er» klären: Frankreich kann sich der Sicherheit und Arbeit hingeben, denn es hat auf sieben Jahre eine feste Ordnung der Dinge vor sich. Um den thatsächlichen Fortschritt der liberalen und republi kanischen Ideen, bei den Wählern zu hemmen, will die Regierung, auf Legitimisten und Orleanisten gestützt, Gemeindegesetz, Wahlrecht, Preßgesetz revidiren und zwei Kammern an die Stelle der Einen Versammlung setzen. Dies find meist unpopuläre Maßregeln; bringt fit die Regierung wirklich zu Stande, reißt sie ein Sturm» wind wieder um. Oder auch ein thatkräftiger Thronbewerber ver schafft sich plötzlich Popularität, indem er solche Beschränkungen aufhebt. So that es Napoleon III. noch vor seinem Staatsstreich« mit den Wahlbeschränkungen, welche die Orleanisten in der National versammlung ersonnen. Er hatte sofort Millionen Stimmen mehr zur Rechtfertigung seine» Staatsstreiche». Das reaktionäre Werk des Herzogs von Broglie und der dreißiger Kommission, obgleich schon im November begonnen, schreitet daher auch sehr langsam vor. Das ist um so natürlicher, weil Niemand weiß, wem die Zukunft gehört und wem diese Maßregeln zu Statten kommen werden. Die Lage Frankreichs ist also auch trotz Einrichtung de« Septennats eine ungewisse und unsichere geblieben. Nur in einem einzigen Punkte findet man die Franzosen einig: im Haß ge gen Deutschland, in der eifrigen Unterstützung aller dem deutschen Reiche feindlichen Elemente, in der kräftigsten Vorbereitung der Mittel für einen künftigen Krieg. In allem diesem geschieht seit dem 24. Mai vorigen Jahres entschieden mehr, als unter ThierS. Letzterer war vorsichtig und sparsam, er schonte die reducirten Finanzmittel des Landes. Auch kürzlich rieth er zu größerer Sparsamkeit in der Anlage der neuen Befestigung von Pari-, blieb aber mit 193 gegen 389 Stimmen in der Minderheit. Welches auch die zukünftige BerfaffungSform Frankreichs sein