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101k Rom, sondern auch auf Unterjochung der bürgerlichen Gesellschaft in der übrigen Welt unter die unsinnigen Lehren der bekannten pävstlick>en Encvclieen und ökumenischen Decrete abzielt, zu fördern. Besonders in Deutschland unter den 14 Millionen deutscher Ka tholiken sind diese Lehren und Decrete auf den hartnäckigsten Wider- stand gestoßen und gerade dort haben die Gegner päpstlicher Neuerung, die Altkatholiken, am meisten von der bischöflichen Verfolgung zu leiden gehabt. Berlin, 23. Mai. Im Reichstage ergab heute die Auszählung deS Hauses die Anwesenheit von nur 141 Mitgliedern, weshalb die Sitzung wegen Beschlußunfähigkeit auf morgen verschoben wurde. — lieber die Unterhandlungen mit Frankreich wird von offi- ciöser Seite berichtet: Jedenfalls wird sich Deutschland zu keinen Zugeständnissen herbeilassen, bevor nicht Frankreich die bestimmtesten Bürgschaften dafür gegeben hat, daß seine Versprechungen nicht nur seiner Finanzkraft, sondern auch seiner Friedenspolitik ent sprechen. — Nach der „Prov.-Corr." wird Se. Majestät der Kaiser Mitte Juni die beabsichtigte Badereise antreten. — Einer gedruckten Mittheilung über den Fortgang der Vor bereitungen zur Errichtung eines Nationaldenkmals auf dem Nisder- walde entnehmen wir Nachstehendes. Nack der unter Herrn v. Forckenbeck'S Vorsitze im November v. I. aehaltenen einleitenden Versammlung wurde ein geschäftsführender Ausschuß bestellt, wel cher wiederum 1538 Vertrauensmänner in allen Theilen Deutsch lands zur Mitwirkung aufrief, welche auch von fast Allen geleistet worden ist. Mit der Sammlung von Beiträgen steht es so, daß sie erst in den wenigsten Orten abgeschlossen, in den meisten Kreisen und Städten noch im Gange ist oder in Kürze beginnen wird. Als Ergcbniß derselben sind bis jetzt ca. 20.000 Thlr. theils einge gangen, theilS zugesagt. Namhafte Beiträge wurden besonders noch zugesagt theils von einzelnen größeren Industriellen, von Aktienge sellschaften, Eisenbahnverwaltungen u. s. w. Auch hofft der ge- schästssührende Ausschuß auf einen fortlaufenden Ertrag durch Gründung eines von Hans Wachenhusen redigirten unterhaltenden Wochenblattes unter dem Titel: „Die Wacht am Rhein." — Ein Loncurrenz-Ausschreiben zur Einreichung von Plänen wurde durch die Zeitungen an alle deutschen Künstler erlassen, und vielfach er gangene Anfragen nach Situationszeichnungen und Ansichten des Niederwaldes beweisen, daß wohl Manches dazu in Arbeit ist. Eine zu diesem Behuf ausgeführte Aufnahme deS Niederwaldes ist durch die Gartenlaube veröffentlicht worden. Frankfurt a- M. 22. Mai. Die ständige Deputation des deutschen Iuristentages hat im Einvernehmen mit den hiesigen Behörden beschlossen, daß der zehnte deutsche Juristentag im August d. I. hierselbst abgehalten werden solle. Hamburg, 21. Mai. Die zwanzigste allgemeine deutsche Lehrerversammlung eröffnete heute Morgen 9 Uhr ihre Verhand lungen in dem mit den Fahnen der deutschen Particularstaaten und der Eolossalbüste des Kaisers Wilhelm geschmückten großen Saale deS Sagebiel'schen Etablissements auf der großen Drehbahn. Ein Hauptthema bildete die „Schulaufsicht durch die Geistlichkeit," für welche sich verschiedene Redner erklärten, der größte Theil aber die Gegenmeinung vertrat. Die Debatte schloß mit der Annahme folgender Resolutionen ab: „1) die locale Schulaufsicht muß im Principe ganz fortsallen; 2) die Stellen der Schulinspectoren sind auS der Zahl der Volksschullehrer zu besetzen; 3) das beste Correctiv im Schulwesen ist die unbedingteste Oeffentlichkeit des Unterrichts." Die „B. B.-Ztg." schreibt: AuS St. Martin in der Pfalz wird Folgendes mitgetheilt: „Vor einigen Tagen kam der Pfarrer Zimmermann, der auch zugleich DistrictSschulinspector ist, in die hiesige Schule und fragte die Kinder unter Anderem in ernsthaftem Tone: „Was thut ihr an einem Hause, worin die Blattern herrschen?" Antwort: „Wir gehen nicht/ hinein, weil die Blattern ansteckend sind." Pfarrer: „Ganz recht, sie sind aber auch lebensgefährlich; allein es giebt noch weit gefährlichere Häuser: das sind die Häuser der Altkatholiken. Wo die Blattern sind, herrscht bloß eine körper liche Krankheit, bei einem Altkatholiken erbt man die allerverderb- Uchste, nämlich die Seelenkrankheit und verliert dadurch die ewige Seligkeit. Die Mtkatholiken sind Thiere, die bloß in Menschen- stecken, und find so frech und gefährlich, daß sie die wahre katholische Religion zertrümmern und deren Priester ermorden wurden, wenn zum Glück ihr Häuflein nicht gar zu klein wäre." . dahwcuth, 22. Mai. Die formelle Grundsteinlegung zu dem Rlchard Wagner-Theater hat soeben unter zahlreicher Betheiligung von Festgenoffen aus allen Ländern — des andauernden Regens wegen — im Opernhause stattgefunden. Nachdem der Bürger meister die Anwesenden begrüßt und willkommen geheißen, ließ sich Richard Wagner selbst in längerer Rede über seine Ideen und Ab ¬ sichten aus. Nach ihm brachte Bankier Feustel, der Leiter der ge summten Festlichkeiten, dem Könige Ludwig von Bayern, welcher in warmen, herzlichen Worten seinem theuren. Freunde Wagner tele graphischen Gruß und Glückwunsch gesendet hatte, und sodann dem Deutschen Kaiser Wilhelm, „der überall gefeiert werden müsse, wo deutsche Männer zusammenkommen," begeisterte Hochs, welche von der großen Versammlung mit Jubel ausgenommen wurden. Heute Abend findet eine Festvorstellung statt, in welcher durch 330 Sän ger und Sängerinnen und durch 130 Musiker die 9. Symphonie zur Aufführung gelangt. Metz, 19. Mai. Die Grenzstadt Nancy bietet gegenwärtig ein recht belebtes Bild. Fast der ganze Zug der Auswanderer aus Elsaß-Lothringsn, sowobl höhere wie niedere Clafse, wendet sich hierher, so daß die Wohnungsnoth immer größere Dimensionen annimmt. ES sind jetzt schon viele hölzerne Buden aufgeschlagen, um wenigstens für den Augenblick ein nothdürftiges Unterkommen zu bieten, aber selbst diese reichen nicht auS, und ich sah noch gestern Abend spät eine Masse von Leuten auf offener Straße campiren. In Folge dieser starken Einwanderung sind die Mieth« preise auf eine enorme Höhe gestiegen, der Preis der Lebensmittel nicht minder, und man ist trotz Patriotismus nicht sonderlich gut auf die Eindringlinge zu sprechen. — Endlich scheinen die Franzosen in Betreff der Anlegung von Befestigungen an der neuen Grenze zu einem Entschlusse gekommen zu sein. Früher verlautete, Pont-ä- Mousson solle befestigt werden, man scheint aber, weil es in zu unmittelbarer Nähe von Metz gelegen, davon abgegangen zu sein. Dann sollte Nancy dazu auSersehen sein. Nun ist Frouard be stimmt, ein zweites Netz zu werden und die Vertheidigung der Mosellinie zu übernehmen. Gegenwärtig werden die betreffenden Vorarbeiten von Ingenieuren vorgenommen, denn an weiteres Arbeiten, Grundarbeiten rc. ist, so lange die Occupation dauert, nicht zu denken. Frankreich. Der klügste, rücksichtsloseste und beredteste Partei gänger des Bonapartismus in Frankreich hat nunmehr den Kampf gegen Diejenigen, welche das Kaiserreich gestürzt haben, von der Rednerbühne der Nationalversammlung aus eröffnet, nachdem er ihn bisher nur im Stillen geführt hatte. Rouher fühlt sich stark genug, um offen die kaiserliche Sache zu führen, und zwar nicht, indem er diese gegen erhobene Anschuldigungen vertheidigt, sondern indem er die Gegner selbst hart beschuldigt. Wie geschickt er operirt, dafür spricht der Umstand, daß von der Majorität der National- Versammlung seine R-de mit Beifallszeichen ausgenommen worden ist, und wie sehr die Bedeutung und die Gefährlichkeit des ManneS erkannt wird, das gebt aus Gambetta's Aeußerung hervor, der Advocat deS Kaiserreichs berweckt, die Nationalversammlung in sich zu spalten. In der That ein seltsamer Vorwurf, da notorisch die Versammlung so vielfach und so tief bereits gespalten ist, daß gerade die Unversöhnlichkeit der einzelnen Fractionen, der scharfe Gegensatz in ihren Bestrebungen und Zielen, und als Folge dessen die Un möglichkeit weitgehender Compromisse den gänzlichen Zerfall hindert, weil noch keine der Parteien für sich allein Kraft genug fühlt, einen entscheidenden Schlag zu thun. Dieses Gefühl unzureichender Stärke ist es auch, welches den Leiter der Bonapartistischen Umtriebe der Nationalversammlung die schmeichelhafte Bemerkung machen läßt, daß diese noch nicht so bald für Frankreich unentbehrlich sei, daß die Auflösung der Versammlung die Auflösung deS Lande- bedeuten würde. Der wahre Grund, welcher Herrn Rouher das Fortbestehen des jetzigen Provisoriums wünschenswerth erscheinen läßt, ist die Annahme, daß die Aussichten der gestürzten letzten Dynastie durch den Zeitgewinn sich verbessern würden. Unter den Mitgliedern der Majorität kann Rouher um so sicherer auf mächtige und wachsende Sympathien sür seine Person und sein öffentliches Auftreten zählen, als der schlaue Jntriguant es sicher vermeiden wird, Orleanisten und Legitimisten bei ihren verwundbaren Stellen zu berühren, vielmehr es sich wird angelegen sein lassen, den konservativen und clcricalen Anschauungen zu schmeicheln, welche Jene gleich ihm vertreten. Er wird fort fahren, wie er begonnen, Gambetta und Genossen auf das Aeußerste zu befeinden und so einerseits auf die republikanische Partei An klagen zu Käufen, welche die Schuld des Imperialismus in milderem Lichte erscheinen lassen, andererseits sich der Majorität als geschick tester Verfechter ihrer politischen und religiösen Vorurtheile ange nehm zu machen. Auch gegen ThierS hat der ehemalige Vice-Kaiser den Kampf eröffnet, und unleugbar gleichfalls in sehr geschickter Weise, denn er hat dem Präsidenten nichts zur Last gelegt, sondern nur eine Institution höchlich gelobt und empfohlen, welche Thiers fallen gelassen hat, die Institution der allgemeinen Wehrpflicht. Von ihr erwartet Rouher, der Ausführung deS Herzogs von Audiffret sich anschließend, die Wiederaufrichtung Frankreichs, und es wird bald bei den Debatten über die Heeresreform reichliche Gelegenheit geben, diese Ansicht weiter auszuführen und zu belegen. Daß alsdann die Zartheit, mit welcher vorläufig noch der Präsident der Republik behandelt ist, schwinden wird, läßt sich vermuthew