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Tageblatt. Amtsblatt de- Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträthe zu Freiberg u. Brand. 118. Erscheint i. Freiberg jed. Wochen». Ab. k U. für den and. Tag. Jnser. werden bi« V. 11 U. für nächste Nr. angen. Sonnabend, den 28. Mai Prei« vierteljährl. 20 Ngr. Inserate werden die gespaltene Zeile oder deren Naum mit 8 Pf. berechnet. 1872. Tagesgeschichte. Berlin, 22. Mai. Gestern ging ein Erlaß der Staatsregie« rung an den Bischof von Ermland ab, worin daran festgehalten wird, daß der Bischof mittels amtlicher Kundgebung die Beein trächtigung beseitige, welche die Excommunicirten durch die öffent liche Verkündigung des großen Bannes an ihrer Ehre erlitten hätten. Der Bischof soll ferner der Staatsregierung die Erklärung abgeben, daß er fortan den StaatSgesetzen in vollem Umfange ge horchen werde. Wenn er diesen Forderungen nicht Folge leiste, so werde der Bruch mit dem Staate für vollzogen angesehen und demgemäß verfahren werden. — Ueber die an den Reichstag gelangten Jesuiten-Petitionen lesen wir in der „D. R-Corr.": „Die Zahl der beim Reichstage bis jetzt eingegangenen Petitionen beläuft sich auf mehr als 2500. Der größte Theil derselben bezieht sich auf die vielerwähnte Jesulten- Angelegenheit und wiederum die Mehrzahl der hierher gehörigen Petitionen bezieht sich aus die Beibehaltung dieses Ordens. Wenn man die unter den letzteren befindlichen Unterschriften einer genauen Prüfung unterwirft, so treten dabei zwei hervorragende Biomente in den Vordergrund, nämlich erstens die Wahrnehmung, daß der größte Theil der Unterzeichner des Schreibens und wahrscheinlich auch des Lesens vollkommen unkundig sind. Als Beweis für diese Annahme dient die Thatsache, daß nicht nur eine große Anzahl der Petitionen statt der NamenSunterschriftcn die bekannten drei Kreuze tragen— bei vielen Petitionen °/,g der Unterschriften aus diesen Kreuzen — sondern mgn findet bei einer überwiegend großen Zahl von Petitionen, daß große Mengen von Unterschriften von einer und derselben Handschrift herrühren. Das läßt bekanntlich einen für den politischen wie socialen Bildungsgrad der Unterzeichner sehr nachtheiligen Schluß zu. Line zweite und höchst bemerkenswerthe Wahrnehmung bieten die Petitionen aus Polen; in diesen gestattet die Etgenthümlichkeit der polnischen Sprache, welche bekanntlich bei den Namen der Frauen die Endsylbe „ki" in „ka" umändert, den Beweis, daß mehr als die Hälfte — wohl bald- drei Viertel — der Unterschriften von Frauen herrühre», von denen eben wiederum der größte Theil durch andere Personen unterzeichnet sind. Erwägt man nun, wie leicht die Einwirkung der katholischen Geistlichkeit auf ein Frauengemüth ist, und zieht man ferner in Betracht, wie gering die Garantie ist, daß alle diejenigen Unterschriften, welche von einer und derselben fremden Hand herrühren, auch mit Zu stimmung des Namensträgers vollzogen wurden, so läßt sich daraus sehr bald der Werth bemessen, welcher allen diesen Petitionen bei gelegt werden kann." — Wie die „Sp. Z." hört, wird die Conferenz, welche von dem UnterrichtSminister zur Berathung über wichtige Fragen unseres VolkSschulwcsens beabsichtigt ist, in der ersten Hälfte deS Juni stattfinden. Außer den Schulräthen der verschiedenen Provinzen, Seminar-Directoren u. s. w. sollen noch andere Elemente, insbe sondere auch Abgeordnete der verschiedensten Richtungen, eingeladen werden. Die Conferenz beschränkt sich selbstverständlich nicht auf eine Confesston, vielmehr werden auch katholische Mitglieder daran theilnehmen. Als Hauptfragen dürften wohl besonders zwei aus treten: einmal die Untersuchung, inwieweit die Grundsätze der sogenannten „Regulative" einer Abänderung bedürfen, und dann die umfassendere Frage, wohin überhaupt die Anschauungen in Betreff des künftigen BolkSunterrichtSgesetzes gehen. Die Conferenz wird also ein orientirender Schritt für die Arbeiten zum Unterrichts- Gesetz sein. — Da die Männer sich den priesterlichen Ansprüchen nicht überall recht fügen wollen, versucht man eS jetzt mehr als je mit dem weicheren Gemüth der Frauen. Unterm 4. d. M. hat der Bischof von Pelplin, wie der „Graudenzer Gesellige" mittheilt, dem „erwürdigen Diöcesan-Clerus" in einem Rundschreiben überall die Begründung von „Vereinen christlicher Mütter" anbefohlen. Der Bischof schreibt u. A.: „DaS Bestreben, aus den öffentlichen Anstalten die religiös sittliche Erziehung und die dieselben fördernden kirchlich-religiösen Uebungen zu verdrängen, macht es dringend nothwendig, daß die christlichen Mütter dieser Gefahr entgegenwirken. Der Papst behandelt diese Vereine nicht als einfache Vereine, sondern durchaus nach den kanonischen Normen einer Brüderschaft oder Socialität. — Mit steigendem Interesse folgt die öffentliche Meinung und die Presse Englands dem Kampfe zwischen der deutschen Regierung und der ultramoutanen Partei, und man kann sagen, daß in der Beurthetlung der Sache unter den Blättern aller Farben die vollkommenste Uebereinstimmung herrsche, alle drücken ihren un bedingten Beifall für die Politik des Reichskanzlers aus. Die Rede des Fürsten Bismarck — sagte die „Times" in ihrer neuesten Be trachtung über den Gegenstand — behandelt in erschöpfender Weise die letzten Scharmützel zwischen dem Batican und dem Berliner Cabinet. ES handelt sich in der That um Dinge von nicht ge« ringcr Bedeutung bei dieser anscheinend so geringfügigen diploma tischen Differenz. Der Ruf „Hie Welf! Hie Waiblinger! theilt aus'S Neue das katholische Europa in zwei feindliche Lager. Car dinal Hohenlohe wird als unannehmbar für den Batican bezeichnet, weil er selbst ein Feind der Jesuiten und außerdem ein Bruder des Fürsten Hohenlohe ist, welcher als Premier in Bayern zuerst die Fahne der staatlichen Autorität gegenüber der päpstlichen Un fehlbarkeit und den sonstigen, freisinnigen und gesellschaftlichen Grund sätzen zuwiderlaufenden Ansprüchen der Ultramontanen hochhielt. Bis in die letzte Zeit war Fürst Bismarck der beste Freund der katholischen Unterthanen seines Herrschers, gegenwärtig aber wird er augenscheinlich beunruhigt durch die schlecht verhehlte Feindschaft derjenigen, welche die Existenz eines einigen Deutschlands als un trennbar von derjenigen eines einigen Italiens und daher als feind selig gegen die weltlichen Interessen deS Papstes ansehen. Deutsch land ist ein wirkliches Reich geworden und findet sich wie in ver-- gangenen Tagen wieder in einen Krieg mit der ultramontanen Richtung, dem modernen Welfenthum, verwickelt, in welchem es sich auswärtiger wie heimischer Feinde zu erwehren hat. Um die Souverainität deS Papstes wieder herzustellen, suchen die Ultra montanen Deutschland zu zerreißen und alle möglichen ihm wider strebende Leidenschaften und Interessen unter die Waffen zu raffen. Nichts ist in unseren Tagen so überraschend, als die Rührigkeit dieses Welstschen Gefühles und der Fanatismus, welcher die ultra montanen Parteigänger treibt, sich bei allen Unternehmungen, welche ihrem Ziele günstig scheinen, zu betheiligen, mögen die Hoffnungen auf Erfolg auch noch so schwach sein. Es bekundet sich dieses Streben in der unsinnigen Erhebung, welche der junge Bourbonen prinz unter den Bergbewohnern von Navarra und ÄiScaya ange zettelt hat. Wir erkennen eS in noch entschiednerem Grade in den unermüdlichen Anstrengungen der Pariser clericalen Presse, die Welt durch prächtige Schilderungen Carlistischer Triumphe irrezn- führen, wie in den aufregenden Darstellungen über daS drohende Schicksal deS savoyischen Usurpators, „des Sohnes deS auS der Kirchengemeinschast ausgeschlossenen Victor Emanuel." Wir finden es wiever in der Volksabstimmung in der Schweiz, wo die engsten nationalen und demokratischen Feindseligkeiten mit schlauer List neben dem crassen Aberglauben und der beschränktesten Bigotterie zur Geltung gebracht wurden, um einen wünschenSwerthen, ja in mancher Beziehung nothwendigen Resormplan zum Scheitern zu bringen. Wohin immer wir uns wenden, da finden wir auch die Führer dieses päpstlichen Kreuzzuges an der Arbeit, ihr Streben, das nicht nur aus Wiederherstellung der päpstlichen Herrschaft in