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T agebla t t. Amtsblatt drS Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter und der Stadträthe zu Freiberg u. Braud. ^-269. «erscheint t. Freiberz jed. Wochen«. Ab. 8 U. für den and. Tag. Jnser. werden bi« V. 11 U. für nächst» Nr. angen. Sonnabend, den 18. November Prei« vtmeljährl. 20 Ngr, Inserat« werden di« grspalten« Zeil« °d«r deren Raum mit 8 Pf. berechnet. 1871. Freiberg, den 17. November. Die Enthüllungen der französischen Diplomaten nehmen kein Endel Kaum sind jene auf Deutschland bezüglichen Schriftstücke Benedettis, GrammontS u. s. w. von der Tagesordnung verschwun den, so enthüllt Jules Favre Geheimnisse zwischen Frankreich und Rom. JuleS Favre trat bekanntlich vom Ministerium deö Aus wärtigen zurück, weil die National-Bersammlung die Petitionen der französischen Bischöfe wegen Wiederherstellung der weltlichen Papstherrschaft dem Ministerium des Aeußern zur Erwägung über wies. Getreu seinen bisherigen Grundsätzen, die den Römerzug Victor Emanuels billigten, mußte der Minister in diesem Votum der National-Bersammlung eine Aufforderung zum Rücktritt er blicken. In der kürzlich erschienenen RechtfertigungSschrist giebt nun JuleS Favre eine actenmäßige Darstellung seiner auf die römische Frage bezüglichen Thätigkeit als Minister des Auswärtigen, welches Amt er nach dem Zusammenbruch des Kaiserreiches übernommen hatte. Wir lassen nachstehend einen gedrängten Auszug dieser'Ent- Hüllungen folgen. Zwei Tage nach der Einsetzung der Regierung der nationalen Bertheidigung in Paris erschien der italienische Gesandte, Ritter Nigra, beim Minister des Auswärtigen, um demselben unter An derem mitzutheilen, daß die italienische Regierung den Zustand in Rom nicht länger ertragen könne und daß sie gütlich oder im Wege der Gewalt eine Lösung herbetführen müsse, wenn die italienische Regierung nicht von der Demagogie überfluthet werden soll. „Wir find glücklich darüber", fügte Nigra hinzu, „daß in dieser KrisiS die neue Regierung Frankreichs uns ihren moralischen Beistand leiht. Aber weshalb sollte Frankreich nicht noch einen Schritt weiter gehen, und die Convention vom 15. September 1864 kündigen?" — JuleS Favre antwortete Nigra, er fühle wohl, daß sich hier gegen nichts einwenden lasse; die September-Convention sei todt und er werde dieselbe nicht anrufen. „Ich kann und will nichts hindern", fügte der Minister hinzu, „und glaube wie Sie, daß, wenn Sie nicht nach Rom gehen, dieses gefährlichen Agitatoren in die Hände fallen wird. Ich sehe Sie lieber in Rom. Die September-Con vention könnte ich kündigen, wenn Frankreich Sieger wäre; für den Augenblick kann ich sie nicht kündigen. ES versteht sich aber von selbst, daß, was Sie mit Bezug auf Rom unternehmen, unter Ihrer eigenen und ausschließlichen Verantwortung geschieht." Aus diese Weise legte JuleS Favre dem italienischen Diplomaten nahe, daß Italien die Kündigung der September-Convention, welche be kanntlich den Papst unter französischen Schutz stellte, durch ein Schutz- und Trutzbündniß mit Frankreich gegen Deutschland er kaufen könne. Italien aber, von Frankreich nichts mehr befürchtend, wußte seinen Zweck auch ohne die Kündigung der September-Con vention zu erreichen. Nach dieser Unterredung schrieb Jules Favre an den franzö sischen Gesandten in Florenz: „Die Regierung der nationalen Ver« theidigung kann die weltliche Herrschaft des heiligen Stuhles weder billigen noch anerkennen." Damit war Alles gesagt, und die ita lienischen Truppen rückten in Rom ein. Man ersieht hieraus, daß JuleS Favre, obgleich eifriger Katholik, so doch ein offener Gegner der weltlichen Papstmacht war; gleich zeitig lehrt aber auch sein Sturz, daß ThierS und die National- Bersammlung entgegengesetzter Ansicht sind. Aus dieser Thatsäche lasten sich Folgerungen für die Zukunft ziehen. Die ungeheuert» Anstrengungen, welche jetzt Frankreich für Herstellung einer impo santen Militairmacht unternimmt, richten sich in erster Linie gegen Italien. Aber noch ein anderer Punct verleiht der Favre'schen Recht fertigungsschrift ganz besonderen Reiz. DaS Buch enthält nämlich von Anfang bis Ende eine schonungslose Berurtheilung der Jesuiten« Politik, welche vom Vatican auS jetzt ganz Europa zu unterwühlea und zu verhetzen trachtet. Favre bleibt die Beweise nicht schuldig. Am 26. April dieses Jahres äußerte der Papst beim Empfange des französischen Gesandten Harcourt: Er verzichte auf die Wiederherstellung der weltlichen Herrschaft selbst für den Fall, daß sie ihm angeboten werden sollte. Die Veröffentlichung dieser Depesche reißt natürlich allen politischen Agitationen der Ultramontanen die Maske vom Gesicht. Nicht der Papst ist der Inbegriff aller Unversöhnlichkeit, sondern die Jesuiten sind eS, welche den schwachen Greis unter dem Banne von Täu schungen und Einschüchterungen seinen eigenen Gedanken und Ge fühlen entfremden, um ihn zum widerstandslosen Werkzeuge ihrer selbstsüchtigen Pläne zu machen. Die Schwarzen fühlen, welch' zerschmetternder Schlag ihnen durch die Publication dieser Depesche geworden ist. Darum bieten sie jetzt Alles auf, die Thatsache an der Welt zu lügen. Aber umsonst l Welchen Grund hätte der fa natisch ultramontane Graf Harcourt gehabt, dem Papste Aussprüche anzudichten, von denen er wissen mußte, daß sie die Berechnungen ThierS und der Mehrheit der Franzosen durchkreuzen? Daß Jule- Favre das Actenstück gefälscht haben könnte, ist eine widersinnige Annahme, denn Graf Harcourt, dessen Rechtgläubigkeit nie ange zweifelt ward, würde diese Fälschung nicht vierundzwanzig Stunden unenthüllt gelassen haben. Je tödtlicher diese Favre'sche Enthül lung sür den Jesuitismus ist, desto mehr legen sich die frommen Herren aus'S Lügen. Darauf kommt eS ihnen natürlich Ächt an, denn nach ihrer Moral heiligt ja der Zweck da- Mittels Nur gut, daß das Mittel diesmal nicht zum Zweck führen wird. Tagesgeschichte. Berlin. 16. November. Der Reichstag setzte heute die zweite Berathung des Etats fort. Bei dem Etat des auswärtigen Amte- hebt Fürst Bismarck die Nothwendigkeit der Erhöhung der Ge sandtengehalte hervor, er weist auf die gesteigerten Ansprüche an die Vertretungen des neuen Reiches hin. Die Frage, ob ein Ge sandter bei dem Papste erhalten bleiben werde, sei nicht bet dem Budget zu beantworten. Der Gesandte bei dem Könige von Italien wird zugleich mit diesem nach Rom überfieoeln. Debatten wurden sämmtliche Positionen des Etats des MmisteriumS deS Aeußern angenommen. — Die Nachricht der „BreSl. Ztg.", daß an den preußischen Landtag eine Anleiheforderung von 30 Mill. Thaler gestellt werden solle, wird jetzt von demselben Blatte dahin erläutert, daß eS sich nicht mehr um eine Eiseubahn-Anleihe, sonder» um ein Ausführung-,