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Beilage zu Nr. 142 Sie deutsche Wirtschastspropaganda. WnvuM TayeMü llliö WMMlilger AMiger Di-n-.°g. d 22 2.mi 192« „Die Ware mutz für sich selber werben." Die Frage einer verstärkten Propaganda für deut sche Waren bildete den Gegenstand einer Besprechung im Reichswirtschaftsministerium, zu der die Reichs regierung die Vertreter der Spitzenverbände eingeladen hatte. Tas Ergebnis der Besprechungen war zunächst, dass man allseitig übereinstimmend eine amtliche Pro- pagaitda in dieser Richtung siir unzweckmäßig er achtet. Tie Werbung für den Absatz deutscher Waren soll vielmehr allein der Wirtschaft selbst und deren Or ganen und insbesondere auch auf dem Wege über die Presse überlassen bleiben. Eine solche wurde aller dings allseitig nicht nur für «»gebracht und zweckmässig, sondern sogar als notwendig erklärt, jedoch auch nur in dem Sinne und in der Begrenzung, daß jeder Sinn und Absicht eines Boykotts ausländischer Waren ver mieden wird. . Industrie und Regierung scheinen sich also war- Aber einig zu sein, daß. eine über die vorbezeichnete Grenze hinausgehende Tätigkeit für die Erzeugnisse Des eigenen Landes nur ein Schwächezeugnis bedeutet, das sich die deutsche Industrie und der deutsche Handel nicht ausstellen brauchen, und datz die beste Werbe- kraft im Inlands wie auch dem Auslande gegenüber die Qualität der Erzeugnisse bedeutet. Vergleich im SochschullonW. Lessing erhält dauernden Forschungs auftrag. Der Konflikt zwischen der Studentenschaft der Technischen Hochschule Hannover und dem Professor Lessing ist jetzt durch einen Vergleich beigelegt worden. -Dieser Vergleich wurde durch das Eingreifen der Rektoren der Technischen Hochschule Berlin, der Uni versität Halle und des Vorstandes des Verbandes deut licher Hochschulen herbeigeführt, die aus freier Ent- fchließung versucht hatten, die an der Technischen Hoch schule zu Hannover entstandenen Unruhen zu beseitigen. Hu diesem Zweck hatten sie sowohl mit Professor Lessing wie mit der Vertretung der hannoverschen Studenten Fühlung genommen. Das Ergebnis dieser Verhandlungen bildete folgender Vergleich: „Die Studenten haben zugegeben, daß die vorge kommenen Störungen und Unregelmäßigkeiten dem Recht und der akademischen Ordnung widersprechen und daß daher zur Wahrung der akademisches und staatlichen Autorität die Durchführung der Disziplinarverfahren unvermeidlich ist. Die Leiter der Bewegung haben sich Persönlich bereit er klärt, sich zur Uebcrnahme der vollen Verantwortlichkeit den akademischen Behörden zur Verfügung zu stellen. Sie haben sich verpflichtet, mit allen Kräften dahin zu wirken, daß fernerhin jede Art von gewaltsamer Störung der Vorlesungen des Professor Lessing oder von Streiks unter bleibt. Anderseits hat sich Professor Lessing bereit er klärt, kollegial an der Befriedung der Hochschule mitzuar beiten. Er will die von ihm für diesen Sommer ange kündigten Vorlesungen bis Schluß des Sommcrhalbjahres zu Ende führen und erwartet, darin keine Störung durch tue Studenten zu erfahren. Seine Vorlesungen will er mit Ablauf des Semesters einstellen in der Erwartung, daß er vom Ministerium ein dauerndes Arbeitsgebiet zur Durch führung seiner wissenschaftlichen Forschungspläne erhält?' Nachdem die Professoren Orlich (Technische Hoch schule Berlin), Fleischmann (Universität Halle) und Scheel (Vorsitzender des Verbandes der deutschen Hochschulen), sowie die Berliner Professoren Kahl, Lüders und Nernst dem Kultusminister die Lösunx des Konfliktes auf dieser Grundlage empfohlen haben hat der preußische Kultusminister Becker im Einver ständnis mit Professor Lessing dieser Anregung ent sprochen, und es ist demgemäß Lessing vom Winter-Se mester ab an Stelle seines bisherigen Lehrauftrags ein dauernder Forschungsauftrag ertreili worden. Lessing wird seine Vorlesungen bis zum Ende des Sommer-Semesters fortsetzen und wird der Tech nischen Hochschule in Hannover vermöge feiner Lehr erlaubnis weiterhin als außerordentlicher Professor an gehören. Die Disziplinarverfahren gegen di< schuldigen Studenten werden von Rektor und Senai der Hochschule Hannover ordnungsgemäß weiter- steführt. Ser Schlußakt im Winzerprozeß. Gefängnisstrafen von drei bis acht Mo naten. Im Prozeß gegen die wegen Lanbsriedensbruchs angcklagtcn Winzer wurde folgendes Urteil gefällt: Elf Angeklagte wurden freigesprochcn. Tie Angeklagten Roth-Zeter, Thanisch, Hermann Heinz und Kieren wur de» wegen Landsriedensbrnchs z„ je drei Monaten Ge fängnis, der Angeklagte Mentjes-Jakobi wurde wegen schweren Landfricdcnsbruchs zu einer Gefängnisstrafe von sieben Monaten und der Angeklagte Flesch z» acht Monaten verurteilt. Die Angeklagten Görgen, Belten, Alfred Geller und Peter Geller, Frey, Zim mer, August Philipps, Pohl, Schwab, Jakob Ehlen wnrden wegen schweren Landsriedensbrnchs zu einer Gefängnisstrafe von je drei Monaten verurteilt. Mit dem Urteil verkündete das Gericht gleichzeitig den Bc- schlttß, die Vollstreckung gegen die Angeklagten Pohl, Roth-Zeter, Thanisch, Hermann Heinz und Kieren aus drei Jahre mit Bewährung auszusetzen. Durch die Sachverständigen, die sich in der Hauptsache über die Härten bei den Steuererhebun gen ausließen und verschiedentlich dem Obersteuersekre tär Steffen die ganze Schuld an den Vorgängen in Bernkastel zuschrieben, wurden die Angeklagten nicht unwesentlich entlastet. So betonte ein Sachverständiger, ratz die Notlage der Winzer aus den schwierigen Nach- kciegsverhältnissen herrühre. Dazu komme die un glückliche Weinsteuer und der spanische Handelsvertrag, durch den in vier Monaten mehr als das 31/2 fache der Menge Wein aus Spanien eingeführt worden sei, als überhaupt an der Mosel erzeugt werden könnte. In den Familien habe die bitterste Not geherrscht. Viele Familien mutzten morgens, mittags und abends sich nur von Kartoffeln ernähren. Um nun aber die Schande der Pfändung abzuwehren, hätten die Leute den Vollziehungsbeamten die letzten Pfennige gegeben. Ein weiterer Sachverständiger verbreitete sich eingehend über die Härten bei der Steuererhebung. Lastkraftwagen mit Vollziehungsbeamten seien in die Dörfer gefahren, um die gepfändeten Gegenstände weg zufahren. Regierungsrat Zimmer aus Wittlich, der sich zu diesen Behauptungen des Sachverständigen äußern sollte, mutzte sie im wesentlichen zugeben. Er wies aber darauf hin, datz die Pfändungen nicht über mäßig zahlreich gewesen sind und daß z. B. in Reil von 300 Steuerpflichtigen nicht ganz ein Drittel ge pfändet worden seien. Diese Bemerkung ries im Saale lebhafte Bewegung hervor. In ähnlicher Weise äußer ten sich auch die übrigen Sachverständigen. Dec Generalstaatsanwalt wies in seiner Anklage rede daraus hin, daß die Not der Winzer nicht abgestrit ten werde. Gerade die Mosel habe immer treue staatk- erhaltende Gesinnung gezeigt, und es werde bet der Beurteilung der Straftaten von wesentlicher Bedeutung sein, daß die Winzer nicht aus unedlen Motiven ge handelt haben. Inzwischen hat der Reichsfinanzminister eine Ver ordnung erlassen, die weitgehende Steuererleich terungen für die Winzer bringt. Der Reichsfinanz minister weist darauf hin, daß er sich damit einverstan den erklärt, datz den Winzern die bisher fällig ge wordenen Reichssteuern, die gestundet waren, auch wei terhin gestundet werden, und daß von Zwangsmaß nahmen hinsichtlich der rückständigen Steuern abgesehen werden soll. Da sich in der Zwischenzeit die Notlage der Winzer noch weiter verschärft hat, soll den Win zern, besonders den Klein- und Mittelbetrieben, in großzügiger Weise geholfen werden. - . < Sie deutsche EmheiiMkomoüve. Ersparnismaßnahmen im Reichsbahn betrieb. Auf den deutschen Eisenbahnen ist zur Zeit eine überaus große Zahl von Lokomotivgattuugen in Be trieb, die den verschiedenen in der Reichsbahn vereinig ten Staatsbahnen entstammen und meist im gleichen Dienst verwendet werden. Das Bestreben der Reichs bahnverwaltung geht nun dahin, diese zahlreichen Lo- komotivgattungen so einzuschränken, daß jedem Perwen dungszweck möglichst nur eine Bauart entspricht. Durch diese Maßnahmen sollen einerseits im Lokomotivdienst beträchtliche Ersparnisse erzielt werden, andererseits hofft man, auf diese Weise auch die Leistungen des Reichsbahnbetriebes ganz erheblich verbessern zu kön nen. Natürlich kann der Ersatz nur allmählich gesche hen, aber die Unterhaltung einer größeren Anzahl Lokomotiven gleicher Bauart stellt sich ganz bedeutend billiger; darüber hinaus verbilligt dann noch die Nor mung von Einzelteilen die Unterhaltung dadurch, daß große Lager an Ersatzteilen entbehrlich werden. Die Reichsbahn hat deshalb in enger Fühlung mit der Lokomotivindustrie neue, leistungsfähigere Ein heiten für den Personenzug-, Güterzug- und Verschiebe dienst entwickelt; als erste eine zweizylindrige Heiß dampf-Schnellzugmaschine mit drei Lauf- und drei Treibachsen. Kürzlich sind mehrere Maschinen dieser Gattung fertig geworden. Die Deutsche Reichsbahn verfügt jetzt wohl über die leistungsfähigsten Schnell- zuglokomotiven Europas. Die Maschinen, die nicht nur durch ihre Grötzenabmessungen, sondern auch durch die strenge Schlichtheit der Bauform auffallen, sind im stande, einen D-Zug von 18 Wagen im Gewicht von zu sammen 80V Tonnen mit 100 Kilometer Dauergeschwin- digkeit bei 120 Kilometer Höchstgeschwindigkeit zu be fördern. Nach Indienststellung dieser Maschinen ist also mit einer erheblichen Steigerung der Dauer- geschwindigkeit unserer schnellsten D-Züge zu rech nen, da diese heute höchstens — und zwar nur bei einem einzigen Zuge — 83,6 Kilometer beträgt. ZMäMS-Karlenkau-Kusße^ Arksdm 1926. (Ligtnberichl.) Nachdruck verboten. V. Schon die Internationale.Hygiene-Ausstellung Dresden 1911" hat es als innerlich begründete Notwendigkeit er achtet, in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft im Staatlichen Botanischen Garten eine umfassende Darstellung Volks- tümlicher Arznei- und Giftpflanzen zu zeigen. Im Ge lände der diesjährigen Gartenbau Ausstellung verhilft der Heilkräuter- und Giftpflanzen-Garten der alten Natur-Arzneikunde zu neuem Leben. Die Fachschule des Drogisten-Vereins zu Dresden und der Bund Sächsischer Verbandsdrogisten haben diese Anlage geschaffen, die einen reichhaltigen Überblick über die Hell- und Giftpflanzen des deutschen Gartens und der freien Natur gibt. Diese Gar ten-Anlage zeigt, ihrem lehrhaften Zweck entsprechend, in sachlichklarem Aufbau jede Pflanze mit deutsch-lateinischer Beschilderung. Hier sind auf Grund der alten Überliefe rungen, aber auch unter Berücksichtigung neuer wissenschaft licher Forschungen in lebendigen Gruppen die Pflanzen zusammengestellt, die in der Hand des Arztes Linderung und Heilung bei schweren Krankheiten zu bringen geeignet sind. Man lernt aber auch jene Pflanzen kennen, die die mannigfachen kleineren Beschwerden zu beheben vermögen, an denen der moderne Kulturmensch so reich ist. In einem Begleitbüchlein werden wertvolle Ratschläge für die Verwendungsart (innerlich wie äußerlich) von über 100 Heilkräutern gegeben, um ihre rechte Anwendung zu sichern, nicht etwa, um den Arzt überflüssig zu machen, Heimische und fremdländische Giftpflanzen beherbergt eine Sonder anlage dieses seltenen Garten, der in allen Kreisen lebhaf testes Interesse erweckt, denn uralt ist ja der gesunde Glaube des Menschen an die Macht der Natur. Und unermeßliche Werte birgt die Pflanzenwelt für die leidende Menschheit in sich. Noch haben sich hier nicht alle Pflanzen entfaltet. Aber schon von den Schildern kann man die Namen der Pflanzen lesen, die ihre eigene Suggestion haben: Groß- mutterwelt mit seltsam stark riechenden Tees, süßen Husten gelränken, merkwürdigen Tropfen auf dem Löffel voll Zucker. Man glaubt sich vor Kästen und Büchsen der alten Apotheken und Drogerien und meinet ihren eigen artigen Duft wahrzunehmen in der Erinnerung an diese Namen: Altheewurzel, Bärlappsamen, Frauenflachs, Gänse fingerkraut, Lavendel, Katzenpfötchen, Spitzwegerich, Weg wartwurzel, Hauhechel, Schafgarbe, Brennessel, Kalmuß, Baldrian, Kamille, Bibernelle oder Bockpeterlein, und wie sie olle heißen die Pflanzen. Man glaubt sich ihren guten Geistern, ihren heilenden Kräften und Säften, die die Menschheit in ihrer oieltausendjährigen Geschichte ent deckt hat, viel näher. Man glaubt sich in dem alten Bauerngarten, der sich die Raute, den Wermut, den Sal bei und Rosmarin, den Fibisch, das Liebstöckel und die Pfefferminze noch bewahrt hat, und alle diese noch viel fach zieht und pflegt, trotzdem die rationelle Pharmakog nosie sie zum Teil längst im offiziellen deutschen Arznei buch gestrichen hat. Nachdem aber die Hygiene aus einer Gelehrtenwissen schaft zu einer volkstümlichen Wissenschaft geworden ist, die die Nalurheilkunde in ihrem berechtigten Ausmaße wieder anerkannt hat, ist auch die oft belächelte Volks- medizlen wieder in Achtung und Ansehen gekommen. Das trifft auch auf die Heilkräuter zu. Zahlreiche Arzte haben erkannt, daß in vielen unsrer heimischen Kräuter ein Schah von Heilmitteln aufgespeichert liegt, dessen Anwendung schon großen Segen gestiftet hat. Man betrachtet heute wieder mehr den Menschen als einen Teil der Natur und nicht als etwas außer ihr Stehendes. Neben den Heilkräutern finden wir aber auch eine kleine Anlage von Pflanzen mit gefährlichen Kräften, den tätlichen Giften. Auch hier die Namen auf Schildern. Auch diese Pflanzen befinden sich zum Teil noch in der Entwicklung. Aber die Schilder helfen uns, di« grünen den Stengel kennen zu lernen: Bilsenkraut, Bittersüß, Fingerhut, Nachtschatten,Herbstzeillose,Schierling, Tollkirsche usw. Und unter diesen bösen gefährlichen Gesellen findet man auch den Tabak. Und man liest tn dem Heilkräuter- Büchlein, das man zu Nutz sich einsteckt, von der Wir kung des Nikotins, während man mit Ge nuß seine Zigarette raucht und ein „Schälchen Heeßen" in dem originellen Kaffeehaus zur Palmenterrasse schlürft, das ganz in der Nähe des Gartens der Heil- und Gift pflanzen liegt. Die Wanderung durch diesen hat zum Nachdenken an geregt, zum Denken darüber, daß der Kulturmensch eigent lich ein recht naturfremder Mensch ist. Der Mensch ver gangener Zeiten war schicksalhaft dem Naturgeschehen ver bunden, war mit seinem ganzen Denken und Fühlen in der Natur verankert, die ihn umgab, in der er lebte. Und da ahnte ex. schon die Zusammenhänge von der Einheit alles Lebendigen, die erst heute wieder durch wissenschaftliche Forschung uns neu erstehen. In seinem Glauben an eine Einheit der ganzen Natur zieht er Kult haft Verbindungsfäden zwischen Pflanze und Mensch. So erwarb sich der Urmensch auf seiner Suche nach pflanz licher Nahrung seine ersten Kenntnisse über die Wirkung der Gewächse auf menschliche Vorgänge. Der Hunger lehrte ihn, grüne Pflanzenteile, Beeren, Pilze, die unter irdischen Wurzeln und Wurzelstöcke zu kosten. Aus er freulichen und schmerzlichen Erfahrungen erwuchs ihm die erste Botanik, eine angewandte Botanik. Seine Anschau ungen von „Eßbar" wie „Nicht eßbar" klärten sich. Stark duftende giftige Pflanzen schienen im Dienst ge heimnisvoller Mächte stehend; er glaubte, nur die Gott heit könne den Pflanzen diese unerklärlichen Kräfte,, heilende und lötende Wirkung gegeben haben. Der pri mitive Mensch wendete die Pflanze als Gabe der Götter an. Und so erwuchs aus der ersten Volksbotanik die erste Volksmedizin. Lange bevor die Grundlagen einer wissenschaftlichen Botanik entstanden, haben die altgriechischen „Wurzel schneider" botanische, volksmrdizinische Kenntnisse itts Volk getragen. Heinrich Marzel! stellt in seinem Buche „Die Pflanzen im deutschen Volksleben" fest, daß unter allen indogermanischen Völkern das germanische Volk die stärksten Neigungen zur Natur und ihren Erscheinungen offenbart. Uralte Pflanzennamen, die das Volk unbekümmert um Schule und Wissenschaft durch die Jahrhunderte getragen hat, öffnen uns den Blick nicht selten bis in älteste ger manische Vorzeit. So führen uns zum althochdeutschen Wortschatz Namen wie Gundelrebe und Kellerhals zurück. Ins Reich germanischer Mythologie gehören Hollunder, Bocksdorn und Donnerkraut. Die germanische Frau ver stand sich auf den Saft der Kräuter. „Kräuterfrauen" und