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Nr. 82/1913 PAPIER-ZEITUNG 3023 Verein der Zellstoff- und Papier-Chemiker Neues auf dem Gebiete der Papierprüfung im Jahre 1912 Von Prof. W. Herzberg I. Apparate und Verfahren 1 ) Beurteilung der Festigkeitseigenschaften von Halbstoffen Um ein einwandfreies Bild von der Faserfestigkeit von Halb stoffen zu gewinnen, ist es nötig, letztere zu Papier zu verarbeiten und an diesem die Festigkeitseigenschaften zu bestimmen. Eine Reihe von Versuchen dieser Art hat Prof. Dalin früher ausgeführt und in den „Mitt." beschrieben. 2 ) Neuerdings hat er sich wieder mit dem Gegen stand befaßt 3 ) und sich die Aufgabe gestellt, durch Versuche mit der kleinen Mahl- und Schöpfanlage des Materialprüfungsamtes unter Benützung von zwei Leinenhalbstoffen und zwei Zellstoffen folgende Fragen za beantworten: 1. Welchen Einfluß hat die Art des Schöpfens und Schüttelns auf die Festigkeitseigenschaften des Papiers ? 2. Kann der Mahlvorgang so geregelt werden, daß wiederholte Versuche übereinstimmende Ergebnisse liefern ? 3. Wie ändert sich das Verhältnis der Festigkeitseigenschaften zweier zu vergleichender Stoffe mit der Mahldauer oder mit dem Mahlungszustand ? 4. Wie stimmen die Festigkeitseigenschaften der geschöpften Papiere mit denen der aus demselben Stoff auf der Maschine hergestellten überein ? Die Ergebnisse der Versuche, die der Verfasser in Tabellen und Schaubildern niedergelegt hat, lassen sich kurz wie folgt zusammen fassen. Zu 1. Wenn beim Schöpfen des Blattes das Schütteln des Rah mens teils mit der noch in den Brei tauchenden Form ausgeführt wurde, wie es beim Schöpfen von Halbstoffen oft nötig ist, teils mit der ausgehobenen Form in üblicher Weise, so ergaben sich trotz dieser grundverschiedenen Arbeitsweise Papiere von annähernd über einstimmenden Festigkeitseigenschaften. Auch die beim Eintauchen und Herausziehen der Form möglichen und in der Praxis vorkommen den Abweichungen zeigten sich ohne nennenswerten Einfluß. Alle geschüttelten Proben aber zeigten erheblich höhere Festigkeits-, Falz- und Dehnungswerte als die nicht geschüttelten. Auf das Verhältnis der Werte in den beiden Hauptrichtungen scheint hinsichtlich der Dehnung die Schüttelung ohne Einfluß zu sein. Das Verhältnis der Werte für Festigkeit und Falzzahl beider Richtungen wurde durch Schütteln in der Längsrichtung kaum beeinflußt, wohl aber beim Schütteln in der Querrichtung. Hierbei konnten die Unterschiede in den Werten beider Richtungen nicht nur ausgeglichen, sondern sogar umgekehrt werden. Zu 2. Wurden bei wiederholten Versuchen gleiche Bedingungen beim Mahlen innegehalten, so ergaben sich auch Papiere von annähernd gleichen Eigenschaften. Zu 3. Mit wachsender Mahldaüer wuchs die Reißlänge; sie er reichte ihren Höchstwert bei den beiden Leinenhalbstoffen nach 12 bzw. 16 Stunden; bei den Zellstoffen war nach 26 Stunden noch kein Höchstwert erreicht, die Zunahme der Reißlänge betrug bis dahin bei beiden rund 30 v. H. Die Versuche noch weiter fortzusetzen, war nicht möglich, weil die Stoffe schon so schmierig waren, daß sie sich nur mit Schwierigkeit schöpfen ließen und das Papier schon Pergamyncharakter besaß. Die Dehnung zeigte meist eine Zunahme mit wachsender Mahl dauer. Die Falzzahl erreichte bei dem einen Leinenhalbstoff den Höchst wert nach 6 Stunden und bei dem zweiten nach 16 Stunden; für die Zellstoffe war bei einem der Höchstwert nach 10 Stunden erreicht, beim anderen stiegen die Werte bis zur Beendigung der Versuche. Obwohl sich die Werte für Reißlänge, Dehnung und Falzzahl mit der Mahldauer erheblich änderten, zeigten die Leinenstoffe einerseits und die Zellstoffe andererseits bei den verschiedenen Mah lungszuständen keine erheblichen Aenderungen in den Verhältnissen dieser Werte. Es ist daher ziemlich gleichgültig, welche Stufe man für den Vergleich wählt. Um sicher zu gehen, wird man, wo es auf Ge nauigkeit ankommt, stets den Vergleich bei mehreren Mahlungs 3) Beurteilung der Festigkeitseigenschaften von Halbstoffen. Mitt, 1911. Ergänzungsheft II S. 12 (erschienen 1912). Papier-Fabrikant. Papier-Zeitung. Wochenblatt für Papierfabrikation. P.-Z. W.-B Z. = Zentralblatt für die österr.-ung. Papierindustrie. 2) Beurteilung der Festigkeitseigenschaften des Fasermaterials von Halbstoffen. Mitt. 1905 S. 279. 1) Abkürzungen für häufiger zu erwähnende Literaturquellen: pitt = Mitteilungen aus dem Königlichen Materialprüfungsamt. stufen vornehmen und außerdem mittels des Mikroskopes feststellen, daß die Faserlänge und der sonstige Zustand der zu vergleichenden Stoffe so weit wie möglich miteinander übereinstimmen. Zu 4. Um festzustellen, bis zu welchem Grade die Festigkeits eigenschaften der handgeschöpften Papiere mit denen der aus demselben Stoff auf der Maschine angefertigten übereinstimmen, wurde in einer Papierfabrik bei 4 verschiedenen Fertigungen Stoff aus der Rühr bütte entnommen und nach geeigneter Verdünnung zu Bogen von gleicher Dicke wie das auf der Maschine hergestellte Papier geschöpft, und zwar bei drei Stoffen je eine Reihe von Dalen und von einem Fachmann. Von den zu diesen Papieren verwendeten Halbstoffen wurden ferner Proben entnommen, die unter möglichst genauer Innehaltung des gleichen Mahlungszustandes, der Fasermischung, Leimung usw. im Amte zu Papier verarbeitet wurden. Es zeigte sich, daß die Werte für die geschöpften Papiere unter sich gut überein stimmten und von den auf der Maschine hergestellten nicht erheblich abwichen. Auch die Prüfungsergebnisse der im Amt hergestellten Papiere stimmten gut mit denen der Maschinenpapiere überein. Die Dalenschen Versuche haben also gezeigt, daß es möglich ist, Mahl- und Schöpfversuche im kleinen so zu regeln, daß ihre Ergebnisse mit den in der Praxis gewonnenen gut übereinstimmen. Diese Tat sache ist wichtig, denn man kommt bei der Beurteilung der Brauch barkeit von Rohstoffen oder Halbstoffen für die Zwecke der Papier industrie um die Herstellung von Papier und Feststellung der Eigen schaften desselben nicht herum. Die Ansicht, daß es möglich sein müßte, auch ohne Papier aus einem Material herzustellen, dessen Brauchbarkeit durch mikroskopische Prüfung zu beurteilen (Länge, Breite, Wandstärke und Gestalt der Fasern, Verholzungsgrad, Ver halten zu Jodlösungen oder anderen Färbemitteln usw.) hat sich längst als hinfällig erwiesen. Fasern, die für die Herstellung fester Papiere in hohem Maße geeignet sind, wurden auf diesem Wege als geringwertig beurteilt. Erst das fertige Papier liefert das letzte Glied in der Kette der Beurteilungsunterlagen für einen Papierrohstoff, und daher ist es wichtig, daß das in kleiner Laboratoriums-Anlage aus wenig Material gewonnene Papier Eigenschaften besitzt, die denen im Großbetriebe erzeugten sehr nahe stehen. Widerstand gegen Falzen In Nr. 50 der Papier-Zeitung von 1912 S. 1823 weist ,,Z" darauf hin, daß die beim Prüfen von Papier ermittelten Einzelwerte für Bruchlast (bzw. Reißlänge) und Dehnung untereinander bei weitem nicht so große Unterschiede zeigen wie die Einzelwerte für die Falz zahl (Anzahl der Doppelfalzungen). Das ist eine bekannte Erscheinung und durch die verschieden artige Beanspruchung der Versuchsstreifen bedingt. Beim Falzen wird nur ein ganz kleiner Teil des Streifens, nämlich die schmale vom Schieberblech gefaßte Stelle, stark beansprucht, und an dieser Stelle muß der Bruch erfolgen. Je nachdem nun zufällig eine schwache oder eine starke Stelle des Streifens gefaßt wird, können sich ziemlich weit auseinanderliegende Werte ergeben, und wenn gar einige Faser bündel quer zum Blech liegen, so erhöhen diese den Falzwiderstand an der betreffenden Stelle beträchtlich und es kann dann Werte ergeben, die um mehrere 100 Prozent emporschnellen. Bei der Bestimmung der Bruchlast und Bruchdehnung tritt diese Erscheinung nicht auf; hier wird der ganze Streifen bean sprucht, und der Bruch tritt immer an der schwächsten Stelle ein. Stärkere Stellen oder solche, an denen Faserbündel abgelagert sind, sind also auf das Versuchsergebnis ohne Einfluß. Selbst bei der Prüfung von unmittelbar nebeneinander aus einem Bogen entnommenen Streifen zeigt die Falzzahl große Unterschiede, wie schon früher mitgeteilt wurde. 1 ) Neuerlich ausgeführte Versuche haben diese Beobachtung bestätigt. 2 ) So ergaben sich bei drei Normal papieren (2 a, 3 a, 4 a), bei denen je 10 Streifen längs und quer un mittelbar nebeneinander entnommen wurden, in der Reihenfolge der Entnahme der Streifen folgende Falzwerte. Normal 2 a, längs: 487, 642, 228, 367, 234, 439, 400, 442, 323, 352. Quer .-300 272 219 278 417 384 267 268 354 313. Normal 3 a längs: 165 244, 256, 232, 123, 185, 252, 132, 90, 152. Quer: 107, 94, 93, 215, 166, 110, 157, 143, 162, 124. Normal 4 a, längs: 97, 124, 88, 92, 108, 81, 72, 127, 185, 202. Quer: 36, 32, 33, 39, 42, 40, 51, 60, 43, 46. Der Falzer bringt eben die Ungleichmäßigkeiten des Papiers in einer Weise zum Ausdruck wie kein zweiter Apparat. Man könnte ihm vielleicht daraus einen Vorwurf machen und im Hinblick auf den 1) Herzberg. Erfahrungen mit dem Schopperschen Falzer. Mitt. 1905 S. 83. 2 ) Herzberg. Abweichungen in der Falzzahl bei Versuchsstreifen aus demselben Bogen. Mitt. 1912 S. 178.