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— möeM und Amtsblatt des Kgl. Bezirksgerichts zu Freiberg, sowie der Kgl. Gerichtsämter u. der Stadträthe zu Freiberg, Sayda u. Brand. 252. Erscheint jeden Wochentag ftuh 8 U. Inserate werden bl» Nachm. 3 Uhr für die nächste Nr. angenommen Sonnabend, den 28. October Preil vierteljjhrl. SV Ngr. Inserate werden die gespaltene Zeile odn deren Raum mit 5 Pf. berechnet. 1885. Tagesgeschichie. Berlin, 24. Oct. Dem von Preußen und Oesterreich an die Mittelstaaten gestellten Desiderium, ihren bei dem Senate der freien Stadt Frankfurt ^ethanen Schritt zu unterstützen, ist von Seiten Hannovers bereitwilligst entsprochen worden, ebenso auch von Mecklenburg. — Wie man jetzt aus guter Quelle erfährt, ist Bis marck mit allen seinen Plänen in Biarritz vollständig gescheitert. 2e herablassender der Kaiser sich in seinem persönlichen Verkehr mit unserem Premier benahm, um so zurückhaltender war er ihm gegenüber in politischen Fragen. Nichts natürlicher also, als daß man hier jetzt das Bedürfniß nach einer Verständigung mit Oester reich empfindet; aber so weit man in den hiesigen politischen Kreisen von den Absichten des Wiener Hofes unterrichtet ist, sollen keine Aussichten dafür vorhanden sein, daß Oesterreich sich in Bezug ans die Herzogthümer zu einem Schacher verstehen werde. — Ueber die in letzter Nummer bereits gemeldete Bestattung der durch den Häusereinsturz Verunglückten theilen wir noch Nach stehendes mit: Bald nach 10 Uhr begann die ernste Feier mit der Absingung des Liedes: „Was Gott thut, das ist wohlgethan", wo rauf sich nach einer Ansprache des OberconsistorialrathS Hrn. Or. Bachmann der Zug in Bewegung setzte. Voran gingen zwei Mu sikchöre, welche abwechselnd die Melodien von Chorälen und die schönen Beethoven'schen und Chopin'schen Trauermärsche spielten. Den eigentlichen Zug eröffnete eine Deputation von Berliner Pre digern, denen eine große Trauerfahne vorangetragen wurde; es folgten der Polizeipräsident von Berlin, Herr v. Bernuth, Ober- consistorialrath Herr l)r. Bachmann, der Stadtcommandant Gene rallieutenant v. Alvensleben, Deputirte des Magistrats und der Stadtverordneten und der Centralcomitö zur Unterstützung für die Verunglückten. Auf die große schwarzumflorte Fahne des Tischler gewerkes und eine sehr bedeutende Abtheilung von Tischlermeistern und Gesellen folgte dann die erste Abtheilung der Särge, 14 an der Zahl, sämmtlich mtt Kränzen schön geschmückt. Ein drittes Musikchor eröffnete den Zug des Maurergewerkes, der die beiden im Schweizergarten verunglückten Maurer zur Ruhe geleitete. Nach einem langen Zuge von JnnungSgenossen folgte der Sarg der 19- jährigen Marie Mushake, vor welchem eine Jungfrau den Myr- thenkranz trug; die übrigen 12 Särge, denen eine dritte Abtheilung der Tischlerinnung folgte, schlossen den Zug, welcher sich in unab sehbarer Länge mit circa 12,000 Theilnehmern still und feierlich durch dichtgedrängte Menschenmassen nach dem Jacobikirchhofe vor dem Halleschen Thore bewegte, wo er unter den Klängen des Lie des : „Jesus meine Zuversicht" gegen >/,2 Uhr anlangte. Nachdem der Zug auf dem Jacobikirchhofe angekommen war, wurden sämmt- liche 29 Särge unter dem Gesänge des Liedes: „Jesus meine Zu versicht" beigesetzt. Der Tischlergesangverein sang gleichfalls einige Lieder, und daran schloß sich die Grabrede des Consistorialraths vr. Bachmann. — Angesichts des entsetzlichen Unglücks, welches der Häuser einsturz in Berlin angerichtet, bringt die „B. Volks-Zeitung" einen sehr beherzigenswerthen Vorschlag. Sie verlangt ein Gesetz etwa folgenden Inhalts: „Während der ersten drei Jahre nach dem Neu bau steht der Besitzer desselben für jeden Schaden ein, der durch Mangelhaftigkeit des Baues entsteht. Die Forderung der Be schädigten wird von der Behörde vertreten, die das Gesammtver- mögen des Besitzers eines solchen Gebäudes zum Zweck der Ent schädigung und bis zur Höhe derselben mit Arrest belegt. Die Forderung der Beschädigten geht allen Forderungen der Hypotheken- Gläubiger auf das Grundstück vor." Klein-Görzitz, (Kreis Ratibor), 23. October. Heute stürzte plötzlich das Gewölbe des Mittelschiffes der neuerbauten katholischen Kirche zusammen, nachdem ein Gurt, wie man sagt, wegen zu schwacher Unterlage sich gesenkt hatte. Neun Maurer wurden unter den Trümmern begraben, von denen 4 schwer, 5 leichter verwundet sind. Wien. Sonntag Nachmittag erhielt, wie die „C. O. Ztg." schreibt, der hier weilende Podesta von Venedig, Hr. Graf Bembo, ein Telegramm aus Venedig, worin das dortige Municipium ihn anging, die Güade Sr. Majestät des Kaisers für einen gewissen Boscolo anzuflehen, welcher, vom obersten Gerichtshöfe zum Tode verurtheilt, Montag früh hingerichtet werden sollte. Herr Graf Bembo begab sich sofort nach Schönbrunn, ließ in die Hände Sr. Majestät ein kurzgefaßtes Gnadengesuch gelangen, in welchem er mit rührenden Worten das Unglück der fünf unmündigen Kinder schilderte, wenn ihnen der Vater durch den Tod entzogen würde, und war hoch erfreut, vom Kaiser die Zusage zu erhalten, daß der Verurtheilte, wenn möglich, begnadigt werden solle. Gestern, Mon tag, zeigte der Justizmintster Herr Ritter v. Komer» dem Herrn Grafen Bembo durch ein Billet an, daß seine Bitte erfüllt worden und das kaiserliche Begnadigungstelegramm zeitig genug in Vene dig angelangt ist, um den Unglücklichen vom Tode zu retten. — Ein Wiener Correspondent der „Allg. Z." tritt Mit großer Entschiedenheit den Gerüchten von einer bevorstehenden Amnestie in Galizien entgegen, indem er versichert, die kaiserliche Regierung sei in der traurigen Lage, unerbittlich sein zu müssen, weil die Polen unverbesserlich seien. „Die polizeilichen Berichte, welche aus Galizien hierher gelangen, constatiren übereinstimmend, daß die revolutionäre Propaganda die abgerissenen Fäden aller Orten wieder anknüpft und neue Fäden spinnt, und sie gestatten keinen Zweifel, daß jedeJmdere. als die bisher, übrigens reichlich, geübte Gnade von Fall zu Fall jener Propaganda nur eine gesteigerte Zuversicht einflößen und ihr neue Kräfte zuführen würde. München. Hiesige Blätter bringen über die gegenwärtigen „Münchner Zustände" folgendes trübe Bild: „Beim Stadtgericht München l. I. wurden im vorigen Jahre 4000 Executionen voll zogen und im laufenden Jahre etwa 7000 Pfändungen vorgenom men. Beim Handelsgerichte ist die Zahl der monatlichen Wechsel- und Handelsexecutionen auf 150 gestiegen. Ladensperren gehören zur Tagesordnung; die Erbauung eines neuen Pfandhauses ist noth wendig; monatlich werden etwa 15,000 Pfänder in's Leihhaus ge bracht, an einzelnen Tagen steigt die Zahl bis auf 600. Ebenso nothwendig ist die Erweiterung oder Herstellung von Schuldgefäng nissen geworden und sind die Credite hierfür bereits bewilligt." Dies die civilrechtliche Seite des BildeS, das wir auf dem Gebiete des Strafrechts noch mit folgenden Daten, deren Richtigkeit uns verbürgt wird, ergänzen können. Beim Stadtgericht München l. I. sind im letzten Etatsjahre mehr als 30,000 Uebertretungen zur An- zeige gekommen; das Bezirksgericht München l. I. saß als erste und zweite Instanz über 1200 Straffälle zu Gericht; bei dem Schwurgericht wurden etliche hundert Anklagen wegen Verbrechen verhandelt, und endlich hatten die Untersuchungsrichter in gleicher Zeit 2700 Untersuchungen durchzuführen. Rechnen wir hierzu noch die Thätigkeit des Bezirksgerichts München l. I. in der Au, welche nach den bisherigen Erfahrungen die obigen Ziffern noch etwa um die Hälfte mehren hilft, dann kann man leider nicht widersprechen, wenn behauptet wird, die Münchner Zustände sind faul, recht faul. SchleSwig-Holstein, 25. Oct. Das holsteinische Budget für das Jahr 1864/65 ist jetzt erschienen. Es weist eine wirkliche Ein nahme von 9,680,702 Mark 3'/« Schill, nach, während der des- fallsige Voranschlag nur auf 9,000,750 Mar! rechnete. Anderer seits haben die Ausgaben nur circa 6,520,680 Mar! betragen, wah-