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— Nr.1S2. —18SS.— Diese verbreitetste «»parteiische Zeitung erscheint Wochentags Abends (mit Dali»»des nächsten Tages) und lostet mit de» silns wöchentlichen B eiblättern:. «lein« Botschaft, Sächsischer Erzähler, «erichts-Aeitnng, Sächsisches Allerlei, Jllustrirtes Unter, haltnngslblatt, de! den Postanstalte» und bei dm Ausgabestelle» «»»tätlich <10 P seimige. PaMste: 1. Nachtrag Nr 2877. Lei»,««»-»»«««! Kennalanzeiger S«r»V>r«<hftell- Nr. »SL General- Sonnabend, den 19. August. eraee für Chemnitz nnd Umgegend. (Sächsischer LandeS-Anzeiger). — Gegründet 187» als „Sti»?«iger" ie. »erlag und NotationSmaschinen-Drnck von Sllexander Wiede in Chemnitz, Theaterstratze Nr. s. Jnsergte» - Preis: Die «ge« spaltsne Corpnszeile od.r deren Nnnnl 20 Psg. (Preisverzeich nisse ä Zeile 2» Pich) — Be vorzugte Stelle (Ncklg>ne<Zeile) Lo Psg. Bei voranSbestelltei» Wiederholungen gröberer In serate entsprechender Rabatt. — Auwigeu sur die Nachitiiitags erscheinende Nummer könne« ^nnr bis Bormittag 10 llhr a»- genonnne» werden. Geschäftliche Anzeiger- Inserat« finden snr billigste» Preis zugleich Verbreitung durch dl« täglich erscheinende Chemnitz« EiimtmtM-ZeUmig. Politische Rundschau. Chemnitz, 18. August 139S. Deutsches Reich. — Am Sonntag früh trifft der Kaiser zur Parade in Mainz ein. Die Kaiserin ist, veränderten Bestimmungen zufolge, bereits gestern mit den Prinzen ins neue Palais nach Potsdam übersiedelt. — Das Arbeiterschntzgesetz findet mehr und mehr Freunde, je weiter der Sommer mit seinen zahlreichen Streiks und seinen noch zahlreicheren Ausschreitungen der Ansständigen gegen die Arbeitswilligen vorrückt. So hat erst in den letzten Tagen die Handelskammer in Bochum sich mit großer Entschiedenheit für die ,Annahme der Vorlage, wenn auch in veränderter Form erklärt. Von erheblich höherer Bedeutug ist es aber, daß der Deutsche und der Bayrische Handwerkerbund, sowie der Allgemeine Gewerbeverein in die Bewegung zu Gunsten der Vorlage eingetrcte» sind. Sic fordern sämmtliche Innungen zur Unterzeichnung einer Petition für die Vorlage auf. — Die deutsche Landwirt hschaft wird sich, wie nunmehr feststeht, an der Pariser Weltausstellung betheiligen. Für die deutschen Landwirthe kommcn besonders in Frage die großen Thier- schauen; es sind deren zwei in Anssicht genommen, am Donnerstag, den 2l/Ju»i bis 2. Juli findet eine Ausstellung von Rindern, Schafe», Schweine», Ziegen und Geflügel statt, von Sonntag, de» 2., bis Montag, den 10. September, eine große Pferdcschau. — Gegen die Verspätung von Telegrammen hat die Handelskammer Halberstadt eine Eingabe an den Staatssekretär des Neichspostamtes gerichtet. Sie schlägt vor, es solle analog der Ein- richiung bei der Eisenbahn die Bestellzeit eines Telegramms ver sicherbar gemacht werden können gegen Erstattung eines Zuschlages zu den Gebühren. — Aus Straßburg wird gemeldet: Zur Linderung der Arbeitsnoth aus dem Lande hatte die reichsländische Negier ung'beschlossen, daß aus Antrag der Gemeinden der Elementar schuluntcrricht i» den arbeitsreichsten Monaten während 13 Wochen Nachmittags ausfalle» solle. Diese Bestimmung hatte sowohl bei dem Lehrerpersvnal wie bei der Bevölkerung durchaus nicht un gelheilte Billigung erfahren. Das zeigte denn auch der Gebrauch, der von jener Verordnung gemacht worden ist ; die weit überwiegende Zahl von Gemeinden hat darauf verzichtet. Aus dem Kreise Alt- kirch z. B. wird der „Köln. Ztg." gemeldet, daß von 146 Gemein- den nur 36 die Vergünstigung erbeten haben. Die Bauern wolle» 'lieber auf die Unterstützung ihrer Kinder während der Erntezeit ver- zichlen, als ihre Kinder im Unterricht verkürzen lassen. Ausland. Lesterrcich-Uitgarn. Bor dem Restaurant „Stalehner" in Wien, wo vor Kurzem ein Sokvlfcst abgchalten worden war, sammelten sich in der Nacht zum Donnerstage zahlreiche Teutsch- naliviialc an und brachten Psni-R»fe auf Stalehner aus. Es kam zu einem Handgemenge mit dem Personale des Nostaiirants. Wachmannschaften zerstr-uten die Demonstranten und »ahmen mehrere Das Pathologische bei Schopenhauer. Eine Studie von O. Selbitz. (Nachdruck verboten.) Ein Arzt, 1),-. v. Seidlitz, hat de» großen Vertreter des modernen Pessimismas als eine» Geisteskranken geschildert. Er hat ein Zerrbild Arthur Schopenhauers entworfen, das ist kein Zweifel. Aber er hat nur maßlos übertrieben, ungenau diagnostizirt, das Auge sich durch Borurtheil trüben und die Feder durch Gehässigkeit sich führen lassen. Völlig frei war Schopenhauer nicht von Dem, was man ererbte Nervosität nennt, und Möbius, eine der ersten Kapazitäten auf dem Gebiete der Nervenheilkunde, hat in seinem populäre», die Nervosität behandelnden Katechismus diese als eine» zentralen Kreis inmitten einer Anzahl anderer Kreise dargestellt, die er alle schneidet. Dieser zentrale Kreis streift auch die — Verrückt- heil. Der ausgezeichnete Leipziger Neurologe hat Schopenhauer selbst vom Standpunkte des Arztes beurtheilt („lieber Schopenhauer", Verlag von Joh. Ambr. Barth, Leipzig, 1899), unbefangen, objeltiv, «ina im ob stniclio und dämm durchaus gerecht. Wer Schopenhauer's Schrisle» kennt und seiner Weltanschauniig mit derselben Vornrtheilslosigkeit gegcnübersteht wie Möbius, wim mit diesem i» der Anschauung übereinstinime», daß die Lehre des Franks»r>er Philosophen nicht lediglich der Ausdruck seines Phänomenalen Scharfsinnes war, sondern daß sie, zum Theil wenigstens, mit beeinflußt ist durch einen krankhaften Zug i» seiner geistigen Physiognomie. Wenn einem sachverständigen Arzte Schopenhauer's Schriften zur Begutachtung vorgelegt würde», sv möchte er etwa Folgendes sagen: Vir finden hier eine» Mann von einer in gewissem Sinne zwar einseitige», aber so außerordentlich große» geistigen Begabung, daß wir offenbar eine Hyperplasie des Gehirns (oder gewisser Gc- hirntheilc) annehme» müssen, einen Zustand, der nicht möglich ist, ohne daß zugleich im engere» Sinne kranthaste Störunge» bestanden. Der danach von vornherein zu erwartende leidenschaftliche Charattcr des Mannes giebt sich in seine» Werken hinreichend kund und das Pathologische tritt i» Wunderlichkeiten, Schroffheiten, Maßlosigkeiten zu Tage, zeigt sich besonders als rücksichtslose Heftigkeit, Mißtraue», liebloses Abnrtheilen. Am meisten aber deutet auf pathologische Bedingungen die Neigung hi», Alles bon der üblen Seile anfzu- fasien, vom Traurigen nnd Bösen stärker, als vom Heiteren und Guten ergriffen zu werde», eine Eigenschaft, die Schopenhauer selbst als Dyskolie geschildert hat und die ihm von Jugend ans eigen war. Soll dem Geisteszustände des Philosophen ein Name gegeben werden, so kann man ihn nur als ererbte Nervosität mäßige» Grades bezeichnen Verhaftungen vor. Im deutschen Nordböhmen werden die Demonstrationen gegen die Negierung und de» Paragraphen 14 und die Zuckersteuer trotz der angedrvhten Gewaltmaßregeln fortgesetzt. — Zur Uebertrittsb ewegnng wird aus Dcutschböhmen gemeldet: Sonntag fand in Komotan eine von mehr als 500 Personen besuchte Versammlung statt, durch welche die Los von Nom-Bewegung in dieser Stadt mächtig in Fluß gekommen ist. In packenden Worten sprachen Schriftleiter Borstcndöiser und Or. Eisenkulb aus Karbitz über den Ullrapwiitaiiisnins und die R.in-Kirche. Die Folge dieser Versammlung war, daß über 100 Personen ihren liebertrilt zum Protestantismus anmeldelcn. Ein Schreiben Pfarrer Bräunliche wurde mit großem Beifall ausgenommen. — In Teplitz wurden in der verflossenen Woche wieder 30 Personen in die evangelische Kirche aufgeiiomimn. Wie man sieht, nimmt also die antirömische Bewegung trotz aller kirchlichen und staatlichen Chikanirnngen ihren ruhigen, steten Fortgang. Frankreich. Zu dem Attentat ans Labori wird aus Neunes gemeldet: Die Nachsorschmigen nach dem Attentäter sind ergebnißlos. An dem polizeilichen Mißerfolge trägt die bäuerliche Bevölkerung die Schuld, die jede Auskunft verweigert. Frau Labori bekam Drohbriefe aus Paris, in denen der Schreiber sein Bedauern ausspricht, daß Labori nicht getödtet worden sei. Hoffentlich werde das noch geschehen. Auch Frau nnd Kind würde» dasselbe Schicksal erleide». Großbritannien. Die neuesten englischen Blätter führen eine Sprache, als ob der Krieg zwischen England undTransvaal vor der Thüre stehe. Die „Times" fordert die Regierung auf, Krüger gegenüber nicht zu große Geduld an den Tag zu legen. Sie meint, daß die Verzögerung der Antwort auf Chambcrlaitis Vor schlag einer gemischten Kommission nur ein Trick Krügers sei. Er wolle Zeit zu seinen Rüstungen gewinnen, die ja gar keinen Sinn hätten, wenn er mit Chnmberlains Vorschlag einverstanden wäre. „Es ist," sagt sie, „unmöglich für die Regierung, den Ernst der Situation zu verkennen. Allen Einwohnern Südafrikas — den Eingeborenen und de» Europäern — wird das Schauspiel vorgeführt, daß sich ei» Staat bis an die Zähne bewaffnet, weil er aufgefordert wird, einen kleinen Theil von jenen Zugeständnissen zu gewähren, zu deren Einhaltnftg dep Staat, wenn er. nicht seine ejgcne Existenz untergrabe» will, verpflichtet ist." Die „Morning Post" erklärt, daß die Krisis im Transvaal ihren Höhepunkt erreicht habe. Die friedliche Haltung der britischen Negierung sei nicht am Platz; England müsse sich seiner unzweifelhaften Rechte als snzeränc Macht im Transvaal bewußt werden. „Die Mitglieder des gegenwärtigen Kabincts meine» schon eine liefe Furche gezogen zu haben, wenn sie nur „ihre Hand an den Pflug gelegt haben." Stur die boerenfreundliche „Daily News" giebt der Hoffnung Ausdruck, daß Krüger ChamberlainS gut gemeinte» Vorschlag amiehmen und so die Welt von seinem guten Glauben an die Möglichkeit friedlich durchgefnhrter Reformen über zeugen wird. „Eine Zurückweisung der Vorschläge," meint sie, „könnte nur ans zweierlei Weise ansgedeutet werden. Man würde entweder glauben, daß Krüger die Angelegenheit nicht in friedlicher Weise geordnet zu sehe» wünsche, oder daß er seine jüngsten Vorschläge Dieses Urlheil, das in der That ohne Kenniniß biographischer Angaben möglich ist, findet man bestätigt in der Betrachtung von Schopenhaner's Leben. Von seiner Großmutter wird berichtet, „sie sei von so hestigem Charakter gewesen, daß sie zuletzt, nach ihres Mannes Tode, für wahnsinnig erklärt und unter Vormundschaft ge stellt worden ist", woraus aus eine» von vornherein vorhandenen traiikhasten Zustand zu schließen ist. Die latente Geisteskrankheit dieser Frau scheint ans die Jüngeren nachhaltig gewirkt z» haben. Einer war von Jugend an blödsinnig, von cineni heiß! es, er sei ein durch Ausschweifung halb wahnsinnig gewordener Mcnsch gewesen. Dagegen haben die beide» ältere» Brüder sich durch Tüchtigkeit aus gezeichnet und durch gemeinsamen kaufmännische» Betrieb Neichthum erworben, doch war der Eine, Arthur Schopenhauer's Vater, schon im mittleren Alter schwerhörig, wurde von der Umgebung für exzentrisch gehalten, war hartnäckig nnd Pedantisch, wurde mit den Jahren immer reizbarer und heftiger, soll a» Beängstigung gelitten haben nnd endete höchstwahrscheinlich durch Selbstmord. Auch bei Arthur Schepe»i.auer's Mutter, der als Schriftstellerin bekannten Johanna Schopenhauer, lag ein angeborener Defekt insofern vor, als sie ihrem Sohne von vornherein mehr eine verständige und pflicht- mäßige Steigung, als die rechte überschwängliche Mutterliebe c»t-> gcgenbrachte. Schopenhaner's Schwester, Adele, welche gleichfalls schriftstellerte und unverheiralhet blieb, wird als übcrspannt, von vor wiegend melancholischem Temperament, das sie vom Vater ererbt, »nd jeden Humors bar geschildert. Bei solchen gencalogijchen Antecedcntin ist es nur z» begreiflich, bei Schopenhauer als Grundziig seines Wesens die Dyskolie, die Neigung zu pessimistischer Weltanschauung zu finde». Es ist gar nicht zu bezweifeln, führt Möbius ans, daß Schopenhauer's Lebens- ansfassung durch die angeborene Gchirnbcschasfeuheit mit bestimmt wnrdc und daß die Dyskolie ein Erblhcil vom Vater war. „Ich weiß nur zn gut", schrieb Johanna 1807 an Schopenhauer, „wie viel Anlage zu schwcrinnthigcn Grübeleien Du vv» Deinem Vater zum traurige» Erbtheil erhalten hast." An andcrer Stelle der Möbius scheu Schrift heißt es: Eine krankhaste Verstimmung färbte Schopenhauer's Fühlen und Denken, ein Gefühl-Pessimist, wie er, ist ohne pathologische Anlage gar nicht denkbar. Stur weil bei ihm die philosophische Anlage mit der Dyskolie z»sa»»»c»traf, entstand sein Pessimismus. Schon in jungen Jahren (um 1809) trat bei ihm die mit krankhaften Affektivnc» des Gehörnervens (gerade wie beim Vater) zusammenhängende Anlage zu plötzlichen Beängstigungen ohne er sichtlichen Anlaß, besonders in nächtlicher Stille, hervor, eine Anlage, gegen die er zeitlebens zu kämpfen hatte. Damals schon hangle er ichacf geladene Waffen neben sein Belt. Schopenhauer beobachtete nicht aufrichtig gemeint hätte. Die Situativ», die durch die Zurück weisung geschaffen würde, wäre in jedem Falle eine sehr ernste." Rußland. Der Londoner Korrespondent des Petersburger „Daily Telegraph" meldet, die Kaiser von Rußland, Deutschland und Oesterreich würden im Oktober in Skiernewice in Nussisch.Pvlen zusammentrefsen. Der Zar habe eine große Jagd zur Unterhaltung daselbst befohlen. Die Zusammenkunft habe hohe politische Bedeutung, da der Zar außer vom kaiserlichen Hosiiiinister, auch vom Minister des Aeußeren und vom Kriegsminister nach Skiernewice begleitet werde» wird. Von Polen werde der Zar nach Darmstadt gehen und nach Rußland Ende Oktober zurückkehre». Amerika. Der Ausstand auf St. Domingo nimmt »ach New- Uorker Kabelmeldungen einen für die Aufständigen günstigen Fort gang. Am Sonnabend sollen weitere 1200 (?) Rebellen gelandet sei»; aber weder der Ort dieser Landung noch der Führer der Ex pedition wird genannt. Daß irgend ein Flibuslierschifs 1200 Manu gelandet habe, ist gar nicht cmzunehme». Nicht eines der dazu ver fügbaren Fahrzeuge kann eine solche Anzahl Bewassncter nebst dazu nöthigem Kriegsmaterial an Bord nehmen. Es heißt, daß diese an geblichen 1200 Mann die Rcgierungstruppen zur schleunigen Flucht gezwungen hätten, wobei letztere ihre sänrnrMchi» Geschütze zurück- lassen mußte», sodaß die Rebellen sich derselbe», sowie der dazu ge hörigen Munition bemächtigen konnten. Die Belagerung Monte Chrisiis durch die anfständigcn Anhänger des amerikanischen Söld lings Jimenez bestätigt sich allerdings, die Besatzung dürste kaum lange aushallen könne», falls nicht prompt Entsatz eintrifft. Die Aufständigen behaupten, daß die ganze Umgegend San Jagos sich bereits für Jimenez erklärt. Die Ablehnung der Kanalvorlage in» ptentzischen Abgeordnetenhause. Berlin, 17. August 1899. Das preußische Abgeordnetenhaus hat in der zweiten Be- rathung die Kcnialvorlage abgelohut. Minister Thielen trat den gestrigen Ausführungen des Grasen Ballestrem entgegen. Er äußerte sich, der Widerstand gegen len Kanal sei nutzlos, gebaut werde er doch. Abg. v. JazdzewSki (Pole) erklärte, der Kaualba i werde in ab sehbarer Zeit den Gegenden, wo seine Parteifreunde gewählt seien, große Nachtheile bringen. Er könne daher, ehe nicht die Kvmpeilsationssrage gelöst sek, nicht für das Kanalprojekt stimmen. Laiidwirthschaftsminister Frhr. v. Han, nierstein führte aus, die Landwirthfchaft werde große» Nutzen ans dem Kanal ziehen, er sek jedcusalls nicht kinsci'lig blor der Industrie von Nutzen. Abg. Meiner (srcif.) sprach sich für die Vorlage ans. Die Ab lehnung der Verlage müsse mit der Auslösung des Hauses beant wortet werden. Finanzminister Or. von Miguel führte ans, auch er sei der Ansicht, daß der Kanal dem ganzen Lande zu Gute komme. Trotz der sorgfältigste» Prüfung der Gegengründe behalte er die feste Ueberzeuguug. daß die Wasserstraße das vorzüglichste Verkehrsmittel elr-st diese kranlhaste Verstimmung an sich und charnkterisirte sie dahin, daß sie „von wahrer Melancholie nicht weit entfernt s i." Die an Manie grenzende, von ihm selbst verwünschte und zeitlebens mit dem ganze» Aufwand der Willenskraft belämpste Angst befiel ihn zuweilen mit solcher Gewalt, daß er blos mögliches, kaum denkbares Unglück leibhaft vor sich sah. Ans Neapel vertrieb ihn die Angst vor den Blattern, i» Verena ergriff ihn die fixe Idee, vergisteten Schuupslabak genommen zu haben ». s. w. Die eigentliche Angst hat sich wahrscheinlich in den spätere» Jahren verloren, eine andauernde Acngsllichkeit ist aber immer vor handen g wesen. Gwinner, der unseren Philosophen ans persön lichem Umgang kannte, erzählt in seinem „Leben Schopenhaner's": Entstand i» der Nacht Lärm, so fuhr er vom Bette ans »nd griff nach Degen nnd Pistole», die er beständig geladcn hatte. Auch wenn keine besondere Erregung eintrat, trug er eine fortwährende innere Sorglichkeit mit sich herum, die ihn Gefahre» sehe» n»d suchen ließ, wo keine waren. Sie vergrößerte ihm die kleinste Widerwärtigkeit in's Unendliche und erschwerte ihm den Verkehr mit dr» Mensche». Seine Werchsachc» holt er dergestalt versteckt, daß trotz der lateinischen Anweisung, die sein Testament dazu gab. Einzelnes nur mit Mühe zn finden war. Keine Aufzeichnung, die sei» v erwögen und seine häusliche Ockoaomie betraf, vertraute er der Landesserache an; er snhrtc se.n Rcchnangsbuch englisch nnd be diente >ich tei wichtigen Geschüflsnolizen des Lateinischen und Griechischen. Um sich vvr Lieben zu schütze», wählte er täusche, de Aufschriften nnd v.rwahrlc seine Werlhpapierc als ^i-eniur »rorlim, die Zinsabschnille besonders in Brief.» nnd Nolenheslen »nd s.i» Gold unter dem Tintcnfassc im Schreidpnlle. Stic vertrante er sich d m Schcermcsscr eines Barbiers a»; auch führte er stets ein lede.ncs Schiffchen bei sich, um beim Wai.crtrinken in öffentlich.» Lvlateu nicht der Ansteckung prcisgcgebcn zn sein. Die Spitzen nnd Köpfe seiner Tabalsnseife »ahn, er »ach jedesmaligem Gebrauch unter Verschluß. Ans Furcht vor dem Scheintode vvrvrdnctc er» daß seine Leiche über die gewöhnliche Zeit hinaus offen bcigesetzt werden sollte. In Vertragsvcrhällnisscn fürchtete er in der Regel, betrogen zn werden. Seit 1856 wohnte er wegen der größeren Sicherheit gegen Fenersgefahr stets im Erdgeschoß. Er weist ge legentlich selb» auf seine andauernde Aengstlichkeit hin, auf das Ge fühl: Jctzt kommt's! Uebcrblickt man die Briefe des Alter, sv findet man — was freilich für den Arzt nichts Auffälliges ist — bei Schopenhauer eine früher nie vorhanden gewesene Heiterkeit und Frische. E- handelt sich nach Möbius um eine organische Veränderung: de« Trübsinn, die Angst, die hypochondrischen Neigungen sind verschwun den, ja cs scheint sogar, daß das Pendel etwas nach der anderen