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366 PAPIER-ZEITUNG Nr. 11/1914 Zellstoff-Lieferung 1296. Schiedspruch SchiedsprOche werden kostenfrei gefällt und ohne Namen der Beteiligten veröffentlicht Die unterzeichneten Firmen haben vereinbart, Sie um Ihren Schiedspruch in einer aus dem Ihnen von beiden Seiten zugesandten Briefwechsel ersichtlichen Angelegenheit zu bitten. Es handelt sich also darum festzustellen, ob die Zellstoffabrik berechtigt war, die Nachlieferung des Ende 1913 aus dem Jahreslieferungsvertrage für 1913 verbliebenen Restes zu verweigern, oder ob die Papierfabrik die Nachlieferung im Jahre 1914 verlangen kann. Papierfabrik X Zellstoffabrik Y Tatbestand: Die Papierfabrik X schloß mit der Zellstoff fabrik Y am 22. April 1912 einen Vertrag zur Lieferung von 300 Tonnen Zellstoff, zu liefern „im Anschluß an den laufenden Kontrakt bis Ende 1913”. Der damals laufende Kontrakt, geschlossen am 22. April 1911, lautete gleichfalls auf 300 Tonnen Zellstoff, zu liefern im Laufe des Jahres 1912, mit dem Nach satz: Es steht der Papierfabrik das Recht zu, die bis Ende 1912 etwa nicht bezogene Menge im Jahr 1913 zu beziehen, die Preise erhöhen sich aber dann um 25 Pf. die 100 kg. Hiervon machte die Papierfabrik Gebrauch, indem sie in 1913 bis Mai monatlich 20 Tonnen (im ganzen 100 Tonnen) als Rest auf den 1912 er Abschluß bezog. Der 1913 er Abschlußpreis war um 50 Pf. die 100 kg höher als der 1912 er Preis. In 1913 bezog die Papierfabrik in 7 Monaten (von Ende Mai ab, als der alte Abschluß erledigt war) 16 Ladungen zu 10 Tonnen, blieb also mit dem Abruf von 140 Tonnen im Rück stand. Die Zellstoffabrik hat sie weder im Lauf des Jahres 1913 zu größeren Abrufen aufgefordert, noch eine Nachfrist zur Ab nahme des Restes eingeräumt. Die Papierfabrik fordert auf Grund des Vertrages Nachlieferung der 140 Tonnen im Lauf des Jahres 1914, erstens nach Handelsrecht, weil sie mit dem Abruf nicht in Verzug gekommen sei, zweitens weil es im Ver trag heißt „im Anschluß an den laufenden Kontrakt”, und in diesem Kontrakt festgelegt ist, daß ein Rest im folgenden Jahre zu mäßig erhöhtem Preis bezogen werden kann. Die Zellstoff fabrik lehnt diese Nachlieferung ab, 1. weil sie nicht verpflichtet gewesen sei, eine Nachfrist zu stellen, da sie kein Interesse an der Nachlieferung hatte. 2. weil .im Vertrag nichts von der Nachlieferung im nächsten Jahre stehe, diese also (im Gegensatz zum Vertrag 1912) gleichsam ausgeschlossen wurde. Urteil: Lie Zellstoffabrik muß der Papierfabrik die zur Erledigung des Abschlusses fehlenden 14 Ladungen zu 10 Tonnen mit einem Aufpreis von 50 Pfennig auf die 100 kg gegenüber dem Abschlußpreis bis zum Ablauf der Nachfrist, d. i. Ende Mai 1914, nachliefern, falls die Papierfabrik für jeden Monat 20 bis 30 Tonnen abruft, solange bis der Abschluß erfüllt ist. Begründung. Wir kennen keinen Handelsbrauch, wonach bei Zellstofflieferungen der Verkäufer nicht verpflichtet wäre, dem säumigen Abnehmer eine Nachfrist zur Abnahme einzu räumen, bevor er vom Vertrag zurücktritt. Die Bestimmung „bis Ende 1913” macht das Geschäft nicht zum Fixgeschäft im Sinne des § 376 HGB, weil der ausdrückliche Hinweis fehlt, daß bei Nichteinhaltung der vereinbarten Frist der Vertrag seine Geltung verlieren soll. Der Umstand, daß die Papierfabrik in den Jahren 19081911 nicht alles abgerufen, aber auf Nach lieferung keinen Anspruch erhoben hat, spricht nicht für das Zustandekommen eines besonderen Brauches zwischen der Papier- und der Zellstoffabrik, weil der Käufer wohl das Recht, aber nicht die Pflicht hat, Nachlieferung zu fordern. Die Be stimmung „im Anschluß an den laufenden Kontrakt” konnte die Papierfabrik zur Annahme führen, daß ihr wie in jenem Ver trag auch im neuen das Recht zustehe, mit 25 Pf. Preiserhöhung auf die 100 kg im folgenden Jahre Nachlieferung zu fordern. Dagegen schließt die Zellstoffabrik aus dem Fehlen des Satzes über Nachlieferung im Vertrag für 1913, daß in diesem Vertrag die Nachlieferung stillschweigend ausgeschlossen werden sollte. Wir halten die Auslegung der Papierfabrik für richtiger, weil es andernfalls nötig gewesen wäre, den Verzicht der Papier fabrik auf ein Recht ausdrücklich (und nicht durch Stillschweigen) festzulegen. Auch spricht für die Auffassung der Papierfabrik, daß die abgeschlossene Menge von 300 Tonnen (d. i. der ungefähre Jahresbedarf) nicht herabgesetzt wurde, als beim Beginn der Bezüge auf den Vertrag schon 5 Monate des Vertragsjahres abgelaufen waren. Da aber immerhin ein Mißverständnis mög lich war, und die Zellstoffabrik im Jahr 1914 ihre Preise auf Grund teurer Rohstoff-Einkäufe um 1 M. erhöhen mußte, so setzen wir den Ueberpreis der nachzuliefernden Menge auf 50 Pf. die 100 kg fest. Zellstoff-Packpapier 1297. Schiedspruch Wir suchten ein Zellstoff-Papier, bei dem einzig und allein die Festigkeit den Ausschlag gibt, da es in der Hauptsache zu Taschen Verwendung finden sollte, in welchem Metallteile zur Versendung kommen. Wir glaubten in einem Angebot der Papierfabrik X in A den unseren Wünschen entsprochenen Stoff gefunden zu haben und betonten dem Vertreter gegenüber wiederholt, daß uns nur die größte Festigkeit zur Auftragserteilung veranlaßt hätte, und daß die Papier fabrik diesen Gesichtspunkt besonders im Auge behalten müßte. Bei unserer Auftragserteilung schrieben wir ferner: „Wir legen größten Wert auf größte Festigkeit, diese darf auf keinen Fall ge ringer als die Ihres Musters sein.“ Nach Erhalt der Ausfallmustei' fanden wir, daß die Papierfabrik in Bezug auf die Festigkeit nicht das eingehalten hat, was wir zur Bedingung gemacht haben: Die Festigkeit war anstatt größer wesentlich geringer. Damit war auch der mit dem Papier verbundene Zweck verfehlt. Wir führen schon ein ähnliches, aber um 15 v. H. billigeres Papier, dessen Festigkeit uns dann beinahe auch genügt hätte. Wir erboten uns, da wir von der Neuanfertigung enttäuscht waren, den Unterschied zwischen beiden Preisen zu teilen, in der Absicht, das nicht nach unseren Wünschen ausgefallene Papier mit der bisher geführten Sorte los zuschlagen, und damit beiden Teilen gerecht zu werden. Die Papier fabrik glaubte aber hierauf nicht eingehen zu können. Wir sind überzeugt, daß wir der Papierfabrik hierin das größte Entgegen kommen gezeigt haben und glauben, daß Sie unserem Standpunkt Gerechtigkeit widerfahren lassen. Wir haben bisher mit Papier- fabriken nie ernste Streitfälle gehabt und wollen uns, um die Ange legenheit aus der Welt zu schaffen, mit Ihrem Schiedspruch einver standen erklären. Y, Briefumschlag-Fabrik in B. * * * Wir haben mit der Firma Y in B einen Streit bezüglich der Festigkeit eines gefertigten einseitigglatten holzfreien Zellstoff- papieres und sind dahin übereingekommen, Ihnen die Angelegenheit zum Schiedspruch zu unterbreiten. Bei uns bestellte die Firma Y unterm 13. 9. 1913 etwa 5000 kg einseitigglatt holzfrei bräunlich Zellstoff ..8 in Güte, Festigkeit und einseitiger Glätte nach unserem Muster ..8/....3 in verschiedenen Grammgewichten. Wir bestätigten diesen Auftrag laut einliegender Kopie vom 15. September. Nachdem wir nun der Firma Y Ausfall muster übermittelt hatten, wurden diese beanstandet mit der Be gründung, daß die Festigkeit der Vorlage nicht erreicht sei. Wir können uns diesem Urteil jedoch nicht anschließen. Wir geben Ihnen weiter in der Einlage die mit obengenannter Firma gewechselten Briefe. Wir hatten in unserem Schreiben vom 24. Oktober der Firma unseren Standpunkt klargelegt. Auf jeden Fall kann aber die Festigkeit eines dickeren Papieres nicht für ein dünnes maßgebend sein, sondern diese muß doch prozentual dem Grammgewicht entsprechend (Reißlänge) berechnet werden. Bei folgend Ausfallmuster und Vorlagemuster. Papierfabrik X in A. Bei Prüfung auf Knitterfestigkeit von Hand ergab sich nicht klar, ob die Lieferung an Festigkeit der Vorlage gleich kommt. Deshalb sandten wir mit Zustimmung der Parteien die Vorlage und ein Muster desjenigen Teiles der Lieferung, welcher am Quadratmetergewicht der Vorlage am nächsten kommt, dem Königlichen Materialprüfungsamt in Groß-Lichterfelde zur Unter suchung der Falz- oder Knitterfestigkeit mit Hilfe des Schopper- sehen Falzers. Unserer Meinung nach gibt nämlich diese Prüfung das beste Bild von der Festigkeit eines Packpapiers. Das Er gebnis der durch das Materialprüfungsamt in dankenswerter Weise äußerst rasch vorgenommenen Prüfung war folgendes: Vorlage 3830 Doppelfalzungen in der Maschinenrichtung und 379 „ „ Querrichtung, im Mittel 2105 ,, (Falzklasse 7) Lieferung 1348 ,, in der Maschinenrichtung, 408 ,, „ Querrichtung, ergibt im Mittel 878 ,, (Falzklasse 6) Hieraus ergibt sich, daß die Papierfabrik die vorgeschriebene und angenommene Bedingung, mindestens gleichfestes Papier zu liefern wie die Vorlage, nicht erfüllt hat. Unter diesen Um ständen finden wir das Angebot der Briefumschlagfabrik, das gelieferte Papier mit 71 v. H. Nachlaß zu übernehmen, sehr entgegenkommend und entscheiden, daß die Papierfabrik der Briefumschlagfabrik das Papier mit diesem Nachlaß überlassen muß. Die Papierfabrik hat uns die Prüfungskosten im Betrage von 6 M. zu bezahlen.