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Für Deutschland selbst, diesem stark bevölkerten Lande, in dem abgesehen von den Torfmooren und dem wenig völlig sterilen Boden, kaum ein'Fleckchen wirtschaftlich nicht genutzt wird, ist die Liste der wild wachsenden Pflanzen, die etwa als Papiermacher-Roh materialien in Betracht kommen, bald aufgezählt. Unsere Küsten liefern etwas Seetang und etwas Strandgras. Letzteres kann man nicht opfern, weil es zur Dünenbefestigung dienen muß und spärlich genug vorhanden ist, ersterer spielt der Menge nach überhaupt keine Rolle. Beide können nicht als geeignete Rohmaterialien gelten, vorgeschlagen sind sie freilich, aber ohne Rücksicht auf den geringen Zellstoffgehalt, auf die Kosten der Sammlung und Verarbeitung und beim Strandgras anderweitige Nützlichkeit. Mit der Menge weiterer wild wachsender Pflanzen wie Ginster, Binsen, Schilf, ist es schon etwas besser gestellt. Ueber den Ginster sind in der französischen Fachpresse verlockende Angaben gemacht, sie haben aber auch scharf ablehnende und, wie ich glaube, gerechte Kritik gefunden. Schilf ist ein Rohmaterial, das schon im großen in Braila in Rumänien verarbeitet worden ist. Es ist zweifelhaft, ob sich in Deutschland in einer Oertlichkeit genügende Mengen von Schilf für eine Fabrikation größeren Stiles finden lassen. Auch muß man abwarten, ob die Schwierigkeiten der Fabrikation von Zellstoff aus dem sperrigen Material sich werden so sehr beseitigen lassen, daß die Fabrikation auch für deutsche Verhältnisse lohnend wird. Die Zellstoffausbeute an und für sich, die mit 35 — 40 v. H. angegeben wird, würde genügen. Der Torf als ein der Menge nach reichlich vorhandenes Roh material, hat lange Zeit hindurch als gerade für deutsche Verhält nisse besonders aussichtsreiches Papiermacher-Rohmaterial gegolten. Erst sehr spät, man muß in Rücksicht auf die verlorenen Kapitalien sagen, zu spät, ist man sich über die Wertlosigkeit dieses Pflanzen materials als Papierrohstoff klar geworden. Der Zellstoffgehalt des Torfes ist sehr wechselnd, dürfte im Mittel noch nicht 25 v. H. betragen. Ausschlaggebend für die Beurteilung aber ist es, daß es sich um eine mürbe, in ihrer Festigkeit stark herabgeminderte Faser handelt, deren Abscheidung aus dem mit unverwester oder verkohlter Pflanzenmaterie durchsetzten Material auf erhebliche Schwierigkeiten stößt. Der Wert des Torfes liegt auf einem ganz anderen Felde: er ist ein Rohmaterial in erster Linie für Kraft erzeugung mit Gewinnung von wertvollen Nebenprodukten, wie Ammonsulfat, vielleicht auch Teer für Motorzwecke usw. Unter den deutschen Kulturgewächsen, den Erzeugnissen deut scher Landwirtschaft, nehmen die eigentlichen Faserpflanzen einen sehr bescheidenen Platz ein. Es ist eigentlich nur der Flachs, der in Frage kommt. Der Flachs ist und bleibt in erster Linie eine Spinnfaserpflanze, deren Produkt von der Textilindustrie aufge nommen wird, so daß für die Papierindustrie nur die Abfälle bleiben, die sie in der Form von Gewebeabfällen und Hadern oder als Werg und Hede verarbeitet. Aber selbst das letztgenannte Rohmaterial wird ihr von der Textilindustrie streitig gemacht, seit diese gelernt hat, auch aus den Abfällen grobe Garne zu erspinnen. An den An bau für Papiermacherzwecke ist deshalb garnicht zu denken. Die Pflanze vermag schon als Textilfasererzeuger den Wettbewerb der Baumwolle nicht auszuhalten, ihr Anbau geht trotz aller Be mühungen der Regierungen zurück oder schreitet doch wenigstens nicht vorwärts. Dazu kommt, daß die Bastfasermenge nur etwa 17 — 20 v. H. beträgt. Nun könnten freilich die holzigen Teile des Stengels ein zwar für den Textilindustriellen wertloses, für den Papierindustriellen noch brauchbares Fasermaterial enthalten. Man hat in den Vereinigten Staaten immer wieder und wieder die Ver wertung des Flachsstrohs der Oel liefernden Leinpflanze versucht, aber von irgend welchen verbürgten Erfolgen hat man nie gehört. Es wurde schon erwähnt, daß die Zellstoff-Ausbeute zwischen 10 und 50 v. H. schwankend angegeben wird. Denkbar wäre ja, daß eine völlig neues Verfahren alles Fasermaterial der Pflanze, Bast und verholzte Faser gewinnen läßt, aber auch dann würde für deutsche Verhältnisse wenigstens die Menge des verfügbaren Rohmaterials nicht ins Gewicht fallen, für die Vereinigten Staaten allerdings. Ebenso schwer wie der Anbau des Flachses wird derjenige der Nessel Bedeutung erlangen können. Die Brennessel verlangt guten Boden — wächst sie doch nur auf den Komposthaufen üppig — liefert 13 v. H. Spinnfaser und soll noch etwa 30 v. H. Papier rohfaser enthalten. Wenn nun schon die Erweiterung des Anbaues der eine gut eingeführte Spinnfaser liefernden Leinpflanze auf Schwierigkeiten stößt, ist dies erst recht für die Brennessel anzu nehmen, deren Faser sich erst noch ein Verbrauchsgebiet zu er obern hat. Aehnliche Erwägungen wird man bei der so oft empfohlenen Einführung des Sonnenblumenanbaus anstellen können, hier gilt es eine für Deutschland völlig neue, Oel und Faser liefernde Kultur heimisch zu machen, ‘ein von den Fachkreisen als wenig aussichts voll abgelehntes Unternehmen. Unter den landwirtschaftlichen Massenprodukten stehen die Getreidearten oben an. Ihr Stroh ist ein mit Recht hochgeschätztes Rohmaterial. Die Zellstoffausbeute ist hoch, der Zellstoff selbst hoch geschätzt und gut verarbeitbar. Aber der Ausbreitung der Fabrikation von Strohzellstoff steht entgegen, daß Stroh ein der Landwirtschaft unentbehrliches Futtermittel und geschätztes Streu mittel ist und die alljährlich geernteten Mengen außerordentlichen Schwankungen unterliegen. Die Anwendung als Streumittel ließe sich vielleicht durch Anwendung von Torfstreu verringern und da durch würden Strohmengen für die Verarbeitung auf Zellstoff frei werden. Es ließe sich ferner denken, daß neue Aufschließverfahren gestatten, der Landwirtschaft wenigstens einen Teil ihres Stroh materials, die Nichtzellulose inForm von Futter oder doch wenigstens Dünger zurückzugeben. Eiri Problem, schon oft versucht, doch un gelöst. Man muß es daher dahingestellt sein lassen, ob die erhält lichen Strohstoffmengen eine sehr wesentliche Zunahme erfahren können. Neben dem Getreidestroh verschwinden die erzeugten Mengen von Erbsen- und Bohnenstroh. Als ein Rohmaterial sind sie erst kürzlich der deutschen Papiermacherei empfohlen worden; es wurde aber auch wahrscheinlich gemacht, daß die zu erntenden Mengen beim deutschen Zellstoffverbrauch garnicht ins Gewicht fallen. Aus gleichen Gründen erübrigt es sich, Spargelstroh, Hopfenranken, ausgelaugten Hopfen, Weinrebenholz ausführlich zu besprechen. Bei den landwirtschaftlichen Futterkräutern Heu und Klee ist der Zellstoffgehalt relativ gering, auch sind sie als Futter zu wert voll, als daß sie als Papierrohstoff in Frage kommen könnten. Die deutsche Landwirtschaft kann also wohl nur Stroh als ein Papiermacherrohmaterial von Bedeutung liefern. Aber der Menge nach verschwindet das Stroh vor den Rohmaterialmengen, vor den Holzmengen, die die deutsche Forstwirtschaft erzeugt. Schluß folgt. Strohpappenfabrikation in Holland Ende der 1860 er Jahre entstanden die ersten Strohpappen fabriken in Holland, u. a. in Leeuwarden, Hoogezand, Ulrum und Sappemeer, alle im nördlichsten Teil Hollands, den Provinzen Groningen und Friesland. Die Höchstleistung einer Pappen- rnaschine von 1,45 m Arbeitsbreite in 24 Stunden war damals 4—5000 kg. Eine der ältesten und größten Strohpappenfabriken Hollands, der Firma Hooites & Beukema in Hoogezand ge hörig, arbeitet mit ihren neun Maschinen (rund 50 000 kg Tages leistung) vorwiegend mit Abdampf für Trockenzylinderheizung und liefert die beliebte Marke „Red Star”. In Oudepekela, Prov. Groningen (jetzt wohl das größte Strohpappenfabrikationszentrum der Welt), wurde die erste Strohpappenfabrik 1875 errichtet, mit einer Maschine von 4—5000 kg Tagesleistung. Zurzeit arbeiten in Oudepekela 10 Fabriken mit einer Gesamtleistung von über 280 000 kg im Tag. Oudepekela hat Kleinbahnverbindung nach der Staats bahnstation Winschoten. Die Zufuhr des Strohs und der Feuerung sowie die Abfuhr der Pappe geschieht vorwiegend zu Wasser, mit Schiffen von 50—100 Tonnen Tragfähigkeit. Die billige und bequeme Verfrachtung auf den Kanälen trägt wesentlich zu dem großen Aufschwung bei, den die Industrie in diesem Teil Hollands, den sog. alten Moorkolonien, in den letzten Jahrzehnten genommen hat. In allen Strohpappen fabriken von Oudepekela geschieht die Stoffbereitung durch Kollergänge. Das fertig gekollerte Stroh wird im Kollergang durch Zugabe von Wasser auf Maschinendicke gebracht, in den (meist Hoffsümmer-) Holländern ist solcher Stoff in 10 Minuten fertig. Eine Fabrik in Oudepekela hat auch Kegelstoffmühlen, da jedoch mit warmem Stoff gearbeitet wird, erweicht die Wärme die Holzfüllung zwischen den Messern der Stoffmühle. Im Stroh sind ferner immer kleine Stücke verrosteten Ballen drahtes enthalten, und diese zerstören das Füllungsholz. Die Arbeitsbreiten der Pappenmaschinen schwanken in Oudepekela von 1,45 bis 2 m, die täglichen Maschinenleistungen von 8000—20 000 kg Die zweitälteste Strohpappenfabrik in Oudepekela, die in 1883 erbaute „Union”, soll jetzt erweitert und umgebaut werden, um mit vier Maschinen 18 Millionen kg Stroh im Jahr zu ver arbeiten. Im Jahre 1887 gab die „Union” nach Zeitungs berichten 35 v. H. Dividende, hierauf wurden in 1888 in Holland drei Strohpappenfabriken zugleich gebaut, davon zwei in