Volltext Seite (XML)
812 PAPIER-ZEITUNG Nr. 22/1912 Nachahmung von Künstlerpostkarten Reichsgerichts-Entscheidung. Nachdruck verboten Wegen Vergehens gegen das Urheberrecht an Werken der bildenden Kunst hätten sich vor dem Landgericht Fürth am 5. Sep tember 1911 die Kaufleute Max Bing, Herm. Ehrlich und Herm. Grade zu verantworten, die Inhaber eines Postkartenverlages in Fürth sind. Die Verhandlung endete jedoch mit der Freisprechung der drei Angeklagten. Die Firma K. & Co. in Leipzig hatte im Jahre 1909 Künstlerpostkarten hergestellt, die allegorische Figuren des Weihnachts- und des Neujahrsfestes zeigten, meist Landschaften, umrahmt mit Stechapfelblättern. Diese Postkarten, es waren drei zehn Serien zu je 6 Stück, waren angefertigt nach Entwürfen eines Dresdener und eines Berliner Kunstmalers, die für jeden Entwurf 25 M. erhielten. Die Firma K. & Co. hatte einen Liefernngsvertrag über mehrere Millionen dieser Karten mit einer New Yorker Firma abgeschlossen. Das Tausend sollte 21 M. kosten. Als aber eine Lieferung nicht rechtzeitig eintraf, kam der Leiter M. der NewYorker Firma zur Frühjahrsmesse 1910 nach Leipzig und verhandelte mit den späteren Angeklagten E. und G. bezüglich Lieferung von Karten in der Art der Muster, die er ihnen zeigte. Diese Muster aber waren die 13 Serien, die er von K. & Co. bezogen hatte, was er indessen nicht sagte. E. und G. nahmen den Auftrag an und ließen nach den von M. erhaltenen Karten fast täuschend ähnliche durch zwei Kunst maler anfertigen, denen sie gleichfalls 25 M. für jeden Entwurf zahlten. Diese beiden Zeichner hielten sich, wie auch das Gericht zugegeben hat, eng an die Vorlagen. Sie wählten gleichfalls 13 Serien zu je 6 Karten, jede einzelne Serie stimmte in Form, äußerer Aus stattung und Komposition (namentlich auch Komposition der Farben) mit einer Serie der K.sehen Karten fast genau überein, es waren nur kleine Abweichungen in Stellung und Gestaltung der Figuren vorhanden. Das Gericht ist trotzdem zur Freisprechung der Angeklagten gekommen, da es nach dem Gutachten der Sach verständigen keine Nachahmung, sondern nur eine freie Benutzung der K.sehen Karten für vorliegend erachtet hat. Gegen das Urteil hatte die Firma K. & Co. als Nebenklägerin Revision eingelegt, in der der Vertreter der Klägerin ausführte: Die zuerst angefertigten Karten waren eigene Schöpfungen der Maler und von künstlerischem Wert. Diese Karten seien von den Angeklagten und ihren Zeichnern in rechtswidriger Weise nachgemacht worden. Hiergegen führte der Vertreter der Angeklagten im Sinne des Vorderrichters aus: Die Angeklagten sind nur einem Brauch der Postkarten-Industrie gefolgt, indem sie nach vorgelegten Mustern arbeiteten. Sie haben sich zwar in der Ausführung stark an die K.sehen Karten angelehnt, doch haben die Zeichner die Entwürfe in der Weise angefertigt, wie sie das Bild erfaßt hatten. Strafbare Nachahmung liege aber schon deshalb nicht vor, da die Idee, die den Karten zugrunde liege, schon längst nichts Neues mehr im Postkartengeschäft sei und deshalb nicht geschützt werden könne; ebensowenig sei die Kom position und das Herstellungsverfahren, der Gelatine- und der Bromsilberdruck schutzfähig. Der Reichsanwalt hegte einige Be denken, das Urteil aufrecht zu erhalten, da es an einigen Mängeln leide. So sei nicht festgestellt, worin der künstlerische Wert der ersten Karten und deren Schutzfähigkeit liege. Außerdem habe der Vorderrichter selbst zugegeben, daß die Karten gewisse Aehn- lichkeiten aufwiesen, die leicht zu Verwechslungen Anlaß geben könnten, anderseits aber eine freie Benutzung angenommen, ohne indessen zu sagen, worin diese bestehe. Das Reichsgericht hob das Urteil auf und verwies die Sache an das Landgericht Nürnberg zurück. In der Begründung führte das Reichsgericht aus: Es kann zwar nicht ohne weiteres angenommen werden, daß die von der Nebenklägerin hergestellten Postkarten selbständige Kunstwerke waren; immerhin waren die Karten der Angeklagten in den Serien und den einzelnen Ausführungen dermaßen eng an die Karten der Nebenklägerin angelehnt, daß die Nachahmung zweifellos ange nommen werden müsse. Wenn aber diese vorliege, müsse auch noch einmal geprüft werden, ob die Karten der Nebenklägerin selb ständige Kunstwerke sind, die dem Schutz des Gesetzes unter worfen sind. Erkundigungspflicht der Druckereien Für jeden Leiter einer Druckerei oder Vervielfältigungsanstalt ist es wichtig zu wissen, wie weit er verpflichtet ist, sich bei Ent gegennahme von Aufträgen danach zu erkundigen, ob der Auftrag geber berechtigt ist den Auftrag zu erteilen, d. n. ob durch die Aus führung des Auftrags nicht fremde Urheberrechte verletzt werden. Ein Druckereibesitzer erhält z. B. den Auftrag, nach einem vor gelegten Muster, das keinerlei Bezeichnung trägt, die auf den Ur heber oder dessen Rechtsnachfolger schließen läßt, die Drucksache herzustellen. Später stellt sich heraus, daß für das Muster nicht der Besteller sondern ein anderer Urheberschutz genießt. Kann nun der Drucker wegen unerlaubten Nachdrucks oder Urheber rechts-Verletzung zur Verantwortung gezogen werden ? Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, daß eine zum Schadenersatz verpflichtende Urheberrechts-Verletzung nur dann vorliegt, wenn der Nachdrucker vorsätzlich oder fahrlässig ge handelt hat. Die Vorsätzlichkeit setzt das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit voraus. Wer dagegen den Glauben hat, daß er das Recht habe, eine Handlung vorzunehmen, handelt nicht vorsätzlich rechtswidrig, muß indessen seinen guten Glauben be weisen. Hat der Nachdrucker auch nur das Bewußtsein von der Möglichkeit, daß seine Handlung das Recht eines anderen verletzt, so wird ihm der gute Glaube nicht zugebilligt. Dann verletzt er das Urheberrecht fahrlässig, denn er hätte sich über das Urheberrecht an den Drucken vorher erkundigen müssen. Ist er aber trotz auf merksamen Beachtens aller in Betracht kommenden Verhältnisse zu einer irrtümlichen Auffassung der Rechtslage gelangt, und kann er das beweisen, so liegt nur ein entschuldbarer tatsächlicher Irrtum vor, also weder eine vorsätzliche noch eine fahrlässige Verletzung der Rechte anderer. Ein solcher verpflichtet nicht zum Schaden ersatz. Diese Rechtslage legt aem Inhaber der Reproduktionsanstalt die Verpflichtung auf, sich bei Annahme von Aufträgen so gut es ihm möglich, zu überzeugen, ob der Auftraggeber im Besitze des Urheberrechts oder zur Vervielfältigung und Nachbildung berechtigt ist. Eine allgemeine Erkundigungspflicht gibt es aber nach dem bestehenden Rechte nicht, und von dem Regierungsvertreter wurde bei Beratung des Gesetzes vom 9. Januar 1907 in der 124. Sitzung der 11. Legislaturperiode, II. Session des deutschen Reichstages am Freitag, 23. November 1906, ausdrücklich erklärt: „Nur wenn die besonderen Umstände des einzelnen Falles einen offenbaren Verdacht erregen müssen, nur dann ist es an dem, der den Auftrag zur Vervielfältigung bekommt, sich darüber zu vergewissern, ob sein Auftraggeber in der Tat ein Recht dazu hat." Jedwedes Risiko in dieser Hinsicht bei der Erteilung eines Auftrages soll und muß der Auftraggeber tragen, und daher empfahl ich schon gleich beim Inkrafttreten des Kunst- und Photographie- schutzgesetzes die Benutzung eines Vordrucks, in welchem der Besteller durch Unterschrift versichert, im rechtmäßigen Besitze des Vervielfältigungsrechts zu sein und für etwa der Reproduktionsanstalt entstehenden Schaden zu haften. Die Ausfüllung eines Auftragformu lars kann gegebenenfalls durch entsprechende Buchführung erspart werden. Hat der Reproduzierende sowohl den Vorsatz wie die Fahr lässigkeit ausgeschaltet, so kann er im schlimmsten Falle von dem ohne sein Verschulden Verletzten nur zur Herausgabe der durch die objektiv ungerechtfertigte Handlung erlangten Bereicherung angehalten werden. Diese Bereicherung ist kaufmännisch gesprochen, der Reinverdienst, der erhalten wird, wenn man die tatsächlichen Her stellungskosten des Werkes, die Zinsen des etwa aufgewandten Kapitals und einen entsprechenden Betrag für allgemeine Geschäfts unkosten von dem für das Werk erzielten Erlös abzieht. • Fritz Hansen, Berlin Buchbinder-Meisterkurse in Berlin Die diesjährigen Meisterkurse der Handwerkskammer Berlin unter der Leitung von Paul Kersten finden wieder in den Monaten Juni und Juli statt. Der erste Kursus beginnt am 17. Juni und schließt am 29. Juni; der zweite findet vom 1. bis 13. Juli statt. Die Teilnahme an diesen Kursen ist selbständigen Buchbindern und älteren Gehilfen aus dem ganzen Deutschen Reiche gestattet. Besonders zu empfehlen sind die Kurse für solche, die sich der jetzt gesetzlich vorgeschriebenen Meisterprüfung unterziehen wollen, mit deren Bestehen das Recht zur Lehrlingsausbildung verbunden ist. Da in jeden Kursus höchstens 15 Teilnehmer auf genommen werden, so ist baldige Anmeldung nebst Einsendung der Teilnehmergebühr, die für jeden Kursus nur 5 M. beträgt, ge boten. Leder, Gold und Seide ist von den Teilnehmern zu be zahlen, alles übrige Material liefert die Berliner Handwerkskammer unentgeltlich. Die Kurse finden in den Räumen der Buchbinder fachschule’, Wassertorstraße 4, statt. Lehrplan: 1. Anfertigung eines exakten Halbfranzbandes nach fran zösischer Art. 2. Anfertigung eines exakten Ganzlederbandes nach fran zösischer Art. 3. Anfertigung eines künstlerischen Ganzlederbandes nach selbstgefertigtem Entwurf. 4. Der Einband auf echte Bünde. 5. Anfertigung eines modernen Halbleinen-, Ganzleinen-, Pergament- und Pappbandes. 6. Das Vergolden vorgenannter Einbände mittels Hand vergoldung und Ledermosaik. 7. Selbstherstellung einer Serie moderner Vorsatz- und Ueber- zugpapiere mittels Kleistermarmoriertechnik. 8. Die Technik der Lederpunzarbeit, sowie Färben, Beizen und Marmorieren von Leder. 9. Das Ziselieren von Goldschnitten. 10. Waschen und Restaurieren (kunstgerechtes Ausbessern) zerrissener Bogen. 11. Genaue Preisberechnung und Kalkulationsübungen. 12. Rezepte und Materialneuheiten. Der Unterricht findet täglich von 8 Uhr vormittags bis 4 Uhr nachmittags statt. Anmeldungen sind zu richten an die Handwerks kammer zu Berlin, Teltower Straße.