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Zollschwierigkeiten Von Professor IV. Herzberg, Vorsteher der Abteilung 3 für papier- und textiltechnische Prüfungen Schon seit Jahren klagen unsere Fabrikanten von Pergamyn- und Pergamentersatzpapieren über Schwierigkeiten, die sie beim Verzollen ihrer Ware im Ausland finden. Die Fachpresse hat sich mit dem Gegenstand wiederholt befaßt, der Verein Deutscher Papier fabrikanten sich der Sache energisch angenommen, um das Interesse der betroffenen Fabrikanten bei den in Frage kommenden amt lichen Stellen zu vertreten, das Materialprüfungsamt hat die Fa brikanten in ihrem Kampfe gegen die irrigen Auffassungen und Entscheidungen der ausländischen Zollbehörden durch technische Gutachten vielfach unterstützt und sich auch mit dem Auswärtigen Amt direkt in Verbindung gesetzt, um dieses über die falschen Zoll entscheidungen und ihre Ursachen aufzuklären, aber es scheint, als ob alle diese Bemühungen keinen nennenswerten und dauernden Erfolg erzielt haben. Immer wieder werden dem Materialprüfungs amt Beschwerden über falsche Verzollung der erwähnten Papier arten unterbreitet, und wenn auch die Gutachten des Amtes in Einzelfällen den .Fabrikanten zu ihrem Recht verholten haben, be dauerlich bleibt es, daß der Kampf an verschiedenen Stellen immer wieder von neuem aufgenommen werden muß, und daß die aus ländischen obersten Zollbehörden nicht endlich durch allgemeine Verfügungen dafür sorgen, daß die erwähnten Papiere als das ver zollt werden, was sie in Wirklichkeit sind und nicht als das, was unkundige Beurteiler aus ihnen machen. Fünf Länder sind es, die für die dem Amt unterbreiteten Fälle unrichtiger Verzollung in Frage kommen: Oesterreich-Ungarn, Schweiz, Italien, Frankreich und die Vereinigten Staaten, und die Entscheidungen sind stets die gleichen: Von den Pergamynpapieren wird behauptet, daß sie ihren Charakter und ihr Aussehen nicht, wie es wirklich der Fall ist, durch den Arbeitsprozeß erhalten haben, sondern durch den Zusatz gewisser Stoffe, und Pergamentersatz- papiere und gewisse Zcllulosepackpapiere werden als echte Per gamentpapiere begutachtet. In beiden Fällen wird somit ein höherer Zoll verlangt als gerechtfertigt ist. In letzter Zeit ist nun sogar der Fall vorgekommen, daß in Frankreich ein stark durchscheinendes Zeichenpapier von mehreren ,,Sachverständigen“ als „Papier mit Schwefelsäure behandelt nach Art der Pergamentpapiere" begutachtet und mit 20 Frank statt 10 Frank für 100 kg verzollt wurde. Es dürfte daher im Interesse unserer Papierindustrie liegen, auf dieses Vorgehen der ausländischen Zollbehörden von neuem hinzuweisen und den' Entscheidungen auch vom technischen Standpunkt aus näherzutreten. Betrachten wir zunächst die Behauptungen, mit denen die höhere Verzollung der Pergamynpapiere begründet wird. Diese Papiere erhalten ihren Charakter bekanntlich durch geeignete Mahlung der Rohstoffe und durch scharfes Glätten der Bahn. Durch diese besondere Arbeit allein erhält das Papier sein charakteristisches glasiges Aussehen und seine Dichtigkeit,, nicht aber durch irgend welche Zusätze. Das Vorhandensein derartiger Zusätze wird aber von ausländischen Zollstellen immer wieder behauptet und na mentlich Paraffin als solcher bezeichnet. In allen Fällen aber, die dem Amt zur Begutachtung unterbreitet wurden, konnte kein Paraffin in den Papieren nachgewiesen werden; es handelte sich durchweg um Pergamynpapiere von der vorher angegebenen Her stellungsart, indessen ohne jeden Zusatz glättender oder durch scheinend machender Stoffe. Wie es scheint, lassen sich manche Zollbeamte durch den Speck glanz der Pergamynpapiere zu der Annahme verleiten, es handle sich um paraffinierte Erzeugnisse; hierfür könnte man bei Zoll beamten, die noch nicht über genügende Erfahrung verfügen, noch ein gewisses Verständnis haben. Wenn aber, wie dem Amt mit geteilt wird, infolge der Beschwerden der Fabrikanten paraffinfreie Papiere durch die Direktoren von Zollämtern selbst und gar durch angerufene „Kollegien“ untersucht und als paraffinhaltig erklärt worden sind, dann kann man sich gewisser Beklemmungen über die Sachkunde dieser Stellen nicht erwehren. Auf Grund welcher Be obachtungen oder Analysenergebnisse diese Urteile gefällt worden sind, ist bisher öffentlich nicht bekannt geworden, und auch die an das Materialprüfungsamt gelangten Berichte enthalten hierüber nichts. Di« betroffenen Fabriken sollten aber darauf dringen, daß ihnen begründete Urteile geliefert werden, damit die Unterlagen, die zu den Entscheidungen geführt haben, geprüft und gegebenen falls richtig gestellt werden können. Solange dies nicht geschieht, wird man die Annahme nicht von der Hand weisen können, daß die befragten Sachverständigen mit der Technologie und der Prü fung des Papiers, insbesondere der hier in Frage kommenden Sonder erzeugnisse, nicht so vertraut sind wie es nötig ist und wie es die Industrie verlangen mußt). Noch unbegreiflicher als die falsche Beurteilung der Pergamyn papiere ist die Einreihung von Pergamentersatz-, Zellstoffpack- und nun gar auch Zeichenpapieren in die Klasse der echten Per gamentpapiere, d. h. der durch Behandlung mit Schwefelsäure o. a. erzeugten. Der Nachweis, ob ein Papier echtes Pergamentpapier ist oder nicht, ist so leicht und so zweifelsfrei zu erbringen, daß man sich vergebens fragt, wie es immer wieder möglich ist, daß Papiere, die mit keiner Pergamentierflüssigkeit in Berührung gekommen sind, als pergamentiert angesprochen werden können. Auch hier scheint die einzige Erklärung in der Annahme zu liegen, daß die prüfenden und entscheidenden Stellen nicht über die nötige Sach kenntnis verfügen. Was in dieser Hinsicht geleistet wird, zeigt eine Antwort, die einer Papierfabrik auf die Beschwerde wegen Ver zollung ihres Pergamentersatzpapieres als Pergamentpapier durch Vermittlung unseres auswärtigen Amtes zugegangen ist. Es heißt darin, daß das Papier zwar kein eigentliches Pergamentpapier sei, wohl aber ein solches von verwandtem Ursprung. Die Verwandtschaft wird dann wie folgt begründet: Das Papier sei hergestellt aus „Holzstoff“, der überwiegend durch das Sulfitverfahren, d. h. durch Anwendung schwefliger Säure gewonnen werde. Bei der Herstellung des Papiers verwandle sich die schweflige Säure zum Teil in Schwefelsäure, die dem Papier ähnlich wie bei dem fertigen mit Schwefelsäure behandelten Papier die pergamentartige Beschaffenheit verleihe. Für die Leser der „Mitteilungen“ würde es sich erübrigen, diesen Unsinn, man verzeihe das harte Wort, aber dieses erscheint allein am Platze, richtig zu stellen. Da aber diese Ausführungen vielleicht auch an diejenige Stelle gelangen, die diese technologische Weisheit verbrochen hat, so liegt es vielleicht im Interesse unserer Papier industrie, einige aufklärende Worte hinzuzufügen. Die pergamentartige Beschaffenheit des echten Pergament papiers kann nur erzielt werden durch Behandlung des Rohpapiers in starker Schwefelsäure (etwa 50 — 60 Be ), also unter Bedingungen, wie sie bei der Herstellung von Sulfitzellstoff und seiner Verarbeitung zu Papier niemals auftreten können. Die beim Sulfitverfahren etwa entstehende Schwefelsäure wird durch die vorhandenen Kalksalze sofort gebunden, und auch geringe Mengen schwefliger Säure, die etwa im Stoff verbleiben und an der Luft langsam zu Schwefelsäure oxydieren, sind ohne Bedeutung, da es sich immer nur um so geringe Mengen Schwefelsäure und um solche äußeren Bedingungen handelt, daß von einer Pergamentierung der Faser keine Rede sein kann. Wenn die erwähnte Behauptung zuträfe, so müßten ja auch alle aus Sulfitzellstoff hergestellten Schreib-, Pack-, Briefumschlag papiere usw. von „pergamentartiger Beschaffenheit“ sein. Pergamentpapier und Pergamentersatzpapier sind also ihrer Herstellung nachganz verschiedene Erzeugnisse. Die Eigenschaften, auf die es beim Pergamentpapier ankommt, werden dem Papier allein durch ein chemisch wirkendes Verfahren (Behandlung mit Schwefelsäure, seltener mit anderen chemisch wirkenden Mitteln) gegeben; die Eigenschaften des Pergamentersatzpapiers aber werden ausschließlich auf mechanischem Wege (geeignetes Mahlen der Faser) erreicht. Von einer Verwandtschaft zwischen beiden Verfahren kann somit keine Rede sein. Wenn ausländische Zollbehörden und selbst „Kollegien“ diese elementaren Kenntnisse immer wieder vermissen lassen, so sollte es Aufgabe der Papier-Sachverständigen, insbesondere der Papier- Chemiker jener Länder sein, aufklärend zu wirken und mit dazu beizutragen, daß die Verhältnisse sich ändern. In erster Linie käme es darauf an, den betreffenden Stellen Unterlagen für den Nachweis von Paraffin in Pergamynpapier und für die Unterscheidung von echtem und nicht echtem Pergamentpapier an die Hand zu geben. Nachstehende Hinweise mögen hierfür als Material mitgeteilt werden. 1. Nachweis von Paraffin in Pergamynpapieren Man extrahiert das Papier mit Aether, dampft auf dem Wasser bade ein, verseift. denRückstand mit alkoholischer Kalilauge, ver dampft wieder zur Trockne, behandelt den Rückstand mit Aether, 1) Was für Gutachten mitunter abgegeben werden, wenn Sach kunde fehlt, habe ich kürzlich an einem Beispiel in den „Mitteilungen“ 1911, Heft 1 geschildert. (Ein Gutachter extrahierte geleimtes Papier, das aus einer in Brand geratenen Ladung von Papierabfällen her rührte, mit Aether, erhielt natürlich einen Rückstand von Harz und harzähnlichen Körpern, erklärte diesen für Fett und behauptete dann, daß dieses Fett durch Oxydation die Selbstentzündung der Ladung herbeigeführt habe.) Die Akten des Materialprüfungsamtes" enthalten noch mehrere derartige Fälle.