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DDAPIER-VERARBEITUNG M Buch Gewerbe Berliner Buchgewerbesaal Bis zum 10. Februar sind ausgestellt Original-Arbeiten des Reklamekünstlers Jacoby-Boy, bestehend in Plakaten, Buch titeln, Akzidenzen und Anzeigen. Die Ausstellung ist geöffnet täglich von 11—2 Uhr mittags bei freiem Eintritt. Die Beendigung des Kampfes im deutschen Steindruckgewerbe (S. Nr. 9 S. 307) Nach 18 wöchigem Ringen ist der Kampf im Steindruck gewerbe durch einen Frieden beendigt worden, der beiden Teilen gerecht wird. 5 Tage haben die Verhandlungen gedauert, bis man einen Modus fand, auf dem abgeschlossen werden konnte. Nun erscheint es an der Zeit, auf diesen außerordentlich schweren Lohnkampf näher einzugehen und einen kurzen Rückblick' über dessen Entwicklung und Verlauf zu geben. Bekanntlich besteht im deutschen Steindruckgewerbe kein sogen, fester Lohn- und Arbeitstarif, wie im Buchdruckgewerbe, der auf eine bestimmte Zeitdauer abgeschlossen ist, sondern es bestanden lose, jederzeit kündbare Vereinbarungen zwischen dem Schutzverband und dem Verband der Lithographen, Stein drucker und verw. Berufe (Deutscher Senefelder-Bund). So war es seit Bestehen dieser Vereinbarung, d. h. seit dem Jahre 1906 Gepflogenheit gewesen, daß bei vorkommenden Streitig keiten in Verhandlungen von Zentrale zu Zentrale (Senefelder- Bund und Schutzverband Deutscher Steindruckereibesitzer) eingetreten wurde, und dieses Verfahren hatte sich im großen und ganzen auch'so weit bewährt, daß ernstere Störungen ver mieden wurden. Im Anfang September 1911 hielten aber die Leipziger Führer der Gehilfenschaft die Zeit für einen allgemeinen Vorstoß für gekommen. Sie reichten nämlich ohne jede äußere Veranlassung sämtlichen Leipziger Steindruckereibesitzern eine Reihe Forderungen ein, gleichgültig ob diese Mitglieder des Schutz verbandes waren oder nicht, und stellten die Bedingung, daß diese Forderungen innerhalb 6 Tagen anerkannt werden müßten. Da die Unternehmer hierauf nicht eingingen, vielmehr die Ge hilfenschaft auf den Weg der Verhandlungen mit dem Schutz verband verwiesen, sprachen die Leipziger Gehilfen am 8. Sep tember die Kündigung aus, wodurch die Leipziger Betriebe mit rund 1100 Lithographen und Steindruckern am 23. Sep tember zum Stillstand kamen. Aehnlich gingen die Gehilfen dann in einer Reihe anderer Druckstädte vor, in ganz Deutsch land wurden außerdem Ueberstunden verweigert, wodurch der Schutzverband Sich gezwungen sah, in den nicht angegriffenen Betrieben seinerseits die Aussperrung vorzuschreiben. Betroffen wurden von der Bewegung 53 Städte mit 4500 bis 5000 Litho graphen und Steindruckern sowie der entsprechenden Zahl von Hilfsarbeitern. Ueber die Bewegung haben wir in dieser Zeit schrift regelmäßig berichtet, u. a. daß der Hilfsarbeiter-Aus stand völlig ins Wasser gefallen und mit einem glatten Siege der Unternehmer geendet hat. Ernster als die Hilfsarbeiterbewegung war die wohlvor bereitete und gutgeleitete Bewegung der Lithographen und Steindrucker. Die Forderungen, die aufgestellt waren, gipfelten in der Hauptsache in Verkürzung der Arbeitszeit, Erhöhung des Mindestlohnes, Herabsetzung der Lehrlingszahl, Beseitigung der Akkord-, Heim- und Prämienarbeit, Zubilligung bezahlter Ferien, Beschränkung der Ueberstundenzahl, sowie Gewährung einer allgemeinen Lohnzulage. Die Unternehmer hatten sich bei den ersten Verhandlungen, die sich auf die Beilegung des Streites in Leipzig erstreckten, bereit erklärt, die Arbeitszeit um eine Stunde wöchentlich zu verkürzen und den Mindest lohn um durchschnittlich 2 M. die Woche zu erhöhen. Das ge nügte aber den Gehilfenvertretern nicht, die Verhandlungen wurden deshalb abgebrochen. Als sich dann die Bewegung auf ganz Deutschland ausgedehnt hatte, wurden neue Verhandlungen auf Grund der ersten Verhandlungen angebahnt, die aber eben falls zu keinem Ergebnis führten. Endlich wurde in einigen unverbindlichen Aussprachen die 53 stündige Arbeitszeit seitens der Gehilfen anerkannt, und es sollten nun auf dieser Grund lage neue Verhandlungen eingeleitet werden. Diese fanden auch am 10. und 11. Januar in Berlin statt, und es wurden sämtliche Punkte durchberaten. Ueber alle wurde anscheinend Einigung erzielt, als es aber an die Unterzeichnung des Protokolls ging, erklärten die Gehilfenvertreter, die sich während der zwei tägigen Verhandlungen als abschlußbefugt bezeichnet und be nommen hatten, die Vereinbarungen in dieser Fassung nicht unterzeichnen zu können, sich vielmehr erst der Genehmigung ihrer Gau Vertreter vergewissern zu müssen. Diese lehnten die Vereinbarungen ab und beschlossen eine Reihe Gegenvorschläge zu machen. Es kam dann am 23. Januar zu erneuten Verhand lungen, die nach 5 tägiger Dauer zum Frieden führten. Zieht man nun das Ergebnis aus dieser Bewegung, so muß man un willkürlich mit Mephistopheles sprechen: „Ein großer Aufwand nutzlos ist vertan”. Die Unternehmer hatten von Anfang an erklärt, die Lage des Gewerbes sei nicht derart, daß es eine neue plötzliche Be- lastung vertragen könnte. Die Lohnverhältnisse im deutschen Steindruckgewerbe sind zudem durchaus nicht ungünstig. Die Gehilfenvertreter selbst haben zugegeben, daß beispielsweise in Leipzig, wo noch nicht die Höchstlöhne bezahlt werden, im Verlauf der letzten Jahre der Durchschnittslohn von 30 auf 32 M. die Woche gestiegen ist. Berücksichtigt man dabei die verhältnismäßig geringe Arbeitszeit von 8 Stunden für Litho graphen Und 8% bis 9 Stunden für Steindrucker, so kann man die Lage der Gehilfenschaft nicht als solche bezeichnen, daß sie notgedrungen zu dem .Kampfe gezwungen worden wäre. In 5 Jahren zweimal eine große Arbeiterbewegung (vor 5 Jahren dauerte diese 16 Wochen, diesmal hat sie in Leipzig 18, in anderen Druckstädten 16 bis 17 Wochen gedauert) kann auf die Dauer kein Gewerbe vertragen, besonders nicht ein solches, das schwer darnieder liegt und zu einem Viertel seiner Gesamt erzeugung auf Ausfuhr angewiesen ist. DieFolge der gegenwärtigen Bewegung ist, daß eine Reihe Aufträge ins Ausland vergeben worden sind, daß viele ausländische Kunden der deutschen Stein druckereibesitzer die ewige Beunruhigung satt bekamen und die deutschen Druckereien nicht mehr beschäftigen, ganz ab gesehen von den großen Verlusten, die durch die Unmöglich keit der Ausführung vieler Aufträge entstanden sind. Den Ver band der Lithographen, Steindrucker und verwandten Berufe kostet die Bewegung, wenn man 4500 organisierte Lithographen und Steindrucker durchschnittlich zugrunde legt und eine Streik unterstützung von 20 M. annimmt, rund 90 000 M. die Woche. Das sind für 18 Wochen über 1 1 Millionen M. Ob das, was erreicht worden ist und was sich im wesentlichen an die schon anfangs gemachten Zugeständnisse der Unternehmer anschließt, zu diesen Ausgaben in angemessenem Verhältnis steht, möchten wir der Beurteilung unserer Leser überlassen. Die Unternehmer haben zugebilligt: Herabsetzung der Arbeitszeit für Steindrucker von 54 Stunden auf 53 Stunden die Woche, Erhöhung der Mindestlöhne um durchschnittlich 2 M. die Woche, Verminderung der Lehrlingszahl dergestalt, daß in Zukunft auf 1 bis 3 Steindrucker ein Lehrling und auf je weitere 4 Steindrucker ein Lehrling, auf je 1 bis 4 Lithographen ein Lehrling und auf je weitere 5 Lithographen ein Lehrling gehalten werden darf. Auch hat sich der Schutzverband bereit erklärt, seinen Mitgliedern zu empfehlen, alle Löhne, die bis 5 M. über den Mindestlohn betragen, allgemein aufzubessern. Die zwangsweise Einführung bezahlter Ferien mußte der Schutz verband als solcher ablehnen, er hat aber. die. Erklärung ab gegeben, daß er die Bewilligung von Ferien befürwortet. Aus wichtigen Gründen wurde das von der Gehilfenschaft geforderte Verbot von Akkord-, Heim- und Prämienarbeit abgelehnt. Wir wünschen, daß der nunmehr geschlossene Friede dauernd sein und nicht durch ungerechtfertigte Machtgelüste, sei es von Arbeitgeber-, sei es von Arbeitnehmerseite aus, zum Schaden des Gewerbes gestört werden möge.