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Nr. 121. - 18SS. — Liese verbreitetst» unparteiisch« Leitmm erscheint Aochenta«« Mmtzs (ml«aw»bes»ltchst» Uages) und tostet mit den fünf ßvdcheutlichen Beiblättern: Meine Botschaft, Sächsischer «»zähle», Gerichts-Zeitung, Sächsisches Allerlei, Jllustrirtes Unter. Haltungsblatt, Gei den Postanstaltc» und bei den Ausgabestellen Monatlich 4v Pfennig«. «ostlister 1. Nachtrag Nr. LS77. kelegramm - Adresse: Snieralanjeiger. Fernsprechstelic Nr, IS». Gerreral Sonntag, den 28. Mai. Anzeigen für Chemnitz und Umgegend. (Sächsischer Laude».Augeiger). - Gegründet l«7» al» „Augelger«' »«. »erlag und «»tatiouSmaschiueu.Lruch va« Alexander »tede in Chemnitz, Lhealerstratz» Nr. v. 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Nach der Pfingstpause sollen, wenn irgend möglich, noch erledigt werden: Das Jnvaliden-Bersicherungsgesctz, der Nachtragsetat, das Hypothekenbankgesetz, das Gesetz, betreffend die Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen, und das Post gesetz. Letzteres, um endlich die Entscheidung über das Schicksal der Privatpostanstalten zu treffen. Sollte dieses Pensum aufgearbeitet werden, so würde die Regierung voraussichtlich eine Vertagung ein- treten lassen, andernfalls solle der Reichstag geschlossen werden. Bei dem Rest der Vorlage» bez. Anträge handelte es sich nach Auffassung der Regierung um so streitige Materien, daß man trotz der Kom- missionsverhandlungen auch im Herbst wieder von vorne werde an fangen müssen. DaS gelte auch bezüglich der Gewerbeordnungs novelle, in Betreff welcher erhebliche Meinungsverschiedenheiten zwischen der Mehrheit der Kommission und der Regierung aus zugleichen seien, wenn eben etwas zu Staude kommen solle. So habe die Regierung Bedenken geltend gemacht gegen die obligatorische Einführung von Lohnbüchern für die minderjährigen Fabrikarbeiter. Auch widerstrebe sie der Aufnahme der Krankenversicherungspflicht für die Hausgewerbetreibenden i» die Gewerbeordnung, da dem Reichstage wegen Ausdehnung der Krankenversicherung auf die Haus industrie ein« besondere Vorlage zugehen soll. Den stärksten Wider spruch erhebt Gras Posadowsky gegen den obligatorischen Laden schluß von 9 Uhr Abends bis V Uhr Morgens. Bei diese», Wider streit der Meinungen dürfte aus der Gewerbeordnungsnovelle wohl überhaupt nicht viel werden. — Hetzereien gegen Deutschland und dessen angebliche Haltung auf der Friedenskonferenz werden von verschiedenen Seiten in Szene gesetzt. Nach einer Londoner Meldung der „Berl. Neuest Nachr." läßt sich die „Morning Post" von ihrem Spezial-Correspon. denten im Haag Folgendes telegraphiren: „Ich habe festgestellt, daß, als die Frage eines internationalen SchiedS- . gerichies von den Delegirten erörtert ivnrde, die deutschen Vertreter sich dem Gedanken widersetzten. Ihnen schlossen sich die Vertreter Oesterreichs und Italiens, außerdem auch die der Türkei an, während die Delegirten Englands, Frankreichs, Rußlands, Amerikas und Spaniens dafür waren. Der allgemeine Eindruck hier im Haag ist der, daß ungeachtet der Ver sprechungen des deutschen Kaisers die Vertreter des Dreibundes gegen alle wichtigen Maßnahme» opponiren werden." Der Zweck dieser Ausstreuung ist kein anderer als der, Deutsch land als den Führer einer aus de» Dreibundmächten und der Türkei bestehenden Koalition erscheinen zu lassen, welche die Bestrebungen der Konferenz von vornherein unwirksam machen soll. Selbst verständlich ist auch diese „Nachricht" einfach erlogen. Eine Er- örlerung der Schiedsgerichtsfrage, aus welcher auf eine bestimmte Stellungnahme irgend einer Macht geschlossen werden könnte, hat noch gar nicht statigefunden. Aus -er Geschichte des deutschen Mäunergesangs. Eine Ski-,;- zun, Kasseler Gesangs-Wettstreite, 27. bis 29. Mai. Von Cyriak Fischer. (Nachdruck verboten.) „Te. Egcrjjeiang ist das Eine, allgemeine mögliche Volksleben im Reiche der höheren Kunst." Also hat der wackere schweizer Landsmann, hat Hans Georg Nägeli mit Recht gesagt, der zuerst bei uns die Eigenheit, die künstlerische Berechtigung und den großen Werth des MännerchorgesangS erkannt und ihn nach allen Seiten hin mächtig gefördert hat. Vor ihm gab cs auf dem Gebiete der /Musik »nr Anfänge (Anfänge, auf die wir »och zu sprechen kommen werden); aber auch sie reichen über das 19. Jahrhundert nicht hinaus. So ist der deutsche Männergesang so recht eine Schöpfung unseres in künstlerischer Beziehung so vielgcscholtenen Jahrhunderts; diese Schöpfung, hcrvorgegangen aus dein Kerne des Volkslebens selbst, hat sich das ganze Volk erobert, ist ein köstliches Kleinod unserer heimische» Tonkunst und unseres ganzen Musillebens geworden und hat den Ruhm des deutschen Liedes über die ganze Erde getragen. Wie zur Bekräftigung seiner Werke darf jetzt der deutsche Männer- gcsang, der Hnnderljcihrige, das Kind des Volkes, in der Sonne der Fürstengunst ei» glänzendes Jubelfest begehen. Da mag es erwünscht sein, sich seine Schicksale in kurzen Züge» zu vergegen wärtigen. Wenn auch der Minne- und der spätere Meistergesang als die Vorläufer unserer Kunstgattung bezeichnet werde» können, so habe» sie doch mit dem volkslhümlichen Männergesang als solchem noch wenig zu thmi. Erst das 17. Jahrhundert zeigt uns ganz v.rcinzelte Gründungen von Mannergesangvereine». So find:« wir zu Greiffen- bcrg in Pommer» seit 1673 eine „Golt singende Gesellschaft", zu Coswig in Anhali den vielleicht bis in die Reforinatioiiszeit znrück- gehende» Adjucantenverein, die sich indes beide auf den geistlichen Gesang beschränkten. Auch die 1620 entstandenen und noch heute florirende ehrwmdige „Singgesellschast zni» Antlitz in St. Gallen" ist in diesem Zusammenhänge zu nenne». Der eigentliche Männer- gcsang in unserem Sinne aber konnte in diesen Gesellschaften gar nicht gepflegt werde», weil — er noch nicht bestand. Den» als den Vater des vierstimmigen Männerliedes können wir erst Michael Hahdn (1737—1806), den Bruder Josef Haydn's, ansehc», der ge legentlich als er einmal für einige geistliche Freunde Terzeite schrieb, de» drei Sliinmen noch eine vierte hinzufügle, und nun, nachdem er die dadurch erzielte Rnnduiig und Vollendung der Harmonie cr annt s Halle, an dieser neuen Kunstform fesihiclt. Einige andere Meisters haben neben ihm schon zeitig der Chorlitteratnr weithvoll: Briiragc,! — Die „Goth. Ztg." schreibt: „Die Erbfolge im Herzog thum Coburg-Gotha beschäftigt noch immer müßige Federn. So ist in der „Deutschen Warte" zu lesen: „Die Erbfolge ist, wie jetzt aus London berichtet wird, entgegen den bisherigen Nachrichten, noch keineswegs definitiv geordnet. Die Angelegenheit soll erst in diesen Tagen zur Entscheidung kommen, da der Herzog von Sachsen- Coburg zu den Geburtsfelerlichkelten der greisen Königin in London weilt. Innerhalb der königlichen Familie wird die ganze Erbfolge mit sehr ver schiedenen Augen angesehen. Was den junge» Prinzen Arthur anbelangt, der vor einigen Tagen konficmirt wurde — er ist am 13. Januar 1883 geboren, so sagt ein Gerücht, daß er sich sehr energisch weigert, die Thron folge zu acceptiren. Es ist klar, daß es sich um Erfindungen handelt, nach der Er» klärung im Landtag ka>'n von einer „schwebenden Frage" keine Rede sein. — Der nunmehr zu Ende gegangene Bäckerstreil in München erforderte für Streikunterstützung rund 12,000 M., die zum Theil von der Verbandskasse in Hamburg, zum Theil von der Organisation in München und der Arbeiterschaft ohne Inanspruchnahme des Gewerk verein» aufgebracht wurden. Ausland. Oesterreich-Ungarn» Wie aus Wien bestimmt verlautet, ist bisher keine Entscheidung in der Ausgleichsfrage getroffen worden. Die ungarischen Minister kehrten gestern von Wien au» nach Budapest zurück. Koloman v. Szell begiebt sich am Sonntag wieder nach Wien. — Aus der Sitzung des ExekutivkvmiteeS der Rechten verlautet noch, daß Graf Thun mitlheilte, die österreichischen Minister seien solidarisch und würden ihren Standpunkt Ungarn gegenüber nicht ausgcben. Unterrichtete Kreise glauben auch nicht an einen Erfolg der nenen, zwischen den österreichischen und den ungarischen Ministerien eingeleiten Verhandlungen. Die österreichische Ministerkrise dürste bald offen ausbrechen. Dvankreich» Aolizeipräfekt Blanc erließ, wie au» Pari» gemeldet wird, an seine Beamten einen Dienstbesehl für die Woche der großen Gerichtsverhandlungen, der ihnen vorschreibt, keinerlei Zusammen rottungen in den Straßen, keine Angriffe aus Personen und Gebäude, keine beleidigende Ruse gegen die Regierung, Behörden und Personen zu dulden und Schutzleute» die schwächliche Nachsicht zeigen oder gar an Kundgebungen theilnehmen, mit sofortiger Absetzung bedroht. China. Nach einer Depesche aus Peking gedenkt der bisherige deutsche Gesandte B^ron von Heyking, in wenigen Tagen nach Europa abzureisen. Der ausnahmslose Erfolg seiner Verhandlungen mit der chinesischen Regierung hat da» deutsche Prestige in China bedeutend gehoben. Der Kongreß zur Bekämpfung der Tuberkulose. Der gegenwärtig in Berlin tagende Kongreß zur Be kämpfung der Tuberkulose" erregt sowohl in den Kreisen der Kauften!«, sowie auch der Laien das lebhafteste Interesse. Wir haben über die feierliche Eröffnung des Kongresses bereits in der Freitags- Nummer unseres Blattes, unter „Politische Rundschau" das Wissens- wertheste berichtet und lassen nunmehr einzelne markante Details aus den hochint ressanlen Ausführungen seitens der Kongreßmitglieder folgen: Als Erster eröffnet« den Reigen der Berichte der Direktor des Kaiserlichen Gesundheitsamtes Köhler. Er wies ans die Verbreitung der Tuberkulose hin. lieber 5 Prozent aller Todesfälle in Deutsch- and ist auf Schwindsucht zurückzuführen. Beim männlichen Ge- chlecht sei di« Sterblichkeit höher als beim weiblichen. Wo man den Kampf gegen di« Tuberkulose ausgenommen habe, sei die Sterb lichkeit zurückgegangen. Krieger-Straßburg sprach als zweiter über die Beziehungen zwischen den äußeren, sozialen Lebensdedingungeu und der Ausbreitung der Schwindsucht. BerufSthätigkeiten wie die der Müller, Tabakarbeiter, Bildhauer usw., die eine Ueberladung der Lunge mit Staub bedingen, seien für Ansiedlung der Tuberkel- Bazillen besonders geeignet. In Folge geringer MuSkelthätigkeit und dadurch bedingter Schwächung des GesammtorganiSmuS seien auch Schneider und Näherinnen für Tuberkulose sehr empfänglich. Gebhardt-Lübeck besprach sodann die^Häufigkeit der Tuberkulose unter der versicherungspflichtigen Bevölkerung. Nach ungefährer Statistik ind etwa 11 Prozent Jnvallditätsfälle durch Schwindsucht bedingt. . Je geringer das Einkommen, um so höher der Prozentsatz, der a» Tuberkulose Erkrankten. In der Donnerstag-Sitzung nahm zunächst Flügge-BreSlau das Wort. Dieser sprach , über die Beziehung des von Koch entdeckte« Bazillus zur Tuberkulose. ES unterliege heute keinem Zweifel mehr, daß die Schwindsucht bei Menschen wie Thieren einzig durch diese« Parasiten bedingt werde. Als Nächster besprach C. Fränkel-Halle die Art und Weise der Uebertragung der Tuberkulose. Fleisch und Milch wrlsüchtigen Viehs, vor allem aber der AuSwurf Schwindsüchtiger bringe die Krankheitserreger in die Umgebung. Aber der Tuberkulöse bildet nur dann eine Gefahr für die Gesunden, wenn der Krank heitsherd in den Lungen in offener Verbindung mit der Außenwelt tehe. Die ruhige Ausathmungslust der Kranken ist dauernd frei vo« Bazillen. Erst stärkere Hustenstöße befördern die Tuberkel-Bazillen in die Lust, und nun erst beginne die eigentliche Ansteckungsgefahr. Die Lebensdauer der außerhalb des Körpers gelangteil Bazillen be trage glücklicher Weise nur 6 bis 7 Wochen. Ueber die allgemeine» Maßnahme» zur Verhütung der Schwind» sucht reserirte als erster Redner Rmu.Pvrscm-»,. Licker kübrte ans, es sei zunächst die Verhütung der Einathmung de» senchM Äwi-tzjd- trockneten Auswurses anzustreben. Zu dem Zwecke fei der Answurf* (nach möglichst sriihzeitiger Feststellung der Tuberkulose) möglichst schnell unschädlich zu machen (Speigläser, Flaschen usw.). Möglichst frühzeitig auch solle man die Schwindsüchtigen de» Heilstätten über weisen; die weitesten Volkskreise, namentlich auch die Arbeitcr- bevölkerung, müsse durch Vermittelung der Vorstände der Kranke», kaffen usw. über das Wesen der Tuberkulose in großen Zügen be lehrt werden. Man solle ferner eine allgemeine Meldepflicht der Aerzte für Tuberkulosefälle einführen. Räume,' in denen Schivind- üchlige gewohnt hätten oder gestorben wäre», seien einer gründlichen Desinfektion zu unterwerfen. Hcubncr-Berli» sprach sodann über die Verhütung der Tuberkulose im Kindesaller. Schon im ersten Lebensjahre müsse die Prophylaxe (die Verhütung gegen das Uebel hier einsetzen. Kindertnberkulose sei fast regelmäßig auf Ansteckung durch Umgang mit Schwindsüchtigen (Ammen, Wärterinnen) zurück- geschenkt; im Ganzen aber fanden die neu entstehenden Vereinig ungen zur Pflege des deutsche» Männergesanges noch ein recht dürftiges Material vor. Den denkwürdigen Anfang zu diesen Vereinsgründungen hat die aus dem Kunstgebiete sonst selten führende Stadt Berlin gemacht, und zwar knüpft sich die Entstehung der Berliner Liedertafel au den Namen vo» Goethe's bekanntem Freunde, an den kernigen Zelter. Ihr Geburtstag ist der 29. Dezember 1608, die Veranlassung ein Abschiedsessen, das dem aus Berlin scheidenden Sänger Otto Grell seine Freunde gaben und wobei eine Anzahl Mitglieder der Si»g> akademie sich mit Gesängen betheiligte». Diese neu begründete Zelter'sche „Liedertafel" (er hatte bei dem Worte an Artus' mythische Tafelrunde gedacht) trug aber einen ganz geschlossenen Charakter. Die Zahl ihrer Mitglieder durfte 24 (später 30) nicht übersteigen; die Theilnehmer mußten Dichter, Sänger oder Komponisten sei», und sie lieferten der Bereinigung selbst das Gesangsmaterial, dessen Kenntnißnahnie und Benrtheilung den Hauptgcgenstand der Zu sainmenkünfte bildete. Ans diese Weise wurde zugleich der Mangel einer ausreichenden Chorlitteratnr überwunden. Das war also noch ei» gar bescheidener Anfang, welcher der hculigen stolze» Ent wickelung wenig mehr ähnlich sieht; aber der Männergesang hatte damit doch jedenfalls zum erste» Male eine Stätte und Pflege ge funden, und seine markige» Weisen mögen gerade in jener schweren Zeit der Zwinghcrrschaft manch' zagend Herz erbaut und erhoben haben. Goethe's prächtige Gesellschaftslieder, wie „Herr Urian", „Generalbeichte", das feierlich-schöne „Bundeslied", sowie auch „Freude, schöner Götterfunken" bildeten die Lieblingsstücke der Liedertafel. Bald fand sie Nachahmung. Zunächst folgte Frankfurt a. O', dann 181S Leipzig. In Magdeburg entstand 1818, in Hamburg in den 20er Jahre», in Dessau 1821, in Königsberg 1824 eine Liedertafel. Und bald folgte auch die Befreiung aus den streugcn und geschlossenen Formen. Nicht Dichter, Komponisten und Sänger nur durften es sein — »ein, Jeder, dem Gesang gegeben, mußte das Männerlird im Frcundcschore Pflegen. So sang schon das (Jahn'sche) 3. Bataillon der Lühower im Chore; so stiftete Bern hard Klein 1819 zu Berlin die jüngere Liedertafel, in der sich alle Gesangsfrcndige» mit voller Begeisterung zusammenfaiiden. Diese», Fortschritt im Norden kam ein gleicher >m Süden ent gegen. Hier irar cs der bereits eingangs erwähnte H. G. Nägeli, der nicht allein pädagogisch und organisatorisch den Männcrchor- ge'ang förderte, sondern vor Allem ei» bisher »och unbeobachtetes Momenl darin in seiner vollen Bedeutung erkannte: seine» volks- Ihnmtichen Charakter, seinen nncrmeßlichc» Werth snr volkslhnmliche Kn .stblldnng. Er beschränkte die Vereine »nd Ucbnngen nicht auf die Könner und Kenner, er rief das ganze Volk heran, seine Stimmen zum mächtigen, ergreifenden Chore zu vereinige». Und wie dies chöne Ziel dem schweizer Chorgesang zu Grunde gelegt wurde, so chlvsse» sich auch die Süddeutschen an Nägeli's Gedanke» an. In Stuttgart entstand 1824 die erste Vereinigung, sür die der Hofrath Andres das Wort „Liederkranz" erfand, München folgte 1826. Bald blühten in Süddeutschland die Liedcrkränze so lustig, wie in Norddeutschland die Liedertafeln. Ein Gegensatz oder vielmehr ein Unterschied zwischen ihnen war von Anfang an durch ihre Geschichte gegeben. Die Liederkränze trugen einen volksthümlicheren, die Tafeln einen geschlossen n Charakter. Vor Allem aber: die Tafeln sangen zwar auch i», Chor, nur sellen aber den Chor, den mehrstimmigen. Das war eben Nägeli's Werk, das sich denn bald auch den Norden eroberte. ' Es war Nägelis Werk, — auch insofern, als er eigentlich auch die ganze Literaturgatlung neu schuf. Zn den bisherigen spärlichen Arbeiten fügte er eine große Reihe schöner Mannerchöre hinzu, schöne Kernlieder darunter, wie: „Wir fühlen uns zu jedem Thun ent stammt", „Wir glauben all' an einen Gott" u. s. w.; ihre Stärke liegt im Einsachen, Volkslhümlichen, wenn auch nicht geleugnet werde» kann, daß er hier und da bis zur Dürftigkeit geht und zu weilen etwas Zopfiges hat. Aber er hat jedenfalls die Bah» ge brochen und ein reiches fröhliches Schaffen ans dem Gebiete des Mannerchors begann. Da schenkte Meister Weber de» Deutschen seine begeisterte., und begeisternden Werke, unter denen die hin reißende Komposition von „Lützow's wilder Jagd" volksthümlich ge- worden ist und eine reiche Fülle mächtiger und lieblicher Schöpfungen sich befinden. Spvhr gesellte sich in seine» herrlichen Chören würdig ihm z», -und Schube,t, der Götterliebling, hob die ganze Gattung auf den höchsten Gipfel der Kunst, ihr eine erstaunliche Tiefe, ein« bezaubernde, oft fast geheimnißvolle Schönheit, eine schier unendliche Mannigfaltigkeit verleihend, und sie mehr und mehr vom Quartette znm Chore übersührend. Nimmt man Hinz», was Kreutzer, Silcher, Schncider und viele Andere geschaffen, so erkennt »ici» wohl, wie die in Nord und Süd mächtig erblühten Männergesangs-Vereine die künstlerische Produktion kraftvoll und gesund anregten. Doch „och blieb ei» Schritt zu Ihn». Der Männergesang drängte vo» Natur zur Massenwirknng ; erst wenn sie sich zu eine», einzige», gewaltigen Strome vereinigten, konnte» die Stimme» voll zur Geltung komme». Darauf hatte scharfblickend schon Nägeli hingewiese», und jo mußte die Kvnzentrirung des Vereinswesens das natürliche Ziel werde». Dies wurde nun schrittweise erreicht. Zuerst vereinigten sich im Süden wie i», Norden die benachbarte» Vereine, dann ganz« Gauen »nd Provinzen zu gemeinsamen Sängerfestei,; auf eine«