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Nr. ISS. Großenhainer Unterhaltung-» und Nuzeigeblatt. Seite 2. zu passiren wollten, wurden die den Weg schließenden Bar rieren eben wieder aufgezogen. Die eine der beiden Barrieren war bereits in die Höhe und die zweite sollte aufgezogen werden, als infolge eines Zufalles der Hedel der Barriere abglitt und letztere wieder zurückfiel, als die Pferde des Wagens schon hindurch waren, so daß der Kutscher davon an der Brust getroffen wurde, ohne jedoch weiter verletzt zu werden, während die Barrwrenstahge zerbrach. Der Stadt Dresden sind von zwei daselbst gestorbenen Damen wieder namhafte Vermächtnisse zugefallen. Aus dem Nachlaß der Gräfin Adele v. Königsfels geb. Gräfin Lieven wurden 40,000 M. zu einer Stiftung für unterstützungs bedürftige würdige Witwen bez. Töchter in Dresden angestellt gewesener und daselbst verstorbener juristischer Beamten oder Rechtsanwälte bestimmt, während dem vereinigten Frauen hospitale aus dem Nachlasse der Privata Karoline Amalie Laurin die Summe von 254,700 M. zur Vermehrung der Freistellen zufiel. Aus dem Berichte, welcher im Verein für innere Mission zu Leipzig aus Anlaß seiner 13. Jahresfeier erstattet wurde, ist zu entnehmen, daß von der Herberge zur Heimath im Laufe des Jahres 1l,886 Personen polizeilich angemeldet worden waren, über 500 mehr als im Jahre vorher, so daß (für 18,000 Nächtigende) durchschnittlich pro Tag 45 bis 50 Betten besetzt waren und die Errichtung einer zweiten Herberge ins Auge gefaßt ist. Zur Errichtung eines Lehr lings-Daheims sind neuerdings 30,000 M. zur Verfügung gestellt worden und soll dasselbe nächste Ostern eröffnet werden. Die Vereinsschulden betragen noch 215,000 M. — Das neue Jnnungshaus des Leipziger Schuhmacher- Handwerks ist am Montag in Gegenwart der Innung und zahlreicher Ehrengäste in festlicher Weise eingeweiht worden. — Am Dienstag wurde in einem Gasthause zu Leipzig ein Würzburger Student der Medicin auf Requisition der dor tigen königl. Staatsanwaltschaft verhaftet. Der Verhaftete, namens Dauck, ein Brasilianer, ist jedenfalls identisch mit dem Studenten, welcher den Hauptmann Emmerich im Duell erschossen hat. In Riesa will man, um dadurch den Druck der directen städtischen Abgaben abzumindern, zur Einführung indirecter Steuern greisen. Die königl. Amtöhauptmannschaft zu Grimma hat nach Anhörung und Genehmigung des Bezirks-Ausschusses auf Grund des Gesetzes vom 17. Juli 1876, den Schutz der Waldungen betr., das Einsammeln von Ameisen und Ameisen- Eiern in den Waldungen ihres Bezirkes verboten. In Markneukirchen fand am Sonntag aus Anlaß des 50jährigen Jubiläumstages der Einführung der Städte- Ordnung unter zahlreicher Theilnahme ein Festmahl statt, bei welchem der Amtsrichter v. Elterlein den ersten Toast auf Se. Majestät den König ausbrachte und sodann der Bürgermeister Schweitzer auf ein gedeihliches Weiterblühen der in allen Erdtheilen bekannten Stadt toastete. Wegen vieler Erkrankungen der Kinder am Scharlach ist am Montag in Tirpersdorf bei Auerbach die Schule geschloffen worden Auf einem Felde zu Hermsdorf bei Kreischa fand man am 20. Novbr. einen 75 Jahre alten Klempner erfroren auf. Bermuthltch ist er in angetrunkenem Zustande gewesen. Beim Betreten der leichten Eisdecke eines Teiches ist am Dienstag ein zehnjähriger Knabe aus Thonberg ein gebrochen und ertrunken. Deutsches Reich. Der Besuch, den Herr von Giers, der russische Minister des Auswärtigen, auf seiner Durch reise nach Italien in Varzin beim Fürsten Bismarck und dann am kaiserlichen Hofe in Berlin Anfang dieser Woche abgestattet hat, ist für unsere Beziehungen zu Rußland ein bedeutungsvolles Ereigniß. In dem Verhältnisse zwischen Deutschland und seinem mächtigen Nachbar im Osten ist seit dem Berliner Vertrage, welcher Rußland zum Theil der Früchte seines vorausgegangenen türkischen Feldzuges beraubte, hier und da eine Trübung entstanden, welche zu ernstlichen Mißverständnissen zu führen drohte, und namentlich auf russischer Seite machte sich die Verstimmung gegen Deutschland in den bekannten Tiraden des Skobelew, Ak sakow u. s. w. in bemerkenswerther Weise Luft. Um so anerkennenswerther ist es von der russischen Regierung, daß sie durch die Besuche des leitenden Staatsmannes des Czarenreiches in Varzin und Berlin den ersten Schritt gethan hat, um ihren Beziehungen zum Berliner Cabinet die frühere Klarheit wiederzugeben. Daß der russische Staatsmann bei unsern Staatslenkern ein freundliches Ent gegenkommen gefunden hat, kann nicht bezweifelt werden, wie dies schon aus dem Umstande hervorgeht, daß Herr v. Giers am Dienstage mit zur kaiserlichen Tafel gezogen wurde. — Am Mittwoch hat derselbe die Reichshauptstadt wieder verlassen, um seine Reise nach Italien fortzusetzen, doch nicht über Wien, wie zuerst berichtet wurde, sondern über Frankfurt und Basel; es ist jedoch sehr wahrscheinlich, daß Herr v. Giers auf seiner Rückreise Wien berühren wird. In Erwiderung der Jagdeiuladung, welche Prinz Wil helm in diesem Herbst vom Kaiser von Oesterreich erhalten hat und welcher dieser auch entsprach, ist jetzt der Kron prinz Rudolf von Oesterreich-Ungarn durch den Kaiser Wilhelm zur Theilnahme an den Letzlinger Hofjagden ein geladen worden. Wie verlautet, wird Kronprinz Rudolf infolge dessen am 30. d. von Prag in Berlin eintreffen. Das preußische Abgeordnetenhaus trat nach viertägiger Pause am Mittwoch in die erste Berathung des Etats ein. Die Redner hielten sich im Allgemeinen mehr wie sonst an den in Rede stehenden Gegenstand, so daß fast alle Parteien zum Worte gelangten. Den Reigen eröffnete der Secessionist Rickert, welcher sich namentlich gegen die Aufhebung der vier untersten Klassensteuerstufen wandte, in welcher er den Anfang zur Beseitigung des directen Steuersystems erblickte, der die Mehrheit der Volksvertretung nicht zustimmen könne. Der hierauf folgende Redner, v. Tiedemann (freiconservativ), erklärte sich dagegen mit dem Steueraufhebungsgesetze ein verstanden, nur wünschte derselbe eine gerechtere Normirung der einzelnen Steuerstufen und erklärte sich bezüglich der Licenzsteuer zustimmend. Als Vertreter des Centrums sprach Frhr. v. Schorlemer-Alst, welcher für Wahrung der po litischen Rechte der von der Steuer zu Befreienden, im Uebrigen aber für eine Erhöhung des Holzzolles und eine ausgiebige Börsensteuer plaidirte. Ihm folgte als Sprecher der Conservativen v. Minnigerode, welcher sich ebenfalls für eine procentuale Börsensteuer aussprach, die stets derideale Wunsch seiner Partei gewesen sei; zugleich kündigte Herr v. Minnigerode einen dahingehenden Antrag der Conservativen für den Reichstag an. Namens der Nationalliberalen wies v. Benda auf das eigenthümliche Mißverhältniß zwischen dem Steuererlaß und dem bestehenden Deficit hin und er klärte sich für eine Aenderung des bewahrten bisherigen Steuersystems nur insoweit, als jene durchaus nothwendig sei. Die Ausführungen des Finanzmimsters Scholz lassen sich dahin zusammenfaffen, daß derselbe einfach erklärte, das Haus habe im Vorjahre einem Steuer-Erlaß zugestimmt und die Regierung sei nun hierdurch materiell an einen Steuer-Erlaß gebunden. — Die Debatte über den Etat wurde in der folgenden Sitzung am Donnerstag fortgesetzt und schließlich mehrere Etatstheile, darunter das ganze Extraordinarium, an die Budget-Commission überwiesen. Die „Köln. Ztg." läßt einen Warnungsruf an Aus wanderungslustige erschallen. Da nämlich die holländische Regierung gegen die stets aufrührerischen Atchinesen neue kräftige Schritte thun muß, stehen binnen Kurzem ganz bedeutende Werbungen in Garderwyk bevor. Mögen unsere deutschen Landsleute sich nicht verlocken lassen, dem Trug bilde einer militärischen Laufbahn und einstigen Pensions berechtigung nachzulaufen. Das Land, wohin man sie führt, ist von schrecklichen klimatischen Krankheiten heimgesucht; Fieber und jetzt auch die Cholera wüthen furchtbar, und wer mit dem Leben davonkommt, wird meist für alle Zeit siech und dienstunfähig. Italien. Das Parlament ist am 22. November vom König mit einer Thronrede eröffnet worden, welche sich durch einen markigen Styl und lebhaftes Colorit auS- zeichnet, der gedeihlichen wirthschaftlichen Entwickelung des Landes gedenkt und die Erleichterungen aufzählt, welche die letzte Legislaturperiode in dieser Beziehung geschaffen habe. Mit besonderer Befriedigung erwähnt die Thronrede der Sorgfalt, welche das Parlament der Vervollkommnung der Armee und Marine gewidmet habe. Die Beziehungen Italiens zu allen auswärtigen Regierungen werden als die besten geschildert und spricht die Thronrede die zuversicht liche Hoffnung auf Erhaltung des allgemeinen Friedens aus. Ferner wird auf die bevorstehende Vermählung des Herzogs von Genua mit der Prinzessin einer der erlauch testen deutschen Dynastien als ein neues Bindemittel zwischen den Völkern Deutschlands und Italiens hingewiesen. Die Rede schließt mit dem Hinweis darauf, daß das Parlament jetzt volle Freiheit zum Handeln habe, da keine Macht mehr die Unabhängigkeit Italiens bedrohe. In Rom wird sehr bemerkt, daß die „Riforma", das Organ CriSpi's, in der Frage des österreichischen Gegen besuchs in Italien sich dahin ausspricht, es würde von italienischer Seite gar nichts dagegen einzuwenden sein, wenn Kaiser Franz Josef gleichzeitig dem Papste einen Besuch abstatten würde. Spanien. Der englisch-spanische Conflict wegen der drei kubanischen Flüchtlinge wird wahrscheinlich mit einem Compromiffe enden, laut welchem Spanien die drei Ge fangenen amnestirt, England aber die Beamten absetzt, die die drei Cubaner aus Gibraltar abgeschoben und damit den ganzen Conflict hervorgerufen haben. England. Die Königin verlieh am 21. Novbr. dem General Wolseley, sowie vielen anderen Offizieren und Mannschaften für die während des Feldzuges in Egypten bewiesene Tapferkeit Ordensauszeichnungen. Im Ganzen wurden 370 Offiziere und Soldaten decorirt. Das Unterhaus nahm am 22. Novbr. mit 161 gegen 19 Stimmen die neunte Resolution der Geschäftsordnung nach dreitägiger Debatte an, nachdem die Regierung mehrere die Resolution mildernde Zugeständnisse gemacht hatte. Der Criminalgerichtshof zu London verurtheilte William Brookshaw, der angeklagt war, einen Brief an den Prinzen v. Wales geschrieben zu haben, in welchem er drohte, den Prinzen zu ermorden, zu 10 Jahren Zwangsarbeit. Schweden. Die Palhen bei der am 25. Novbr. statt- stndenden Taufe des Herzogs v. Schoonen werden sein: der König und die Königin von Schweden, der Herzog Oskar v. Gothland, der Großherzog und die Großherzogin von Baden, Kaiser Wilhelm und Kaiserin Augusta, der Kron prinz und die Kronprinzessin des deutschen Reiches, die Königin von Sachsen, der Erbgroßherzog von Baden, die Prinzessin Eugenie, Prinz und Prinzessin Wilhelm von Baden, die Herzogin von Sachsen-Coburg-Gotha, die Fürstin-Witwe v. Wied, der Herzog von Nassau, die Kö nigin von Rumänien, Großfürst Michael von Rußland, Großfürstin Olga von Rußland, die Kronprinzessin von Dänemark und die Kaiserin Eugenie. Ruhland. Um der in erschreckender Weise vor sich gehenden Ausholzung der Wälder im Königreich Polen Einhalt zu thun, beabsichtigt die russische Regierung ver schiedene Maßregeln zu unternehmen. Eine derselben soll die Belegung des Holzes mit einem ziemlich hohen Aus fuhrzoll sein. Gegen diese projectirte Neuerung hat sich aber bereits eine Anzahl polnischer Gutsbesitzer an das Finanzministerium mit der Erklärung gewandt, daß ein derartiger Ausfuhrzoll die Abholzung der Wälder kaum hindern, dagegen den Werth des Holzes selber um die Höhe jenes Zolles zum Schaden der Besitzer herabdrücken würde. In dem Processe gegen den Kassirer des Moskauer Findelhauses, Melnitzky, ist der Angeklagte der Veruntreuung von 307,000 Rubel schuldig befunden und unter Aberkennung seiner StandeSrechte zur Ansiedelung in Tomsk verurtheilt worden. Griechenland. Infolge der schlechten Besoldung haben in Athen sämmtliche Geistlichen ihre Functionen suspendirt. Egypten. Die Regierung hat beschlossen, eine Com mission niederzusetzen, welche die nöthigen Pläne für den Wiederaufbau Alexandriens entwerfen und dann auch den Fortgang des Baues überwachen wird. Jndeß glaubt man in Kairo, daß es fast unmöglich sein werde, an diesen Wiederaufbau ohne Zuhilfenahme des europäischen Kapitals zu gehen, und dürfte daher die egyptische Regierung bald eine größere Anleihe für Alexandrien ausschreiben. Der Bericht Borelli Beys, welcher die vor der Unter- suchungscommission abgegebenen Zeugnisse resumirt und zu dem Ergebnis; führt, daß Arabi Bey und andere Führer der Mititärpartei bezüglich des Blutbades und der Brand stiftung in Alexandrien direct bezichtigt werden, ist dem Khedive am 22. Novbr. Vormittag zugestellt worden und sollte am Nachmittag auch Lord Dufferin zugestellt werden. Ein für den egyptischen Polizeidienst angeworbcner schwei zerischer Offizier hat von Alexandrien geschrieben, daß er wie alle seine Kameraden dort höchlich zufrieden seien; der Dienst sei nicht schwierig, aber genau und regelmäßig ge ordnet. Er selbst habe das Commando über die 700 Mann starke Polizeiwache, welche aus 200 Oesterreichern, 200 Ita lienern und 300 Schweizern bestehe. Neueste Nachrichten. Berlin, 23. November. In der heutigen Plenarsitzung des Bundesrathes ist der sogenannte kleine Belagerungs zustand für Berlin um ein Jahr verlängert worden. Wien, 23. November. Die amtliche „Wien. Ztg." veröffentlicht ein kaiserliches Handschreiben an den Minister präsidenten Grafen Taaffe, durch welches der Reichsrath auf den 5. December einberufen wird. Cattaro, 23. November. Nach hier eingegangenen Nachrichten beabsichtigt die montenegrinische Regierung An fang nächsten Jahres die ersten drei stehenden activen Infanterie-Bataillone je 500 Mann stark in' Cettinje, Niksic und Podgorizza zu errichten. Rom, 23. November. Die „Opinione" sagt bezüglich der Thronrede, sie sei wie die Rede des Ministers Depretis in Stradella ein weises Programm der Ordnung und Frei heit. „Opinione" hofft, die Regierung werde so handeln, wie sie gesprochen. Die „Gazetta d'Jtalia" constatirt, daß die Worte des Königs vor Allem Worte der Versöhnung und Eintracht für die neue Legislaturperiode wären. Paris, 23. November. Das Project, die Umfassungs mauer von Paris niederzulegen, welches der Municipalrath unterstützt, wird der „Agence Havas" zufolge als nicht ernsthaft angesehen. Das Gerücht, der Kriegsminister hätte General Villenoisy mit der Untersuchung der Frage beauf tragt, wird dementirt. — Brazza reist am 1. December nach dem Congogebiet ab. Charkow, 23. November. Der wegen Ermordung des Strafanstaltsaufsehers Zygankow zum Tode verurtheilte Sträfling Bjelussow ist heute Morgen VrO Uhr innerhalb der Gefängnißmauern mittelst des Stranges hingerichtet worden. Vermischtes. Die ''Anhänger der Goldwährung haben sich beeilt, den Kölner Bimetalliften-Congreß als gänzlich gescheitert hinznstellen. Wer sich darüber informiren will, ob dies der Wahrheit entspricht oder nicht, dem empfehlen wir die Lectüre der stenographischen Berichte der Cvngreßverhandlungen, die soeben in einer Doppel nummer des „Kampf um die Währung" erschienen sind. Dieser Bericht steht Jedem unentgeltlich zur Verfügung, der dem Heraus geber des Berichts, Or. Otto Arendt (Berlin ^., Köthener-str. 25h seine Adresse übermittelt. Die Reden der Neichstagsabqeordneten v. Reden, v. Kardorff und Leuschner, von Professor Lexis, Ottomar Haupt, Emile de Lavelepe, Tidman (London», v. Marschall, von Roagcnbach u. A. bieten ein klares Bild der Währungsfrage und werden dazu beitragen, das Verständnis; dieser so wichtigen, noch zu wenig beachteten wirthschaftlichen Eontroverse in immer weitere Kreise zu tragen. KAer BAa ist, wie aus Wiesbaden gemeldet wird, am20. d. im dortigen Hospital gestorben. Der Dahingeschiedene, seit langen Jahren der Dirigent der Wiesbadener Cureapelle, war einer der tüchtigsten deutschen Capellmeister und hat sich auch durch man che ansprechende Compositionen in leichterem Genre sehr bekannt gemacht. Populär war eine Zeit hindurch sein Walzer „Am grünen Rhein gedenk' ich Dein". Ueber eine Einrichtung, welche dem professionellen Vagabunden thum mit Erfolg entgegentritt, wird feiten der Regierung zu Minden Bericht erstattet. Die westfälischen Provmzialstände haben nämlich 40,000 M. zum Ankauf einiger Bauerichöse bei Bielefeld hergcliehen, die zum Preise von 60,000 M. zum Zweck der Errichtung einer Arbeitereolonie, „Wilhelmsdorf geheißen, erworben wurden, in welcher binnen drei Vierteljahren über 300 Vaganten Aufnahme gefunden haben. 153 der Aufgenvmmenen wurden nach und nach wieder entlassen, 133 haben bereits durch Vermittelung des Vorstandes, nachdem sie sich reinliche Kleidung verdient hatten, wiederum anderweitig Arbeit gefunden. Bei Weitem die meisten der Aufgcnommcnen haben gezeigt, daß es ihnen wirklich Ernst gewesen ist, wieder mit eigenen Händen ihr Brod zu verdienen. Der Arbeitscontract, welchen jeder m Wilhelmsdorf Aufzunehmende unterzeichnet, schließt jede Mög lichkeit aus, daß Faulleuzer dort Nahrung finden. Ebenso ist der Branntweingenuß dort völlig unmöglich. Vom „Mitgefichl" der Menschen wird «us Langensalza Folgendes berichtet: Nach längerer Krankheit war ein armer Familienvater seinem schweren Leiden erlegen. Gute Freunde und College« erklärten sich bereit, die Leiche umsonst zum Fried- Hose hinauszutragen. Dankbar willigte die Witwe ein und bat, daß jeder der Träger aus ihre (der Witwe» Rechnung nachher ein Glas Bier Kinken möge. Und was hatte die arme Witwe schließlich zu bezahlen? 60 Liter Bier, welche die „Leidtragenden" zur Linderung ihres Schmerzes vertilgt hatten. Eine vom Kunsthändler I. Maillinger in München geleitete Versteigerung »verthvoller Handschriften hatte folgendes Ergebniß : Eine bloße Hriefadresse von Bismarck s Hand und mit seiner Namensbezeichnung ging zu 62 Mk. ab, eine bloße Empfangs - Unterschrift Joh. Sebastian Bach's zu 45 Mk., ein Briefchen mit Notenmanuscript Ludwig v. Beethovens zu 104 Nik., ein Brief Jos. Havdn's zu 02 Mk., ein Bries Luther's zu 543 Mk., eine Unterschrift Andr. Hvfer's zu 46 Nik., eine Unterschrift Napo- levn's l. unter einem Briefe zu 32 Nik., dagegen eine dergleichen seines Neffen. Napoleon's Ul-, blos zu 4 Mk. und eine ebensolche der Gemahlm desselben, Kaiserin Eugenie, sogar nur zu 1 Mk. 60 Pf. (Ein Wort aus Kindermund.j Bian hat der kleinen Josephine verboten, bei Tisch zu verlangen. Gestern vergaß man, sie zu bedienen, und sie bleibt, da sie ein gehorsames Kind ist, betrübt, ;edoch ruhig sitzen. „Josephine", sagte plötzlich der Papa, „gieb nur euren Teller!" — „Willst Du meinen, Papa'? Er ist noch ganz rein", versetzte die Kleine mit großer Geistesgegenwart.