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Grotzenüatner Unterhaltung-» und Auzetyedlatt. Sette E. Nr. 2». theiligen sich die kleinen Leute vielfach, indem sie genossen schaftlich ein Loos nehmen. Der Gewinn des Staates ist aber dabei kein schwankender, wie bei dem Lotto; die Preise der Original-Loose sind viel zu hoch, als daß die Letzteren von armen Leuten hauptsächlich begehrt würden und wenn bei uns ausnahmsweise Unbegüterte zu einem Zehntel-Loos zusammenschießen, so betrachten sie das höchstens als eine heitere Anfrage an den Zufall und nicht als eine Lebens frage, deren Ausgang beglücken oder zur Verzweiflung treiben könnte. Die besonders bei der sächsischen Lotterie zahlreichen niedrigsten Gewinne machen die Wiedererlangung des Einsatzes leicht möglich: außerdem ist bei uns Niemand gezwungen ein Loos durch alle Ziehungen zu behalten. Die von dem Abg. Virchow im preußischen Abgeordnetenhause am 6. December 1867 aufgestellte Behauptung, „daß die Einsätze der ärmeren Volksklassen den Sparkassen verloren gehen", war jedenfalls eine ziemlich willkürliche. Der kleine Betrag, der zuweilen in Magazinen, Werkstätten u. s. w. von Unbemittelten zu einem Loosantheil gezahlt wird, wäre ohne solche ebenso wahrscheinlich ins Wirthshaus als in die Sparkasse getragen worden. Die seit geraumen Jahren besonders auf den preußischen Landtagen wiederholte Agitation wider die Staatslotterien, welche angeblich „den Wohlstand und das Lebenöglück vieler Familien, namentlich der arbeitenden Classe untergraben", ist zwar von der parlamentarischen Tribüne verschwunden, macht sich neuerdings aber um so lebhafter in der Presse bemerkbar. Es hat dies die preußische Regierung veranlaßt, Untersuchungen über die vermeintliche Schädlichkeit des Lotteriespiels anzuordnen. Die preußische General-Lotterie- Direclion ließ die Aufforderung ergehen an die Unternehmer, die vermöge ihrer Stellung unmittelbar mit dem Spieler zusammenkommen und ihn zu kennen pflegen, zu berichten, welchen Ständen und Vermögensklassen ihre Spieler zumeist angehören, ob es ihnen bekannt sei, daß dieselben die Einsatzbeträge etwa zum Nachtheile ihrer wirthschaftlichen Verhältnisse leisten, sich dadurch in Schulden stürzen, ob überhaupt von dem Lotteriespiel eine sittlich schädigende Wirkung zu merken sei. Auch Leute, die in der Frage weniger befangen sind, als naturgemäß die Lotterie-Ein nehmer, werden zugestehen müssen, daß die preußischen und sächsischen Elassenlotterien nicht im Diindesten schädliche Einwirkungen auf Moral und Wirthschaftssinn des Volkes ausüben. So wenig irgend ein vernünftiger Mensch das Staatslotto, wie es zur Zeit noch in Oesterreich besteht, wird vertheidigen wollen, so wenig wird man stichhaltige Gründe gegen die gerade auf den entgegengesetzten Grund- lagew beruhenden Klassenlotterien vorbringen können; es sei denn, daß man sage: weil es schlechte Staatslotterien giebt, müssen auch die guten aufgehoben werden. Eine Aufhebung der Lotterien würde zudem völlig wirkungslos bleiben, weil dann die Gewinnsucht und Spielwuth sich andere Mittel zur Befriedigung schaffen würden. Als gegen Ende des vorigen Jahrhunderts die Lotterie in Frankreich abgeschafft war, konnte keine Polizeiaufsicht verhindern, daß die Leute um so mehr in geheimen und ausländischen Lotterien spielten, worauf man sich zur Wiedereinführung der fran zösischen Lotterie entschloß. Aehnliche Erfahrungen würden uns auch in Deutschland nicht erspart bleiben. Es versteht sich von selbst, daß die Aufhebung der preußischen Klassenlotterie, wenn dieselbe von den Jdeal- politikern wirklich durchgesetzt werden könnte, nothwendig auch die Aufhebung der sächsischen Lotterie zur Folge hätte, was bei dem bedeutenden Nutzen, den der sächsische Staat davon bezieht, den Steuerzahlern Sachsens gewiß nicht angenehm wäre. Ein großer Theil der sächsischen Loose wird bekanntlich außerhalb des Landes gespielt und es ist gerade kein Nachtheil für uns, wenn auf diese Weise zahl reiche Ausländer bereitwillig unsere Steuerlasten mit tragen helfen. Bisher haben preußische und sächsische Finanz minister in den parlamentarischen Versammlungen die Lotterie-Einnahmen stets als unentbehrlich erklärt und jedenfalls läßt sich gegen die Letzteren nicht mehr einwenden, als gegen die Salz- oder Schlachtsteuereinnahmen. Etwas Anderes ist es, wenn man die äußerste Beschränkung der sogenannten Wohlthätigkeits-Lotterien fordert, bei welchen die Chancen der Betheiligten fast durchschnittlich geringere als bei den Klafsentotterien sind. Hier kann mau nicht warten, bis die Leute durch Schaven klug werden und muß gründlich mit dem Bestreben brechen, durch die Spielsucht Tugenden fördern zu lassen. Der Zweck darf nie das Mittel heiligen und was dem Staat im Interesse der Ge- sammtheit erlaubt ist, das eignet sich noch lange nicht zu Privatunternehmnngen. Tugeslmchrichtm. Sachsen. Auch am Mittwoch hielten beide Kammern Sitzungen und erledigte die erste Kammer zunächst den Bericht ihrer ersten Deputation über das königl. Decret, den Entwurf zu einem Gesetze über die gewerbmäßige Ausübung des HufbcschlagS, indem sie das Gcsitz gemäß den Deputationsvorschlägen in Uebereinstimmung mit den Beschlüssen der zweiten Kammer ohne Debatte einstimmig annahm. Dasselbe geschah hierauf mit dem Gesetzentwürfe, die Bekanntmachung von Gesetzen und Verordnungen be treffend; auch ließ die Kammer zum Schluß die Petition resp. Beschwerde der Gebrüder Loren; zu Hirschleithe in Einkommensteuersachen übereinstimmend mit der zweiten Kammer einstimmig auf sich beruhen. — Das Resultat der mehr als sechsstündigen Sitzung der zweiten Kammer bestand in der Bewilligung sämmtlicher Eapitcl des Etats- Abschnittes „Departement deö Innern" nach den Anträgen der Deputation gegen die Stimmen der Socialdemokraten. Bei Capitel 42 (Ministerium der Innern nebst Canzlei) brachte Abg. Liebknecht die Angelegenheit des Polizeispions Schmidt zur Sprache, welcher als Kaufmann in Dresden gestohlen, betrogen und Urkunden gefälscht habe, nach Zürich geflohen sei und von dort aus der Dresdner Polizei Spionen- dienste leistete; auch sprach Redner hierauf des Breiteren über die Verhaftung und Ausweisung dreier Leipziger Social ¬ demokraten, sowie über die Verlängerung des Belagerungs zustandes in Leipzig, wurde aber bei seinen Ausführungen vom Präsidenten vr. Haberkorn mehrfach zur Ordnung ge rufen, so bei den Worten: „Wir pfeifen auf das Socia- listengesetz!" und als er sagte: „Man solle ja nicht denken, daß die Socialdemokraten sich durch das Socialistengesetz hätten abhalten lassen, in ähnlicher Weise vorzugehen, wie in Rußland; wenn noch nichts Aehnliches passirt sei wie in Wien, so verdanke man dies nicht der erbärmlichen Polizei, die versucht habe, künstliche Putsche hervorzurufen." Staats minister v. Nostitz-Wallwitz erklärte letztere Behauptung für eine absolute Unwahrheit und sagte: Aus der Rcdt des Abg Liebknecht habe man gebärt, daß er im Iabre >870, als er im Reichstage über das sächsische Knaypsckafts- kassenwescn gesprochen, von demselben nichts verstanden habe. Troß dieser Unkenntnis; babe sich der Herr Abgeordnete aber nicht gescheut, das Knappschastskassenwesen zum Gegenstände seiner Agitation zu machen. Das Verfahren der Socialdemokraten in Sachen Eckmidi's erleichtere ihm sein Amt ungemein. Jetzt könne die Ausgabe für solche Zwecke mit vollem Namen in Rechnung gestellt werden und er werde dieselben einstcllen lassen unter der Bezeichnung: „außeretat mäßige Ausgaben für sichcrheitopolizeUiche Maßnahmen", damit sich Jeder überzeugen könne und ein Denkmal bestehe an eine Zeil, wo man zur Sicherheit des Staates leider zu solchen Maßnahmen seine Zuflucht nehmen mußte. Selbst in Zeiten der größten Revolutionen sei es nickt ohne Kundschafter ubgegangen. In einer Zeit aber, wo von den Socialdemokraten offen Revolution gepicdigt werde, wo die selbe keine Gelegenheit vorübcrgehen laßen, ohne den Meuchelmördern und Dynamitbrüdern ihre Sympathie zu bekunden, sei die Benutzung eines Kundschafters wohl gerecklfertigt. «„Sehr wabr!" und Beifall von allen Seiten.) Zum Beweis für seine diesbezügliche Behauptung verlas der Herr Munster eine Stelle aus einem Leitartikel des „So- cialdemokrat" mit der Ueberschrisl „Dynamit", wo es u. A. beißt: „Wenn Kanonen das letzte Mittel der Könige sind, so sei das Dy namit das letzte Mittel der Socialdemokratie gegen die Gewalngen!" Bezüglich der Frage, warum man seiner Zeil die Auslieferung Schmidt'» von der Schwei; nibt verlangt bade, sei zu erwägen gewesen, ob die Auslieferung der Mükc werlb gewesen und die Kosten lohnte. Sv habe das Verhältnis; bei Schmidt nickt gelegen: er sei sofort verhaftet worden, als er deutschen Boden betreten habe. Ganz offen wolle er bekennen, daß er die Polizeidirecuon zu Dresden zu außerordentlichen Ausgaben ermächtigt habe, um sie über das Tkun und Treiben der Socialdemokraten aus dem Laufenden zu erhalten. So harmlos scheine übrigens Schmidt'» Tbäligkeil denn doch nickt gewesen zu sein, sonst würden die Socialdemokraten über die Entlarvung Sckmidt's nicht in Helle Freude geraihen sein. Gegen die in Leipzig ausgewiesenen Socialdemokraten sei mit aller nur zulässigen Humanität verfahren worden. In verschiedenen Fällen habe die Kreishauptmaunschast zu Leipzig die Rückkehr der Ausgewiesenen gestaltet, leider alur die Er fahrung gemacht, daß dieselben, trotz aller Versprechungen, sich der socialbemokroNschen Agitation enthalten zu wollen, doch nach wie vor aginrt hätten. Zu Capitel 48 (Fabrik- und Dampfkessel - Jnfpection) hielt Abg. v. Vollmar eine stundenlange ermüdende Rede, in der er eine Reihe von Beschwerden gegen daS Institut der Fabrikinspectoren ventilirte, und Capitel 54 (Polizei- Direction zu Dresden) gab dem Abg. Bebel Gelegenheit zum Tadel der Dresdner Polizei, welche auch die Wirthe beeinflusse, so daß die Socialdemokraten selbst gegen hohe Entschädigung keinen Saal zur Abhaltung einer Versamm lung erhalten könnten. „DaS sei eine Kampfesweise, die einer anständigen Behörde nicht würdig anstehe!" Wegen dieser beleidigenden Aeußerung wurde er zur Ordnung gerufen und seine Frage: „ob es wahr sei, daß bei der Dresdner Polizei heute noch die Einrichtung der Denuuciantengelder bestehe?" vom Staatsminister v. Nostitz-Wallwitz entschieden verneint, ebenso die Verdächtigung der Polizei, daß sie die Wirthe beeinflusse, zurückgewiesen. — In der Sitzung am 14. Febr. überwies die zweite Kammer das königl. Decret, betreffend die Bewilligung einer Ehrengabe von 60,000 Ak. an den Prof. Or. Johannes Schilling, der Finanzdeputation, erklärte sich hierauf mit den in den Jahren 1881 und 1882 vorgenommenen Veränderungen am Staatsguts einverstanden und erledigte zum Schluß einige Petitionen, die Abänderung einzelner Bestimmungen der Gemeindeordnung betreffend. Die Gärtnervereine von Leipzig und Umgegend veran stalten vom 23. August bis 2. September d. I. auf dem allen Exercirplatze am Gohliser Wege eine Gartenbau- Ausstellung, deren Protectorat Ihre Majestät die Königin übernommen und zu welcher das Ministerium des Innern sechs Staatspreise gestiftet hat. Die Ausstellung verspricht eine äußerst großartige zu werden. — Vom dem Postdieb- stahle auf dem Berliner Bahnhofe in Leipzig ist der bei Weitem größte Theil der entwendeten Wertpapiere wieder im Besitze der Postverwaltung. Der muthmaßliche Thäter wurde bereits festgenommen. Die für Chemnitz neu aufgestellten Statuten über den Schlachtzwang und die Schlachtvieh- und Fleischbeschau haben sich gut eingesührt. Daß die durch den Scblacht- und Viehhof geschaffene Anlage eine Wohllhat für das Publicum ist, geht schon daraus hervor, daß iu der kurzen Zeit ihres Betriebes (4. December v. I. bis Ende Januar) 1 Rind, 1 Schaf, 1 Kalb, 2 Schweine als ungenießbar und von 22 Rindern, 2 Schafen, 27 Schweinen, 1 Pferd krank hafte Theile vernichtet und außerdem 16 Schweine, weil finnig, nur im durchkochten Zustande verkauft worden sind. Der Gemeindevorstand Hunger in Ortelsdorf b. Franken berg, welcher eine kranke Kuh aus Noth schlachten ließ und das Fleisch derselben in der Hauptsache ü Pfund 35 Pf. verkaufte, wurde wegen dieses Vergehens gegen das Gesetz vom 14. Mai 1870, den Verkehr mit Lebensmitteln betreffend, zu 30 M. Geldstrafe und iu die Kosten des Strafverfahrens verurtheilt. Am 11. Februar Vormittags hat an dem Communications- wege von Klingenthal nach Uutersachsenberg ein Erdrutsch stattgefuuden, wobei ein Arbeiter aus Oelsnitz erschlagen und ein Stück des Weges zerstört worden ist. In der Flachsspinnerei zu Schloßmühle in Zöblitz ist am Alou tag der Spinner Karl Ernst Richter aus Ritters berg, muthmaßlicb infolge eines Schwächeansalles, in eine Flachsschwingmaschine gefallen, welche ihm den Hinterkops buchstäblich weggeschlagen hat, so daß das ganz- Gehirn herausgerissen wurde unv der Tod sofort eintrat. Infolge einer Unvorsichtigkeit hat sich am 10. Februar in Schellerhau bei Altenberg ein Gewehr entladen und ist der 20jährige Wirthschaftsgehilfe Clement, der dasselbe in den Händen hatte, vom Schüsse getroffen, bald darauf ' verschieden. Bei einem größeren Schadenfeuer in Noschkowitz, das am Montag Abend acht Gebäude, dabei zwei Wohnhäuser, einäscherte, fielen auch vier fette Ochsen, welche wegen des herabstürzenden Strohdaches nicht zu retten waren, den rasch umsichgreifenden Flammen zum Opfer. Deutsches Reich. Wie glaubwürdig verlautet, soll der Reichstag zum 4. März einberufen werden. Bis da hin würde auch die Unfallversicherungsvorlage fertiggestellt sein, welche den Hauptgegenstand der diesmaligen Be- rathungen des Reichstags bilden wird; aber auch sonst harren seiner Entwürfe von hervorragender Bedeutung, von denen nur die Verlängerung des SocialistengesetzeS erwähnt sein mag. Trotzdem der Reichstag diesmal keinen Etat zu berathen hat, wird es ihm an Arbeitsmaterial mithin nicht fehlen, nur dürfte seinen Verhandlungen die voraussichtlich bis tief in das Frühjahr andauernde Session des preußischen Landtags wieder vielfach hinderlich sein. In den Fragen der inneren Politik nahmen in letzter Zeit die Erörterungen über die von dem Statthalter von Elsaß-Lothringen, Feldmarschall v. Manteuffel, der reichs ländischen Bevölkerung gegenüber eingeschlagene Politik eine hervorragende Stelle ein. Es gaben hierzu verschiedene in den Reichslanden vorgekommene Zwischenfälle den ersten Anlaß, den meisten aber die Reise des Herrn v. Man teuffel nach Berlin und Friedrichsruh, welche man mit angeblich zwischen dem Reichskanzler und dem Statthalter bestehenden Differenzen in Verbindung brachte. Nachdem schon von der amtlichen „Elsaß-Lothringischen Zeitung" den hierüber coursirenden Gerüchten entgegengetreten war, geschieht dies jetzt auch von Seiten der „Nordd. Allg. Ztg.", welche alle Gerüchte über Differenzen zwischen dem Fürsten Bismarck und Herrn v. Manteuffel für absolut unwahr erklärt und namentlich die fast fünfzigjährige Freundschaft hervorhebt, welche beide Männer verbindet. Hiermit werden wohl die Erörterungen über die elsaß-lothringer Angelegen heiten einstweilen wieder aus den Spalten der Presse ver schwinden. Lebhaft discutirt wurden in den letzten Tagen auch zwei in das Gebiet der hohen Politik hinüberspielende Ereignisse. Das eine derselben ist das Erscheinen des Buches „Unser Reichskanzler" von Moritz Busch, welches über die dem Ausbruche des Krieges zwischen Preußen und Oesterreich vorhergehenden Wochen, wie über die Vor geschichte des deutsch-österreichischen Bündnisses sehr inter essante Mittheilungen enthält. Das andere ist die als sicher geltende bevorstehende Ernennung des russischen Botschafters in Paris, Fürsten Orlow, zum Botschafter in Berlin, welche allseitig als ein weiteres bedeutsames Zeichen für das Einvernehmen zwischen Deutschland und Rußland be trachtet wird. Der General der Cavalerie v. Tümpling, zuletzt com- maudirender General des VI. Armeecorps, ist am 13. d. in Breslau gestorben. Oesterreich. Das österreichische Abgeordnetenhaus hat am 12. Februar den Gesetzentwurf, betreffend die Ent schädigung unschuldig verurtheilter und nachträglich frei gesprochener Personen, nach längerer eingehender Debatte in zweiter und dritter Lesung angenommen. Frankreich. Die Deputirtenkammer setzte am Dienstag die Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend das Verbot von Kundgebungen auf öffentlichen Straßen und Plätzen fort und nahm den Artikel 1 mit den von dem Ministerium geneh migten Modifikationen mit 300 gegen 183 Stimmen an. Nach einem Telegramm des Admirals Courbet vom 8. d. sind die Mandarinen, welche die Niedermetzelung der Christen in Thanhoa zuließen, auf Befehl des Hofes von Hue vor Gericht gestellt und bestraft worden. Aber auch an anderen Orten Anams sollen Gewaltthätigkeiten gegen die Christen vorgekommen und mehr als 50 umgebracht worden sein. England. Das Oberhaus hat am Dienstag das vom Marquis v. Salisbury beantragte Tadelövotum gegen das Cabinet wegen dessen Haltung in der eghptischen Frage mit 181 gegen 81 Stimmen angenommen. Vor der Abstimmung erklärte der Staatssekretär des Auswärtigen, Earl Gran ville, der Sudan sei weder für England, noch für Indien von Interesse und biete auch für Egypten kein dauerndes Interesse. Die Garnisonen von Sinkat und Tokar reprä- sentirten nur etwa den 50. Theil aller im Sudan befind lichen eghptischen Truppen. Die Regierung habe darauf bedacht sein müssen, die Absichten des Generals Gordon nicht zu durchkreuzen; sie schätze sich glücklich, constatiren zu können, daß nach den jüngst eingegangenen Nachrichten Gordon gegen die Entsendung von Truppen zu Operationen iu der Umgend von Suakim nichts einzuwenden habe; in folge dessen habe die Regierung Befehl ertheilt, Tokar beizustchen, wenn es sich halten könne. Die Regierung habe nicht die Absicht, Egypten zu annectiren, sondern nur so lange dort zu bleiben, als nothwendig sei, um eine stabile Regierung zu sichern. Es sei unmöglich, Egypten von der Downing Street aus zu regieren. Alles, was die Negierung thuu könne, sei, Männer ersten Ranges zu er nennen, um England in Egypten zu vertreten, und ferner Männer zu empfehlen, die geeignet seien, die Civil- und Militärstellungen in Egypten auszufüllen. „Die Umstände haben uns gezwungen, weiter zu gehen; wir müssen aber unsere Verbindung mit Egypten auf die Erreichung des von der Regierung bezeichneten Zieles beschränken." — Im Unterhanse, wo die Berathung des von Northcote bean tragten Tadelsvotums begann, gab der Premier Gladstone ähnliche Erklärungen ab und bemerkte weiter, General Gordou's Plan sei, die Garnisonen friedlich aus dem Sudan zu ziehen und in dem Sudan die früheren Zustände wiederherzustellen. Nach Suakim seien 4000 Mann Ver stärkungen beordert. Bei der am Mittwoch fortgesetzten Debatte theilte Gladstone mit, daß nicht die geringste Wahrscheinlichkeit dafür spreche, daß die Insurgenten die Frauen und Kinder in Sinkat niedergemacht hätten. Die Rebellen richteten gegenwärtig ihre Bemühungen lediglich darauf, ihre Nachbarn zum Aufstande zu veranlassen, und er habe nicht die geringste Besorgniß, daß die Sicherheit von Chartum und Berber durch die Ereignisse bei Suakim gefährdet sei. General Gordon, der sich jetzt von Berber