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Großenhainer Unterhaltung-- und Anzelgeblatt. SeiteS. . Nr. VS. Egypten. Arabi Bey hat auf die Befehle des Khe- dive, die Befestigungsarbeiten einzustellen, erwidert, es feien nur nothwendige Vorbereitungen, welche er ausführe, um die durch die drohende Haltung der Flotte aufgeregte eingeborene Bevölkerung zu beruhigen; in jedem Falle aber gehorche er den Befehlen des Sultans und Werre daher die Arbeiten einstellen lassen. Neueste Nachrichten. Berlin, 6. Juni. Der Kaiser empfing heute Nach mittag 4 Uhr den *Reichskanzler. — Wie die „N. A. Ztg." aus Kassel erfährt, wird Prinz Karl vorläufig weder nach Berlin noch nach Schloß Glinike zurückkommen können, sondern für die nächste Zeit im Schlosse zu Kassel bleiben. Zm Befinden desselben sind wesentliche Veränderungen nicht eingetreten. Wien, 6. Juni. Die „Wiener Zeitung" veröffentlicht die Ernennung v. Kallay's zum gemeinsamen Finanzminister, ferner ein Handschreiben des Kaisers an den bisherigen Reichsfinanzminister v. Szlavi, in welchem derselbe seine volle Anerkennung für die von ihm geleisteten Dienste aus spricht und ihm das Großkreuz des St. Stefansordens verleiht. Rom, 6. Juni. Der Secretär der Mailänder Leichen verbrennungs-Gesellschaft, Ui-. Pini, ist gestern nach Caprera abgereist, um die Verbrennung der Leiche Garibaldi's nach dem System Gorini vorzubereiten. Der Herzog don Genua, der General Carava, Oberst Morozzo und der Ceremonien- meifter Tolomei und della Stufa werden den König bei den Leichenfeierlichkeiten vertreten. — Morgen Nachmittag werden sich die an den Leichenfeierlichkeiten auf Caprera theilnehmenden officiellen Persönlichkeiten nach Civitavecchia begeben, von wo aus die Ueberfahrt nach Caprera erfolgt. Am nächsten Sonntag soll auf dem Kapitol eine Feier zu Ehren des Andenkens an Garibaldi stattfinden. Paris, 6. Juni. In einer gestern von dem Finanz minister Leon Say in Saint-Quentin gehaltenen Rede con- statirte derselbe die günstigen Ernteaussichten und sagte, die Ernte würde Frankreich der Nothwendigkeit überheben, be trächtliche Kapitalien zu exportiren, werde den Markt er leichtern und eine Herabsetzung des Zinsfußes für 1883 zulassen. Die Regierung werde alsdann sehen, welche Arrangements bezüglich der öffentlichen Schuld sich würden treffen lassen. London, 6. Juni. Unterhaus. Unterstaatssecrelär Dilke antwortete Bourke, am 2. Juni habe der Admiral Seymour berichtet, daß die Erdwerke in Alexandrien nicht armirt seien; seitdem sei der Regierung die Nachricht ge worden, daß sie armirt worden seien. Dem Deputirten Wolff entgegnete Dilke, sämmtliche Mächte, mit Ausnahme der Pforte, hätten sich günstig über die Idee der Conferenz ausgesprochen; die Pforte habe die Conferenz zwar nicht abgelehnt, halte sie jedoch nicht für nothwendig. Die Pforte sei vor dem Erlaß der Einladungen zur Conferenz nicht befragt worden, wie di«ö auch anläßlich der Conferenz im Jahre 1876 nicht geschehen sei; trotzdem seien damals die Vorbereitungen zur Conferenz eifrig betrieben worden, die Pforte habe erst 14 Tage später zugestimmt. Von den Großmächten seien keine formellen Antworten eingegangen, sondern nur mündliche Erklärungen. Arabi Bey habe die Einstellung der kriegerischen Vorbereitungen angeordnet. Auf eine weitere Anfrage Northcote's erwiderte Dilke, die Mächte befolgen das Beispiel von 1876 und hielten mit ihren formellen Antworten zurück, bis sie sich untereinander geeinigt. Der türkische Botschafter, Musurus Pascha, habe gestern in einer Unterredung mit Lord Granville im All gemeinen constatirt, daß die Derwisch Pascha ertheilten Instructionen im Wesentlichen dieselbe Basis, wie die für die Conferenz vorgeschlagene hätten. Das Haus begann hierauf die Berathung des Artikels 3 der irischen Zwangsbill. Vermischtes. Aus Essen meldet ein Telegramm der „Köln. Ztg." vom 3. Juni: Gestern Abend ist bei Bochum ein neuer Lustmord vorgekommen. Es ist jetzt der neunte in hiesiger Gegend. Die Aufregung der Bevölkerung spottet jeglicher Beschreibung. Der „ Fränkischen Zeitung " wird von der Aurach, 25. Mai, berichtet: Heute Nacht zwischen 2 und 3 Uhr wurde in der Mühle zu Mosbach ein schauderhaftes Verbrechen verübt, indem dem Müller und dessen Frau der Hals abgeschnitten und das jüngste Kind in den Mühlschuß geworfen wurde. Zur Verbergung der Unthat wurde die MHHle angezündet. Der Vater der Frau und die älteren Kinder merkten nichts, bis sie in Folge des Rauches aufwachten. Dem raschen Zusammengreifen der zur Hilfe herbeigeeilten Leute gelang es, das Feuer zu bewältigen, so daß blos Wohnzimmer und Schlafcabinet ausbrannten. Elm im Glarner Sernfthal ist neuerdings bedroht: die noch stehen gebliebenen gelockerten Massen am ominösen Tschingelberg sind wieder in Bewegung gerathen. Die große Spalte am Risikopf hat sich seit der letzten Messung um einen ganzen Meter erweitert. Steine und Schutt rollen alle Augenblicke herunter. Die Glarner Regierung hat die Schulen in dem von der letzten Bergsturz-Katastrophe noch verschonten Theil des Dorfes Elm schließen, das Gemeinde archiv in Sicherheit bringen lassen und die Bewohner zu erneuerter Wachsamkeit gemahnt. Die Abbröckelungen finden namentlich an jener Stelle des RisikopfcS statt, welcher seiner Zeit bombardirt wurde. In dem Hafenstädtchen Oesthammer in Schweden schlug am 1. Juni der Blitz in das Armenhospiz und zündete. Das Gebäude, in welchem 52 Personen wohnten, ist voll ständig niedergHrannt, 20 Menschen sind dabei umS Leben gekommen und mehrere andere schwer verletzt worden. Auf dem Gute Lord Normantons unweit Crowland in England sind beim Ausgraben von Lehm etwa drei Acres eines uuterMdischen Forstes, zehn Fuß unterhalb der Ober fläche, bloßgestellt worden. Einige Bäume sind merkwürdig gut erhalten, und eine riesige Eiche hat eine Länge von 18 Meter. Die Bäume sind von solcher Beschaffenheit, daß die Eiche von der Buche unterschieden werden kann. Eine Art von Tanne scheint am häufigsten vorzukommen, deren Holz so hart ist, daß die Bäume aus dem Lehm vollständig herausgezogen werden können. Jext, in den Sommermonaten, verdient auch in diesen Spalten eines Punktes Erwäknung gethan zu werden, der in gesundheitlicher Beziehung in der Lebensordnung eines Jeden mit obenan geschrieben Neben sollie. Das Flußbad mit seinem hervorragend günstigen Ein flüsse aus die Kräftigung des Körpers und das Wohlbefinden des ganzen Menschen steht bei Vielen noch lange nickt in dem Ansehen, in dem es bei seiner anerkannten Nützlichkeit stehen sollte. Welcher Art die Gründe für eine derartige theilweise Apathie auch sein mögen — sicher sind sie so lange als nicht stichhaltig zu bezeichnen, als das Bad im Flusse nicht vom Arzte ausdrücklich untersagt ist, welche Fälle überaus selten sind und auf einen nur Halbwegs gesunden Menschen gar keine Anwendung finden dürften. Die Herren Aerzte empfehlen im Gegentheile das Flußbad auf das Dringendste, und zwar namentlich in Fällen, wo es auf Regeneration des Nervensystems, auf Hebung der Kräfte und Regelung des Stoffwechsels ankommt. Der wohl- thätige Einfluß dieses Bades macht sich schon nach kurzem Gebrauche derselben in der Naturgemäßesten Weise, nämlich durch gesunden Appetit geltend, und dieses erste und beste Zeichen des Bekommens wird sicherlich bei fortgesetztem Gebrauch für Jeden ein nachhaltiges, in Kraft und Gesundheit wurzelndes Wohlbefinden im Gefolge Haden. Die Wirkung der Bäder wird ganz eminent noch gesteigert durch eine rationell angewendete Douche, weshalb man, falls Auswahl vorhanden ist, einen solchen Badeplatz wähle, der mit einer Vorrichtung dazu versehen ist. Die Douche in Wagner's Badeanstalt enthält, um mehr fachem Bedarfe zu genügen, in sehr praktischer Weise zwe: Fallein richtungen, die eine zu regenartiger, die andere zu starkstrahliger Douche. Der Badeplatz soll insbesondere auch eine oder einige gute Sprungstellen haben, damit in den Fluß gesprungen werden kann, was viel gesünder ist als das langsame, zollweise Hineinsteigen ins Wasser. Hieraus folgt, daß das Wasserbett steinfrei und auch sonst sorgfältig revidirt sein muß. Die gehörige Tiefe ist nöthig, damit geschwommen werden kann. Des Schwimmens, dieser ausgezeichneten Leibesübung, sollte sich Jeder, der gesunde Glieder hat, befleißigen, denn einerseits kann es in Fällen von Ertrinkungsgesabr die Rettung ermöglichen, andererseits aber ist es eine tüchtige Ausarbeitung, bei der man nickt, wie bei anderen körperlichen Anstrengungen, das lästige Schwitzen mit in den Kaus zu nehmen braucht. Bei der Wahl des Ladeplatzes thut man noch gut, auf nicht zu große Entfernung zu achten, denn ganz abgesehen von ökonomischen Rücksichten wird man. falls derselbe beträchtlick entfernt ist, bei hoher Temperatur zu durch wärmt ankommen, in Folge dessen die Abkühlung nicht in zuträglich leichter Weise vor sich gehen kann, und dann wird der weite Rückweg zu schnell wieder von Neuem warm machen, so daß die Abkühlung und Erfrischung, die durch das Bad erzielt wird, von zu wenig nach haltiger Wirkung ist. Ist man sich über den Ort des Badens schlüssig, so mache man sich vertraut mit der Art des Badens, also darüber mit. wie man seine Bäder am zweckmäßigsten nehmen soll. Zunächst gehe man nicht mit vollem Magen ins Wasser, mindestens soll die Ver dauung bereits seit zwei Stunden im Gange sein. Die Nach theilt. die man im anderen Falle haben würde, bestehen insbesondere darin, daß der Verdauungsproceß, wenn auch nicht gerade gestört, so doch auch nicht gefördert, sondern vielmehr dem Magen seine Arbeit schwer gemacht wird. Das Geschäft des Entkleidens nehme man nicht mit übertriebener Geschwindigkeit, sondern eher mit aller Ruhe vor. Gänzlick entkleide man sich überhaupt nicht sofort, vielmehr behalte man Hose und Hemd noch ein wenig an, bis die Abkühlung vollendet ist. Hat man aber, wenn der Körper an sich schon genügend abgetüblt war, alle Kleider schnell hintereinander abgelegt, so halte man sich dann nicht noch lange im Freien auf, sondern springe sofort ins Wasser. Es werden dadurch Erkältungen verhütet, denen der entblößte Körper in der freien Luft leicht ausgesetzt ist. Die Temperatur des Wassers möchte am besten nicht unter 15 Grad betragen. Den Aufenthalt im Wasser dehne man nicht über 10—15 Minuten aus und breche ihn sofort ab. sobald sich bei anhaltender Körperbewegung das Gefühl des Fröstelns einstellt. Unter die Douche gehe man gleichviel ob unmittelbar vor oder nach dem Flußbade; im Allgemeinen wird sie auf Brust und Rücken genommen. Nach Beendigung des Bades reibe man, ohne Zeil zu verlieren, möglichst den ganzen Körper mit einem am besten groben Handtuche anhaltend ab, worauf man sich vollständig ankleide. Nach genossenem Bade ist mäßige Be- wegung dienlich, man achte aber darauf, daß man sich nicht mit noch nassem Kopfe etwa beim Spazierengehen im Freien der zugigen Luft aussetze, besonders habe dann Jeder auch die Ohren richtig ausgetrocknet. Die Frage, wie oft das Flußbad zu nehmen sei, läßt sich nur vom Zwecke aus beantworten, den das Baden haben soll. Wer einzig zum Genuß badet, wird sich gern nur bei sehr warmer Außentemperatur in den Fluß begeben. Derjenige aber, der Eur-Zwecke durch das Baden erreichen will, wird es regelmäßig täglich ein Mal, unbeschadet einiger Temperaturdifferenzen, zu nehmen haben. Namentlich wer zur Hebung der Kräfte und Stählung der Nerven sich die Ausgabe gestellt hat, im Flusse zu baden, muß dies beharrlich durchsetzen und nicht etwa durch kleine Einflüsse, wie unfreundliche Witterung, sich indisponirt halten, selbst wenn er sich einmal einen Schnupfen oder sonstige Unpäßlichkeit zugezogen haben sollte. Es braucht deshalb nicht übertrieben, nicht etwa bis in den kalten Herbst hinein die Sache fortgesetzt zu werden, denn Bäder unter 15 Grad oder wenigstens viel unter dieser Temperatur haben einen sehr bestrittenen Werth. Man bedenke nur, daß in der Temperaturlage von I5 Grad an ab wärts sich der Unterschied eines Grades weit fühlbarer macht, als in den höheren Wärmelagen. Kin letztes Wort an unsere Wähler. Noch ein Tag, und wir stehen, wenn wir unsrer Pflicht gehorchen wollen, vor der Urne, um zu entscheiden, wer unsere Stadt und Gegend im Reichstage vertreten soll. Gewiß werden viele und die meisten unserer Wähler bereits bei sich Stellung genommen haben, welchem von den beiden Candidaten sie Vertrauen schenken wollen, zumal diejenigen, denen ihre Lebensstellung ermöglicht, fortlaufend die An gelegenheiten des Reiches zu verfolgen und frei und un beeinflußt zu den Tagesfragen und Parteien sich zu stellen. Aber wie steht es mit Denen, die in harter Arbeit um das tägliche Brot ringen, die, selbst wenn sie wollten, durch mühsame Berufsthätigkeit verhindert sind, sich um Politik zu kümmern. Wir meinen den kleinen Landmann, den Gewerbtreibenden, den Arbeiter. Von allen Seiten um worben, durch Schriften bestürmt, durch den Schwall glatter Worte umtost, sind gewiß viele von den Genannten irre geworden und wohl heute noch unschlüssig, für welche Partei, welchen Candidaten sie sich entscheiden sollen. Sie wollen in der großen Mehrzahl nichts wissen von hoher Politik, von gelehrten Gesetzen, von der tausendarmigen Verwaltung, von Finanzkünsten und dcrgl. Sie verlangen vom Staate vor allen Dingen Berücksichtigung ihrer Interessen, einen offenen Blick für die Schäden unserer schweren Zeit und den ehrlichen Willen, zu curiren, wo es nur möglich ist, vor allen Dingen da, wo div Wunden am meisten bluten, in den unteren Schichten des Volkes. Wenn sie wüßten, wer ihnen darin dienen will, welche Partei es am ehrlichsten meint mit den genannten Aufgaben, so würden sie keine Minute länger schwanken. Um das zu erkennen, wollen wir uns einige Fragen vorlegen, deren Beantwortung uns unsern Standpunkt anweisen soll. Also 1) Was muß heutzutage der Landmann von einem Abgeordneten verlangen? Er muß von ihm verlangen die klare Erkenntniß und das offene Geständniß, daß der Bauernstand der Urquell aller Volkskraft ist, daß derselbe, schon weil er weit über die Hälfte der Gesammtbewohner Deutschlands bildet, die eingehendste Berücksichtigung in der Gesetzgebung erfahren muß, daß seine Gesundheit die Gesundheit des Reiches, seine Krankheit die des ganzen Vaterlandes ist, daß wir infolge einer falschen Gesetzgebung eine solche Krankheit der Land- wirthschaft haben und daß dieselbe je eher je lieber gehoben werden muß. Worin besteht nun aber besonders die schlimme Lage der Landwirthschaft? In der Hauptsache in der un- verhältnißmäßigen Höhe der Grund- und Gebäudesteuer, dann aber auch, wenigstens für viele Gegenden unseres Vaterlandes, in der furchtbaren Verbreitung des Wucher- wesenS. Wie stellen sich nun die Regierung und die Parteien zu diesen Uebelständen? Fürst Bismarck war der erste, der die übermäßige Belastung des Grundbesitzes erkannte und offen und energisch für eine Entlastung desselben eintrat. Immer hat er wieder betont, daß hier vor allen Dingen geholfen werden müsse. Und die Parteien? Die Conservativen schlossen sich ihm an und suchten ihm seine schwere Aufgabe nach Mög lichkeit zu erleichtern. Aber der Fortschritt erhob ein ge waltiges Geschrei über die ungeheuerlichen Bestrebungen des Kanzlers. Die Börsenmänner, Großindustriellen, Groß händler erschraken; denn schon glaubten sie, daß man nun anfangen werde, auch auf ihre breiten Schultern etwas zu legen. Von Berlin aus der großen Preßfabrik erhob sich ein Zeitungsfturm; man wollte den Kanzler todt schreien. Aber noch steht er unentwegt, und wenn ihm das Volk die Unterstützung nicht ganz versagt, wird er wohl zu dem rechten Ende kommen. Sache des Volkes aber, zumal der Landwirthe ist cs, ihn redlich zu unterstützen. Durch einen Fortschrittler aber können sie das nicht. Die versprechen wohl das Blaue vom Himmel herunter, Befreiung von allen möglichen directen und indirecten Steuern. Nur über die Grund steuern schweigen sie, denn hier wollen sie nicht helfen; und hier gerade ist es, wo den Landmann der Schuh so sehr drückt. Und der Wucher? Baiern, Posen, Schlesien, Westpreußen wissen von ihm zu erzählen. Die Zahl der nothwendigen Subhastationen ist in besorgnißerregender Weise gestiegen. Wie die Spinne den Rosenstrauch, so überspinnen die Wucherer ganze Provinzen und ersticken ihr Leben. Da wurde endlich in der höchsten Noth Wiedereinführung der Wuchergesetze gefordert. Centrum und Censervative setzen sie durch unter dem fortwährenden Widerstreben des Fort schrittes. Vielfach beschnitten kamen sie zu Stande. Noch aber können sie ihre Wirkung nicht äußern. Jetzt erst fallen die längst umsponnenen Opfer zu Hunderten und zeigen uns, daß wir zu spät kamen. 2) Was hat der Gewerbtreibende von seinem Ab geordneten zu fordern? Er muß von ihm fordern die Anerkennung eines Noth standes auch in seinem Berufe, das Zugeständniß, daß die neuere Gesetzgebung durch zu hastiges Einreißen der alten Ordnungen, speciell der Innungen eine Verwüstung auf gewerblichem Gebiete geschaffen hat, daß von dem zu rasch und zu früh Weggeworfenen wiedergeholt werden muß, was zur Stärkung des Gewerbes dient, wenn es sich nur einiger maßen mit dem Geiste der Zeit verträgt. Was sagen nun die Parteien zu diesen Bestrebungen? In Widerspruch mit der herrschenden Strömung haben sich schon früh die Con servativen für eine Wiederbelebung des Gewerbes auf alten Grundlagen interessirt. Der Fortschritt hingegen, der erst am eifrigsten mit hatte einreißen helfen, blieb taub gegen alle Bitten und Mahnungen. Es kostete viel, ihm die Er- laubniß zur Wiedereinführung der Innungen abzuringen. Und was für Innungen bewilligte er! Ohne alle Rechte, mit vielen Pflichten, Strohpuppen, die nicht im Stande waren, die Spatzen zu verscheuchen. Immer lauter sind unterdessen die Forderungen der Handwerker geworden. Noch auf dem letzten Parteitage zu Magdeburg forderte man laut vor ganz Deutschland Zwangsinnungen mit ordent lichen Befugnissen. Die Fortschrittspresse verhöhnt diese Be strebungen als dummes Zeug; so lange sie und ihre Abgeord neten etwas zu sagen haben, hat es mit einer thatkräftigen Unterstützung des darniederliegenden Handwerkes gute Weile! 3) Was muß der Arbeiter bei einem Abgeordneten voraussetzen? Vor Allem Sorge um sein materielles Wohl, nicht zu erst Bemühung um diese oder jene winzigen politischen Rechte. Wer im Schweiße seines Angesichtes um das Brot arbeitet, wird Dem dankbar sein, der ihm zu seines Leibes Nahrung und Nothdurft verhilft, nicht Dem, der ihn mit dem oder jenen politischen Scheinrechte abspeist. In Erkenntniß der schlimmen Lage Derer, denen nie mehr wird als das Nothwendigste, hat denn nun auch der Reichskanzler einen energischen Anfang gemacht, ihnen für den Fall einer Verunglückung oder der durch Altersschwäche herbeigeführten Arbeitsunfähigkeit zu helfen. Ein großes und schönes Werk ächter und warmer Menschenliebe! Und doch, sollte man es glauben? — nicht von Allen freudig begrüßt! Der Fortschritt stellte sich erst blind. Er konnte nicht erkennen, wo der Reichskanzler mit seinen nebelhaften Entwürfen hinauswollte. Als er es sehen mußte, fing er an zu mäkeln und zu kritteln, machte selbst einen Vorschlag, der in gutes Deutsch übersetzt ungefähr lautete: Wir wollen euch erlauben, daß ihr euch selber helft, und als der Reichs kanzler auf der Beihilfe deö Staates für das Werk bestand, da rief man ihm höhnisch zu, er sei unter die Socialisten gegangen. So steht die Sache noch heute. In der bevor stehenden Session wird entschieden werden,, ob den Arbeitern geholfen werden soll, oder ob ihre berechtigten Wünsche durch philisterhafte Bedenklichkeiten und klägliche Nörgeleien unerfüllt bleiben sollen. Alles in Allem: Uns kann kein Fortschrittler helfen. Darum wählt keinen importirten Candidaten: Wählt unfern 8edLeLvrt!