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.1k 262. 11. November 1913. Redaktioneller Teil. Börsenblatt s, d. Dtschn. Buchhandel. 12083 Kontinuität des Schriftwerkes zusammen: Erkennen wir die Kon tinuität des Schriftwerkes an, ist also das Werk in seinen neue ren Auflagen als eine fortgesetzte Einheit anzusehen, dann richtet sich das Recht des Entstehens des Schutzes nach der ersten Auflage, die Wirksamkeit des Schutzes aber muh sich nach dem heutigen Recht richten, wenn die Herausgabe irgendeiner Auflage in die Zeit des neuen Gesetzes hineinreicht, d. h. wenn neue Auflagen unter der Herrschaft des neuen Ge setzes hergestellt worden sind. Das Delikt, das heute daran begangen wird, richtet sich daun auch nach dem Gesetz von 1901. Damit stimmt auch überein, was Cosack als weiteren Grund angibt: »An Stelle des eigentlich anzuwendenden alten Rechts wen den wir insoweit neues Recht an, als die Anwendung des alten Rechts dem offenbaren Zweck der neuen Gesetze widerstreitet.« Dieser Zweck des neuen Gesetzes ist, den Schutz des Autors auch für seine Pseudonymen und anonymen Werke (§ 31 Urh.-G.) zu steigern. Es widerspricht also ganz entschieden dem Zweck des neuen Gesetzes, wenn mau den Schutz dieser Werke, wenn heute ein Nachdruck daran begangen wird, nach dem alten Gesetz auslegt. Man steht, zu welchem gesetzlosen Zustand — zwei verschie dene Schutzfristen für dasselbe Werk! — es führt, wenn die An schauung des Dresdener OLG. anerkannt wird, und wenn man von der idealen Kontinuität eines in mehreren Auflagen er schienenen Werkes absieht. Man sieht ja auch schon, wie frucht bar für die Verlagstätigkeit das Urteil war, — ein Verleger Michel bringt schon wieder eine Ausgabe von Wilhelm Busch- Sachen, auch gegen einen Verleger Iwan Rothgießer in Berlin wenden sich die Originalverlcger von Wilhelm Busch, und R. Jacobsthal L Co. kündigten eine Ausgabe von Scheffel- schen Werken an, gegen die die Firma Adolf Bonz L Cie. bereits eine Erklärung erließ. Damit wären die Fälle Struwwelpeter und Wilhelm Raabe (dessen erste Auflage der »Sperlingsgasse« unter dem Pseudonym »Jacob Corvinus« erschien) und Gustav Freytag für die »Bilder aus der deutschen Vergangenheit« bei richtiger Auslegung schon erledigt und die Neudrucke anderer Herausgeber als Nachdrucke gekennzeichnet. Etwas anders liegt es in den andern Fällen bei Gustav Freytag und bei Wilhelm Busch, wie wir gleich sehen werden. III. Die Neuherausgabe älterer Arbeiten und die Frage der Anonymität und Pseudonymität von Zeitschriftenbeiträgen. Wir wollen von vornherein betonen, daß es verdienstliche Ausgrabungstätigkeit geben kann, und daß unter Umständen ein Herausgeberschutz rechtlich begründet ist. Von dem Heraus geberschutz bei der sogenannten Läitio prineeps (Auffindung und Herausgabe bisher unveröffentlichter Werke) ist aber in den uns hier interessierenden Fällen des vr. Rudeck gar keine Rede, vielmehr handelt es sich nur um Neudrucke alter Auflagen sowie um Zusammenfassung von Arbeiten, die der Verfasser nicht in Buchform, sondern nur in Zeitschriften veröffentlicht hat. Das erstere wurde im vorigen Kapitel erledigt, um Zeitschriftenarbeiten handelt es sich nun namentlich bei Wilhelm Busch und Gustav Frehtag. Nun sucht natürlich der Herausgeber seine Tätigkeit in ein be sonders günstiges Licht zu setzen. Die Aufsätze von Gustav Freylag aus den »Grenzboten«, die Or. Rudeck gesammelt herausgab, leitete er u. a. im Vorwort mit den Worten ein: »Diese Arbeiten Gustav Frcytags biete ich auf den folgenden Blättern in Aus wahl und zeitlicher Anordnung zum ersten Male in Buchform; bisher waren nur einige Seiten davon in den »Gesammelten Werken« Freytags und noch weniger in Elsters*) Sammlungen für das Publikum erreichbar.« . . . »Der Zusammenhang konnte durch Kapitelüberschriften und Änderung von Titeln erreicht werden, Streichungen ermöglichten eine gleichmäßige Stoffbe handlung, und die künstlerische Form der Bilder erübrigte die Richtigstellung vereinzelter geschichtlicher Jrrtümer. Alle diese Herausgebertätigkeit ist allerdings nicht ohne Zagen geschehen, *) Prof. Or. Ernst Elster in Marburg i. H. aber sie erschien als das einzige Mittel, das Werk Gustav Frey- tags, in dem sich seine eigentliche und größte Lebensarbeit ver körpert, nicht länger dem deutschen Volke vorzuenthalten. Text kritische Bedenken mußten da zurücktreten.« Zwischen den Zeilen ist in dieser Empfehlung zu lesen, daß der Herausgeber offenbar hier und da gewaltsam Vorgehen mußte und seiner Sache nicht ganz sicher ist. Welchen literarischen Wert im vorliegenden Fall diese Sammlung hat, steht mir zu beurteilen nicht zu. Es mag aber berücksichtigt werden, daß, wie S. Hirzel angibt, von Rudeck (Verlag Walther Fiedler) zum Teil solche »Grenzboten«-Artikel ausgenommen worden sind, die von Gustav Freytag nur ein geleitet worden sind, was nach zuprüfen mir nicht möglich ist, und daß bei den »Bildern aus der deutschen Vergangenheit« der »Urtext« an Stelle der späteren Bearbeitung des Verfassers geboten wird. Der literarische Wert oder Unwert der Neuausgaben hat natürlich bei der gerichtlichen Beurteilung mitzusprechen, da allein daraus zu folgern ist, ob hier eine vom Recht zu schützende literarische Herausgebertätigkeit oder etwa nur eiu mit bedenklichen Mitteln arbeitendes Wettbewerben — wovon wir noch unten (im Ab schnitt V) aus rechtlichen Erwägungen zu sprechen haben — vorliegt. Urheberrechtlich ist ja gegen die zusammenfassende Neuheraus gabe anonymer Zeitschriftenaufsätze 30 Jahre nach ihrem Er scheinen nichts zu machen. Die Schutzfrist ist abgelaufen, eine Eintragung nicht möglich, eine neue Auflage nicht erschienen und der Persönlichkeitsschutz des Verfassers nach dem Gesetz nicht ausreichend. Auf die wichtigen Erwägungen, die sich aus dem Persönlichkeitsrecht des Autors ergeben, kommen wir im nächsten Abschnitt (IV) zu sprechen. Hier muß zunächst noch eine andere Frage erörtert werden, die sich in diesem Zusammenhänge er gibt und die für die in Rede stehenden Fälle von besonderer Wichtigkeit werden kann. Sind denn die Grenzboten-Aufsätze von Gustav Freytag und die Zeichnungen von Wilh. Busch aus den »Fliegenden Blättern« und den »Bilderbogen« wirklich und sämtlich als an o - nyme Veröffentlichungen anzusehen? Es ist mir nicht bekannt, ob und wie die Grenzboten-Auf sätze Freytags, um die es sich handelt, unterzeichnet waren, da mir alte Jahrgänge der »Grenzboten« zurzeit nicht zugänglich sind; aber gerade die Erwägung der verschiedenen Möglichkeiten wird die Rechtsfrage um so besser klären: a) Waren die Beiträge mit dem vollen Namen unter zeichnet, so genießen sie natürlich den Schutz noch 30 Jahre nach dem Tode des Verfassers. Denn in dieser Hinsicht stehen Zeitschriftenbeiträge den selbständigen Werken gleich, d) Waren die Beiträge nur mit den Anfangsbuch st aben (G. Fr.) unterzeichnet, so wird der formal juristische Be urteiler sie als anonym ansprechen. Aber ob das richtig wäre, erscheint mir doch sehr fraglich! Ist auf dem Zeit- s ch r i ft e n t i t e l der Herausgeber mit vol le m N a m e n genannt und befinden sich in dem Heft Auf sätze, die mit den Anfangsbuchstaben des Vor- und Fami liennamens des Herausgebers gezeichnet sind, so bedeutet dies verkehrsüblich und für jeden verständ lich, daß diese Beiträge vom Herausgeber herrühren. Denn kein Herausgeber würde dulden, daß ein anderer Mitarbeiter einen Beitrag mit diesen Anfangsbuchstaben des Herausgebers zeichne, da jeder Leser den Aufsatz dann als eine Arbeit des Herausgebers ansehen würde. Ja. wenn auch nur in dem Inhaltsverzeichnis des Heftes (auf dem Umschlag), das als integrierender Bestandteil der Zeitschrift anzusehen ist, verzeichnet wurde, daß der Bei trag von G. Fr. oder »vom Herausgeber« ist, so wäre damit meiner Ansichtnach die Namensnen nung des Autors erfüllt! o) Waren die Beiträge überhaupt nicht gezeichnet, so fragt sich selbst da noch, ob die heutige Auslegung nach Treu uud Glauben und nach der Verkehrssitte nicht dahin gelangen muß, sie unter Umständen als nicht anonyme anzuerkennen. Ich erinnere nur an die »Zu kunft«, die auf dem Titelblatt die Bezeichnung: .Heraus- 1572*