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Offensivbewegung dieser kriegerischen Banden und Haiphong, einer der Stützpunkte der französischen Operationen, soll von einer 1200 Mann starken Seeräuberbande ernstlich bedroht sein, weshalb man in Haiphong ängstlich den in Aussicht gestellten französischen Ver stärkungen entgegensieht. Außerdem wird gemeldet, daß in den nörd lich von Hanoi befindlichen chinesischen Lagern große Rührigkeit herrsche. Spanien. Das neue spanische Ministerium Herrera hat gleich im Beginn seiner Laufbahn einen Erfolg in der spanischen auswär tigen Politik zu verzeichnen. Nach in Madrid eingegangenen Nach richten hat Marocco eingewilligt, an Spanien das Gebiet von Santa Cruz-del-Mar an der Mündung des Peni-Flusses abzutreten, in wel cher Angelegenheit zwischen beiden Ländern schon jahrelange resultat- lose Verhandlungen stattgefunden haben. Spanien bestand auf der Ausführung dieser Bestimmung des Vertrages vom Jahre 1860, um dem Einfluß der englisch - nordafrikanischen Compagnie, welche seit dem Jahre 1879 bei dem Cap Jubi etablirt ist, ein Gegengewicht zu bieten. Portugal. Das sonst so stille Portugal hat in der letzten Zeit durch mehrere Ereignisse von sich zu reden. Zuerst kenkte die Bauernrevolte in der Provinz Alemtejo die Blicke auf den west lichsten Staat Europa's, dann folgte der Aufstand in Villanova, woran sich jetzt eine vollständige Reorganisation des portugiesischen Cabinets anschließt. Der Minister des Innern ist, infolge Meinungs- °verschiedenheiten zwischen ihm und seinen Collegen bezüglich der am 4. November stattfindenden Municipalmahlen, aus dem Cabinct Pereira de Mello ausgeschieden, desgleichen der Marineminister. Die Demission beider Minister hat einen theilweisen Porteseuilles-Tansch hervorgerufen, indem der Arbeitsminister das bisher vom Minister präsidenten verwaltete Finanzministerium und der Justizminister das Marineministerium übernommen hat. Die Ministerien der öffentlichen Arbeiten, des Innern und des Kriegs sind demnach neu zu besetzen. Norwegen. In Norwegen erfährt jetzt die große Haupt- und Staatsaction der Nadicalen, die Anklage gegen das conservative norwegische Ministerium, eine raschere Förderung. Am Montag hat vor dem Reichsgericht zu Christiania die Verhandlung gegen den Staatsminister Selmer begonnen, worauf unmittelbar die Verhand lungen gegen die übrigen Minister folgen werden. Man darf auf den Ausgang dieses sonderbaren, gegen ein ganzes Ministerium ge richteten Pröcesses gespannt sein. Der falsche Erbe. Von Eduard Wagner. (Fortsetzung.) Vor einem Jahr war Tomaso sehr schwer krank. Dr. Spezzo hat ihn curirt, aber keine Bezahlung angenommen. Aus Dankbarkeit dringt ihm Tomaso jede Woche die besten Fische und wir bitten jeden Abend für ihn um den Schutz der Heiligen. Ja, er ist ein berühmter Mann!" „Ich wünsche, er könnte meinen Freund auch retten!" sagte Brander mit einem erkünstelten Seufzer. „Ich weiß in der That nicht, was ich mit dem armen Burschen anfangen soll. Nach Eng land kann ich ihn nicht mitnehmen. Ich bin der Sohn eines reichen englischen Barons, den ich seit 5 Jahren nicht gesehen habe. Vor gestern erhielt ich von meinem Vater die Nachricht, daß ich sogleich in die Heimath zurückkommen möge, und ich war auf der Reise da hin, als uns das Unglück ereilte. Mein Vater erwartet mich sehn süchtig, aber die Liebe zu meinem Freunde gestattet mir nicht, diesen zu verlassen, ohne daß ich ihn in Sicherheit weiß." „Eine schlimme Geschichte," bemerkte Frau Vicini. „Um so schlimmer, da er keine Verwandte hat. Mancher Brot herr würde ihn in eine Anstalt schicken, in ein Irrenhaus oder der gleichen, meine Anhänglichkeit an ihn sträubt sich jedoch dagegen. Was soll ich also mit ihm anfangen? Haben Sie Kinder?" „Nein," antwortete der Fischer. „Sie scheinen arm zu sein, aber Alles in Eurem Hause ist sauber und nett," fuhr Brander fort, indem sein Blick durch's Zim mer schweifte. „Möchten Sie nicht die Aufsicht und Pflege meines Freundes übernehmen? Ich will Ihnen für Ihre Dienste 20 Frcs. per Woche zahlen und für Kleidung u. s. w. außerdem eine hin reichende Summe jährlich. Wollen Sie sich jedoch der Mühe nicht unterziehen, dann können Sie mir vielleicht eine andere Familie in der Nachbarschaft empfehlen." Diese letzte Bemerkung beschleunigte den Entschluß der Frau Vicini. „Zwanzig Francs die Woche! Das ist ein kleines Capital für uns," murmelte sie, dann fügte sie laut hinzu: „Ja, ich will ihn be halten." „Gut, das ist abgemacht," sagte Brander erleichtert. „Nur eins bleibt noch zu bemerken. Wie weit ist Palermo von hier?" „Sechs Meilen, Signor." „Kommen häufig Reisende hierher?" „Niemals, Signor." „Ich möchte nicht gerne, daß mein armer Freund mit Lands leuten zusammentrifft," erklärte Brander. Die Engländer sind nicht so zartfühlend und rücksichtsvoll wie die Italiener und Ferdinand könnte von irgend einem neugierigen Landsmann leicht belästigt wer den, was seiner Herstellung! ans die ich immer noch hoffe, hinderlich sein könnte. Darum müssen Sie ihn unter strenger Aufsicht halten. Er darf niemals nach Palermo gehen und muß überhaupt stets in gänzlicher Zurückgezogenheit gehalten werden." „Ich verstehe, Signor," sagte die Frau. „Ich werde Ihre Be fehle genau befolgen." „Ich will Ihnen meine Adresse hinterlassen, damit Sie mir schreiben können, wenn irgend ein Wechsel in dem Zustand des Kranken eintritt. Und nun bliebe mir »och die erste Zahlung zu mache» übrig." Er zog Guido's Brieftasche hervor, welche mit Banknoten, Creditbriefen und Goldmünzen wohlgefüllt war. Von den letzteren nahm er fünf Stück und legte sie in die Hand der Frau Vicini. „Dies ist für die ersten 4 Wochen," sagte er. Hier sind noch 3 Napoleons, für welche Sie Ihrem Schutzbefohlenen die nöthigen Kleider kaufen könne» und diese weiteren sind für den Doctor. Sollten Sie außerdem noch etwas gebrauchen, so lassen Sie es mich nur wissen. Frau Vicini betrachtete die glänzenden Goldstücke wohlgefällig und steckte sie dann in die Tasche. Brander nahm seine eigenen Kleider, welche nun trocken waren, und ging damit zurück in die Schlafstube, um sich umzukleiden. Als er damit fertig war und vorsichtig alle Taschen der abgelegten Kleider noch einmal durchsucht hatte, um sich zu überzeugen, daß er nichts von den gestohlenen Sachen darin gelassen hatte, fiel sein Blick auf Guido Harrington. Er wurde bleich und schwach, so schwach, daß er sich kaum auf den Füßen halten konnte, denn er begegnete dem vollen Blick der sanften blauen Auge» seines Freundes, den er so schändlich be stohlen und betrogen hatte und diese Augen waren klar und fest auf ihn gerichtet. Brander schlich leise und zitternd an das Bett heran und flüsterte: „Guido, mein Freund, kenne» Sie mich?" Guido antwortete nur mit einem schwachen Lächeln. „Wer sind Sie?" murmelte Harrington mit schwacher Stimme und sein Gesicht wurde trübe. Warum stören Sie mich denn? Ich mag nicht sprechen." In Branders Auge» flammte es plötzlich auf — es war das Aufleuchte» innerer heimlicher Freude. „Wie ist Ihr Name?" fragte er begierig. „Nennen Sie mir bloß Ihren Namen." „Mein Name? Ich habe keinen Namen!" antwortete Guido. „Gehen Sie, ich will allein sein." Er wandte sich um und Brander, froh im Herzen, aber mit traurigem Gesichte, ging in das andere Zimmer, wo das Frühstück seiner harrte. Nach dem Essen ging er hinaus, um die Lage des Hauses näher in Augenschein zn nehmen. Dieses lag auf einem Felsen, von wel chem man eine herrliche Aussicht, sowohl über das Meer als auch über das Land hatte. „Hier ist Guido Harrington so gut wie begraben," dachte Brander. „Das Haus liegt einsam, in ziemlicher Entfernung von anderen menschlichen Wohnungen." In diesem Augenblick trat Palestro zu ihm. „Angenehmes Wetter nach dem Sturm, Signor!" bemerkte nun der Makler. „Sehr angenehm." „Vicini sagte mir, daß Sie uns heute schon verlassen wollen, Signor," sagte Palestro. „Ja, ich kann mich nicht länger hier aufhalten," erwiderte Brander. „Ich muß nach Palermo, um den heute nach Marseille abgehenden Dampfer benützen zu können." „Und Sie wollen den Unglücklichen hier lassen?" „Ja; ich kann ihn unmöglich mitnehmen und — ich habe auch keine Verpflichtungen gegen ihn." „Gewiß haben Sie keine Verpflichtungen gegen ihn," sagte Palestro mit verschmitztem Lächeln. „Aber Sie wollen so generös für seine Verpflegung zahlen und möchten gerne manchmal etwas von ihm hören. Leider können die Vicini's nicht schreiben." „Es ist leicht zu merken, daß Sie auf einer bedeutend höheren Bildungsstufe stehen als die Vicini's," sagte Brander, in der Absicht, Palestro zu schmeicheln; darum würde es mir angenehm sein, Ihre Freundschaft zu erwerben." „Einer gewissen Art von Freundschaft bin ich stets zugänglich," entgegnete der Winkeladvocat. Brander sah eine Weile dein Sicilianer scharf in die kleinen listigen Augen und in das verschmitzte Gesicht, dann sagte er: „Sind Sie arm?" „Arm wie eine Kirchenmaus!" antwortete Palestro. „Das Schicksal ist nicht freundlich mit mir. Briefe, Bittschriften und der gleichen für die Arbeiter zu schreiben, lohnt schlecht." Brander überlegte. Er beschloß, den Mann für sich zu gewin nen und ihn zu seinem Diener zu machen. „Ich denke, hundert Francs würden für Sie eine ansehnliche Summe sein, Signor Palestro?" „Eine große Summe!" rief Palestro vergnügt. „Ich habe seit Jahren nicht so viel Geld auf einmal in Händen gehabt. „Und was sagen Sie zu fünfhundert Francs? Diese Summe will ich Ihnen jährlich geben, wenn Sie wir regelmäßig wöchentlich Nachricht senden über den Zustand meines armen Freundes." Palestro nahm das Anerbieten mit Freuden an. Er hätte laut aufjubeln mögen, doch war er klug genug, um seine Erregtheit nicht merken zu lassen. „Ich will Ihnen zur Bekräftigung unseres Vertrages hundert Francs im Voraus zahlen," sagte Brander, »ahm fünf Napoleons