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Voigtländischer Anzeiger. 25. Stück. Sonnabends den 18. Juny iZvg. Gegenwärtiger Zustand des Handels von Marseille. Den gegenwärtigen Zustand des Handels von Marseille mit seinem ehemaligen verglei chen, sagt Herr Milli», heißt den Tod und das Leben mit einander in Parallele stellen. Seine Verbindungen mit Amerika haben gänz lich aufgchörr; jene mit Spanien und Italien sind wenig bedeutend , und die mit dem Norden von Europa fast nichts. Der Betrag des Han- dels mit den Hasen in der Levante betragt nicht den dritten Theil mehr von dem, was er sonst war, und doch ist dieser Handel Eine der vor nehmsten Quellen des Wohlstandes von Mar seille. Es war für uns ein höchst trauriger An blick, als wir jene Schiffe in der Nähe des Ufers liegen sahen, welche sonst alle Meere durchschnitten; wir bedauerten innig, nicht je nen Zusammenfluß von Menschen aus so ver schiedenen Ländern anzutreffen, welche ein und derselbe Beweggrund — ihr Vermögen durch eine ehrenvolleThäligkeit zu vermehren — sonst hier zusammen brachte. Mil Vergnügen erin nerten wir uns der sonderbaren Ereignisse, wo von dieser Hafen in glücklichen Tagen Zeuge gewesen war. Der berühmte Veniet lernte hier auf die ser Rhede mit seinem kühnen Pinsel die schreck lichen Erscheinungen eines Seesturmes malen. Aus diesen Kays fand Montesquieu den jungen Robert, der alle Tage in einem kleinen Boote die Wanderer im Hafen herum fuhr, um sei* neu Vater aus der Gefangenschaft zu erlösen, iii welcher er zu Tetuan seufzte. Nicht weniger inte ressant ist die EeschichteNic olas Compian, den auf einem Schiffe von Marseille ein Cosak von Tripoli gefangen nahm, und ihn an einen reichen Einwohner dieser Stadt verkaufte. Da der Muselmann sah, daß nichts den Schmerz seines Gefangenen zu lindern vermochte, er laubte er ihm, einen Besuch in seinem Vater lande bei seiner Familie abzulegen; er verlangte aber sein Wort, daß er alsdann wieder zu ihm zurückkommen sollte, indem er mehr sein Freund als sein Sklave war. Compian kommt nach Marseille, aber treu seinem Wort, entreißt er sich den Umarmungen seiner Geschwister und sei ner Freunde, und kehrt nach Tripoli zurück. Hier fand er seinen Herrn in großer Betrübniß, seine zärtlich geliebte Gattin lag todlkrank dar- nieder.