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Das einzige Geräusch draußen war das Rauschen eines Wasserfalles, der von einer Felsenquelle zu dem Waldbache hinunterstürzte, sowie die klagenden Seufzer des Nachtwin des, der durch Thaler unv Höhen strich. Lange blieb ich sitzen; alte Erinnnerungen kamen wie der mit einer solchen Lebendigkeit, daß, jemehr der Himmel über diesem Stückchen Erde sich in Nacht und Dunkel hüllte, desto klarer die Bilder der Vergangenheit empor stiegen und noch einmal hörte und sah ich, was einst hier geschehen war. Und so will ich diese Bilder vergangener Ereignisse in ihrer Reihenfolge vor den Augen der Leser entrollen. 1. Kapitel. Draußen begann es dunkel zp werden. In dem offenen Kamin der Vorhalle des Grafenhauses von Falcon berg flackerte ein lustiges Feuer, welches durch die geöffneten Thüren weit hinaus in die Dämmerung leuchtete und den ganzen Vorraum in ein röthliches Licht tauchte. Ein junges Mädchen von zarter, leichter und geschmei diger Gestalt in einem Jagdkleide und auf dem schönen Haar einen Federhut tragend, stand auf der obersten Stufe der Freitreppe. Ihre rechte Hand hielt eine schwere Reit peitsche. Auf der untersten Stufe stand ein Mann, dessen Gesicht voll und klar von dem Feuerschein beleuchtet war; es war von eigenartiger Schönheit und unheimlich genug trat der wilde Gesichtsausdruck in dem röthlichen Licht her vor. Ein schönes Pferd mit prächtig glattem Fell und feurigen Augen stand dicht neben ihm und der Reiter hatte die Zügel nachlässig über seinen Arm geworfen. „Sie haben den Wettritt gewonnen, Lady Ada," rief er, „aber dabei haben Sie Ihr Pferd lahm geritten und morgen muß es erschossen werden. Sie haben sogar Ihr Leben bei dem tollen Ritt auf's Spiel gesetzt. Obgleich ich durchaus keinen Wunsch hege, daß Sie jetzt schon ver lören, so kann ich doch nicht einsehen, was Sie gewonnen haben, mein schönes Fräulein. Aber ich bitte um Erklär ung Ihrer plötzlichen Laune, Lady Ada! Ich habe Tage lang auf Sie gewartet; aus Besorgniß, Ihrem guten Ruf zu schaden, kam ich diesem Hause nicht mehr nahe. Heute endlich werde ich Ihrer auf dem Hügel ansichtig, aber in der tollsten Weise jagen Sie davon. Ich habe aber jetzt keine Neigung, hier stehen zu bleiben. Wenn Sie mir keine Gelegenheit geben wollen, mich endlich anzuhören, so werde ich mir selbst eine solche suchen. Sie können mir nicht mehr ausweichen. Sir Lionel und Ihre Schwester sind noch nicht angekommen; Ihr tauber, alter Diener ist mit Ihrem Pferde beschäftigt; Ihr« Dienerin ist eine Stunde weit fort, ich begegnete ihr auf dem Wege hierher. Wir sind also allein und es ist die höchste Zeit, daß wir zu einer Verständigung kommen." „Halt!" sagte das junge Mädchen mit hartem und leidenschaftlichem Tone. „Alles, was Sie zu sagen haben, muß hier draußen gesagt werden, denn dieses Haus sollen Sie nie mehr betreten. Ich muß es Ihnen unverhohlen sagen, da ich Sie nie wieder anhören, noch sehen, noch mit Ihnen sprechen will, — so weit ich es verhindern kann. An meinem Leben, welches ich heute auf's Spiel gesetzt, liegt mir nichts, nur das Pferd, welches ich lahm geritten habe, dauert mich; aber nicht vermag ich es hoch genug zu schätzen, wenn es mir ein Mittel giebt, das mich von Ihnen befreit, so sehr verabscheue ich Sie, so sehr sind Sie mir verhaßt! Das ist das rechte Wort! Seit der Stunde, wo ich Ihren wahren Charakter erkannte, Haffe ich Sie!" Der Mann schwieg einen Augenblick, dann erwioerte er: „Wissen Sie, Lady Ava, daß es sehr thöricht von Ihnen ist, in dieser Weise mit mir zu sprechen? Je eher Sie diesen Ton aufgeben, um so besser für Sie. Doch, wir dürfen hier nicht weiter sprechen. Wissen Sie denn, ob nicht irgend Jemand uns belauschen könnte? Wenn Sie so gänzlich unbekümmert um sich selbst sind," fügte er höhnisch hinzu, „so muß ich desto mehr auf Ihren guten Ruf bedacht sein." „Alle Welt mag hören, was ich zu sagen habe, daß ich Sie hasse und Ihnen trotze! Bei'm Himmel, ich möchte das Wort finden, welches den Kittern, wilden Haß ausdrückt, der mich gegen Sie erfüllt." „Sie sind von Sinnen, Lady Ada! Es handelt sich jedoch glücklicher Weise heute nicht mehr um die Frage, ob lieben oder hassen, sondern — wann heirathen?! Sie sind ganz in meiner Hand. Ich brauche Ihr Vermögen; wenn es auch nicht groß ist, so wird es mich doch retten. Dieses sind die einfachen Gründe meinerseits und Alles, was ich wissen will, ist nur, wann wollen Sie mein Weib werden?" „Niemals, Elender! Glauben Sie, weil Sie mich unglücklich gemacht und mir mit Absicht ein schweres Un recht zugefügt haben, daß Sie deßhalb berechtigt sind, eine solche Frage an mich zu stellen? Ich Ihr Weib! Niemals!" „Mädchen, Du mußt! Du kennst die Welt zu wenig, um Dir über die wahren Verhältnisse klar zu werden. Du weißt nicht, wie vollständig Dein Name, Dein Ruf und Dein ganzes Dasein in meiner Gewalt sind." „In Ihrer Gewalt!" rief Ada mit lautem, wildem Auflachen. „Mein Name und mein Ruf? Ich bin also zu unbekannt mit der Welt, um mir über die wahren Ver hältnisse klar zu werden? Denken Sie das wirklich? Bei Allem, was ich jemals im Leben heilig und theuer hielt, schwöre ich —" „Sie sollen nicht schwören. Lady Ada, Sie sind ohn mächtig mir gegenüber, trotz all' Ihrer Leidenschaftlichkeit, trotz Ihres Stolzes. Ja, gerade Ihre Leidenschaftlichkeit und Ihr Stolz bringen Sie nur noch vollständiger in meine Gewalt, denn Sie gehören nicht zu den Frauen, welche Schande geduldig und ergeben tragen können. Es bleibt Ihnen keine Wahl übrig und ich sage es Ihnen nochmals, Sie müssen die Meine werden! Spielen Sie nicht länger mit mir, oder Sie werden es sein, welche vor mir Vie Kniee beugen und mich um die Rettung Ihrer Ehre an flehen wird, welche Sie jetzt —" „Halt ein, Elender!" unterbrach das junge Mädchen ihn hastig. „Ich habe noch eine Wahl! Ich habe den Muth, zu sterben, denn am Leben ist mir nichts mehr gelegen. Wer kann mich daran hindern, wenn ich sterben will? Sie haben Ihre Gewalt über mich zu hoch angeschlagen. Ueber das Weib, welches Sie zur Verzweiflung getrieben, haben Sie keine Macht mehr. Sie glauben, ich sei noch zu uner fahren, um die Schmach zu verstehen, welche Sie mir an- gethan haben? Grade diese Schmach hat mich auf immer von Ihnen getrennt. Hinweg!" rief sie, „das ist meine Antwort. Hinweg! Fort von mir! Lassen Sie mich nie Ihr verhaßtes Antlitz wieder sehen!" „Gemach, gemach, meine Gnädigste! Sanftere Worte würden Ihnen bessere Dienste leisten," erwiderte er, sprang die Stufen hinauf zu ihr und trat dicht an sie heran. „Sie vergessen ganz, daß, wenn Sie auch sterben wollten, Sie Ihre Ehre vor meiner Zunge doch nicht retten können; nur als mein Weib sind Sie geschützt!" Plötzlich änderte er sein ganzes Benehmen; er griff nach ihrem Kleide, fiel zu ihren Füßen nieder und beschwor sie bei all' der Liebe, die sie doch einst zu ihm gefühlt habe,