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Pulsnitzer MckendlaN Donnerstag, 3- August 1911. Anlage zu Mr. 92. 83. Jahrgang. Osrtttcdss und SScbsifcbes. — (Sächsische Märkte im August.) (* be deutet Viehmarkt, ** Vieh- und Krammarkt, in Orten ohne Zeichen ist nur Krammarkt): 1. Adorf*, Rodewisch* S. Liebertwolkwitz Schw, Neschwitz* Plauen* Radeberg*. 3. Ets«n5erg-Moritzburg**Pf., Strehla*. 4. Pontkau*Pf.. Schönheide. 5. Bautzen. 6. Landwüst. 7. Königsbrück* Oederan, Zwickau* Pf. 8. Baruth* OelSnitz* Rei- chenberg Ferkelm. 9. Mügeln Sch. 10. Brandis Schw., Coswig*. 13. Grünhain. 14. Crimmitschau. 15. Adorf*. 18. Plauen. 17. Annaberg* Callnberg, Strehla*. 21. Bischofswerda* Mühltroff*, Rötha*, Sayda, Treuen**. 22. Reichenberg Ferkelm. 23. Mügeln Schw. 24. Elstra**. 2V. Pegau*. 27. Dittersbach, Meißen, Rochlitz, Weißen- berg. 28. Aue, Burkhardtsdorf, Dittersbach Schw, Pausa* Weißenberg* Wolkenstein. 29. Großhennersdorf. 30. Lo- renzkirch, Neustadi*Pf. — (Ungeteilte Schulzeit.) Eine Stellung, nähme zur ungeteilten Schulzeit ist kürzlich in der bay rischen Hauptstadt erfolgt. Das Gemeindekollegium zu München ließ eine Umfrage bei den Eltern der Volks schulkinder halten. Der in Umlauf gesetzte Fragebogen lautete: 1. Sind Sie damit einverstanden, daß der Schul- unterricht wie bisher sowohl am Vormittag als auch am Nachmittag stattftndet? Ja, nein. — 2. Oder ist es Ihnen lieber, wenn Ihr Kind alle Tage ununterbrochen von 8 bis 1 Uhr Unterricht hat? Ja, nein. — 3. Wenn der Unterricht gemäß Ziffer 2 eingerichtet wird, werden Sie Ihre Kinder am Nachmittag zur Erziehung und Be- aufstchtigung rn einen Knaben- (oder Mädchen-) Hort senden? Ja, nein. Bitte streichen Sie ja oder nein durch, je nach Ihrer Meinung. Nur diejenigen Zettel haben Gültigkeit für die Erhebung, die die Unterschrift der Eltern oder Pfleger tragen. Dar Ergebnis der Um- frage war: Für die Beibehaltung der bisherigen geteil ten Schulzeit waren 26 170 Stimmen und für Einführ- ung der ungeteilten Schulzeit waren 40197 Stimmen abgegeben worden, für die Knabenhorte waren 7497, für die Mädchenhorte 6418 Schulkinder angemeldet wor den. Bezeichnend für die Stimmung über die unge teilte Schulzeit in München ist auch, daß sich Anfang April em Ausschuß gebildet hat, dem bereit- 44 Vereine mit 18 000 Mitgliedern angehören. Jedenfalls dürfte sich die Münchener Bewegung in Kürze auf die übrigen Großstädte Deutschlands auSdehnen. — (Volkskundliche Bude auf derVogel - wiese.) Die Vereine „Dürerbund", „Heimatschutz" und „Volkskunde* haben auch auf der diesjährigen Vogelwiese wieder ihre „volkskundliche Bude" errichtet, in der durch Glücksrad Gegenstände von künstlerischem und volkskund lichem Werte zur Verlosung gelangen. Da die Bude ver größert wurde, ist der Standplatz ein neuer, er befindet sich unweit des letzten Standplatzes auf derselben Straße, nur einige Schritte weiter, Ecke Straße 3 und Straße 6, am Barthel'schen Hypodrom. DaS Unternehmen, das auf kaufmännischer Grundlage aufgebaut ist, hat den Zweck, da- Publikum aus einfache, geschmackvolle und gediegene Arbeiten aufmerksam zu machen und soll in erster Linie den Geschmack fördern. ES soll aber auch diejenigen Handwerke und Industrien unterstützen, die von dem Tal- mikram abweichend, schmuck« und schön« Sachen Herstellen. ES ist hinreichend bekannt, daß gerade auf Volksfesten oft nicht gerade die geschmackvollsten Gegenstände, die weder geeignet sind, da» Heim des Gewinners zu schmücken, noch veredelnd aus den Geschmack des Volkes wirken können, zur Verlosung gelangen. Alle diejenigen, die das Unter nehmen der genannten Vereine unterstützen, fördern daher die Bewegungen zur Läuterung des Geschmackes, die jetzt überall weiter festen Fuß fassen, Die künstlerisch wert- vollen und gediegenen Gegenstände, die in der Bude zur Verlosung gelangen, verdienen entschieden Beachtung und eS ist zu wünschen, daß dem Unternehmen auch dieses Jahr ein guter Erfolg beschieden sein möchte. — (Großfeuer) entstand am Montag abend gegen »/«6 Uhr im Freigut Kolkwitz. Der Brand war in dem links vom Eingänge befindlichen langen Scheunengebäude auf bisher noch nicht festgestellte Weise au-gebrochen und griff mit unheimlicher Schnelligkeit um sich. Als das Feuer zuerst bemerkt wurde, schlugen hohe Flammen am südlichen Scheunengiebel heraus. Reiche Nahrung sanden die Flammen in ca. 4000 Zent- nein Preßstroh in Ballen, die in der Scheune aufgesta- pelt waren. Nach kurzer Zeit griffen die Flammen aus den nebenan befindlichen Quarantänestall, über dem sich Arbeiterwohnungen befanden, und weiter auf das links am Eingänge befindliche Brenneretgebäude über. Am Brennereigebäude fing durch die ungeheure Glut, die der Brand entwickelte, das ausgestellte Baugerüst Feuer. Die zahlreich herbeigeeilten auswärtigen Feuerwehren mußten in der Hauptsache ihre Tätigkeit darauf beschränken, da» stark gefährdete Herrenhaus, in dem von der herrschenden Glut bereits einige Fenster zersprangen, zu schützen. Nicht lange währte es, stiegen neue Rauchwolken aus dem Dache des gegenüberliegenden Kuh- und Schweine- stallgebäudeS; durch Funkenflug war der hinter dem Ge- bäude liegende Dunghausen und aus dem Dachboden be- findliche Heu- und Futtermittelvorräte in Brand geraten.- Nun galt eS, schnell das Vieh zu retten. Mit über menschlicher Anstrengung gelang es hilfsbereiten Strieß- nern und Mannschaften der auswärtigen Feuerwehren, etwa 40 Stück Vieh au- den brennenden Ställen zu retten. Aber trotzdem konnte nicht verhindert werden, daß noch einige Kühe im Rauche erstickten und den Flammentod fanden. Neun Rinder mußten wegen starker Brandwunden und Rauchvergiftung abgestochen werden. Auch ein Schwein und zahlreiche Tauben, Hühner und Gänse find den Flammen zum Opfer gefallen. In der achten Abendstunde war die Gefahr, daß das Feuer auch die andere Hälfte diese- Gebäudes, in dem sich auch mehrere Arbeiterwohnungen befanden, und das rechts vom Eingänge befindliche Pferdestallgebäude mit Getreide speicher und Wagenremise ergiff, beseitigt. Das gerettete Vieh wurde einstweilen aus den benachbarten Feldern und Wiesen untergebracht. Meuselwitz. (Brand.) In Tagebau der Grube „RetnSglück" unweit Sporda brach ein bedeutender Brand aus, der sich rasch ausdehnte und saft den gesamten Tagebau ergriff. Als Ursache wird eine Selbstentzündung nicht angesehen. Freiberg. (Vorsicht im „Umgang mit Mäu- sen") lehrt folgender Vorfall: Lin in der Unterstadt wohnendes junges Mädchen wurde von ihren Eltern mit dem Auftrage in den Keller geschickt, einen Topf herauf, zuholen. AIS das Mädchen nach dem Topfe griff, sprang ihr plötzlich eine Mau» aus die Hand und biß sich in« Fleisch ein. Weinend und schreiend lief da» Mädchen zu den Eltern, die die Maus nur unter Gewaltanwen- düng entfernen konnten. In der Hand ist eine kleine Wunde sichtbar geblieben. — Also Vorsicht! Leipzig. (Der Leipziger Bäcker streik) hat jetzt nach dreiwöchiger Dauer sein Ende gefunden. Im großen und ganzen ist er für die Gehilfenschaft erfolgreich ge- wesen, da nach einer Zusammenstellung der Ausstands- leitung 234 Bäckermeister, die zusammen 265 Gesellen beschäftigten, die von den Gesellen ausgestellten Forde- rngen bewilligt haben. Die Gehilfenschaft hat u. a. die Beseitigung des Kost- und LogiSzwangeS bei den Arbeit- gebern erreicht. Planen. (Brand im Kinderwagen.) In große Aufregung geriet die Ehefrau eines hiesigen Zim- mermannS, als st: urplötzlich aus dem Kinderwagen, den sie vor sich herschob, Rauch und Feuer aufsteigen sah. Die Kleider ihres im Wagen sitzenden, ziemlich 2 Jahre alten Töchterchen» brannten plötzlich lichterloh. Glücklicherweise verlor die Frau aber nicht den Kopf; sie griff energisch zu, und in wenigen Minuten war die schwere Gefahr, in der das Kind schwebte, beseitigt. Und die Ursache diese» Brandes? — Im Kinderwagen wurde ein brennender Z i - garren st ummel gefunden. Wie er in den Wagen ge- kommen ist, ist ein Rätsel. Möglich, daß ein vorüberge- hender Raucher so fahrlässig gehandelt hat. Vermischtes. * (August-Bauernsprüche und Wetter- regeln.) Vom August heißt eS im VolkSmunde: „In der Mitte August Sonnenschein läßt hoffen viel und gu ten Wein". Im Gegensätze hierzu lautet ein anderes Sprüchlein wie folgt: „Je mehr Regen im August, je weniger Wein". Ist auch Regen im August nicht er wünscht, so doch der Tau, denn: „Der Tau ist im Au gust so not, als jedermann sein täglich Brot". Bezüg- lich des Wetters sagt ein alter Spruch: „Wenn'S im August stark tauen tut, bleibt auch gewöhnlich daS Wet- ter gut." Ein anderer Spruch behauptet, daß im Au- gust sich einstellsnve Gewitterbildung recht lange anhält. Er lautet: „Stellen sich im Anfang August Gewitter ein, so wird'S bis zum Ende so beschaffen sein". Nord winde sind im August gern gesehen, denn im VolkSmunde heißt eS: „Nordwinde im August bringen beständige» Wetter." Auch eine Prognose für den Winter gibt es. Sie lautet: „Ist in den ersten Wochen des August - heiß, so bleibt der Winter lange weiß". Noch manche andere Sprüchlein über den August gibt eS, von ihnen Dev stifte See. Roman von H. LourthS-Mahler. (Nachdruck verboten. Hüde liebt« Kracht nicht und hatte wohl dessen Bewerbung angenommen, weil er ein, glänzend« Partie war. Und nun? Hatte fir eu-gesehen, daß «» z» schwer war, ihm ohne Li«b« anzugehören ? Sw besaß den Mu», sich f«j zu machen, trotzdem die Hoch zeit schon so nahe bevorstand. — Und noch ein andere» Gefühl stieg in Ruth auf, etwa» wie Neid. Ach, wen» sie doch auch gleich wie Hilde, von ihrer Verbindung mit Han» Rochu» zurück- treten könnt«! Welch eine Wohltat mußt« r» s«tn, sagen zu dürfen - will ihn nicht. Sie muß!« wollen, fir hatte eine schwere und drückend« Pflicht auf sich genommen und mußt« fir erfüllen, gleichviel ob den sinnenden Zag in .hrem G-sW. W°ran m°^ L°a fi« Vergleich« ,wisch«« sich und Hild«. Wollt« fi« nicht au» d«m ungeliebten Manne zu eigen geben, äußeren G^nie« wegen? Over lastet« doch de» Vater» Wille wie «m heimlicher Zwang auf ihr? z Psüf-nd betracht«»« «r die reine Linie ihre« Profil«. Sein Blick glitt über di« ganz« schlank« Erschrinung. So schön und blendend wie Hild« war Ruth freilich nicht, aber e« lag doch «in« rdl« wohltuende Harmonie über ihrer Persönlichkeit. Die Farbe» ihrer Toilrtt« waren immer stimmungsvoll. Man hatte stet» da» «-fühl, so und nicht ander» mußt« st« sich kleiden. Ihre Anzüge h^n .mm« etwa« «-genarL ^ Rochu« konnte sich mcht klar werden, wort» da« Besondere lag. Der Anzug entsprach der herrschrnden Mode, und doch war e« ander« al« bei anderen Damen. Und die stille Anmut ihrer Bewegungen gab ih, trotz ihrer nüchternen Gelassenheit ein liebliche« Gepräge. Wenn ,r nur ihren Augen diesen kühl indolenten over verschleierten Au»druck Hütte nehmen können! Dann hätte sie ihm viel bester gefalle«. »Woran denkst du, Ruth?" fragt« «r plötzlich. Sie zuckte leis« zusamm««. So tief hatte fi« sich in ihre Bedank«« «iogesponnen, daß fi« seine Gegenwart vrrg'fsrn hatte. »An mein Kostüm — ich hatte r« schon bestellt," sagte fi« verwirrt. Ein ärgerlicher Ausdruck trat in sein Besicht. Wenn er doch aufgeben wollte, immer wieder »ach Geist oder Seele bei ihr zu forschen. Er mußt« doch nun endlich wisse», daß «» vergeblich war. »Da« macht dir bei der ganzen traurige« Angelegenheit wohl vie meisten Kopfschmerzen k" sagte er ironisch. Ihr« L'ppen zuckten leise. .J-denfall« muß e« in Erwägung gezogen werden,' er- widert« st« kühl. »Vielleicht kannst du da« Kostüm bei einer anderen Belegen heit verwind«».' Sein To» war ironisch. St« sah ihn einen Moment an und wandt« sich dann ab. Ei» leise» schattenhafte« Lächeln um spielten ihre Lippen. Er bemerkte «» jedoch nicht. Ei» minutenlange« Schweigen entstand. Endlich raffte sich Han« Rochu« au« seiner Verstimmung. »Ich soll dir einen Gruß von Kracht bestellen." „Danke dir. Wenn du zu ihm g«hst, »rwid«r« ihn und sage ihm, daß ich ihm gute Besserung wünsche. Ist er wirklich ernstlich krank?" »Ja — ,» werden Wochen vergehen, bi« er geheilt ist. Du bewahrst aber, bitte, streng« Di«lretion übe, alle«, wa« ich dir sagte." „Selbstverständlich." Er wußte, daß er sich auf ihr Wort verlaffen konnte. Daß fi« wahrhaft und zuverlässig war, hatte er schon oft erprobt, Ravenport kam herauf, um Hau« Rochu« zu begrüße». Da« Gespräch wurde allgemein. Al« Han« Rochu« im Wagen saß, um nach Rochsbrrg zu- rückzufahren, holt« er da« Buch, welche« er von Ruth geliehen hatte, hervor. Eh« «r zu lesen begann, sah er «ine Weile auf da» Titelblatt nieder. „Der stille See von San» Volkmar." Der Autor wurde in der Kritik, die Han» Rochu» gelesen hatte, «in junger Anfänger genannt, der viel geistvolle Eigenart b«säß«, und ihm wurde eine große Zukunft prophezeit. Han» Rochu« begann zu lesen- Di, Lektüre fesselt« ihn ungemein. Die Sprache war originell und geistvoll, di« Charaktere in mar kanten Zügen gezeichnet und mit feinem Verständni» für da» Ungewöhnlich« au»g«arb«it«t. Im Mitt«lp«nkt der Handlung stand ein Weib, welche» ihm bekannt und vertraut erschien, ohne daß er e» Härte mit einer Frau seiner Bekanntschaft vergleichen können. Em stiller, tiefangelegter Frauencharakter, der in ernst«, inner« Konflikt« verwickelt wurde und mutig den Kampf mit einem widerwärtigen Geschick ausnahm. Die Frau war mit ei nem stillen See verglichen, dessen Oberfläche glatt und ruhig blieb, während in der Tief« femdliche Gewalten mit einander rangen. Perlen lagen auf dem Grund, und niemand ahnte de» Reichtum, der sich vor allen Augen versteckte. Han» Rochu« la« da« Buch bi« zu Ende durch, al» er in Rocheberg angelangt war und in seinem Zimmer saß, E« ließ ihn nicht lo». AI« er bi» zum Schluß gekommen war, legte er r» sinnend beiseite. „Ob «» wohl solch« Frau«» gibt? Ob der Autor jemal» riner solch«« begegnet ist? Nein — da« ist da« Ideal seiner Dichters««!,. So hat sich der Verfasser wohl da« Werb geträumt, «ach dem seine Seele verlangt." Han» Rochu» verlor sich selbst in Träume. Sein Herz war jetzt verwaist. Für Hilde «mpfand er nur noch zuweilen ein au» Schm«, und Broll gemischte« Befühl. So wie sie war, wie er sie er kannt hatte, verlor sie den Zauber, mit dem sie ihn gebannt hatte. Er bedauert« nur, daß er sein heiße« Empfinde» au solch «in Weib verschwendet hatte. Und Ruth war ihm noch weniger. Sie war zu unbedeutend, um seiner dürstenden Seel« etwa« zu geben. Und sein eigene« innerste» Wesen rang nach Vertiefung. Seit seine« Vater« Tode war er rin anderer geworden. Der Leichtsinn, die Oberflächlichkeit waren von ihm abgefallen wie rin geborgte« Kleid. Er hatte sich auf sich selbst besonnen, und in stetem Umgang mit der gütige», segenspendenden Natur er weiterte und vertiefte sich seine Seele. Sinnend blättert« er noch einmal im Buch und sucht« Stell«« auf, die ihm so ver traut und bekannt erschiene», al« wären sie seinen G«danken rnlsprungrn. Und dann huschte ein ironische« Urteil über da« Buch. Ihr waren wohl diese tiefen, seelenvollen Gedanken sehr langweilig erschienen. „Ueber da« Buch habt ich keine Meinung", und ,r« lohnt sich nicht, e« zu lesen", hatte fi« gesagt. Vie