Volltext Seite (XML)
ist die Frage nicht gelöst, ob es den Völkern Mitteleuropas, die körperlich und seelisch zer- mürbt sind, nach den Kraftleistungen des Krie ges gelingen wird, die Energie auszubringen, dem Ansturm der unterirdischen Kräste, die zu Expe rimenten nach russischem Muster drängen, sieg- reichen Widerstand zu leisten. Wenn die Völker die aus der Praxis geborenen Lebensformen ver werfen und dafür in der Studierstube ausgeklü gelte Formen setzen wollen, so ist das nicht schlimm für die betroffenen Einrichtungen, wohl aber für die beteiligten Völker. Das Gesellschafts system, mit dein, nach der Feststellung eines sich- renden Blattes der Linken, in den letzten Jahr zehnten bis zum Kriege unser Volk im Durch schnitt trotz der starken Bevölkerungszunahme bes ser 'ernährt, besser gekleidet, besser behaust und besser belohnt war als je zuvor, leichtsinnig preis- zugebcn, um dafiir willkürliche Experimente mit Gekellschaftsgrundlagen anzustellen, die noch nie mals den Beweis ihrer dauernden Lebensfähig keit erbracht haben, würde verhängnisvoll für alle Zeit bleiben und das deutsche Volk vielleicht für immer aus der Reihe der führenden Wirtschasts- mächte streichen. Was das bedeutet, Weitz jeder. Und wer es nicht hören will, würde es furcht bar fühlen müssen. Sie technW Seite »es ll-MltliM. Der parlamentarische Untersuchungsausschutz in Berlin setzte gestern die Verhandlungen über die technische Seite des U-Bootkrieges fort. Staatssekretär a. D. von Capelle wies zu nächst darauf hin, datz während des Krieges und vor dem Kriege im ganzen 810U-Boote in Auftrag gegeben wurden, davon 45 in der Zeit vor dem Kriege. Von Großadmiral von Tirpitz sind 186 U-Boote in Auftrag ge geben worden und von Capelle felbst während seiner Amtsdauer 579. Daß in den neun Mo naten des Jahres 1916 nur 90 U-Boote in Auftrag gegeben wurden, lag vor allem in der damaligen politischen Situation. Im März 1916 fiel bekanntlich die Entscheidung, datz der rück sichtslose U-Bootkrieg vertagt werden sollte, wor auf Tirpitz seinen Abschied nahm. Mit der Sus sexnote an, 4. Mai wurde der rücksichtslose U-Bootkrieg aus den toten Strang geschoben, bis er auf Veranlassung Hindenburgs und Luden dorffs wieder ausgenommen wurde. Staatssekre tär von Capelle bezeichnete es als unrichtig, datz er immer nur auf Veranlassung des Reichs kanzlers oder der Obersten Heeresleitung U-Boot- bestellungcn gemacht habe. Auch General Luden dorff habe im Rahmen der gesamten Rüstungs- industrie eine Steigerung des U-Bootbaues als nicht mehr möglich bezeichnet. Nach seiner persönlichen Auffassung über den U-Bootkrieg befragt, erklärte von Capelle: Um die Jahreswende 1916/17 sei er wie die Oberste Heeresleitung und der Reichskanzler der Ansicht gewesen, datz unsere Lage sehr ernst war. Es blieb gar nichts anderes übrig, als das letzte Kriegs mittel einzu- setzen, um uns vor dem Untergange zu ret- ten. Dieser-Auffassung neigte ich umso mehr zu, als der rücksichtslose U-Bootkrieg mindestens sehr große Chancen bot, den Krieg günstig für uns zu beenden. Von einer Niederzwingung Eng lands ist niemals die Rede gewesen, wohl aber davon, datz der Erfolg genügen würde, um Eng land einem brauchbaren Frieden geneigt zu machen. Im weiteren Verlaufe der Sitzung wies Ka pitän Brüningbans die Beschuldigung von Dr. Struve zurück, dein Reichskanzler falsche Angaben hinsichtlich der im Bau befindlichen U-Boote gemacht zu haben. Wenn er die Aus kunft gegeben habe, datz 479 U-Boote im Bau seien, so habe dies durchaus den Tatsachen ent- . sprachen. Im Bau gegeben sei ein terminus technicuS, der gleichbedeutend sei mit in Bestel lung gegeben. Er stelle in der Oeffentlichkeit fest, daß die Beschuldigung, falsche Angaben ge macht zu haben, eine unhaltbare Auffassung von Dr. Struve sei. Kapitän Bartenbach bemerkt, datz bei Beginn des unbeschränkten U-Bootkrieger im Fe bruar 1917 eS sich für die Marine nicht um einen vollkommen neuen Kriegsabschnitt handelte, son dern um die Ausführung des Planes, die Wirt- schaftslage Englands einen gehörigen Aderlgh zuzufllgen. Tie neu ausfahrenden U-Boote un terschieden sich durch nichts von den früheren; sie hatten nur andere Verhaltungsvorschriften an Bord. Beim Auslaufen der ersten Schiffe im Januar und Februar herrschten überdies autzer- ordentlich schwierige Eisverhältnisse in der Nordsee. Hiermit ist die Erörterung der U-Bootfrage nach der technischen Seite erledigt. Nach einer Reihe persönlicher Verhandlungen wurden die Beratungen abgebrochen. Nächste Sitzung Mitt- woch: Vernehmung der Staatssekretär» a. D. Dr. Helfferich. Nundscham Gebt uns unsere Kriegsgefangene« heraus: Trotz des schlechten Wetters hatten sich gestern abend in den Sälen der Börse zu Berlin mehr als 10 000 Personen eingesunden, um sich zu einer machtvollen Kundgebung gegen die Zurück haltung der Kriegsgefangenen in Frankreich zu vereinigen. In zwei Sälen fprachen ehemalige Kriegsgefangene, der Stadtverordnete Barianty und der Rittmeister Freiherr von Lersner. Beide wiesen auf die unsäglichen Leiden hin, denen unsere Kriegsgefangenen jetzt ein Jahr nach Ab- ' schlutz des Waffenstillstandes in den feindlichen i Lagern noch immer ausgesetzt sind. Beide Red- I ner forderten vom deutschen Volke, datz cs sich I ohne Unterschied der ParteirichtuBtz und des I Standes in der Kriegsgcfangenenfrage zujammen- findet. In diesem Sinne wurde ein Ausruf an die Berliner Bevölkerung beschlossen, die sich am Sonntag zugunsten der Gefangenen in 30 Mas senversammlungen zusammcnfinden soll. Die Kohleulrife. Bei der Beratung des Haushalts in der preußischen Landcsversammlung äußerte sich Eisenbahnminister Oeser über die Kohlenfrage. Er sagte u. a.: Wenn die Kohlennot pur eine Transportkrise wäre, wäre ich glücklich. Aber aus den letzten Reden des Handelsministers geht hervor, daß noch andere tiefergehende Ursachen vorbanden sind. Wir sahen uns veranlaßt, den Personenverkehr zu sperren, uni die Zufuhr von Kohlen und Kartoffeln zu ermöglichen. Infolge der Einstellung deS Personenverkehrs und der dadurch bewirkten Freimachung von Lokomotiven- ist nicht nur der Güterverkehr beschleunigter ge worden, sondern es ist uns auch gelungen, die Gestellung von Kohlenwagen über den Bedarf hinaus zu ermöglichen. Der Minister schloß feine Ausführungen: Ter Bestand an Kohlen ist in den letzten Tagen ständig zuriickgegangen. Wenn ich keine Kohlen bekomme, inuh ich zur Selbst hilfe greisen. Ich bin dann genötigt, zur B c- schlagnahme von Kohlen z u s ch r e i- ten, mag sie gehören, wem sie will! Von einer Gestellung von Kohlen wagen über den Bedarf haben wir in Sachsen allerdings noch nichts ge merkt. Hier scheintS umgekehrt zu sein, denn bekanntlich werden unsere Bergarbeiter daran ge hindert, an Sonntagen zu fördern, da für diese Mehrforderung keine Möglichkeit des Abtranspor tes mit der Eisenbahn besteht. — Die in Aus sicht genommene Beschlagnahme der Privatgüterwagen wird an der Wagen not wobl kaum wesentliches ändern. Das Streikende in Berlin. Wie die FUnfzehnerkommission und das Me tallkartell mitteilen, ist entsprechend der Urab stimmung in den Betrieben der Metallarbeiter- streik für beendet erklärt worden. Die „B. Z." meldet, daß fast sämtliche Werte ganz oder teil weise ihre Tätigkeit haben wieder ausnehmen können, weil Tausende von Arbeitern sich um die Anordnungen des Metallarbeiterverbandes nicht .mehr kümmern. Dte Ernte 1919. Laut Statistischer Korrespondenz sind in Preu ßen ausschließlich der Abtretungsgebiete an Brot getreide einschließlich der zu Nährmitteln dienen den Getreidearten, wie Gerste, Hafer, Buchwei zen und' Gernenge, im ganzen 10,54 Millionen Tonnen gegen 10,27 Millionen in 1918 geerntet worben. Bei den Hülsenfrüchtcn und den zuge hörigen Gemengen überwiegen die diesjährigen Erträge jedoch oft sehr bedeutend die vorjährigen. Für die Kartoffeln und die übrigen Hackfrüchte sind die geschätzten Mengen sämtlich geringer als im Vorjahre. Sie betragen 16,4 Millionen Ton nen gegen 18,7 Millionen im Vorjahre. Mackensens Heimkehr. Der Oberste Rat der Alliierten beschloß, den Marschall Mackensen, der sich gegenwärtig in Sa loniki befindet, mit Rücksicht auf fein hohes Al- ter und seine Gesundheit nach Deutschland heim- kehren zu lassen. Kardinal v. Hartmann Nach einer „B. Z."-Meldung aus Köln ist Kardinal von Hartmann, seit 1913 Erzbischof von Köln, gestorben. Die kommunistische Revolution. In der Sonntagsversammlung der Sparta listen in der Bvtzowbrauerei in Berlin teilten mehrere Redner mit, daß die kommunistische Re. volulion durch das Eisenbahnverbot der Regie rung für den deutschen Personenverkehr unmög lich gemacht wurde. Es dürfte aber keine zweite Wiederholung des revolutionären Exinncrungs- tages geben, ohne datz die Närercpublik in Deutsch land Tatsache geworden sei. Die Kommunisten setzten ihre Kämpfe mit den schärssten Mitteln fort, um dieses Ziel zu erreichen. Dte Zahl Ver Ausgewiesenen Die Zahl der ausgewiesenen Deutschen aus Elsaß-Lothringen ist in der letzten Woche erheb lich gestiegen. Durch die Offenbacher Neichsüber- wachungSstello sind bisher 62 721 Flüchtlinge und 9327 Ausgewiesene gegangen. Der Kampf um Riga. Nach einer Meldung aus Riga haben die Letten unter dem Feuerschutz der Ententeflotte den Aafluß bei Finkenhof überschritten. Die rus sischen Truppen gingen unter Zurücklassung von Gefangenen und Maschinengewehren zurück. Seffmtl. in Hohenstein-Ernstthal am 1t November. Am RatStische .sind erschienen die Herren Bürgermeister Dr. Patz, Stadlräte Grieh - b a ch , - L a yritz , Lohse und Schnei der. Vom Kollegium sind 20 Herren erschie nen. Der Sitzung wohnt außerdem Herr Gas- inspektor Martini bei. Herr Vorsteher E i ch- ler eröffnet um 8 Uhr die Sitzung und gibt unter Kenntnisnahmen die Verpflichtung des Schutzmanns Seidel, das Protokoll einer Sitzung des Revisionsverbandcs und die Einstellung des Betriebes in der Volks küche bekannt. — Herr Stadtv. Riedel regt an, datz für die Volksküche in gewissem Grade Ersatz geschaffen werde, da ein großer Teil der ärmeren Bevölkerung auf eine solche Unter stützung angewiesen sei. Weiter fragt Redner, ob durch die Einstellung des VollSküchenbetriebes die hierfür gelieferten Nahrungsmittel ausfallen. Diese sollen evtl, der Betriebsküche zugute kom men. — Herr Stadtrat Grießbach betont, daß nicht daran gedacht sei, die Volksküche ganz aufzuheben; sobald die Teilnehmerzahl steigt, soll der Betrieb wieder eröffnet werden. Tie Zu/eilung der Lebensmittel erfolgt nach den abgelieferten Speisemarlen. Herr Bürgermei ster Dr. Patz gibt näheren Aufschluß über die verschiedenen Küchen. Zuletzt seien in der Volks küche nur 37 Portionen bestellt gewesen, eine Zahl, die im Verhältnis zu dem Betrieb zu klein war. Bezeichnend sei, daß sich für den da für errichteten Kursus im Kochen nur 4 Teil nehmerinnen gemeldet hätten. Für den Kreis, den Herr Riedel im Auge habe, sei jederzeit ge- sorgt. Daß .eine Beschränkung in der Lebens nüttellieferung cintritt, glaube .er nicht. — Herr Riedel bescheidet sich mit diesen Auskünften. Auflösung de» Ernährungsausschusses. Infolge anderweiter Regelung der Brot- und Mehlversorgung beim Vezirksverband ist die Tätigkeit des Ernährungsausschusses überflüssig geworden. Seine Funktionen sollen dem Lebens- miltelausschutz übertragen werden. Tas Kolle gium erklärt sich hiermit einverstanden. Fleischer- und Bäcker-Innung bitten um Zuwahl ihrer Jnnungsobermeister in den LebeuSmillclausschutz. Es handelt sich uni die Herren Fleischermeister Wolf und Bäckermei ster Uhlmann. Einwendungen hiergegen werden nicht gemacht. Erhöhung von Bezüge». Dem Leiter des Schreibmaschinenunterrichts in der Handelsschule, Herrn Sekretär Gehler, werden auf ein Gesuch hin die Bezüge von 70 auf 100 Mk. erhöht. Schnlkinderspeisungen. Hierfür werden 300 Mk. gefordert und be willigt. Herr Vorsteher Eichler bringt ein Schreiben des Herrn Sanitätsrates Dr. Eichhoff zur Verlesung, in dem eine Zuwendung von Lebertran an bedürftige Kinder vorgeschlagcn wird. Das Schreiben soll dem Rat niit Befür« wortnng zugestellt werden. Für den Ankauf eines Geldschraukes werden 300 Mk. bewilligt. . Zwischenhaushaltplan. Infolge der Aenderung des Reichs-Rechnungs jahres macht sich die. Aufstellung eines Zwischen- hcmshaltplanes für die Monate Januar, Februar und 'März 1920 notwendig. Das Kollegium stimmte einein entsprechenden Vorschlag des Herrn Stadtrechnungssekretärs Wenzel zu. Eine Beihilfe in Höhe von 180 Mk. für Frau Kleeberg wird bewilligt. — Auf Anfrage des Herrn Stadtv. Wolf, warum der Nat den: Ausschutz-Antrag, eine laufende Beihilfe zu gewähren, nicht zugc- slimmt hat, erklärt Herr Bürgermeister Dr. P a tz, daß der Rat von der Ansicht ausgegangen sei, daß die Beihilfen der Kriegerwitwen vom Reich allgemein aufgebesscrt werden. Elektrisierung des Hüttengrundes. Tas Gesuch der Bewohner des Hüttengrundes um Anschluß an die elektrische Leitung hat der Rat mit Rücksicht auf die hohen Materialpreisc abgelehnt. — Herr Stadtv. Arthur Meier er kennt den ablehnenden Standpunkt des Rates an, bittet aber, die Bewohner dafür mit ande ren Veleuchtungsmitteln (Petroleum) genügend zu versorgen. — Herr Bürgermeister Dr. Patz stellt scst, das; die Stadt nach dem Einvcrlei- bungSvertrag ein Versprechen auf Lieferung von Elektrizität, Gas und Wasser nach dem Hüteu- grund nicht gegeben habe. Vor kurzem sei ein Voranschlag über Anschluß des Bethlehemstiftes und des „Helleren Blickes" an die Gasleitung aufgestellt worden, der allein 11 000 Mk. ergab. Der Anschluß des Hüttengrundes an das elck- irische Leitungsnetz sei infolge der weit ausein ander liegenden Gebäude, der deshalb besonders teuren Herstellungskosten (Kabel sei überhaupt nickt zu erhalten) zurzeit nicht ausführbar. Die Belieferung der weder an das Gas- noch Elek- lrizitätsnetz angeschlosscncn Grundstücke mit Pe troleum erfolge soweit die Stadt dazu in der Lage ist. Das Kollegium tritt schließlich dem RatSbcschlusse bei. Sein Verhängnis. Roman von Gottfried Bruckner. 42 Jedes Buch im Zimmer uabm er zur Hand und suchte es aufs sorgfältigste onrch, um das zu diesem Brief gehörige Kuvert oder noch andere Briefe zu finde», aber alles vergebens. Der Fund dieses Briefes hatte seinen Appetit so erregt, daß er schließlich sogar alle Notcuhefte durchsuchte, je des Stück Löschpapier gegen den Spiegel hielt, um zu versnche», ob er nicht aus den darauf abge druckten Schriftzügen etivas ermittelte, aber alle» veroebenS. Di» Stutznhr schlug zehn, als er sich ermattet und erschöpft, mehr infolge seiner.Spannung und Erregung, als infolge körperlicher Anstrengung, in einen Lehnstuhl sinken ließ. Nach kurzem Nach denken fragte er daun den Diener, während er ihm den Brief zeigte, dabei aber die Unterschrift vntzeckt hielt: „Kennen Sie diese Handschrift?" „Ja, daß hat Stößer geschrieben." „Sie kennen seine Handschrift also genau?" „Ja, gut genug, nm sie sofort zu erkennen." „Nun passen Sie genau auf, waS ich sage. ES ist recht wohl möglich, daß er nächstens wieder an Ihren Herrn schreibt, und wenn Sie mir sei nen Bries bringen, oder wenn Sie ihn auch nur öffnen und eine wörtliche Abschrift davon anfer tigen, dabei aber genau darauf achten, daß Sie den Poststempel, die Ortsangabe und das Tatum richtig abschreibeu, so will ich Ihnen für einen solchen Brief oder die wörtlich» Abschrift davon tausend Mark bar geben. „Lausend Markl" „Ans Heller und Pfennig. Sie haben meine Adresse. Falls ich verreise, werde ich Sie benach richtiget', wie Sie einen Brief an mich adressieren sollen. Jetzt halten Sie Ihre Augen offen, fall» Sie ein« hübsche, kleine Summe mit geringer Li.ulje zu verdienen wünschen," „Aber dabei ist doch ein ganz gehöriges Ri siko I" „Nicht das geringste für einen so geschickten und gewandten Menschen wie Sie. Eines Mor gens finden Sie draußen im Kasten einen Brief von Stößer und statt 'Km selben sofort Ihrem Herrn zu geben, stecken Sie ihn einfach in Ihre Tasche, nachher, wenn Sie Zeit haben, halten Sie ihn über heißen Dampf, öffnen daun das Kuvert, nehmen den Inhalt heraus und schreiben ihn ab, aber vergessen Sie »licht, höchst sorgfältig und ge nau, Wort für Wort, stecken daun den Brief wie der ein, hierauf kleben Sie das Kuvert'zu, plätten es mit einem heißen Eisen, werfen es wieder in den Briefkasten draußen au der Korridortür, und die Sache ist erledigt." „Ich verstehe — tausend Mark." „Ja, die sollen Sie haben, wenn Sie mir die wörtliche, buchstäbliche Abschrift deS Briefes brin gen. Aber dieselbe muß Ort und Adresse enthal ten, sonst gibt es keine Bezahlung, vergessen Sie daS nicht! Denken Sie auch ja daran, auf den Post stempel genau zu achten. Wenn Sie nicht zu mir kommen können, so schicken Sie ihn mir durch die Rohrpost." „Ich werde es nicht vergessen," beteuerte der Diener." , „Da haben Sie einen Hundertmarkschein für die Arbeit von hente abend. Durch mich können Sie ja schließlich noch reich werden, nun das ist eben Ihr Glück, aber jetzt geben Sie sich ordentlich Mühe, sich dekselben auch wert zu zeigen. Kein Wort davon, zu niemandem, nicht einmal ru Ih rer Braut, und passen Sie ja auf, daß Sie den Bries abfassrn." „Darauf können Tie sich verlassen," rief der Diener. Gillivaldt verließ ihn, ohne nüch ein Wort weiter zu sagen, murmelte aber, al» er di« Treppe WtUMtwLMfMtMM Hun L-tz Hentze jetzt bin ich dem Schurken erheblich näher gekom- Meill Aber Markwald iverde ich kein Wort davon sagen, denn schließlich würde ich dadurch nur Hoffuungeu in ihm erwecken, die sich vielleicht nie verwirklichen. Nein, es ist schon am besten, ich schweige." 27. Kapitel. Die Fran Gräfin ist zufrieden gestellt. Einige Tage nach ihrem Besuch im Atelier saß Frau von Foerster allein in ihrem Salon, den ihr angekündigten Besuch ihrer Freundin erwartend. Cäcilie nahm eben ihre erste Malstunde bei Fräu lein Orlowsky, die, nachdem sie ihr erstes Beden ken überwunden hatte, nicht nur eifrig bereit ge wesen war, den Unterricht zu erteilen, sondern sich auch in einer beinahe auffälligen Weise um Cäci- liens Freundschaft und Vertrauen bemühte, aller dings bisher ohne rechten Erfolg. Denn Cäcilie war von Natnr zurückhaltend und empfand außer dem auch keine rechte Sympathie für diese eman zipierte junge Dame. Bald, nachdem die Kamiuuhr vier geschlagen, öffnete sich die Salontür, und die beiden Damen begrüßten einander herzlich. Die Fran Gräfin von der Pforten ivar in tiefer Trauer, begann aber so fort mit ihrer gewöhnlichen Lebhaftigkeit: „Mein Vater starb ungefähr einen Monat nach meiner Ankunft, so lange hatte ich ihn zu pflegen. Na türlich bin ich sehr betrübt über seinen Verlust, dies ist aber denn doch kein Grund, wichtige Dinge unerledigt zu lassen. Deshalb tau» ich, sobald ich nur irgend tonnte, mit meinem Jungen nach Ber lin, um dies« Angelegenheit endlich zur Erledi gung-»» bringen." „Wie geht eS denn Deinem Sohn?" „Ganz ausgezeichnet, soweit es sich nur um körperliche Gesundheit handelt, aber leider hat er ganz den Verstand verloren." „Ich bitte Dich!" rief Frau von Foerster er- tMM' - „Ich meine auS Liebe zu Cäcilie." Frau von Foerster lächelte beruhigt, während ihre Freundin sie forschend betrachtete und dauu etwas verwundert ausrief: „Helene, Du siehst uicht nur viel nobler, sondern auch viel glücklicher au«, als damals in Italien. Ist irgend etwas gesche hen ?" „Ja — der General —" . „Das dachte ich mir schon," unterbrach die Frau Gräfin sie eifrig. „Du hast seinen Antrag ange nommen ?" I „Allerdings."' „Meinen herzlichsten Glückwunsch I Aber, der Umstand wird doch hoffentlich nicht »leine Pläne durchkreuzen?" „Was meinst Du, liebe Margarete?" „Wenn Du den General heiratest, wirst Dil doch nicht etwa deswegen die Werbung seines Neffen mn Cäcilie begünstigen?" „Ich sähe sie x viel lieber als Gattin Deines Sohnes." „Sehr wohl. Weißt Du, sie hat meinen Jun gen ganz bezaubert, so daß er seit der Trennung von ihr für niemand sonst Augen oder Sinn hatte. Er ist nun einmal fest entschlossen, Cäcilie zu hei raten." „Nun, hoffentlich wird ihm da keine Enttäu schung widerfahren." „Enttäuschung? Wie wäre daS denkbar?" fragte die Gräfin mit stolzem Befremden. „Ich sagte Dir doch schon, daß Cäcilie einen andern liebt." „Das Hal nichts zu bedeuten, da mußt Du nur fest und entschieden eingreifen, Helene. Fest und «ntschieden." „Gewiß." „Daran ist doch auch nicht für einen Augen blick zu denken, daß sie den Menschen jetzt heiraten könnte. Er hat sich ja noch immer nicht von den» schrecklichen Verdacht gereinigt." „Aber das ist doch »licht seine Schuld." 236,18