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KUM M HohrOeiilMiiAhliln Kipigkl Nr. 8S Sonntag, den IS. April 1V14 41. Jahrgang Rache. Ertzählung aus dem russischen Volksleben von A. Ori n. (Nachdruck verboten.) Peter Georgowitsch liebte Olga Fedorowna, und wenn er nach der Stcvdt zum Markte fuhr, brachte er ihr irgend etwas mit: ein seidenes Band, eine Kette, ein Schmuckstück oder irgend dergleichen Tand, der ein Mäd chenherz erfreuen kann- Sie nahm alles hin, lachte und sang. Ob sie ihn mochte, das Kälte man nicht sagen können. Manchmal schien es so — aber ein anderes Mal wieder um hätte man im Zweifel sein können. Dann konnte man denken, sie habe jeden anderen ebenso gern. Namentlich zeichnete sie oft den Sergei Pawlowitsch aus, und man erzählte sich allgemein, der werde einmal ihr Mann werden. Er war auch in der Tat ein hübscher Bursche, hoch gewachsen, mit schwarzen Haa ren und blauen Augen. Und endlich kam auch die Entscheidung. Sie sagte ja, als er um sic warb, und die Verlobung wurde ge feiert. Der erste unter den Gratulanten war Peter Georgewitsch. Er tat sehr freundlich, aber seine schwarzen Augen funkelten boshaft. Jin Innern schwur er ihnen furchtbare, blu tige Rache. Es war mitten im Winter. Alle Wasser läufe waren zugefroren und auf den weiten Ebenen lag der Schnee als ein unendlicher nutzer Teppich und knirschte unter den stützen. „Peter Georgewitsch, Väterchen," sagte eines Tages Sergei Pawlowitsch zu seinem Riva len, „fährst Du morgen zur Stadt?" „Jawohl, Sergei Pawlowitsch, ich will Ein käufe besorgen; ich fahre freilich allein, denn mein Knecht ist krallt." „Siehst Du, Väterchen, das trifft sich, denn mein Knecht ist zu seinen Eltern gefahren. Ich möchte Dir Vorschlägen, wir fahren zu sammen, das ist besser der Wölfe wegen- Die sollen jetzt schon rudelweise aus den Wäldern kommen, llnd zwei können sich besser vertei digen als einer." Peter Georgewitsch schlug di« Augen nieder. 4 „Ist recht, Sergei Pawlowitsch," sagte er möglichst gleichgültig „fahren wir zusammen!" Er bezwang sich, datz man nicht das Jauch zen des Triumphes hörte, das in seinem In nern laut wurde. „Und wie ist es," fragte Sergei Pawlo- witsch weiter, „fährst Du mit mir oder ich mit Dir?" „Wenn Dir's gleich ist, Sergei Pawlo witsch, so fahre Du mit mir, mein Pferd ist rascher als das Deine." „Ich danke Dir, Peter Georgewitsch." „Ist nichts zu danken, Väterchen — mein Grauschimmel Orlow hat schon oft seine Schul digkeit getan und mich vor den Bestien geret tet — er wird es hoffentlich auch morgen tun." So trennten sie sich. Als der späte Mor gen des nächsten Tages bleigrau herautzueg, war Sergei Pawlowitsch bei Peter und sie bestiegen den Schlitten. Jeder hatte seine neue ferntreffende Doppelbüchse mitgenommen, kesser war besser. Und wirklich, sie sollten sic nicht vergebens mitgenommen haben. Obgleich der Schlitten auf der glatten Bahn mit Pfeilqeschwindig.dit dannslog, brauchte man zu der Fahrt doch zwei Stunden. So waren sie um 10 Uhr an Ort und Stelle, besorgten ihre Einkäufe, atzen gemeinsam in irgend einer Kneipe, tranken ein Mevglaü voll Wodki dazu und machten sich gegen zwei Uhr auf den Weg. Als sie, gegen drei Uhr nachmittags, die Hälfte des Weges zurückgelcgt hatten, begann bereits die frühe, nebelhafte Dämmerung her einzubrechen. Hier näljenc sich der Wald, der sich als blaugrauer Streifen am Horizont hin zog, bis fast auf zwei Kilometer der Stratze, und aus diesem Walde drang plötzlich ein langgezogenev entsetzlicher Ton, der den beiden Gefährten sich das Haar auf dem Kopfe sträu ben lieh. Sie machten ihre Büchsen schußfer- rig, und Peter Georgewitsch lictz die Peitsche in mächtigen Hieben auf den Rücken des Grauschimmels niedersausen. „Fahr nur zu, ich werde schießen!" rief Sergei Pawlowitsch und schon nahm sein scharfes Auge durch die bleigraue Dämmerung die schwarzen Pinck e, die unter entsetzlichem Geheul init unheimlicher Geschwindigkeit näher kamen, nmhr. Immer näher drang das Ge heul, und den mitzdustigen Atem ihres Mun des konnte man in dicken Wolken gen Him mel steigen sehen. Da legte Sergei Pawlowitsch die Büchse an- Ein Schutz blitzte — ein kurzer Aufschrei durch das allgemeine Geheul, und eine dunkle Masse wälzte sich am Boden. „Einer!" rief Sergei mrd schotz den zweiten Laufs ab. „Zwei!" rief er und lud mit der Geschwindigkeit weniger Sekunden dann die kleiden Läufe aufs neue. Einige der Wölf« fielen über die toten Genossen her, um sie zu zerreitzen, die anderen aber teilten sich — ohne Zweifel in der Absicht, das Gefährt einzukrei- scn. Sergei schotz und auf jeden Schuß fiel ein Wolf. Man konnte jetzt sehen, datz das Nudel etwa aus vierzig Stück bestand. Plötz lich schotz Sergei einen Fehlschuß — der Schlitten hielt. „Erbarme Dich, Peter Georgewitsch, Väter chen," rief Sergei, „warum hältst Du?" „Am Geschirr ist etwas nicht in Ordnung," war die Antwort. Aber gleich darauf flog der, der sie gab, auf dem Rücken des Grau schimmels in die Dämmerung hinaus, wäh» rend der Schlitten stehen blieb. „Glück zur Hochzeit mit Anna Feodo- rowim!" rief er höhnend zurück. „O, Du Sohn eines Hundes," schrie Ser gei wütend, ritz das Gewehr an die Backe und gab in der Richtung des Reiters den Schutz aus dein zweiten Lauf ab. Ein schwa- cher Schrei war die Antwort. Inzwischen waren die Wölfe dicht an den Schlitten herangekommen und Sergei bemerkte trotz seines Entsetzens mit Genugtuung, daß zwei Dutzend der schrecklichen Tiere hinter dem Pferde herliefen, während sich nur ein Dutzend an den Schlitten machte. Da war es Sevgei Pawlowitsch, als hörte er fernes Läuten, aber es Ivar keine Zeit zum Horchen. Er steckte schnell zwei Patronen in den Lauf, gleich dar auf stürzte ein Wolf rechts, ein anderer links, aus jeder -Leite machten sich zwei über den gefallenen Genossen her, ihn zu zerreitzen, aber zwei stürmten aus- jeder Seite gegen den Schlit ten an. Wieder zwei Schüsse — und zwei lagen. Nun aber hörte Sergei zwei scharfe Schüsse, die er nicht abgegeben, und hinter jedem Knall ein kurzes Wutgeheul. Das Schellengeläut war jetzt in unmittelbarer Nähe, und eine Stimme ries: „Erbarmung, Väterchen, was machst Du hier, komm in unseren Schlitten, wir sind drei." „Wenn ich jetzt herausgebe, zerreitzen mich die Bestien." „Gut, wir fahren neben Deinen Schlitten." Der Schlitten fuhr, als Sergei aukgelne- gen war, in ratender Eile weiter, rechts und links knallten die Schüsse, die Verfolger blie ben zurück. Auch durch die zwei Dutzend, die Peker Georgewitsch nachgeeilt waren, schlug man sich hindurch und gelangte bald ins Dors, wo Sergei ausstieg. Die Besitzer des Schlit tens fuhren weiter. Das Dorf fand Sergei in Aufregung. Der Grauschimmel Orlow war, mit Blut besudelt, reiterlos heimgekommen. Sergei erzählte, wie Peter Georgewitsch zu ihm gewesen, aber von seinem Schüsse sagte er nichts. Als man sich am Morgen auf die Suche machte, sand inan nur den Schlitten, dessen Sträng« durchschnit ten waren — von dem Reiter fand man nichts. Der war wahrscheinlich alsbald vom Pferde gesunken — die Wöl e hatten ihn ge fressen — den Grauschimmel hatten sie nicht einholen können. SpSteS Glück. Von S. Halm. Nachdruck verboten. Mister Alfred Dicksen las wohl zum zehn»- ten Male den Brief, den ihm die Post heute früh gebracht. Seine Morgenzigarre rauchend, überflog er wieder und wieder die Schriftzei len, die er so gut kannte, und die sich in zwanzig Jahren auch nicht um ein Lveniges verändert hatten. Er las: Dear Fred! Latz mich Dir danken für alle« Gut« und Schöne, das Du mir in Deinen Zeilen ge- » » Allerlei Kurzweil. * * De«kfprüche. Such' nicht zu fern das ParadieS; Es lacht dir stets, wo du auch schreitest. Kein Glück ist so entzückend süß Wie das, das du dir selbst bereitest! * * * Wer sich nach jeder Decke will strecken, Der muß sich bald oben, bald unten recken Und hat sich, eh' er eS nur denkt, Bald hier erkältet, bald da verrenkt. Rätselecke. «fttfel. l. Der Erde dunklem Schoß Ringt man das Erste los. Vom weiten Himmelszelt Das Zweite niederfällt. Wenn man die zwei vereint, AlSbald ein Strauch erscheint. 2. Hat weder Fuß noch Hand, Ward doch gesandt In alle Lande. Kann Wahrheit mehren, Den Lügen wehren, Verhüten Haun und Stechen, Kann selbst kein Wort sprechen; Allein mit seinem Deuten Hilst es Land und Leuten. Buchftaben-RStfel. Mit R ist's ein gefräßig Tier, Mit L sperrt's ost die Wege dir, Mit W von Schmerzen dich kurier, Mit M gefällt'S am besten mir Als hoher Alpenberge Zier. 8«hlenr«tsel. 1 bis 4 ist weich, 6 und 7 ist gleich; 4 bis 7 kann jeder werden, Stirbt er nicht zu jung auf Erden; Doch willst du 2 bis 7 sein, So laß dich nur auf'S Lieben ein. Das Ganze meldet dir ein Wort, Da« hörst du fast in jedem Ort. viersilbige Gchar.de. Ernstes Wort, die beiden Drücken schwer und lang aufs Herz, Lassen jede Freude scheiden, Raum hat einzig nur der Schmerz. Zartes Grün die zweiten zeigen, Wenn an Baches Ufer Rand Tief hinunter sie sich neigen Zu den Kieseln auf dem Sand. Treu Symbol der ersten wieder In dem Ganzen man erblickt, Wie von eignem Weh bedrückt. Du sprichst es täglich oftmals aus, Als Last ruht es auf manchem Haus. Bevor zum Druck ein Büchlein geht, In mir es Stück für Stück erst steht, Und wer die Weidmannssprache kennt: Die kleinen Jungen so man nennt. Dem Markenhänoler wohlbekannt, Gewichte sind auch so genannt. Bilder-Attsel. (Auflösungen in nächster Nummer.) ««stösungeK a«S Nummer 15. Des Oster-Rätsels: Ofterurlaub (Osten, Ruhr, glaub'.). Des Ergänzungsrätsels: Haus, Pflug, Zug, Ob, Aftern. (Ausflug zu Osters Für unsere kleinen Lateiner: Frohe Ostern. (k' F, ruckis roh, so e O, stslla Stern.) Des Biloer-Rätsels: Gewalt geht vor Recht. DeS Vexierbildes: Am Fuße von Baum und Gatter. Kopf am Fuß der Bank. LiL-er-Zeitsng 1V14. Nr. 16 l Redaktion, Druck und Verlag von Horn L Lehmann, Hohenftein-Lrnstthal. xxxx Bergitz Vergiß nicht stille Mutteraugen, Die über deinem Leben stehn, Die bittend oft zum Himmel blicken, Wenn Lebensstürme dich umwehn. nicht! xxxx Vergiß nicht ernste Mutterworte, Wenn sich ein böser Wille regt Und wenn mit ihren grellen Farben Der Weltlust Gier dein Herz bewegt. Vergiß nicht frommes Mutterbeten, Das du als Kind gelernt, Wenn dich ein unnennbarer Zweifel Bon deinem Gott entfernt. n Die kleine Primel. Eine Frühlingsgeschichte von Lanthilt Germa. Ueber Nacht hat sich die ganze Pracht er schlossen. Der große Kirschgarten des alten Vater Kossow steht in voller Blüte. Von oben her mag dieser blühende Garten mit seinen vielen weiß umhüllten Baumkronen wirken wie ein Meer aus lauter lichtem Schaum; oder wie ein Schneefeld mit zart gerundeten Schnee hügeln, immer einer am andern. Die Früh lingssonne strahlt blendend darauf nieder. Saftgrün ist die junge, ganz junge Gras decke unter den Bäumen. Da ist aber auch eine Laube, deren Klettergewächs nur erst Knospen zeigt. Und gerade am Laubenein- gang hat eine kleine Primel, ein Himmelschlüs- selchen, die goldgelben Blütenbüschel erschlossen. Morgenfrühe liegt über dem Garten. ES wäre ganz still, wenn nicht Vögel in den blü henden Kirschbäumen zwitscherten. Weit hin- ten, nahe dem alten Zaun, sieht man zwischen den Stämmen das kleine, rot gedeckte Wohn haus des alten Kossow schimmern. Die Sonne blitzt in den blanken Fensterscheiben; eS ist wie reines Gold. Die kleine Primel schaut dorthin und denkt, ob daS wohl das Märchenschloß sei, von dem sie träumte? Und als sie noch dastand mit geschlossenen Knospen, da hatte sie so wun dersame Traumbilder. Vielleicht, haß die (Nachdruck »erboten.) warme FrühlingSsonne sie ihr ins Blumenherz hineinspann, vielleicht, daß ein Vogel auf der Laube saß und in ihrem Schlaf die Geschichte von dem Königsschlofse und den beiden KönigS- kindern sang. Denn zwei Königskinder waren da auch gewesen. Eine süße kleine Prinzessin mit einem flimmernden Goldkrönchen, und ein schmucker Prinz. Plötzlich horcht die Blume mit all ihren gelben Blütenköpfchen, denn sie vernimmt Stimmen aus der Gartentiefe. Es sind Kin- derstimmen. Die braune schiefe Haustür vom Häuschen des alten Kossow hat sich aufgetan, und durch den Garten kommen ein Knabe und ein Mädchen auf die Laube zu. Wie benommen vor Seligkeit ist das Him melsschlüsselchen. Da sind ja die Königs kinder! Auf dem Köpfchen des kleinen M8- delchens — sehr klein ist es noch — da flim mert eS wie lichtes Gold. DaS ist ein Ge wirr blonder Locken, aber die Primel meint, daß es ein Krönchen sei. Der Junge, viel größer als daS Schwesterchen, geht gerade und aufrecht wie ein echter Prinz. Da treten die beiden Enkelkinder deS allen Kossow auch schon in die Laube hinein. Sie setzen sich auf die verwittert« Holzbank und