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können. Die schlimme Ueberraschung kam für diese Aermsten infolge de« unglaublichen Schwin dels der Antwerpener Zeitungen. Hatte doch noch vor einigen Tagen, als bereits drei Forts vernichtet waren, ein Berichterstatter geschrieben: „Alle Forts halten stand. Gerade so gut könnte ick> meinen Hut auf unsere FortS werfen, eS hätte die gleiche Wirkung wie die deutschen Granaten." Die Ankunft der Engländer und die systematisch ausgestreuten Lügenberichte hatten die Bevölkerung weiter in Sicherheit gewiegt. Die wilde Flucht a»S Antwerpen und aus den umliegenden Gemeinden bietet ein furchtbares, tieftrauriges Schauspiel. Unter den Flüchtlingen befinden sich auch Justizminister Larton de Wiart und Fürstin Ligne. Die meisten in London ankommenden Flücht linge aus Antwerpen sind vollständig mittellos und in traurigster Verfassung. WaS die Antwerpener Flüchtlinge erzählen. Die in Rotterdam zu Lande noch immer eintreffenden Flüchtlinge sind Ueberbringer der wildesten Gerüchte. So erzählen einige, daß in der letzten Nacht sechs Zeppeline über Ant werpen schwirrten, um Bomben zu Wersen, an dere berichteten, daß die Belgier die Stadt verließen und sich auf Ostende zurllckzögen, so daß Antwerpen nur noch von den Engländern verteidigt werden sollte. Die Geflüchteten sind aber Opfer einer schrecklichen Panik, so daß ihren Erzählungen nicht unbedingt Glauben beizumessen ist. Donnerstag nachmittag wa ren der König und die Königin noch in Ant werpen, und die königliche Standarte wehte noch über dem Schloß. Dann setzten zwei Divisionen der Deutschen über die Nethe, über die sie zum siebenten Male eine Brücke ge schlagen hatten. Gestern früh begann die schwere englische Artillerie, die zur Verstärkung der inneren Verteidigungslinie ausgestellt wur de, das Feuer zu erwidern. Mittwoch früh war ein deutscher Parlamentär mit weißer Flagge erschienen, um die Uebergabe zu for dern und die Beschießung der Stadt anzukün digen, falls die Stadt nicht kapitulierte. Weil die Antwort ablehnend war, ließ der deutsche Befehlshaber Tausenden von Flüchtlingen Zeit, die Stadt zu verlassen. In später Nachtstunde wurde das Bombardement erst eröffnet, dann begann aber eine Schreckensnacht. Unaufhör lich schlugen Granaten ein. Ueber Antwerpen hing die ganze Nacht hindurch die Glut zahl reicher Feuersbrünste. Mittlerweile erschienen Zeppeline und warfen Bomben auf Petrole umtanks, die Feuer fingen. Es war ein Bild sämtlicher Schrecken des modernen Krieges. Wer aus dem Norden Hollands in der Stadt Breda eintraf, hörte schon den Donner der Geschütze. Das dumpfe, erschütternde Dröh nen der größten deutschen Mörser war deutlich von dem weicher rollenden Donner der leich teren Geschütze zu unterscheiden. Ein belgischer Zollbeamter unweit West-Wezel zählte dreißig Schüsse in der Minute; er sah die Granaten mit langen Fcuerschweifcn durch die dunkle Nacht fliegen. Als der Morgen anbrach, sah man weiße Rauchsäulen iiber mehreren Punk ten der Stadt aufsteigen. Unter den schwer beschädigten Gebäuden soll auch der Justizpa last sein. Aus Bergen op Zoom wird ge meldet, daß man dort an vier Ecken der Stadt Feuersbrünste beobachtete. Die Rotterdamer Blätter eröffnen Sammlungen für die ärmsten Flüchtlinge. Der „Nieulve Rotterdamsche Courant" erhielt an einem Tage schon rund 11,000 Mark zugesandt. Der traurige Strom hält noch immer an, im ganzen sollen aus dem Nordwesten Belgiens 500,000 Menschen ausgewandert sein. Berliner Preßstimmen zum Fall von Antwerpen. Die „Berliner Morgenpost" schreibt zu dem Fall von Antwerpen: In dem furchtbaren Drama dieses Krieges ist wiederum ein Akt von gewaltiger Wirkung zu Ende. Antwer pen ist gefallen! Was nun auf den west lichen Kriegsschauplätzen noch folgt, wird von diesem Ereignis beeinflußt sein. Die Entschei dung in Nordfrankreich wird beschleunigt und nach menschlichem Ermessen zu unseren Gun sten fallen. Denn deutsche Kräfte, Menschen und Kanonen werden da ihr Wort sprechen, wo die Feinde jetzt schon nur mit der Aus bietung ihrer letzten Kräfte , sich dem Vormarsch der Deutschen entgegenstemmen. Die Erobe rung Antwerpens ist ein bedeutender Erfolg. Er hat wieder einmal der Welt gezeigt, daß deutschem Zielbewußtsein und deutscher Orga- nisation, die von unserer weit fortgeschrittenen Wissenschaft und Technik mit Kraft und Le ben erfüllt wird, auf die Dauer kein Feind widerstehen kann. Das „Berliner Tageblatt" schreibt: Ein Ju- belrus wirv durch alle deutschen Lande gehen: Antwerpen ist in unsern Händen. Eins der wichtigsten Bollwerke der ganzen Welt ist in kaum 12 Tagen dem Feinde entrissen wor- den, und hinter dem belgischen Verteidiger stand England man kann wohl sagen, mit er hobener Hetzpeitsche. Sie Schlachten in Nordftankreich. Auf dem westlichen Flügel der 300 Kilo meter langen Schlachtreihe im nördlichen Frankreich setzt der Feind nach unseren wie nach den Pariser amtlichen Meldungen mit Hartnäckigkeit seine Versuche fort, unseren rech ten Flügel zu umgehen. Die „Kreuz-Ztg." schließt aus dieser Hartnäckigkeit bei beharr licher Erfolglosigkeit, daß dort die englische Heeresleitung die Führung übernommen haben muß. Den Engländern, die in Frankreich we nig zu verlieren haben und die in ihrer Kriegführung ihr Menschenmaterial niemals schonen, ist es durchaus zuzutrauen, daß sie bei Ausführung eines einmal gefaßten Planes aus ihre Bundesgenossen keine Rücksicht neh men. In der Ausdehnung des linken Flügels der Verbündeten, der nun schon bis Arras reicht, liegt nämlich die große Gefahr, daß die gesamte Schlachtlinie sehr dünn wird und dann leicht durchbrochen werden kann. Die Fran- zosen geben auch schon selbst zu, daß zwischen Tourcoing und Lans bedeutende Massen deut scher Kavallerie sich im Vormarsch befinden. Es ist nicht gut anzunehmen, daß diese Kavallerie auf eigene Faust vorgeht, sondern sie wird sich sicherlich auf bedeutende Streit kräfte anderer Waffengattungen stützen. Hier scheint also auf deutscher Seite ebenfalls eine Umgehung ins Auge gefaßt zu sein. Neben dieser Umgehung aber droht dem Feinde noch die Gefahr eines Durchbrochenwerdens in der Gegend von Roye, wo ein erfolgreicher deut scher Angriff eingesetzt hat. Wenn er auch noch nicht zu einer Entscheidung geführt hat, so darf man aus den bisher erzielten Resul taten aber zuversichtlich schließen, daß dort eine Abtrennung der feindlichen Streitkräfte möglich ist, die zwischen Noyon und Arras stehen. Sie würden dann die Fühlung mit der eigentlichen französischen Schlachtlinie zwi schen Oise und Maas verlieren. Das aber würde ein weiterer wichtiger Schritt aus dem Wege zur Entscheidung in dieser Riesenschlacht werden. Deutsche Verstärkungen. Aus Bordeaux wird unterm 9. Oktober ge meldet: Gestern fanden heftige kleinere Kämpfe zwischen deutschen und französischen Vorposten statt. Das Heranrllcken neuer deutscher Trup penabteilungen läßt auf eine große Verstär kung der Deutsche» im Norden Frankreichs schließen. Poincaree ist befriedigt Präsident Poincaree berichtete im Minister rat über seine Reise nach den Hauptquartie ren der französischen und englischen Truppen und erklärte, der Mut, die Ausdauer und die Stimmung der Truppen hätten ihn mit höch ster Befriedigung erfüllt. Reims noch immer bombardiert. Der Berichterstatter der „Times" in Epcr- nay meldet, daß Reims noch immer unter dem Bombardement der Deutschen lebt. Die schweren Kanonen können noch immer die nordwestlichen Vorstädte erreichen. Große Ver heerungen wurden in der Stadt durch ton Fliegern geworfene Bomben angerichtet. Durch eine Bombe wurden auf dem Hauptbahnhof- platze 19 Menschen getötet. Üeberall sieht man zerstörte Privathäuser und beschädigte Läden. Die großen Weinkellereien, die fast in jedem Hause der Charnpagne sich befinden, sind dagegen ein sicherer Zufluchtsort. Die schwarze« und braunen Truppen in Frankreich. Die „Tribuna" in Rom gibt den Bericht eines kürzlich aus Bordeaux zurückgekchrten ita lienischen Abgeordneten wieder. Nachdem er zuerst den französischen und indischen Trup pen Lob gespendet hat, erklärte er: „Nicht weniger bewundernswert sind die schwarzen Soldaten vom Senegal. Sie stellen den Ter ror dar, und schon haben sich die Befehlsha ber der englischen und französischen Truppen gezwungen gesehen, von ihnen diskreten Ge brauch zu machen, denn diese Neger vom Se negal sind wild, sie schonen den Feind um keinen Preis. Englische Bewunderung für daS deutsche Heldentum. Der Berichterstatter der „Times" erklärt in einer Depesche vom 4. Oktober aus Epernay, daß sich das titanische Drama an der Aisne vermutlich noch lange hinziehen wird. Fest siehe, daß die Deutschen zahlenmäßig in der Minderheit seien. Dies habe zur Folge, daß die Verbündeten ihren Soldaten mehr Ruhe gönnen können. Ein französischer Offizier sprach dem Berichterstatter gegenüber mit Bewunde rung über die militärischen Eigenschaften der Deutschen. Ihre Scharfschützen seien vorzüg lich und töteten verhältnismäßig mehr franzö sische Offiziere, als von den Verbündeten deut sche Offiziere getötet würden. Die Deutschen lassen keine einzige Kriegslist unversucht. Der Berichterstatter führt einige Beispiele für diese Behauptung an.' Der englische Kriegsberichterstatter Ashmead Bartlett schreibt im „Daily Telegraph": Deutschland hat einen großen Vorteil vor an deren Nationen, da die Gesamtheit des Vol kes militärische Ausbildung erhält und jeder verfügbare Mann unter den Waffen steht. Deutschland hat nicht weniger als 54 Armee korps. Diese Masse von Menschen, die sich in der Defensive hält und durch die stärksten Rei hen von Festungen unterstützt wird, bedeutet eine so furchtbare Macht, daß es große neue Opfer seitens des englischen Volkes erfordern wird, um sie zur Unterwerfung zu zwin gen (!). Die Franzosen kämpfen tapfer in der Verteidigung ihres Bodens, aber die Kraft ihrer Armeen, eine ernste Angrisssbewegung auszuführen, vermindert sich täglich. Die Londoner „Morning Post" schreibt: „Die durch den Krieg offenbar gewordene Haupttatsache ist die ungeheure Stärke Deutsch lands, die es ermöglichte, die Russen aus Ostpreußen zu vertreiben, ihnen von der Ost see bis zu den Karpathen entgegenzutreten, zu gleich Belgin zu überrennen, die verbündeten Armeen vyn der Sambre bis zur Marne zu treiben und nach dem Rückzüge an die Aisne diese Linie zu halten und selbst die rechte Flanke auszudehnen, dabei die Belagerung Antwerpens vorzubereiten und die Angriffe ge gen diese Stadt vorwärts zu führen." Finan-kripS in Pari-. Dem Pariser „Temps" zufolge berieten drei Pariser Stadträte in Bordeaux mit den Mi nistern wegen des riesigen Ausfalles in den Pariser Finanzen. Die Unterstützung Arbeits-- loser und von Frauen und Kindern Eingezo gener habe 12 Millionen bis jetzt verschlun gen. Zugleich sind die Erträge aus den Ver brauchssteuern um 60 Proz. zurückgegangen. Es droht ein riesiges Defizit. Die Pariser Handelskammer kritisiert die Schwierigkeiten im Postdienst. Es soll u. a. an Stelle der phar mazeutischen Präparate von Deutschland das französische Publikum aus französische und bel gische Erzeugnisse hingewiesen werden. * * * Sie Lage ia Galizien. Ein militärischer Mitarbeiter des „Neuen Wiener Tagblattes" schreibt über die jüngsten Ereignisse u. a.: Immer neue Teilerfolge zei tigt das entschlossene Vorgehen der verbünde ten deutschen und österreichisch-ungarischen Ar meen an beiden Ufern der Weichsel in der 250 Kilometer langen Nord-Süd-Operationslinie. Jetzt zeigt sich, daß die Konzentrierung unse rer Armeen nach Westen eine überlegene stra tegische Maßnahme bildete, um den lückenlo sen Anschluß an die deutsche Armee nördlich von Krakau zu sichern und mit vereinten Kräf ten dem Feind entgegenzutreten, wie es bei der Erstürmung des russischen Brückenkopfes Sandomier und bei der Zurückwerfung und Gefangennahme einer feindlichen Infanteriedi vision der Fall war. Trotz wiederholter, mit furchtbaren Verlusten verbundener Versuche ge lang es den Russen nicht, die Festung Przemysl zu nehmen, und wahrscheinlich werden sie in folge des Heranrückens unserer siegreichen Truppen im Westen der Festung die Belage rung gänzlich ausgeben. Ebenso wie hier auf dem polnisch-galizischen Kriegsschauplatz veränderte sich auch im Süden die Gesamtlage zu unseren Gunsten durch die entscheidende Niederlage, welche wir vier serbisch-monte negrinischen Brigaden beibrachten. Die Russen vor Przemysl blutig znrückgeschlagen. Dem Budapester Blau „Az Eft" wird auS Bukarest gemeldet: In hiesigen militärischen Kreisen will man auihentisch erfuhren haben, daß die Rusten, welche am Dienstag einen Sturm gegen die äußeren Festungswerke von PrzemySl unternommen haben, rund 40 000 Mann ver loren haben. Das Feuer der Festungsgeschütze war von mörderischer Wirkung Durch die Ex plosion der unterminierten Teile der Schanz- gräben sind Tausende von Rusten getötet worden. Die galizische Festung Przemysl, für deren Erkundung die Russen schon Millio nen an Spione aller Nationalitäten zahlten, ist die bedeutendste und stärkste aller österrei chischen Festungeir und schon infolge ihrer na türlichen Lage ein starkes Bollwerk. Da die Russen über Geschütze von der Wirkung un serer 42,5 Zentimeter-Mörser nicht verfügen, die Oesterreicher aber in ihren Motorbatterien ein sehr wirkungsvolles Geschütz besitzen, so ist es ganz ausgeschlossen, daß die Belagerer vor Przemysl Glück haben werden. Bei der erfolgreichen Verteidigung und der offensiven Tätigkeit der Besatzung ist vielmehr mit Sicherheit vorauszusetzen, daß die Russen wei tere schwere Verluste erleiden und schließ lich die Belagerung aufgeben werden. Da aber an der Weichsel Schulter an Schulter mit den österreichischen auch deutsche Truppen erfolg reich operieren, so ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, vielmehr recht nahe liegend, daß die gesamte russische Streitmacht vor Prze mysl abgeschnitten und entweder aufgerieben oder gefangen genommen wird. Die Niederlagen der Rusten beschränken sich nicht auf Galizien, sondern werden auch in Russisch-Polen und östlich von Suwalki zum Ereignis. Die Njemen-Armee, die nach ihrer Neuformierung aus der Linie Kowno-Grodno vormarschiert war und einen Angriff aus das von uns besetzte Gouverne ment Suwalki unternahm, wurde unter schwe ren Verlusten zurückgeschlagcn. Nachdem vor her der feindliche linke Flügel bei Augustow zurückgeworfen war, wobei 3000 Gefangene gemacht wurden, kam der feindliche Vormarsch zum Stehen; die deutschen Truppen unter der genialen Leitung des Generalobersten v. Hin denburg gingen zur Offensive iiber. Dank des jiingsten Erfolges unseres großen Strategen wurde der feindliche Angriff im ganzen Gou vernement Suwalki, also auch aus dem wei ter nördlich stehenden rechten russischen Flü gel, zurückgeworfen, wobei, wie schon in der Freitagsnummer gemeldet, die Russen außer den Toten und Verwundeten 2700 Gefangene und 9 Maschinengewehre verloren. In Rus sisch-Polen kämpften unsere mit den Oesterrei chern vereinigten Truppen siegreich bei Opa- tow, Sandomier und westlich von Iwangorod. Bei letzterem Orte gerieten 4800 Russen in Ge fangenschaft. Aus der großen Zahl der Ge fangenen erhellt die geringe Widerstandskraft der Rusten. Gegen diese befinden sich die Truppen der Verbündeten in breiter Front auf die Weichsel zu im Vormarsch. Iwan gorod ist eine an der Weichsel gelegene und durch acht Außenforts verstärkte Festung. Von diesen die Festung in einem Umkreis von 20 Kilometern umgebenden Forts sind die bei den im Südwesten vorgelagerten modern aus- gebaut ünd ausgerüstet. - Aus Ungarn sind die letzten geschlossenen feindlichen Kadres Herausgetrieben worden, kleine versprengte Abteilungen, die sich noch im Lande befinden, werden vernichtet oder gefangen genommen werden. Die großen Verluste der Rusten. In der amtlichen Ausgabe der Petersbur ger Telegraphenagentur vom 3. September werden die großen Verluste der Russen in der Lemberger Schlacht zugegeben. Es gab da-, nach so große Massen russischer Verwundeter, daß alle öffentlichen Gebäude zu ihrer Auf nahme nicht genügten. General Rote, der Kommandant der in Lemberg einrückenden Rusten, fiel in der Schlacht von Grodek. Zum russischen Oberkommandanten wurde General Rußki ernannt. Sehr viele Kanonen blieben, wie es in dem Berichte weiter heißt, in den Sümpfen stecken und fielen so in österreichische Hände. Der Einfall der Rusten i« Ostpreußen. Zu der Meldung, daß eine von Lomsha anmarschierende russische Kolonne Lyck erreicht hat, wird dem „Berl. Lokalanz." von seinem militärischen Mitarbeiter geschrieben: Eine kleine Kolonne kann natürlich in Ostpreußen zu jeder Zeit auftreten', da die Abstände zwi schen den von unserer Armee besetzten Stütz punkten in dem stark durchschnittenen Gelände beträchtlich sind und die große Ausdehnung der Grenze eine geschlossene Beobachtungslinie unmöglich macht. Handelt es sich dagegen um eine gemischte Kolonne von einiger Stärke, so muß unsere Stellung bei Ossowietz, Grajewo und Szcuczyn wenigstens in einem Falle eine Veränderung erfahren haben. Für eine von Lomsha kommende Kolonne gab es nur zwei brauchbare Straßen nach Ostpreußen. Die erste biegt 9 Kilometer nördlich Lomsha nach Nord westen ab und führt über Kowno direkt nach Johannisburg. Neun Kilometer südlich Jo hannisburg biegt von hier eine nach Nord osten streichende Straße ab, die auf Lyck führt. Wenn die russische Kolonne diesen Weg wählte, vermied sie alle unsere an der Grenze besetz ten Punkte, wie Szcuczyn und Grajewo; nahm jedoch die Kolonne ihren direkten Weg über Szcuczyn und Grajewo, so müssen diese Orte von uns geräumt gewesen sein, und es ist auch fraglich, ob in diesem Falle die Belage rung von Ossowietz unsererseits noch fortgesetzt wurde. Es ist sehr wohl möglich, daß wir die Truppen von den genannten Orten abzo gen, um sie an den Kämpfen auf der Linie Augustowo—Raczki—Suwalki—Wladislawow zu verwenden, die wahrscheinlich als die siegrei che Schlacht von Suwalki in der Kriegsge schichte vermerkt werden wird. Der Einfall einer einzelnen russischen Kolonne iiber unbe wachte Gelände in Ostpreußen ist deshalb zu nächst militärisch in keiner Weise tragisch zu nehmen, sondern als eins der unvermeidlichen, für die Gelamtentscheidung aber bedeutungslo sen Uebel zu betrachten, ohne die Grenzkriege nun einmal nicht zu denken sind. * * * Kampf den Spionen. DaS Wölfische Büro verbreitet folgende be herzigenswerte Mahnung: Schon in Friedenszeiten haben unsere Feinde alle Mittel angewandt, um unsere militärischen Geheimnisse zu erforschen, jetzt aber wird Deutsch land von Spionen geradezu überschwemmt. Am schlimmsten treiben sie es in der Nähe der Gren zen, aber auch im Innern des Landes sitzen sie in größeren Städten, namentlich in Festungen, Hafenplätzen, an wichtigen Eisenbahnlinien. Wie kann man dagegen kämpfen? Man achte auf jeden, der sich durch wiederholten oder längeren Aufenthalt auf Bahnhöfen und in der Nähe von Kasernen, Flugplätzen, Luftschiffhallen, Werften verdächtig macht. Man beobachte aber selbst auch Vorsicht und Zurückhaltung in der Unter haltung sowohl in der Oeffentlichkeit als auch im eigenen Kreise und bedenke, daß leichtfertige Mitteilsamkeit das Leben der eigenen Angehöri gen gefährden kann. DaS Fliegerattentat auf die Düstel- dorfer Luftfchiffhalle. Zu dem Erscheinen eines feindlichen Fliegers über einzelnen rheinischen Städten meldet die „Köln. Zig.": Bei Köln hatle es der Flieger an scheinend auf zwei Eisenbahnzüge abgesehen, die in der Nähe der Abfuhrtstelle standen, weil sic keine Einfahrt hatten. Bei Großkönigsdorf warf der Flieger aus 2000 Meter Höhe eine Bombe an die Nähe der Eisenbahnbrücke, ohne Schaden anzurichten. Geschoß scheint englischen Ursprungs zu sein. Der über Düsseldorf kreuzende Flieger war in Düsseldorf gemeldet worden, die Wach soldaten feuerten auf ihn, desgleichen wurde mit Maschinengewehren auf ihn geschossen. Der Flieger ging plötzlich sehr schnell herunter und es gelang ihm, eine Bombe auf das Dach der Lustschiffhalle zu werfen. Die Beschädigungen der Halle sind unbedeutend, ebenso ist daS in der Halle liegende Luftschiff selbst nicht erheblich beschädigt worden. Feindliche Flieger über Thüringen? Aus Kastel wird den „Leipz. N. N." gemeldet: Feindliche Flieger überflogen laut bahnamtlicher Mitteilung am Freitag vormittag der Bahnlinie entlang Thüringen. Die Meldung klingt uns nicht glaubwürdig. Daß feindliche Flieger sich so weit nach Deutsch land hereinwagen sollten, ist sehr wenig wahr scheinlich. Die ostpreutzifchen Schlachtfelder.- Zurückgewiefener Stnrmangriff. Der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung"