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VMM IIM KhkMnii-GriAhxltt Aiinßrr Tageblatt. MV«»«,««. Nr. 128 Sonnabend, den 7 Juni 1813 40. Jahrgang Sie neuen EntWnngen über Ewglands Hand in den Ba kanangelegen heiten haben überall Ueberraschung- ausgnlöst. Der nach Lage der Vsrhältnisse für die Tür kei nicht allzu ungünstige oder demütigende Friedensschluss ist ein Werk Englands, das dafür sozusagen die erste Hypothek aus Ara bien erhält. Die Türkei hat nämlich nach dem l ekannt gewordenen Staatsvevtrag außer einer ausgesprochenen Bevorzugung Englands in der Bagdadbahnangelegenheit den englischen Staats angehörigen in Südarabien besondere Vorrechte gewährt, sie hat sich ferner verpflichtet, in Kleinasien Reformen, die dem englischen Han del günstig sind, sofort vorzunehmen, den Stämmen Arabiens in ihren Autonomiebestrc- bungen entgegenzukommen und in persischen Fragen nach dem Wunsche Englands zu ver fahren. Wieder einmal ein Erfolg der englischen Diplomatie, dar friedlichen Eroberungskunst, die sehr, sehr lehrreich sein sollte! Deutsch land und England waren noch vor Ausbruch des tripolitanischen Krieges, der den des Bal kanbundes gegen die Türkei unmittelbar nach sich zog, Rivalen am Goldenen Horn. Dec deutsche Einfluß bei der Pforte ließ nach, ob tatsächlich infolge eines Drucks der öffentlichen Meinung Deutschlands, die in der Unter stützung der Pforte durch die Berliner Negie rung einen unrentablen, an die Burenfreund- scha-'t erinnernden Idealismus erblickte, soll dahingestellt bleiben. Die Türkei sagte die Freundschaft mit einer begreiflichen Erbitterung auf, nahm das englische Makleranerbieten gern an und verpfändete den größten Teil ihrer asiatischen und arabischen Interessen, auf denen die Stärke ihrer Zukunft beruht. Es ist zweifellos, daß die Türkei bei die sem Geschäft, wie man zu sagen Pflegt, übers Ohr gehauen worden ist. Das ist natürlich die Angelegenheit der Türkei. Aber die euro päische, speziell die deutsche Politik wird doch sehe berührt durch die neue Zusammenstellung der Dinge. Künftig wird keine asiatische An gelegenheit der Türkei verhandelt werden kön nen, ohne daß England noch gewichtiger als bisber mitspricht Und es ist nur ein zweifel hafter Trost, wenn man sieht, daß durch das Zugeständnis der Türkei, die persischen Fr - gen im persischen, d. h. also anti-russischen Sinne zu lösen, Rußland die Bewegungsfrei heit in Asien in gesunder Weise eingeengt wird. Immerhin ist bei der ganzen „Schic- lung" die nicht zu unterschätzende Tatsache lerausgesprungen, daß England von seinen es umwerbenden französischen und russischen Freun den abrückt. Aber von einer Annäherung an Deutschland ist vorläufig noch nicht viel zu bemerken. Oertliched und TiichfischeS * — Die Rosenzeit steht nahe be vor, in günstig gelegenen Gürten hat schon die Blumenkömgin auch zum Teil ihre Knos pen entfaltet. Der Juni ist der Rosenmonat, und es ist nur zu Würstchen, daß die Sonne nicht zu heiß brennen, Wind und Wetter nicht zu arg Hausen mögen, damit der Flor nicht so bald verschwindet. Das himmlische Naß bei den letzten Gewittern ist der deut schen Landwirtschaft nicht gleichmäßig zugute gekommen, es ist verschiedentlich Regen noch sehr nötig, während man anderswo genug hat. Die Rosenzeit gift als eine verhältnismäßig beständige, doch bringt der Juni nach Aus weis der Statistik die meisten Gewitter im Jahre. In diesen Tagen war der dreihun- oertste Jahrestag der größten Unwetterkata strophe, die das innere Deutschland in der neueren Zeit erlebt hat. Ende Mai 1613 vernichtete die sogenannte Thüringer Sintflut Taufende von Häusern und Vieh aller Art, auch an siebenhundert Menschen sind ertrun ken. Der Wolkenbruch, der alles überflutete, dauerte an zehn Stunden. Daß wir in die sem Jahre einen zu nassen Sommer haben werden, ist wohl kaum zu erwarten. Flieder und Rotdorn sind verschwunden oder im Ver schwinden begriffen, mit der Rose kommen die üppigen Diiste von Holunder, Jasmin uns anderen Gewächsen. Und in den duftenden Abenden und Nächten tauchen die Leuchtkäfer und Glühwürmchen auf, und die Nachtfalter beginnen ihre Hochzeitsreisen. Die Jahreszeit geht um den Johannistag aus der Periode des großen Blühens in das der sommerlichen Reife über, die in wenigen Wochen das erste reue Obst bringt. Und damit kommen wir aus den Tagen der Rosenpoefie in diejenigen der Ernte und des materiellen Genusses. Das erste halbe Jahr von 1913 ist nun bald da hin, es hat Unruhe, Aufregung und Opfer genug gebracht. Es kann nichts schaden, wenn die zweite Hälfte von einer besseren Seite sich zeigt. * — Schutz den Fluren! An man chen Wegen der Umgebung sieht man leider schon wieder häufig, wie das emporsprossende Getreide böswillig niedergetreteu ist, wodurch den Besitzern nicht unbedeutender Schaden zu gefügt wird. Beim Suchen von Blumen aber sollten Kinder und Erwachsene vorsichtiger sein und mehr Rücksicht auf das Getreide nehmen. Alljährlich wird von Feldbesitzern hierüber ge klagt. Beiläufig sollte man sich auch merken, daß solche Beschädigungen strafbar und für die Kinder die Eltern verantwortlich sind. *— Muß ein Geschäftsmann Nachnahmesendungen anneh - m en ? Ein Geschäftsmann hatte bei einem Reisenden einen größeren Posten Ware (Es- waren) bestellt. Zu seinem Erstaunen erhielt er die Waren unter Nachnahme zugesandt, weshalb er die Annahme des Paketes verwei gerte. Die Firma bestand jedoch auf Abnahme und erhob Klage. Diese wurde vom Gericht kostenpflichtig abgewiesen und begründet: daß kein Besteller von Waren verpflichtet sei und werden könne, diese anzunehmen, wenn sie unter Nachnahme zugesandt werden, weil das gesetzliche Recht bestehe, die Ware vorher zu prüfen! * — Von eigenartiger A u ß f a f- sung eines Gerichts zeugt ein Vor fall, der in Handwerkerkreifen lebhaftes Be fremden erregt. Ein Handwerksmeister war als Zeug: geladen und es wurden ihm für eine mehrstündige Versäumnis pro Stunde 45 P g. (!) Zeugengebühr zugebilligt. Als er gegen diese Berechnung Beschwerde einlegte, wurde er angewiesen, und zwar kam das Ge richt zu der merkwürdigen Begründung, daß für einen Handwerksmeister im Durchschnitt ein Verdienst von 35 Pfg. pro Stunde ange messen sei. Diese Entscheidung wird in allen Handwerkskreisen lebhaftes Befremden und all gemeines Kopfschütteln erwecken, und es ist die Begründung um so eigenartiger, als doch Wohl hinreichend bekannt sein dürfte, daß der Handwerksmeister für seinen Gehilfen durch weg schon erheblich mehr als 35 Pfg. Stun- -enlohn zahlen muß. Wünschenswert wäre, wenn sich einmal die Handwerkskammern mit dieser sonderbaren Entscheidung befassen würden. * — Das Jahresfest des Leip ziger Hauptvereins der G u st a v Adolf-Stiftung soll vom 22. bis 24. Juni in Markneukirchen i. V. gefeiert wer den. Mehrere Geistliche aus Böhmen, Schle sien, Posen, Lothringen, Oberösterreich wer den am Sonntag, den 22. Juni in der Fest stadt und den umliegenden Ortschaften die Vormittagsgvttesdienste halten und dadurch g eich am das Fest einläuten. Am Abend des 22. und 23. Juni sollen öffentliche Volksver sammlungen stattfindcn. Für Montag vormit tag ist die beratende Versammlung festgesetzt. Am Dienstag folgen zwei Gottesdienste, f49 Uhr der Kindergottesdienst und ^11 Uhr der Festgotlesdienft, zu denen sich die Teilnehmer im Festzuge begeben. Für Dienstag nachmit tag ist ein Ausflug nach Bad Elster geplant. Eine besondere Anziehungskraft wird das Fest dadurch bekommen, daß außer den Abgeord neten der 50 Gustav Adolf-Zweigvereine auch viele Vertreter der in katholischen Ländern zerstreut wohnenden evangelischen Gemeinden teilnehmen und in den Volksversammlungen über ihre Gemeinden berichten wollen. Auch die beiden Festprediger kommen ans weiter Ferne; den Kindergottesdienst hü Herr Pfarrer Czcrwenzel aus Jaroslau in Galizien und die Predigt im Festgottesdienst Herr Kon- sistorialrat Dr. Hoffmann aus Posen über nommen. Mehr als 200 evangelische Gemein den in katholischen Ländern hoffen und war ten daraus, daß ihnen von den Gaben, die bei dem Fest zur Verteilung kommen, etwas zufallen wird. * — Vom Gießen mit dem S chl a u ch. Der Schlauch spritzt zu viel und gießt zu wenig, schreibt Johannes Böttner im praktischen Ratgeber. Aber bei solcher Dürre müssen wir viel Wasser geben, schnell und bil lig arbeiten, das geht nur mit dem Schlauch. Hierfür stellt Böttner folgende vier Grundsätze aus: 1. das Mundstück nicht nach unten hal ten, sondern nach oben; 2. gründlich und gut wässern, in der Minute nicht mehr als zwei Quaidrgtineter Fläche; 3. das Land zum Anf- uehmen des Wassers vorbereiten; 4. die Rän der und Ecken besonders berücksichtigen. Gar tenfreunde, die ihren Gallen mit Hilfe des Schlauches gut unter Wasser halten wollen, können eine Nummer mit dem Aufsatz über Wässern von der Geschäftsstelle des Praktischen Ratgebers im Obst- und Gartenbau in Frank furt a. O. kostenfrei erhalten. * Siegmar, 5. Juni. Vergangene Nacht in der 1. Stunde kam von Stelzendorf her ein Chemnitzer Automobil. In der Nähe der Jagd schenke fuhr es an zwei quer über die Straße liegende Holzkiötzer, dadurch geriet das Auto in Brand, durch den es vollständig vernichtet wurde. * Chemnitz, 6. Juni. Ein beklagenswerter Unfall widerfuhc gestern vormittag der hier, Lercheniftraße 15, wohnhaften Familie Weigelt. Das zwei Jahre alte Töchterchen Weigelts, das zu dieser Zeit auf dem Wilhelmvlatze spielte, lief an ein dort vorüberfahrendes zwenpänniges Lastgeschirr heran, kam dabei zum Fallen und es ging ihm das rechte Hinterrad des Wagens über den rechten Fuß. Der Fuß mnsamt dem Gelenk war fast vollständig zermalmt und wurde das verunglückte Kind alsbald d urch die Rettungs wache dem Krankenhaus zugenihn. * Oberwürschilitz, 5. Juni. Interessante Funde machte der Hausbesitzer Thümmel auf seinem hier am Waldesrande bei Höhlteich gelegenen Grundstück. Beim Brunnengraben sand er vor einigen Wochen ein etwa ein Meter langes, stark verrostetes Schwert, der Farm nach ein Schwcdenschwert. Jetzt wurden unweit dieser Stelle ein Gewehr, mehrere alte Zivilsachen mit Gravierungen aus dem 16. Jahrhundert, sowie eine fünf Meter lange hölzerne Wasserrohre mit Jahreszahl aus derselben Zeit gefunden. Ver mutlich stammen diese Gegenstände aus dem Dreißigjährigen Kriege. Bemerkenswert ist es, daß eine Ortschaft dieser Gegend, genannt „Die Volgen", seit dem Kriege vom Erdboden spurlos verschwunden ist. * Zwickau, 5. Juni. Am Dienstag abend entluden sich, nachdem den Tag über erdrückende Schwüle geherrscht hatte, in dec hiesigen Gegend mehrere schwere Gewitter, die besonders nach Im Labyrinth des Lebend. Roman von M. Kneschle-Tchönau. IU. stortsttzung. (Nachdruck verhütend „Grausam und feiges murmelt sie mit zuckenden Lippen lind stiert verzweifelt in die grüne Wildnis des Gartens hinab. „Er wird bald wieder kommen," tröstet sie sich selbst. Er muß! ja. Er kann sie doch nicht verlosten, überhaupt jetzt, wo er weiß, daß — —. O Himmel! Sie ist doch sein angetrautes Weib! Wie können ihr nursolcke furchtbaren Zweifel kommen? Sie ist krank, überreizt — ja, ja, das ist es nur allein. Ein kalter Schauer iagt ihr durch die Glieder. Froftbebend lehn. sie in das Bett zurück. Nur nicht ernstlich krank werden, jetzt, Ivo sie so allein ist! Nur das nicht! Was soll s e beginnen? Sie weiß genau!, daß Cedrik nur noch über ganz geringe Geldmittel verfügt hatte; der Tag der fälligen Bierteljahrsrate stand ja dicht bevor und er hatte sich bereits in Sorge verzehrt, ob das Geld eintreffcn werde. Das wenige was er noch besaß, wird er zur Reise gebraucht haben und ist sie nun mittellos der Gnade dieser fremden Menschen preisgegeben. Die Miete ist noch für einen Monat be zahlt, aber von was leben? Das Blut steigt ihr siedendheiß ins Gesicht bei dem Gedanken, daß die Wirtsleute Bezahlung verlangen könn ten und sie mit leeren Händen vor ihnen stehen müßte. Wie würde Giovanna hohnlächeln. Das Mädchen ist ihr unheimlich, aus seinen Augen funkelt ihr stets etwas feindseliges ent gegen. Sie hat keine Ruhe mehr im Bett. Trotz ihrer Schwäche kleidet sie sich hastig an. In dem, bringt Giovanna die Suppe und wieder bemerkt sie den lauernden Ausdruck in deren Augen. Eine furchtbare Unruhe packt sie. Widerwillig ißt sie die dicke Tomatensuppc. Sie schmeckt abscheulich, aber sie sättigt wenige stens. Während des Essens kommt ihr ein Gedanke. Sie hat ja noch allerhand Schmuck sachen und drüben in Riva gibts gewiß ein Leihamt. Das ist ein Ausweg. Erleichtert durch diesen Eustall kramt sie die wenigen Gegenstände zusammen und birgt sie in der kleinen Ledertasche, die sie damals bei ihrer Flucht aus dem Hause der Dante be gleitet hatte. Gott, welche Erinnerungen ruft diese kleine Tasche hervor! Ein Paar Tränen tropfen niit hinein, als sie nun, einem plötz lichen Impuls gehorchend, auch noch das alte, abgegriffene Gesangbuch der Mutter in die Tasche schiebt. Es sind jetzt dieselben Sachen wie damals, nur noch eine kleine Brosche in Gestalt einer Malerpalefte, die verschiedenen Farbentupfen durch winzige aber echte Edel steine dargestellt, ist noch dabei. Cedrik hat sie ihr in Florenz gekauft, ganz zu Anfang ihres dortigen Aufenthalts. Sie war zum ersten Male eifersüchtig auf ein Modell gewe sen und hatte von ihm verlangt, die Malerei custzugehen und geweint und geschmollt tage lang. Endlich hatte sie seinen ernsten Vor stellungen! gegenüber ihren Trotz fallen lassen müssen — die kleine Brosche harte er ihr bei der Versöhnung geschenkt und auch das Da tum des Tages auf die Rückseite gekritzelt. Ach, das waren noch selige Stunden ge wesen! Und jetzt mußte sie den kleinen Zeu gen dieser Stunden aufs Leihamt tragen, um — — — Ach, fort mit den trüben Gedanken. Es wird ja alles wieder gut werden, wenn Cedrik nur erst wieder zurück sein würde. Sie setzt den Hut wieder auf, ergreift Handschuhe und Regenschirm und ist schon im Begriff, das Zimmer zu verlassen. Da fällt ihr Blick noch einmal in den Spiegel- Sieht es nicht aus, als ob sie verreisen wollte und würde das nicht den Argwohn der Wirtin er wecken? Nein, die Tasche durfte sie nicht sehen lassen. Rasch zieht sie den leichten Staubmantel mit der langen Pelerine über und klemmt die Tasche unter den linken Arm. Nun erscheint sie nur wie zu einem Spazier gang« gerüstet und das ist gut, denn kaum ist sie aus die Straße getreten, als sowohl die Wirtin, als auch Giovanna herbeigelaufen kom men, nm sich nach dem Ziel ihres Weges und ihrer Rückkehr zu erkundigen. „Nur einen kleinen Spaziergang am See Null ich machen," erwidert Gabriele und fügt freundlicher als sonst hinzu: „Die Luft ist jetzt nach dein Gewitter köstlich und wird meinem armen Kopfe wohl tun." Noch ein leichtes Nicken des Hauptes, dann geht sie langsamen Schrittes von dannen. Arglos sehen ihr die beiden Frauen nach und kehren dann zu ihrer Arbeit im Garten hinter dem Wirtzlause zurück. Nur eine kurze Zeit verfolgt Gabriele den Strandweg, dann biegt sie links ab und gehr in derselben Richtung in der sie gekommen, aber hinter den Häusern des Ortes, zurück und die Straße nach Riva weiter. Da sieht sie drunten am Strande den kleinen Beppo, des Fischers Sohn, der sie ost mit Cedrik in den See hünausgerudert, im Sande liegen und mit kleinen Steinen nach dem angekctteten Boote werfen, das lustig auf dec blauen Flut schaukelt. Sie gesellt sich zu dem Knaben und fragt durch Geberden — er versteht kein Wort Deutsch — nach seinem Vater. Der Bursche deutet in südlicher Richtung nach dem See hinaus und gibt zu verstehen, daß der Vater erst in der Nacht zurückkehrt. Das ist dumm. Gabriele wäre so gerne nach Riva mit dem Boote gefahren. Das Geben ermüdet sie zu sehr. Einen Augenblick überlegt sie, ob sie nicht allein hinüber rudern könnte. Gewiß, das geht. Sie ist früher viel gerudert und der See ist wenig bewegt, auch die Entfer nung nicht sehr groß. Rasch entschlossen bedeutet sie dem faul in die Sonne blinzelnden Knaben, das Boot lcs- zuketlen. Er will nicht, glaubt, daß er rudern soll und ist viel zu träge dazu. Erst a s er versteift, daß Gabriele selbst rudern w'll, ist er willfähriger. Doch ehe er die Kette löst, blickt er prüfend zum Himmel auf und zeigt auf eine dunkle Wolkenwand im Westen. Gabriele wird aus seinem Kauderwelsch nicht klug, versteht aber endlich den Sinn. Er will vor einem bevorstehenden Sturme warnen, der seiner Fingersprache nach in 3 bis 4 Stunden ausbrechen wird. Gabriele schüttelt sorglos das Haupt. Da will sie ja längst zurück sein. Sie unterschätzt die Entfernung und überschätzt ihre Kräfte. Leichtfüßig springt sie in das Boot und er faßt die Ruder, um sic dann weit ausgreifend in die klare, blaue Flut zu rauchen. Die regelmäßige Bewegung tut ihr gut. Wohlig atmet sie die reine, feuchte Luft und schaut entzückten Blickes auf die schimmernde Flut und das malerische, stetig zurückweichendc Ufer. Der Beppo wird immer kleiner und kleiner, jetzt erscheint er nur noch als dunkles Pünkt- chen auf den: Hellen Sandstrande. Allmählich beginnt das Rudern doch an zustrengen. Gabriele läßt die Ruder füllen, um den Mantel abzulegen, der sie belästigt. Der See ist doch bewegter als sie geglaubt hat, das kleine Boot wird tüchtig hin und hergeworfen. Das Schaukeln verursacht ihr nach einiger Zeit Schwindel. Das Ufer von Riva liegt greifbar nahe und doch kommt sie nicht näyer, trotz aller Anstrengung. Ermattcc läßt sie immer öfter die Ruder sinken und das Boot treiben. Aber dann ist das Schaukeln noch stärker, noch unerträglicher. Ob sie lieber umkehrt? Sie mißt mit den Augen die Ent- scrnung. Sic hat ungefähr die Hälfte der Strecke erreicht, also die Anstrengung ist die gleiche, ob sie nun vor- oder rückwärts fährt. Alto vorwärts! Sie muß nach Niva! Außer der Verpfändung der Schmucksachen hat ^sic noch eine andere Mission dort zu erfüllen. >^ie erwartet auf der dortigen Post einen Brief von Hermine. Heimlich, ohne Wissen und gegen das Verbot ihres Gatten hat sie vor einigen Tagen an die alte, treue Seele ge schrieben und zwar wie verabredet, unter der Adresse von Hermines Tochter in Erfurt. Eigentlich kann sie noch keine Antwort erwar ten, da der Brief doch erst nach Wiesbaden, oder Iver weiß, Ivo tue Tante jetzt weilt, nach gesandt werden muß, aber die Ungeduld treibt sie, heute schon nachzufragen. (Fortsetzung folgt.)