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sich «tigern, in dem Parteiblatt Anzeigen zu ver öffentlichen. Die Verhängung de» Boykott« dürfe nur nach sorgfältiger Prüfung der Verhältnisse durch Beschluß der organisierten Arbeiterschaft de» Orte« resp. de« Kreise« geschehen. Ntemal« könne und dürfe ein Verlag oder Redaktion eine« Partet- blatte« einen so gewagten Versuch auf eigene Hand in Szene setzen, durch den den Gegnern Waffen in die Hand gedrückt werden, deren Anwendung die Partei schwer schädigen müsse. — Soldatenmtßhand'ui.gen beschäftigen, wie mitgeteilt, soeben die bayerische Abgeordnetenkammer, wobei Kriegeminister v. Asch erklärte, seine aus Einschränkung der Mißhandlungen gerichteten Be strebungen seien erfolglos geblieben. Die sozial demokratische Partei wird nun folgenden Antrag einbringen: Die Kammer wolle beschließen, da« Krteg«ministerium zu ersuchen, dahin zu wirken, daß Offiziere und Unteroffiziere, deren Mitschuld, sei e« durch aktive Beteiligung, sei e» durch Mangel an pflichtgemäßer Aussicht, an systematischen Soldaten mißhandlungen nachgewiesen ist, unnachsichtlich au« dem Heere entfernt werden. — Au« Ostasien treffen am heutigen Dien«tag 1100 Offiziere und Mannschaften rckt dem Dampfer „Silvia" in Hamburg ein. General v. Boek-Po- lach begrüßt sie im Namen de« Kaiser«. Amerika. — Die Union«regierung hat schnell erreicht, wa« sie mit ihrer Unterstützung der Lo«lösung Panama« von Kolumbien beabsichtigte. Eine Depu tation von Bevollmächtigten der neuen Republik begibt sich bereit« am heutigen Dien«tag nach Washington, um mit der dortigen Regierung über einen Jsthmu«»Kanal-Vertrag zu unterhandeln. — Wie au« Newyork gemeldet wi.^, entlassen die Jllinoi«-Stahlwerke 2000 Arbeiter, die Phila delphia and Reading Company und diverse Eisen werke ebensoviel. Die Kindesunterschiebung der Gräfin Kwiletkn vor Gericht. Elfter Tag. Berlin, 9. November. Es sind noch immer über 100 Zeugen zu vernehmen. Der Zuschauer raum ist bei Eröffnung der Sitzung bis auf den letzten Platz gefüllt. Das Publikum wird vom Gerichtsboten darauf hingewiesen, daß der Gebrauch von Operngläsern während der Verhandlung unter- allen Umständen verboten ist. Unter den auf gerufenen Zeugen befinden sich die beiden Komtessen Isabella und Maria Kwilecka, ferner der kleine Graf Josef Wesierski-Kwilecki und der angebliche Bruder desselben, Sohn der Weichenstellerin Cäcilie Meyer. Bezüglich der letzteren teilt der Vorsitzende auf Befragen der Verteidigung mit, daß er be absichtige, sie an einem der nächsten Tage zu ver nehmen. In der Zeugenvernehmung wird fortgefahren'. Der letzte MajoratSherr. Gutspächter Schmidt bestätigt die kürzlich durch einen Beweisantrag aufgestellte Behauptung, daß der angeklagte Graf bei einer Gelegenheit gesagt habe: er sei der letzte Graf Wesierski-Kwilecki, der Majoratsherr auf Wroblewo sei. Es sei dies zu einer Zeit gewesen, als der kleine Graf bereits in der Familie war. Die Fraus des Zeugen habe gefunden, daß der Graf dies Wort mit einer ge wissen Wehmut gesprochen habe. Der Angeklagte bestreitet nochmals, daß, wenn er eine solche oder ähnliche Bemerkung gemacht haben sollte, diese eine irgendwie verfängliche Be deutung gehabt habe. Nach den Bestimmungen des Fideikommiß-Vertrages sei er der letzte, der als Majoratsherr von Wroblewo sich Graf Wesierski-Kwilecki nenne. Sein Nachfolger — auch sein Sohn — dürfe sich nur Kwilecki nennen. Die weiteren Erörterungen drehen sich wieder um die Frage, ob die alte Andruszewska am 27. Januar 1897 verreist war oder nicht. Eine 76 Jahre alte Frau Wilhelmine Kaczek, die etwa 24 Jahre auf Wroblewo ist und jetzt Unterstützung vom Ortsarmenverbande erhält, behauptet, daß die alte Andruszewska nicht verreist, sondernanwesend war, als die Depesche von der Geburt des jungen Grafen in Wroblewo eintraf. Auch dieser Zeugin wird vorgehalten, daß sie doch unmöglich eine so bestimmte Behauptung ausstellen könne, sie erklärt aber, daß sie in der Küche immer von der alten Andruszewska ihr Mittagbrot zugeteilt erhalten habe. Sie erinnere sich nicht, das letztere verreist gewesen sei. Weiter erklärt diese Zeugin, daß die Hedwig Andruszewska mit ihrer Mutter nicht gerade sehr gut gestanden, sondern sich häufig mit ihr gezankt habe. Die Aehnlichkeit. Zur Frage der Aehnlichkeit äußert sich Gerichts arzt Dr. Störmer. Er sei der Ansicht, daß die Frage, ob eine Aehnlichkeit des kleinen Grafen Josef Kwilecki mit der Gräfin oder mit dem Sohne der Cäcilie Meyer vorliegt, auf eine sicherere Basis gestellt werden müsfe, als dies nur von einem Herrn geschehen kann, der nur vom ästhetischen Standpunkte aus urteilt. Vielleicht könne doch die medizinische Wissenschaft zu Hilse kommen, da es ja außer Stammeseigentümlichkeiteu im ganzen Körperbau, in der Nase, in den Zähnen gebe, die sich durch die medizinische Wissenschaft feststellen lasse, ferner könne festgestellt werden, ob ein Mutter mal vorhanden sei und dergleichen. — Er würde deshalb vorschlagen, eine aus zwei Gerichtsärzten, vielleicht auch dem Professor Dührssen, der die Cäcilie Meyer entbunden hat, und einem Porträt maler bestehende Kommission mit der Prüfung der Aehnlichkeitsfrage zu beauftragen. Ernennung einer Kommission. Der Gerichtshof beschließt, die Gerichtsärztc Dr. Störmer und Professor Dr. Straßmann, sowie den Porträtmaler Professor Vogel mit der Prüfung der Aehnlichkeitsfrage zu betrauen. Der Verteidigung und der Vertretung der Staatsanwaltschaft soll Gelegenheit gegeben werden, den betreffenden Untersuchungen beizuwohnen. Die alte Zeugin Kaczek wird nochmals vor- gerufen und der Vorsitzende ersucht sie, sich noch einmal in aller Ruhe zu überlegen, ob sie jetzt noch sagen wolle, daß die alte Andruszewska be stimmt am 27. Januar in Wroblewo gewesen sei, sie habe doch verschiedenartige Aussagen darüber gemacht und schließlich ausgesagt: „Sie erinnere sich nicht". Die Zeug'n erklärt, daß sie bestimmt wisse, daß die Andruszewska weder am 27. Januar noch einige Tage vorher verreist war. Nunmehr folgt eine Gruppe von Zeugen, die über die Vorgänge in Krakau Bezug haben. Magistratsbeamter Gracze aus Krakau ist der Sohn der verstorbenen Hebamme Graczinska, oie angeblich die Andruszewska zu der Hebamme gebracht haben soll, welche den Knaben der jetzt verehelichten Cäcilie Meyer für die Gräfin abge geben haben soll. Er schildert di« Vorgänge, wie der Agent Herbelski nach Krakau gekommen, ihn ausgesucht und seine Nachforschungen angestellt hat, in derselben Weise, wie es dieser schon getan. Er selbst wisse aus eigener Wissenschaft nichts und habe dem Hechelski sein Bedauern darüber ausge sprochen, daß er nicht einige Wochen früher ge kommen sei, daß er sämtliche Briefe usw., die auf die Angelegenheit Bezug hatten, vernichtet habe. Er habe dann dem Hechelski Anhaltspunkte gegeben, wie er bei seinen Nachforschungen weiter zum Ziele kommen könne und dieser habe dann seine Recherchen (in der von ihm geschilderten Weise) fortgesetzt. Hechelski habe ihm gegenüber in der Beziehung nicht ganz Wort gehalten, als er ihm gesagt hatte, er werde keine Ungelegenheiten von seinen Mit- Leitungen haben und nun sei er doch als Zeuge hierher geladen worden. Auf Befragen der Verteidigung erklärte der Zeuge, daß seine Mutter öfter solche Sachen mit Hebammen und Ammen gehabt habe. Zeugin Frau Anna Kozasczyck weiß von der Schwester der jetzt verehelichten Cäcilie Meyer, daß letztere einem Kinde, das Leo Parcza getauft wurde, das Leben gegeben habe. Die Schwester, Frau Kurek in Krakau habe ihr weiter erzählt, daß ihre Schwester ihr zugestanden habe, den Knaben an eine Gräfin verkauft zu haben. Der Knabe sei von einem Offizier gewesen; die Schwester habe behauptet, sie hätte 100 fl. dafür erhalten. Die Zeugin besinnt sich auf Befragen des Justiz- rals Wronker mit aller Bestimmtheit darauf, daß dies im Jahre 1897 gewesen sei. Der Verteidiger will wissen, woher denn nun diese Zeugin sich dieses sieben Jahre zurückliegenden Vorganges so genau entsinne. Die Zeugin gibt als Anhaltspunkt an, daß sie damals noch ein Kaffeehaus besessen habe. Sie habe selbst mit augehört, wie der Ehe mann der Frau Kurek, Schwager der Cäcilie Parcza, dieser und seiner Frau Vorwürfe gemacht und geschimpft habe: „Ich werde euch schon zeigen, du hast ein Kind gehabt und hast es verkauft, ich kenne eure Geschichten und werde euch noch odent- lich reinbringen." Frau Kurek aus Krakau bestätigt die Aussage der Vorzeugin. Ihre Schwester Cäcilie habe im Jahre 1897 einen Knaben geboren, dessen Valer derselbe Offizier gewesen, von dem sie schon einmal ein Kind hatte. Eines Tages, als sie ihre Schwester- besucht, habe sie diese in Tränen vorgefunden und ihr gesagt, sie solle doch nicht weinen, das könnte doch dem kleinen Leo, den sie zu stillen habe, schädlich werden. Da habe ihr die Schwester unter dem Zeichen der Traurigkeit eingestanden, daß sie den kleinen Leo gar nicht mehr habe, sondern sich leider habe dazu verführen lassen, das Kind für 100 Fl. an eine Gräfin zu verkaufen. Die Dame, die das Kind geholt, habe gesagt: die Gräfin würde sich freuen, weil das Kind ihrem Schwiegersohn sehr ähnlich sehe. Die Schwester habe ihr gesagt, sie wisse nicht, wohin das Kind gekommen sei, doch habe sie von einer polnischen Gräfin gesprochen. Richtig sei es, daß ihr Mann über die Weggabe des Kindes gescholten habe. Die Schwester habe die Tatsache auch bedauert, aber gesagt, die ganze Sache sei sehr schnell vor sich gegangen und habe kaum eine halbe Stunde in Anspruch genommen. Es werden eine Reihe von Zeugen aus Krakau über dasselbe Beweisthema vernommen, die aber keine wesentlichen Angaben machen können. — Danach wird die Verhandlung auf Dienstag vertagt Schöffengerichtssitzttng vom 10. November 1903. In der Strafsache gegen den in Hohenstein- Ernstthal geborenen A-beiter Johannes Friedrich Erich Tröltsch wegen unbefugten Auswanderns wird die Verhandlung aufgehoben. Der Bergmann Hermann Frei aus Gersdorf entwendete am 15. Oktober aus der Mannschafts stube der Kaisergrube die Hose eines Arbeiters, in welcher ein Geldtäschchen mit 1,70 Inhalt und ein Ring steckten. Es ist dieserhalb gegen ihn Anklage wegen Diebstahls erhoben und wird der- selbe, als noch nicht vorbestraft, zu 8 Tagen Ge fängnis und zur Tragung der Kosten verurteilt. In der Strafsache Geißler, in welcher zu der vorigen Verhandlung die Zeugen nicht erschienen waren, muß abermals Vertagung eintreten, da heute der Angeklagte nicht erschi nen ist. Am 9. August d. I. entwickelte sich eine wüste Schlägerei vor dem Vergnügungslokal „Bergmanns gruß". Hervorgerufen wurde dieselbe dadurch, daß der Bergarbeiter Adolf Bieler, welcher den Saal des Lokales verlassen wollte, daran durch den Maurerpolier Vogel gehindert wurde, da derselbe sich vor der Tür aufgepflanzt hatte. Dadurch, daß die Tür durch Bieler geöffnet wurde, bekam Vogel einen Stoß, woraus sich ein Wortwechsel mit nachsolgender Keilerei entwickelte. Daraufhin erhielt Bieler wegen Verübung groben Unfugs ein polizeiliches Strafmandat, gegen das er richterliche Entscheidung beantragt hatte. Aus der Verhand- lung geht aber die Schuld des Angeklagten betreffs Verübung groben Unfugs klar hervor und nur seine Unbescholtenheit schützt ihn vor höherer Strafe. Er wurde zu 5 Mk. Geldstrafe event. 1 Tag Haft und zur Tragung der Kosten verurteilt. Gegen den Strumpfwirker Anton Helbig aus Oberlungwitz ist Strafantrag wegen Sachbeschädi gung und Verübung groben Unfugs gestellt und zwar soll er sich genannter Straftaten auf dem Gehöfte bezw. im Hause seines früheren Arbeitgebers, des Fabrikanten Heber, schuldig gemacht haben. U. a. hat er eine Tür durch Dagegenschlagen mit einem Gegenstand demoliert. Der Angeklagte will dazu gereizt worden sein durch die Frau des Fa brikanten. Als er nämlich bei seinem Wohnungs wechsel, er wohnte im Hause des Arbeitgebers, seine Sachen bis auf einen Schrank ausgeräumt hatte, verhinderten ihn die Heberschen Eheleute an der Fortschaffung des letzten Stückes wegen rück ständiger Miete. Aus Wut darüber zerschlug er den Schrank und führte eine Skandalszene auf. Das Gericht verurteilte den Angeklagten zu 20 Mk. Geldstrafe event. 4 Tagen Haft und zur Tragung der Kosten. In der Privatklagesache der verehel. Schw. gegen die Händlerin Magdalene U., beide in der Aue wohnhaft, verurteilte das Gericht die Händ lerin U. zu 25 Mk. Geldstrafe und zur Tragung der Kosten. Außerdem steht der Schw. die Be fugnis zur Veröffentlichung des Urteils 3 Wochen lang an der Gerichtstafel hierselbst zu. Oertliches und Sächsisches. Hohenstein-Ernstthal, 10. November. * — St. Martinstag. Der heutige 10. Nov. gehört als Martinstag zu den volkstümlichsten Tagen des Jahres. Er ist dem heiligen Martin von Tours geweiht (400 gestorben), einem der be deutendsten Bischöfe der alten christlichen Kirche, der trotz seiner persönlich asketischen Neigungen auf allen möglichen Gebieten einen rastlosen Schaffensdrang betätigte. Als Heidenmissionar, Volksarzt, Mönchsvater genoß er ebensoviele Er- folge, wie als gerechtigkeitsliebender Bischof. Sein Andenken lebte zumal im Abendlande fort und wurde durch manche Sage ausgeschmückt. Schon 590 sah sich die Kirche veranlaßt, allerhand heid nischen Unfug zu verbieten, der am Martinstage getrieben wurde. Aber alles Eifern der Geistlich keit war, wie immer in solchen Fällen, ganz ver geblich, und so blieb auch hier nichts übrig, als das heidnische Element allmählich christlich um zudeuten. Die noch heute üblichen Martinsbräuche, wie Martinsgans, -Feuer, -Pferd-, Hammer, -Wein, -Gerste, -Vogel, -Horn usw. zeigen sämtlich jene eigentümliche Mischung von altheidnisch-germanischem Volksglauben, der an Odin anknüpfte, mit christ lichen Vorstellungen. Die Schmausereien am Martinstage, mit denen der alle Weltlust abtötende Bischof von Tours doch wahrlich nichts zu tun haben kann, hängen unstreitig mit alten deutschen Herbstfesten zusammen, wo man Schlacht- und Trankopfer darbrachte. Wenn die Landbevölkerung mit besonderer Zähigkeit an Martini noch hängt, so erklärt sich das daraus, daß ja um diese Zeit das Einschlachten eines Teils des Viehbestandes so wie so vorgenommen werden muß, und da ist's für den Landmann, der jetzt endlich einmal etwas ausruhen kann, eine willkommene Gelegenheit zum Festefeiern. In einigen deutschen Gegenden hat man an Stelle St. Martins unwillkürlich unseren Martin Luther gesetzt, z. B. in der Nordhausener Pflege, wo man auf ihn auch die im Hannover schen bekannten Verse anwendet: „Herr Martin kommt, der brave Mann, zünd' hunderttausend Lichter an!" In rheinischen Gegenden ist Martini hauptsächlich ein Kinderfest. * — Gestern abend veranstaltete der hiesige Männergesangverein „Arion" im Altstädter Schützen hause ein Wohltätigkeitskonzert zum Besten der Gemeindediakonie. Der Besuch hätte in Anbetracht der guten Sache allerdings ein besserer sein können. Eröffnet wurde der Abend mit dem packend vor getragenen Liede für Männerchor „Der Gesang". Darauf brachte Herr Schröder das immer wieder neue Konzertstück: „OLVuIIkiia lustikullL^ auf dem Klavier zum Vortrag. In diesem Stück hat der Komponist Mascagni etwas geschaffen, das seine Wirkung aus die Zuhörer nicht verfehlen kann. Herr Schröder verstand es, durch sein vor zügliches Spiel dieselbe nur noch mehr zur Geltung zu bringen. Die Zuhörer kargten deshalb auch nicht mit ihrem Beifall. Als dann das Quartett des Gesangvereins das gefühlvolle Lied „Die Rosen" zu Gehör gebracht hatte, ^.da zwang abermals an- h. ltender Applaus die Sänge» m einer Zugabe, welche in dem Volksliede „Ich möchte heim" ihren Abschluß sand. Der Gesangverein „Arion" besitzt in seinem Quartett und besonders in dein Tenoristen, Herrn Vogt, entschieden tüchtige Kräfte. Die von den Herren Pfefferkorn und Fille auf Schlag- und Streichzither harmonisch vorgetragene Programm nummer „Denkst du noch jener Abendstunde?" verfehlten ihre Wirkung auf die Zuhörer..benfalls nicht. Nach dem Verklingen der beiden Volks lieder „Der Schweizer" und der „Soldat" für Männerchor endete der erste Teil des Programms und auch der zweite schloß sich dem vorangegangenen würdig an. Erwähnen wollen wir vor allem das Trompetenguartett mit Posaunen von Schubert und das Baritonsoto, von Herrn Lohse gesungen. Bei dem Duett „Abendfrieden" hätte wohl die Klavierbegleitung etwas leiser sein können, auch war die Aussprache der Duettisten nicht recht ver ständlich. Im großen und ganzen jedoch kann man das Konzert als vorzüglich bezeichnen; man merkt, daß der Leiter des Gesangvereins, Herr Neumann, den richtigen Wert des Volksliedes zu schätzen und anzuwenden weiß. Und daß unsere Musikkenner das zu schätzen wissen, das bewies der stürmische Beifall nach jeder Gesangsnummer. — Ein flotter Ball beschloß den Abend. Vielfach wurde der Wunsch nach einer Wiederholung dieses Konzertes laut, welchem auch wir uns gern an schließen. * — Militärverein König Albert Gestern abend hatten sich die Mitglieder des Militärvereins König Albert zur Feier ihres 27. Stiftungsfestes im Saale des Logenhauses zahlreich eingefunden. Die Feier wurde eröffnet durch gutgewählte und von der Naumannschen Kapelle vorzüglich vor getragene Konzertstücke. Der Vorsitzende, Herr Fritz Gaam, begrüßte mit herzlichen Worten die zahlreich erschienenen Gäste, Ehrenmitglieder, Offi ziere und Kameraden mit ihren Damen, ge dachte ferner des hohen Protektors von Sachsens Militärvereinen und schloß seine Rede mit einem begeistert aufgenommenen Hoch auf Se. Maj. König Georg, dem sich der erste Vers der Sachsenhymne, welche stehend gesungen wurde, anschloß. Im weiteren Verlaufe des Festes überreichte der Vor sitzende den Herren Wilhelm Weise, Gustav Schobert, Johann Preiß und Franz Nowack das vom Ver ein gestiftete Erinnerungszeichen für 25 jährige treue Mitgliedschaft und brachte ein Hoch auf die Jubilars aus, worauf das Konzert seinen Fortgang nahm. Ganz besonderen Anklang fand das letzte Konzertstück „Große Jagd-Fantasie" von Hannusch. Den Schluß des 1. Teiles bildete das humoristische Gesamtspiel „Das Testament der Schwiegermutter", bei welchem sämtliche Darsteller, insbesondere die beiden Bedienten und die Schwiegermutter, große Heiterkeit erregten und deshalb stürmischen Applaus ernteten. Im weiteren Verlauf des Abends traten sämtliche anwesenden Mitglieder in drei Gliedern im Saale an und Ehrenmitglied Herr Fabrik besitzer Robert Pfefferkorn stellte den Kameraden den als Mitglied zum ersten Male bei festlicher Gelegenheit anwesenden Herrn Postdirektor Seidel, welcher im Range eines Hauptmanns der Reserve steht, vor. Herr Postdirektor Seidel dankte in beredten Worten für die erwiesene Ovation und brachte ein Hoch auf das Blühen und Gedeihen des Vereins aus. Ein flotter Ball beschloß die schöne Feier. * — Bei Deklaration ihres Einkommens zur Einkommensteuer machen wir unsere Leser auf die noch nicht genügend bekannte Bestimmung aufmerksam, nach welcher für jedes nicht besonders zur Einkommensteuer veranlagte Familienglied, welches das sechste, aber noch nicht das vierzehnte Lebensjahr vollendet hat, von dem steuerpflichtigen Einkommen des Familienhauptes, das es unterhält, sofern dieses Einkommen den Betrag von 3100 Mark nicht übersteigt, der Betrag von 50 Mark in Abzug gebracht wird. Dies geschieht mit der Maßgabe, daß bei Vorhandensein von drei oder mehr Familiengliedern dieser Art mindestens eine Er mäßigung der Steuer um eine Klasse stattfindet. Für die Berechnung des Lebensalters ist der Zeit punkt der Einschätzung maßgebend. * — Bußtags- und Totenfest-Feier. Am Bußtag, den 18. November, und am Totensonn- tage, den 22. November, sind Konzerte und andere geräuschvolle, namentlich mit Musikbegleitung ver bundene Vergnügen an öffentlichen Orten, insbe sondere Tanzbelustigungen, sowie Privatbälle, auch wenn diese in Privathäusern oder in Lokalen ge schlossener Gesellschaften abgehalten werden, weiter theatralische Vorstellungen und sonstige Schau stellungen, öffentliche Auf- und Umzüge, Vogel- und Scheibenschießen, ingleichen Schießübungen — am Totenfestsonntage jedoch mit Ausnahme theatralischer Vorstellungen in geschlosseneuRäumen— untersagt. * — Prinz Max von Sachsen, der bereits bei der letzten Bischofswahl in Mainz auf der Kandidatenliste stand, aber abgelehnt worden war, wird auch diesmal aufgestellt werden. * — Falsche Hundertmarkscheine laufen um. Man kann sie daran erkennen, daß der Strafan drohungsartikel schlecht gedruckt ist, die roten Stempel eine bräunliche Färbung zeigen, das Bild klecksig ist, vor allem aber die Krone über dem Reichs adler teilweise fehlt. * — AuS dem Fluge von wilden Enten wollte man schließen, Sankt Martin werde auf einen, Schimmel geritten kommen, das heißt, wir würden jetzt Schnee bekommen. Die Rechnung scheint wieder einmal nicht gestimmt zu haben, und es rechnen nun viele, die an einen frühen und kalten Winter gedacht hatten, mit dem Gegenteil. Die Aussicht auf einen milden, dabei aber nassen Hcrbst wäre, so sehr sie auch den Kohlen- und Holzkeller schonte, doch nicht die beste; das mit einer solchen Temperatur eng verbundene Wort „Influenza" hört man am liebsten nicht auftauchen. * — Eine große Gruppe von Connenflecken passiert nach Beobachtungen der Göttingec Stern warte in diesen Tagen auf der anderen Hemisphäre der Sonne den Mittelmeridian. Wahrscheinlich treten wieder elektrische Wirkungen auf, desgleichen Polarlichterscheinungen. * Rödlitz, 9. Nov. Von 54 Bewerbern um die hiesige Schutzmannstelle wurde der Schutzmann Richard Hugo Krauß aus Oberwürschnitz von dem Gemeinderat zum hiesigen Schutzmann gewählt. * Mülseu Tt. NiclaS, 9. Nov. Dem hier wohnhaften Maurer Emil Günther wurde durch die Deichsel eines Handwagens, mit welchem er einen 10 Zentner schweren Stein transportierte, die Nase eingeschlagen. Die Verletzung war eine derartige, daß G. dem Eduardhospital in Mülsen St. Jacob zugeführt werden mußte. * Glauchau, 9. Nov. Aus dem soeben zur öffentlichen Kenntnis gekommenen Geschäftsbericht des hiesigen Evangelischen Arbeitervereins ist ein Rückgang der Mitgliederzahl von 315 auf 250 zu verzeichnen. Ebenso hat die für Frauen und Kinder der Vereinsmitglieder bestimmte Krankenkasse 38 Mitglieder verloren. * Chemnitz, 9. Nov. Heute nachmittag in der 6. Stunde sah der Besitzer eines Hauses der Jakob straße vom Hofe aus, wie ein 5jähriger Knabe im zweiten Stock, sich mit den Händen am Fenster kreuz anhaltend, in der Schwebe hing. Er eilte sofort herbei und konnte das Kind, daS die Kräfte verlassen hatten und abstürzte, auffangen, sodaß es unversehrt davonkam. Der Kleine, welcher sich in der elterlichen Wohnung allein überlassen war, hatte das Fenster geöffnet, sich aus den Fensterstock