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Schöffengerichtssitzung vom 22. September 1903. Als erster Angeklagter betritt der bereits vor bestrafte Bergarbeiter Karl Emil Götze aus Gers dorf die AnNagebank. Ihm wird zur Last gelegt, am 9. August d. I. auf dem Nachhausewege vom Tanzlokal aus die Strickerin Liddy Schwalbe da durch körperlich mißhandelt und an der Gesund heit geschädigt zu haben, daß er sie mehrmals ohr feigte, am Halse würgte und ihr Schläge auf den Kopf versetzte, wodurch die Sch. 8 Tage arbeits unfähig wurde. Götze gibt die Straftaten größten teils zu, behauptet jedoch, von der Sch. dazu ge reizt worden zu sein. Das Urteil lautete auf drei Wochen Gefängnis. Eine Messerstecherei, welche sich am 17. Mai d. Js. vor dem Gasthof zum „Hirsch" in Ober lungwitz abspielte, fand heute ihren gerichtlichen Abschluß. Der bisher unbestrafte Ziegeleiarbeiter Friedrich Fröbert hatte anläßlich einer Tanzmusik auf dem Saale des „Hirsch" ruhestörenden Lärm verübt und sich ungebührlich betragen, weshalb er von dem Tanzaufsichtsbeamten Seltmann und dem Schutzmann Lösch vom Saale entfernt werden mußte. Vor dem Gasthofe bildete sich nun alsbald ein großer Knäuel, in welchem das Messer fleißig geschwungen wurde. Fröbert soll bei dieser Ge legenheit dem Bergarbeiter Wilhelm Stiegler einen Stich in den linken Oberarm und in die rechte Schulter, dem Presser Flamm aus Gersdorf einen Stich in die linke Halsseite und dem Fleischer lehrling Paul Müller einen Stich in den Hinter kopf beigebracht haben. Der mitangeklagte erst 17 Jahre alte Ziegeleiarbeiter Gustav Hempel mann, welcher zur Verhandlung nicht erschienen war, sowie der Soldat Westdorf sind ebenfalls be schuldigt, und zwar ersterer das Messer, letzterer das Seitengewehr gezogen zu haben. Fröbert be streitet, mit dem Messer gestochen zu haben, will vielmehr selbst gestochen und mit Steinen beworfen worden sein. Das Urteil lautete gegen ihn wegen gefährlicher Körperverletzung auf 4 Monate Ge fängnis und 8 Tage Haft wegen ruhestörenden Lärms. Die nächste Strafsache richtete sich gegen die Gasthofspächlerin Marie Groh, welche gegen eine Strafverfügung des Stadtrats Widerspruch erhoben hatte. Frau G. hatte am Nachmittag des 26. Juli d. I. an einen hiesigen Weber sür 15 Pf. Brannt wein über die Straße verkauft, wozu sie nicht die erforderliche Konzession besitzen soll. Das Schöffen gericht sprach die G. frei, da für das Grundstück der Kleinhandel mit Branntwein gestattet sei. Hierauf betraten der Bergarbeiter Clemens Vogel, der Schmiedemeister Paul Polster und der Handarbeiter Emil Windisch, sämtlich aus Kuh- schnappel, die Anklagebank. Die drei sind beschul digt, in der Nacht zum 13. Juli d. I. den Wirt schaftsgehilfen Ernst Kühn aus Grumbach körperlich mißhandelt zu haben, indem sie ihn aus dem Nach hausewege einholten, worauf ihn Vogel in den Straßengraben warf und ihm mit einem sog. Schläger mehrere Hiebe über den Kopf versetzte. Polster soll K. dabei, um ihn am Schreien zu verhindern, den Mund zugehalten und Windisch dem K. die Hände gehalten haben, was dieselben jedoch bestreuen. Das Gericht erachtete durch die Aussagen der Zeugen die Schuld der Angeklagten für erwiesen und erkannte gegen Vogel auf vier Wochen Gefängnis wegen Körperverletzung und außerdem 3 Mk. Geldstrafe wegen Radfahrens ohne Laterne an dem betr. Abend. Polster erhielt eine Geldstrafe von 60 Mk., Windisch eine solche von 30 Mk. zudiktiert. Der Verletzte hat außer dem 5 Mk. sür Arzt und Apotheke und 30 Mk. Schmerzensgeld zu beanspruchen. Gerichtssaal. 8 Eine Megäre hatte sich in der Person der 70jährigen Privata Mühlmann aus Koselitz vor der 5, Strafkammer des Kgl. Landgerichts Dresden zu verantworten. Die Angeklagte wohnte im Sommer mit ihrer Tochter, 4 Enkelkindern und einem 10jährigen Pflegekinde, dem Knaben Göpfert, zu sammen. Letzterer war der Angeklagten ein Dorn im Auge, obwohl sie ihn selbst als kleines Kind aus der Frauenklinik in Leipzig in Pflege genommen hatte. Der Knabe hatte häufige Mißhandlungen zu erdulden, obwohl er von Hausbewohnern als willig und folgsam geschildert wird. Am 4. Juni befand üch die M. mit dem Knaben allein in der Küche. Als der Knabe nichts ahnend am Fenster stand, schlich die M. von hinten heran und goß dem Kinde 14/, Liter kochendes Wasser in den Nacke». Rasend vor Schmerzen kroch der Knabe vor Angst unter die Ofenbank. Ein herbeigerufener Arzt konstatierte schwere Verbrennungen an Rücken, Brust und Armen und ordnete die Unterbringung des schwerverletzten Knaben im Kcankenhause an, wo er sich noch befindet. Da an den verbrannten Stellen sich neue Haut nicht bildete, hat sich eine Hautauf pflanzung nötig gemacht. Die Mühlmann sucht den traurigen Vorgang auf einen Unglücksfall zurückzuführen, findet aber keinen Glauben. Das Gericht diktiert ihr 2 Jahre Gefängnis zu. 8 Wegen fahrlässiger Tötung wurde vom Landgericht in Bautzen der Dampfsägewerksbesitzer Günther in PulSnitz zu 1 Monat Gefängnis ver urteilt. Am 13. Mai war das 4jährige Töchterchen des Kutschers Kleinstück in Pulsnitz durch daS Umfallen des Gittertors der Güntherschen Einfahrt gelötet worden. Die Schuld Günthers wurde darin gefunden, daß er eS unterlassen hat, seinen Torflügel sofort wieder instand oder außer Gebrauch setzen zu lassen. 8 Das seelische Moment spielte in einem Prozeß eine Rolle, der dieser Tage vor der Berliner Strafkammer verhandelt wurde. Ein alter Rentner war deS Diebstahls angeklagt. Er hatte mit seiner Tochter ein Geschäft besucht. Trotzdem ihnen vieles vorgelegi wurde, vermochten sie sich für nichts zu entscheiden. Die Verkäuferin wurde schließlich gereizt und Plötzlich beschuldigte sie den Herrn des Dieb stahls. Nach ihrer bestimmten Aussage hätte der Angeklagte ein Paket mit Hemden unter seinen Pelerinenmantel geschoben. Der Beschuldigte bestritt daS ebenso entschieden und sagte, daS Paket sei vom Tisch gerutscht und er hätte eS aufgehoben, um eS wieder auf den Tisch zu legen. Seine Tochter war bereit, diese Aussage mit ihrem Eide zu be kräftigen. DaS Schöffengericht hatte den Angeklagten jedoch verurteilt. Dagegen sprach die Strafkammer ihn frei» nachdem der Verteidiger betont hatte, daß manche Frauen hysterisch seien, ohne daß man davon etwa» merke, und daß solche Frauen nicht selten im Bann besonderer Einbildungskraft ständen. 8 Vom Landgericht Breslau wurde gestern der Maurergeselle Neumann zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er einen Arbeitsgenossen unter schweren Drohungen zum Eintritt in den sozial demokratischen Verband deutscher Maurer hatte zwingen wollen. 8 Bedeutende Geldbuße. Die Witwe Diller, Inhaberin einer Kaffee- und Surrogatfabrik in WormS, wurde von der Strafkammer wegen Hinter ziehung ihrer Einkommensteuer zu 24 640 Mark Geldstrafe verurteilt. 8 Aachen, 21. Sept. DaS Kriegsgericht der 15. Division hatte am 17. Juni den Sergeanten Cräplin und den Unteroffizier Wiese von der 9. Kompagnie deS hier garnisonierenden 40. Infanterie- Regiments zu 6 Tagen Mittelarrest und 2 Monaten Gefängnis wegen vorschriftswidriger Behandlung Untergebener verurteilt. Es handelte sich um den Rekruten Goepels, der durch Sticheleien und Droh- ungen zum Selbstmord getrieben worden war. Gegen daS Urteil hatten der Gerichtsherr und beide Verurteilte Berufung eingelegt. Das OberkriegS- gericht gab dem Verlangen des KciegsgerichtSherrn nach strengerer Bestrafung des Wiese statt und verurteilte diesen zu 3 Monaten Gefängnis und Degradation. 8 Zum Tode verurteilt. Pilsen, 21. Sept. Das hiesige Schwurgericht verurteilte den Grund» bcsitzerssohn Matas aus Dolau, der seine Geliebte mit einer Hacke erschlug und den Leichnam in einen Brunnen warf, zum Tode durch den Strang. Kleine Chronik. * Berlin. Um sich die Prämie für die erste Feuermeldung von 3 Mk. zu verdienen, zündele am Sonntag Mittag der wohnung-lose Klavierspieler Schmidt den Geschäftrkeller eine« Hause« in der Gerichtrstraße, in dem Matten, Bambus und Weiden lagerten, an. Die Bewohner de« Hauses wurden mtt größter Lebensgefahr gerettet. Die Feuerwehr Halle 4 Stunden zu arbeiten. * Berlin. Die größte Geschwindigkeit, mit der js ein menschlicher Wesen besördert worden ist, hat am Sonnabend die Studiengesellschast sür elektrische Schnellbahnen aus der Versuchtstrecke zwischen Mar» linikenfelde und Zoffen erreicht, 165 bis 167 Kilo meter, d. i. 46Meter in einer Sekunde. Der stärkste bis j tzt beobachtete Sturm an der See hat eine Geschwindigkeit von ungefähr 44 Meter in der Sekunde. * Hamburg, 2l. Sept. Wie die Königliche Eisenbahnbetriebs - Inspektion mitteilt, wollte eine Dame heule Nachmitlag auf dem Klostertorbahnhos trotz der War»ung«ruse der Bahnbeamlen noch auf den Blankeneser Zug Nr. 1352 springen, als derselbe sich bereite in Bewegung gesetzt hatte. Die Dame kam hierbei zu Falle, geriet unter die Räder der Wagens und wurde sofort getötet. * Posen, 21. Sept. Das Feuer im Proviant amt ist gelöscht; es ist gelungen, dasselbe auf den gestern in Brand geratenen Heuschober und einen Schuppen zu beschränken. Der Materialschaden ist unbedeutend. * Guesen. Von einem „Großreinemachen" im Gnesener Gefängnisse wird der „Pos. Ztg." berichtet: „Erheiternd wirkt heute auf alle, denen es „vergönnt" ist, einen Blick in das Gefängnis zu tun, die rege Tätigkeit in demselben. Es ist ein „Großreinemachen" im Gnesener Gefängnis auS- gebrochen, das auch die „scheuerwüligste" Hausfrau zufrieden stellen könnte. „Und dies hat mit seinem Erzählen von Gefängnis-L .... n der Angeklagte Janicki getan!" * Insterburg, 21. Sept. Wie das „Ost- preußische Tageblatt" meldet, sanden beim Brand eines Hauses in Großlasdeknen am Sonnabend 2 Kinder des Besitzers Windt im Aller von bezw. i'/r Jahren den Tod. Das Feuer war durch ältere Geschwister, welche mit Streichhölzern ge spielt hatten, verursacht worben. * Ronneburg, 21. Sept. Das dreijährige Töchterchen des Gutsbesitzer« Päßler in Jonatwalde kam beim Spielen einer Getreidereinigungsmaschine zu nahe, al« diese infolge einer unglücklichen Zu falls plötzlich umfiel und da« ahnungrlose Kindchen zum größten Entsetzen der dabeistehenden Eltern totschlug. * Vom Eichsfelde, 20. Sept. Von einem Treffurter Arzte wurde ein Gelbgießer aus Baiern, namens Lossa, der gegenwärtig das Eichsfeld bereist, um metallene Kirchengeräte zu reinigen, zur Anzeige gebracht. L. hatte auf der Straße von Diedorf nach Heyerode, als er mit seinem schweren Wagen an einer steilen Stelle herauffahren wollte, unter dem Leibe seines Pferdes ein hochloderndes Stroh- feuer augezündet, um dadurch daS arme Tier, dem die Last zu schwer war, zum Ziehen anzutreiben. Dem gefühllosen Tierquäler ist eine exemplarische Bestrafung sicher. * Bayreuth. Im nahen HohenmirSberg sind vor einige» Tagen zwei 14- bezw. 15jährige Bauern söhne an DiphtheritiS verstorben. GerichtlicherseitS wurde die Exhumierung angeordnet, weil der Ver dacht besteht, daß der Tod auf von einem Kur pfuscher verabreichte Medizin zurückzuführen sei. * Wien. Von der österreichischen Hochwaffer- katastrophe wird noch folgender erschütternder Vorfall nachträglich gemeldet: Als in der Nacht die fürchter liche Hochwasser-Katastrophe in den Tälern Kärntens einbrach, waren die Bewohner in Obcrvellach bei Spittal gerade mit Stcherungsarbeiten beschäftigt. Plötzlich brachen unter großem Getöse ungeheure Waffermengen in den Ort ein. Die Leute rannten alle au« ihren Häusern, doch nicht allen gelang e«, sich zu retten. Sech« Bauern wurden auf der Flucht von den Fluten ersaßt und mttgeriffen. Sie find sämtlich um das Leben gekommen. Der Bauer Simon Smoley, der in seinem Hause krank im Bette lag, wurde von den Fluten samt dem Bette au« dem Hause sortgetragen. Er kam nicht mehr zum Vorschein. Auch der Bauer Mathias Kramer, dessen zwei Söhne und sein Knecht, ferner die Schneider- »eisterriochter Aloisia Speier konnten sich nicht schnell genug tn Sicherheit bringen. Sie alle sind ertrunken. * London, 21. Sept. Der Newyorker Rechts anwalt und vielfache Millionär Dexter wurde auf einer Fahrt in« Gebirge erschaffen. * Mozambique, 21. Sept. In der Nieder lage für Schießpulver und Granaten im Fort San Sebastian erfolgte heute eine furchtbare Explosion, bet welcher viele Menschen getötet oder verwundet wurden. Da« Unglück blieb zwar auf da« Fort beschränkt, indessen ist die Gefahr weiterer Explo sionen noch nicht ganz beseitigt. * 9V Stunden in einem Keller. Der Maurer Citron zu Treviso in Italien stieg in einen Brunnen, um zu arbeiten und wurde dabei von dem Plötzlich cinstürzenden Erdreich begraben. C. geriet aber zwischen einige Balken, die ihn schützten, und da seitwärts eine Oeffnung blieb, so vermochte der Mann auch zu atmen. Sein Gehilfe holte sofort andere Arbeiter herbei, da aber diese nicht auS- reichten, wurde eine Abteilung Pioniere an Ort und Stelle befohlen. Zu ihnen stießen später noch 20 Feuerwehrleute. Aber daS RettungSwerk gestaltete sich überaus schwierig. Die Erde drohte beständig nachzustürzen und so mußte man s-itwärtS einen Stollen anlegen. Nach 50 Stunden gab der Ver schüttete, mit dem man anfangs reden konnte, keine Antworten mehr. Man blieS nun SauerstoffgaS zu ihm hinab, worauf er sich erholte. Endlich nach 90 Stunden vermochte der Feuerwehrmann D-poli den Verschütteten unter eigener Lebensgefahr an ein Seil zu binden, worauf die Rettung gelang. * Richter Lynch ist nicht nur eine Erscheinung im amerikanischen Leben, dieser Tage übte er auch in Ungarn seine unheimliche Tätigkeit aus. In Szulla bei Arad hatte ein Gastwirt ein junges Mädchen geheiratet, bald darauf erkrankte er und die Frau suchte Trost bei einem Bauernburschen. Als der Mann das Paar überraschte, wollte er eS erstechen, jedoch man kam ihm zuvor. Auf die Nachricht von dem Vorfall hin rotteten sich Männer und Weiber zusammen, zogen vor das Wirtshaus, zerrten die Frau an den Haaren auf die Straße und hielten Gericht. Es wurde beschlossen, sie zu Tod zu prügeln, und gleich darauf vollstreckte man daS Urteil. Als auch dem Ehebrecher diese Strafe zu Teil werden sollte, erschien gerade die Gendarmerie, die ihn in ihre Obhut nahm. Kirchliches. Aus Deutschostafrika erhält die Leipziger Mission unter den Dschagganegern anr Kilimandscharo, Meru und im Paregbeirge im letzten Jahre recht erfreuliche Nachrichten. Die Seelenzahl stieg auf das doppelte und beträgt jetzt 146. Im Unterricht standen 1038 Kinder in 14 Schulen, wovon 149 in Kost schulen untergebracht sind. Im Durchschnitt be suchten den Gottesdienst sonntäglich ca. 1200, es kam nicht selten vor, daß man auf den alten Stationen zweimal Gottesdienst halten mußte, um die Bedürfnisse der Hörer zu befriedigen. Tätig waren 16 europäische Missionsarbeiter. Da bereits wieder 74 Tausanmeldungen vorliegen, so scheint das Werk weiter gut kortzuschreiten. Wieviel überhaupt für den „dunklen Erdteil" ge schieht, zeigen folgende Angaben des amerikanischen Blattes „Christian Herald": In Afrika arbeiten in Verbindung mit 104 evang. Missionsgesellschaslen etwa 1300 Missionare. In 4700 Schulen werden 323 000 Schüler unterrichtet. In 43 Hospitälern und 107 Polikliniken werden jährlich etwa 150000 Patienten behandelt. Die Bibel ist in 117 afrika nischen Sprachen oder Dialekten ganz oder teilweise übersetzt und wird nebst anderen Schriften in 33 Missionsdruckereien gedruckt. Der zahlenmäßige Erfolg sind etwa eine Million farbiger Christen. Aus Lichtenfels i. Bayern wurde im vorigen Jahre berichtet, daß ungefähr um die gegenwärtige Jahreszeit fünf lustige, kräftige, junge Männer in einer Wirtschaft saßen und in übermütiger Laune mit dem ebenfalls anwesenden Totengräber einen schriftlichen Vertrag schlossen, demzufolge sie sich innerhalb eines Jahres ihm einliefern lassen wollten. Vier der Frevler starben kurze Zeit darauf. Jetzt geht die Notiz durch die Blätter, daß auch der Fünfte gestorben sei. Es sind somit binnen Jahres frist sämtliche fünf vahingerafft worden. Die Schrift sagt: „Irret euch nicht, Gott läßt sich nicht spotten." Der Kaiser an die Arbeiter. Danzig, 22. Sept. Auf die Ansprache des Führers einer 00m Kaiser gestern im Danzig empfangenen Arbeiterdeputation erwiderte der Kaiser folgendes: „Ich danke Ihnen für die Worte, die Sie im Namen der Arbeiter ausgesprochen haben und bitte Sie, diesen Meinen Dank den Arbeitern der Werkstätten zu überbringen. Es ist Mir eine Freude, gerade am heutigen Tage Sie zu sehen, am Tage der Denkmalsenthüllung des großen Kaisers, der dem deutschen Volk die jahrhundertelang ersehnte Einheit gebracht hat. Erst durch den Aufbau des einigen deutschen Reiches ist es möglich gewesen, daß die gewaltige Entwicklung ,in Handel und Industrie. soviele kräftige Fäuste deutscher Arbeiter hat beschäftigen können. Ich sollte daher meinen, daß im Hin blick auf die ehrwürdige Gestalt des deutschen Kaisers die deutsche Arbeiterschaft Freude und Genugtuung empfinden müßte für die Er öffnung eines so ungeheuren Feldes der Tätig keit, auf dem sie ihre Fähigkeiten entwickeln kann. Ich sollte meinen, daß auch sie das höchste Interesse daran hat, dieses Deutsche Reich ungeschmälert und ungestört zu erhalten und im Innern wie nach außen sestgefügt zu sammenzuhalten, denn nur in einem solchen wird die deutsche Arbeiterschaft Lohn, Lebens unterhalt und Zufriedenheit haben und mit Ver trauen in die Zukunft blicken können. Ein großer Teil der deutschen Arbeiter geht durch die Reihen der Armee und lernt in ihr Schulung und Disziplin. Diese Schulung gibt ihnen die Möglichkeit, auf friedlichen Gebieten Siege über Siege zu erringen. Ueberall weiß man, was deutsche Arbeit bedeutet, überall wird sie geschätzt und anerkannt. Das ist nur möglich durch die große Erfahrung und den hohen Stand der Bildung der deutschen Arbeiterschaft. Ich hoffe nach wie vor, daß die Gesinnungen, denen Sie heute im Namen Meiner Arbeiter der Kaiserl. und Kgl. Werkstätten Ausdruck gegeben haben, auch in den Herzen der übrigen Arbeiter schlagen, daß nach wie vor sie sich bewußt seien, daß sie zunächst Deutsche sind, daß Arbeiter das Deutsch tum im Frieden nach außen zu Ehren zu bringen haben, wie sie auch im Kriege nicht zögern werden, zur alten bekannten Waffe zu greifen, wenn es gilt, das Vaterland zu verteidigen. Solange solche Empfindungen maßgebend sind, solange, davon bin Ich fest überzeugt, wird das Vaterland sich weiter entwickeln zum Segen und zur Freude auch seiner Arbeiter. Ich danke Ihnen". Neueste Nacheichten und Depeschen vom 22. September. Berlin. Der „Vorwärts" veröffentlicht das Bild eines kaiserlichen Schlosses, welches auf der Insel Pichelswerder errichtet werden sollte und dessen Plan im Vorjahre von einem Architekten ausgearbeitet worden ist. Der „Vorwärts" will nicht wissen, ob dies mit dem von ihm seinerzeit gebrachten Plane identisch ist. Berlin. 203 Metallwarenfabrikanten mit 14700 Arbeitern beschlossen gestern Abend einstimmig, falls die streikenden Gürtler und Metalldrücker nicht bis zum 28. September die Arbeit in allen Be trieben bedingungslos wieder aufnehmen, am 30. September sämtliche Arbeiter zu entlassen. Danzig. In Langfuhr traf Kaiser Wilhelm gegen 8 Uhr ein, wo er vom Osfizierkorps em pfangen wurde. Der Monarch toastete, nachdem der Brigadekommandeur von Stein aus den Kaiser ein Hoch ausgebracht hatte, auf die Brigade. Der Kaiser erzählte viel von Wien und England. Hamburg. Der finnische Matrose Sanokainen aus Abo, der aus dem Dampfer „Egga" den Steuermann Mohr durch Messer in Hals und Brust ermordete, als dieser ihn auf der Nacht wache schlafend antras, wurde zum Tode durch den Strang verurteilt. Das Urteil wurde in Lagos sofort vollzogen. Der wegen Beihilfe an geklagte deutsche Schiffszimmerer Ohlandt wurde freigesprochen. Wien. Gestern fand hier unter zahlreicher Teilnahme von Mitgliedern aus Nieder- und Ober österreich, Salzburg Steiermark, Mähren, Kärnten und Schlesien die Gründungsversammlung eines deutsch-evangelischen Bundes in Oesterreich statt. Als Abgesandter des deutsch-evangelischen Bundes war Pfarrer Weichelt-Zwickau erschienen. Dieser bezeichnete als Zweck des Bundes, den Boden wieder zu gewinnen, den die deutsch-evangelische Sache in Oesterreich verloren habe. Pfarrer Weichelt überbrachte Grüße des deutschen evange lischen Bundes und feierte den deutschen Kaiser als ersten Protestanten. Prag. Der bekannte Jesuitenpater Andreas Sepp hat dem Orden und dem Magistrat ange zeigt, daß er zum Protestantismus übertreten werde. Budapest. Die Audienz des Grafen Khuen- Hedervary beim Kaiser war sehr kühl und hat die erwartete Klärung der Situation noch nicht gebracht. Graf Khuen wird nochmals in einer Audienz er scheinen. Er will den Monarchen zur Abschwächung des Armeebefehls bewegen, doch ist dies in keiner Weise zu erreichen. Die einflußreichsten militärischen Kreise und auch österreichische Politiker, darunter Dr. v. Körber, haben sich gegen jede Abschwächung des Armeebefehls ausgesprochen. Von informierter Seite wird mitgeteilt, daß der Erlaß dem Baron Becke zu danken ist, während Gras Goluchowski und der Kriegsminister Pittreich dagegen waren. Budapest. Die Erfolglosigkeit ^der dritten Audienz hat zur Verschlechterung der Situation beigetragen. Die liberale Partei scheint einer Spaltung entgegen zu gehen, wenn nicht im letzten Augenblick eine Aenderung eintritt. Die Altlibe ralen sondern sich von der Apponyi-Gruppe ab, welch letztere eine starke Schwenkung nach links vollzieht. Debraczin. Die Generalversammlung des Komitats Hajda beschloß die Anordnung, daß in den Städten und Gemeinden des Komitats die Staatssteuer nicht erhoben und auch bei freiwilliger Zahlung nicht angenommen werde. Lemberg. Wie genau festgestellt worden ist, hat der Rechnungsunteroffizier Bodner mit mehreren Komplizen den Diebstahl der Mobilisierungspläne in der Stanislaus-Kaserne ausgesührt. Die Diebe sind bereits im Ausland in Sicherheit. Marseille. Eine furchtbare Feuersbrunst wütet seit gestern Abend. Militär und Feuerwehr ist noch heute mit den Löscharbeiten beschäftigt. Der Schaden ist sehr bedeutend. Scmlin. Gestern Abend kursierte hier abermals das Gerücht von einem angeblichen Attentat auf König Peter. Sofia. Nach einer hier eingetroffenen Privat meldung sollen bei dem Kampfe im Kresnadesilee im Strumatal 500 Türken durch Dynamit getötet worden sein.