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daß die drei herbeigeeilten Dampfspritzen nur das Vordergebäude zu retten vermochten. Unglücksfälle sind glücklicherweise nicht zu verzeichnen; der Schaden aber ist sehr erheblich. * Markranstädt, 27. Juni. Gestern ereignete sich hier ein recht bedauerlicher Unglücksfall. Der Getreidehändler Sch. mähte mit einer Grasmäh maschine auf seiner Wiese, als die bei ihm in Ar beit befindliche Frau H. der Maschine infolge eigener Unvorsichtigkeit zu nahe kam. Trotz wiederholter lauter Warnungsrufe seitens des Herrn Sch. und trotz dessen Bemühung, die Maschine zum Stehen zu bringen, geschah das Unglück. Die Frau erlitt an einem Beine so erhebliche Schnittwunden, daß sie nach starkem Blutverlust und Anlegung eines Notverbandes mittels Wagens nach dem hiesigen Krankenhause gefahren werden mußte. Das scharfe Messer hatte Fleisch und Knochen vollständig durch schnitten, so daß der Fuß nur noch an der einen Seite an der Haut hing. * Wurzen, 27. Juni. Am Donnerstag abend badeten in der Nähe der Windmühle zu Deuben einige in Deuben einquartierte Artilleristen der auf dem Rückmärsche von Zeithain nach Leipzig be griffenen 4. Batterie des 7. Feldartillerie-Regiments Nr. 77. Die Badenden gerieten in tiefes Wasser, wobei sie in höchster Lebensgefahr schwebten. Leider ertrank der Fahrer Gank. Sein Leichnam konnte bis jetzt noch nicht geborgen werden. * Frankenberg. 28. Juni. Der Ehrenbürger unserer Stadt, Herr Stadtrat und Friedensrichter Friedrich Gustav Schiebler, ist vorgestern im Alter von 83 Jahren 8 Monaten gestorben. * Annaberg, 27. Juni. Ein schwerer Un glücksfall ereignete sich heute an einem Neubau an der Lindenstraße. Bei der Abtragung des Gerüstes fiel auf bis jetzt unaufgeklärte Weise ein großer Rüstbaum um. In demselben Augenblick passierte ein 22jähriger Handarbeiter aus Geyersdorf die Stelle und wurde von dem umstürzenden Rüst baume so unglücklich gestreift, daß er außer einer klaffenden Kopfwunde einen Oberschenkelbruch erlitt. Plauen i. B, 29. Juni. 1200 Maurer be schlossen in einer gestrigen Versammlung, heute in den Streik zu treten. * Reichenbach, 27. Juni. Tödlich verunglückt ist hier gestern in einer Maschinenfabrik der 34- jährige Eisendreher Pippig, Vater von 5 Kindern. Er stürzte aus dem Arbeitssaal erster Etage durch eine Falltür 5 Meter tief in den Maschinensaal herab und trug schwere innere Verletzungen, sowie einen Schädelbruch davon, denen er im Kranken hause erlag. * Weischlitz i.B., 26. Juni. Vom Fahrstuhl buchstäblich zermalmt wurde der im hiesigen Ziegel werk beschäftigte Arbeiter Ordner aus Plan i. B. Nach einer Stunde erst erlag der Unglückliche, der Witwer war und drei Kinder hinterläßt, seinen schweren Verletzungen. * Tanna i. B. Die 2'/,jährige Clara Neu meister, welche am Donnerstag nachmittag unbe aufsichtigt auf einer Straßenkreuzung spielte, wollte einem herankommeuden Lastwagen ausweichen und lief dabei rücklings in ein von der andern Seite kommendes Geschirr. Die Kleine wurde von den Pferden zu Boden gerissen und hierauf von den Rädern des Wagens förmlich zermalmt. Der Tod trat augenblicklich ein. * Aue, 27. Juni. Am Freitag abend in der 9. Stunde stürzte sich eine hiesige Handwerkersfrau mit ihren zwei Kindern in den am Schwarzwasser gelegenen Lumpigteich. Die lebensmüde Frau und ein Kind konnten noch lebend herausgezogen wer den, während das eine vier Jahre alte Kind bereits den Tod gefunden. Was die Mutter zu ihrer un seligen Tat veranlaßt hat, ist noch unaufgeklärt. — Ein dreijähriges Kind wurde am Freitag nach mittag auf der Äuerhainmerstraße von einem Last wagen so unglücklich überfahren, daß der Tod so fort eintral. * Kamenz. Ein tragisches Ende fand am Dienstag ein Soldat der hiesigen Garnison von der 2. Kompagnie. Zu seinen Kameraden hatte er im Scherz geäußert: „Ich gehe heute nicht mit baden, ich habe morgen meinen Geburtstag und könnte, wenn ich ertrinke, denselben nicht feiern." Am Tage seines Geburtstages ging er mit noch zwei Kameraden baden, allerdings entgegen den Garnisonbestimmungen — für die Mannschaften ist ein Militärbad vorhanden — in einen unweit der Kaserne befindlichen Granitsteinbruch, in welchem reines Quellwasser steht, das viel benutzt wird. Hier hatte er die große Tiefe des Wassers .unter schätzt: er verschwand, und trotz der Anstrengungen seiner beiden Kameraden, mußte er an seinem Ge burtstage sein Leben einbüßen. Gerichtssaal. 8 Giftmordversttch Vor der 3. Strafkammer des Landgerichts in Zwickau stand am Freitag der 17jährige Lehrling Martin aus Oberlungwitz, der in einer dortigen Lackfabrik den Geschäftsführer Böhme, der ihn angeblich schlecht behandelte, durch chlorsaureS Kali, das er ihm in den Tee schüttele, zu vergiften versucht hatte. Böhme hat, da er den Versuch rechtzeitig bemerkte, keinen Schaden erlitten. Martin wurde zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt und sofort in Haft genommen. 8 Der Agent Philipp Landsberg, ehemals in Plauen, der, wie wir seinerzeit mUdeten einen dortigen Spihenfabrikanten um 27 000 Mk. Ware beschwindelte, ist jetzt in London zu einem Jahr Zuchthaus bei harter schwerer Arbeit verurteilt worden. 8 Der Dritte im Bunde. In Kassel wird gegen Treber-Schmidt verhandelt, in Berlin immer noch gegen die früheren Leiter der Pommernbank und am Dienstag beginnt vor dem Schwurgericht in Duisburg am Niederrhein der Prozeß gegen Terlinden und Genossen. Terlinden war ursprünglich Schlosser, ließ sich mehrere Erfindungen patentieren und rief dann in Oberhausen eine Fabrik zur Aus beutung eigener Patente ins Leben. Betriebskapital besaß er nicht; als sich Geldschwierigkeiten einstellten, soll er nach der Anklage Wechsel gefälscht haben. Ferner sollen Bücher angelegt worden sein, in die gar nicht ergangene Bestellungen eingetragen wurden. Aktien wurden auSgegeben; Terlinden behielt sie alle, während die Mitbegründer keine in die Finger bekamen. Durch falsche Bilanzen wurde, immer nach der Anklageschrift, ein großer Gewinn heraus gerechnet, so daß Banken sich zur Hergabe von Geld verleiten ließen. Endlich erfolgte der Zusammenbruch, Terlinden flüchtete nach Amerika, wurde aber aus geliefert. Die Forderungen betragen rund 7 Mill. Mark, denen höchstens 15 Prozent Guthaben g^gen- überstehen. Die Anklage lautet gegen Teilinden und den Pro'urist-n KoSbadt auf Münzverbrech-n, schwere Urkundenfälschung und Betrug, gegenTerlinden außerdem noch auf betrügerischen Bankerott; gleich zeitig haben sich die Ehefrauen der Beiden wegen Beihilfe zum betrügerischen Bankerott zu verantworten. 8 ImTreberprozeß machtesder Konkursverwalter für den Angeklrgten Schmidt vernichtende Aussagen. Die Gesellschaft sei seit Jahren verschuldet gewesen; es wäre längst die Pflicht des Vorstandes gewesen, den Betrieb einzustellen. Die Bilanzen hätten tat sächlich nur auf Fälschungen und Verschleierungen beruht. Der Konkurs ergebe höchstens 4 Prozent. DaS Aktienkapital sei verloren. 8 Die Berliner Strafkammer verurteilte den ehemaligen langjährigen Kassierer Korth vomDeutschen Beamtenverein wegen Veruntreuung von 35 000 M. zu 3 Jahren Gefängnis. 8 Das Schwurgericht in Kiel verurteilte die Tuchmachersehefrau Kühl aus Neumünster, die in der Trunkenheit ihren Mann mit einem Holzscheite erschlug, zu vierjähriger Zuchthausstrafe. 8 Wegen betrügerischen Bankerotts wurde der Bankier Pierre aus Lörchingen zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Pierre verlor unter anderem an drei Tagen 50000 Mark im Differenzgeschäft an der Pariser Börse. Der Fall erregt großes Aufsehen, da viele kleine Leute Lothringens um ihre Sparkasseneinlagen betrogen worden sind. 8 Glogau, 29. Juni. Von der hiesigen Straf kammer waren GrafPückler-Klein-Tschirne und sein Inspektor Kirchner wegen Zerstörung einer Feldbahn zu 6 bez. 4 Wochen Gefängnis verurteilt worden. Auf ein von beiden einzereichtes Gnadengesuch an den Kaiser ist die Gefängnisstrafe gegen Pückler in 6000 Mark und gegen Kirchner in 300 Mark Geld strafe umgewandelt worden. 8 Der skandalöse Prozeß gegen 7 englische Offiziere, welche beschuldigt waren, in einem Hotel in Kapstadt den Journalisten Stanhope auf ein Zimmer gelockt und in roher und unanständiger Weise mißhandelt zu haben, hat mi' der Freisprech ung aller Angeklagten vordem Kriegsgericht geendigt. Sie gaben zu, ihr Opfer vor ein Scheinkriegsgericht gestellt, ins Wasser geworfen und auf andere Weise, z. B. durch Abschneiden des Schnurrbarts und der Haare und durch „Klopfen" mit einem Stocke gewalt tätig behandelt zu haben, behaupteten jedoch, daß sie ihn nicht, wie er versichert, ganz nackt ausgezogen, sondern ihm seine Unterkleider gelassen hätten. Auf Grund dieses Widerspruchs in den Aussagen der Angeklagten und des Klägers kam das Kriegsgericht zu einem freisprechenden Erkenntnis, weil es die übrigen Mißhandlungen durch die von den Oifizieren in Kapstadt gezahlte Geldstrafe für genügend gesühnt erachtete. Das Urteil findet aber keineswegs allge meinen Beifall und viele Zeitungen weisen darauf hin, daß der Ausgang deS Prozesses böses Blut machen werde. Nach der Freisprechung wurdenden Offizieren vor Gericht ihre Degen zucückgcgeben und sie ver ließen, von ihien draußen wartenden Kameraden stürmisch begrüßt, den Gerichtssaal. Kleine Chronik. * Berlin, 29. Juni. Im Flur einer Hauses der Gneisenauerstraße wurde der 70 Jahre alte Töpfer Konrad von einem Unbekannten niederge- fchlagen und seiner Barschaft in Höhe von 26 Mk. beraubt. Ehe sich der Greis von dem Schlage er holen konnte, war der Räuber verschwunden. * Görlitz, 27. Juni Ein nervenkranker Schlosser ermordete heute früh mit einem Messer zwei seiner Kinder im Alter von 12 Wochen und 1 Jahr. Daraus stürzte er sich aus dem dritten Stockwerk auf die Straße und war sofort tot. Ein im Zimmer anwesendes Kind von fünf Jahren blieb unversehrt. Die Ehefrau War ausgeganqen. * Beuthcn i. Oberschlesien. Von herabstürzenden Kohlen wurden in der .Schlssiengrube" der Berg mann Reichmann und in einer anderen Grube der Bergmann Pannok gelötet. * Mcuicl, 27. Juni. Dem „Memeler Dampf boot" zufolge wurde gestern eine Fischerflotille von 60 Booten aus Mellneraggen bei Schwarzort vom Sturme überrascht. Es gelang den meisten Fischern, die Boote auf den Strand zu setzen. DaS Boot des Fischers Martin Hermann kenterte jedoch, wobei Hermann und sein Fischerknecht ertranken. Zwei Boote und 3 Mann werden noch vermißt. * Mühlberg a. E-, 26. Juni. Eine mutige Tat vollbrachte hier ein 13jähriger Schulknabe. Ec rettete einen 7jährigen Kameraden, der beim Spielen auf einem im hiesigen Elbhafen liegenden Flosse in das Wasser gestürzt war, vom Tode deS Ertrinkens. Ohne sich zu besinnen, sprang er dem mit den Fluten Ringenden nach und brachte ihn mit eigener Lebensgefahr glücklich ans Land. * Duderstadt, 26. Juni. Eine schwere Typhus epidemie ist in Wulften ausgebrocheu. Bis jetzt sind 13 Fälle festgestellt, von denen gestern wieder zwei tödlich verlaufen sind. Als Ursache des Auftretens der Epidemie wird Infizierung des Trinkwassers angenommen. * Karlsruhe, 27. Juni. Auf dem Schießplatz in Hagenau ist der TyphuS ausgebrochen. Die Rastatter Artillerie unterbrach ihre Uebung und kehrte in ihre Garnison zurück. * Bonn, 29. Juni. In einem Vororte erschoß sich der 21jährige Schmiedegeselle Alerski, nachdem er zuvor aus seine I6jährtge Geliebte einen Schuß abgefeuert hatte. * Gießen. Eine lustige Enlsühru»g«geschichte wird dem „Gießener Anzeiger" berichtet. Vor einigen Tagen begleitete ein Kindermädchen seine Mutter, die abreisen wollte, nach einer Station der Oberhessischen Bahn. Da« Mädchen ließ den Kinder wagen mit dem darin liegenden Kinde stehen, um an den Wagen heranzutreten, in dem die Mutl r Platz genommen halte. Aber der Kinderwagen, der vor dem Packwagen stand, wurde für Eilgut ange- sehen und etwa« eilig, ohne daß man das Kind bemerkle, in den Zug gebracht. Dieser fuhr ab, ohne daß die Wärterin den Verlust gleich bemerkle. Erst zwischen Gießen und Großen-Buseck bemerkte der Packm-ister, daß da« Reisegut nicht bezettelt war, ab-r erst, al« infolgedessen das Wägelchen in Gcvßcn-Bufcck ausgesetzt wurde und zugleich ein stürmische« Telegramm einlief, merkte man, daß in dem Kinderwagen ein kleiner Kind ruhte. Die Rückreise v° lief ebenso glücklich wie die Herfahrt. * Zürich, 29. Juni. Zu dem in voriger Nr. gemeldeten Lawinenu glück bei dem 16 Zöglinge und 2 Lehrer der Zü.icher Kantonschule, die sich auf einer Ferienwanderung befanden, verschüttet wurden, wird uns heute geschrieben: Das Unglück ereignete sich bei schönstem Wetter. Um die Mittagszeit ist gegenwärtig die Lawinengefahr am größten, weil der von der Sonne aufgeweichte Schnee leicht in Bewegung gerät. Die Zahl der Opfer wird wahr scheinlich 5 betragen, da Professor Gröbli und 2 Schüler sofort gelötet wurden, Professor Vodoz und ein Gymnasiast so schwe'e Verletzungen (Schädel-, Arm- und Beinbrüche) erlitten haben, daß keine Hoffnung besteht, sie am Leben zu erhalten. Die übrigen Verwundeten sind außer Lebensgefahr. Die Verunglückten wurden etwa 50 Meter tief hin untergeschleudert. Die anfangs vermißt Gewesenen kamen wohlbehalten in Sedrun an. * Paris. Wie Pariser Zeitungen aus Alais berichten, ging ein Mann dieser Tage in ein dor tiger Kaffeehaus, um sich von seiner früheren Ge liebten, einer Kellnerin, zu verabschieden. Mit den Worten: „Wir gehen ohne Groll auteinander", reichte er ihr die Hand. Plötzlich zündete er mit seiner Zigarette eine bereit gehaltene Dynamitpatrone an. Der Mann wurde in Stücke gerissen, der Kellnerin ein Arm und da« halbe Gesicht zer schmettert und die Kaffeehausbesitzerin gleichfalls schwer verwundet. Die Einrichtung ging in Trümmer. * Marseille, 27. Juni. Eine amtliche Stati stik gibt die Zahl der Opfer der „Liban"-Katastrophe auf 99 an. * Saaz. In einem Dorfe der Umgebung trat dieser Tage ein moderner Landstreicher auf. Er hatte ein Fahrrad, fuhr damit von Haus zu Haus und ließ sein Rad vor jedem Hause an die Mauer gelehnt stehen. Die Beobachter meinten, man habe er mit einem Agenten zu tun. Aus mehrfache An fragen erfuhr man, daß er um Almosen angesprochen habe. Als sich die Gendarmerie für den nach neuester Mode bettelnden Landstreicher auch interessierte, war er über alle Berge. Der „fahrende Gesell" braucht da» Fahrrad nachweislich zur Aus übung seiner Berufe«. * Luditz (Böhmen). Dar Dorf Kowarzen ist von drei großen Bränden, welche innerhalb vier Tagen stattgefunden haben, bis aus drei Häuser vollständig zerstört worden. Die Brände fanden am 19., 21. und 22. Juni statt. Die bedauernr- werte Bevölkerung de» Orte- hat weder für sich, noch für oas Vieh Obdach. E« herrscht große- Elend. * Laibach, 29. Juni. Bei der Auffahrt de« amerikanischen Luflschifferr Steffen« platzte der Fallschirm. Steffen» stürzte aus beträchtlicher Höhe herab und wurde schwer verletzt. Newyork. Nicht weniger als elf Giftmorde werden Frau Mary McKnight zur Last gelegt, die sich zur Zeit in Kalkarka im Staate Michigan im Gefängnis befindet. Sie hat eingestanden, ihren Bruder John Murphy und dessen Frau und Kind mit Strychnin vergiftet zu haben. Die Staatsan waltschaft ist aber der Ueberzeugung, daß sie auch ihre beiden Gatten, John Ambrose und Ernest Mc Knight, ihre Schwägerin Eliza Mc Knight und deren Schwester, zwei Nichten, eine Freundin namens Frau Curry und deren Pflegekind durch Gift gelötet hat. Mit Ausnahme von Ambrose sind alle diese Personen seit 1892 gestorben, und bei jeder hatte Frau Mc Knight sich vorher aufgchalten. Ihren Bruder Hai sie, wie sie zugab, aus der Welt geschafft, weil er sich nach dem Tode seiner Frau und seiner Kinder verlassen fühlte. Dem Kinde hatte sie Chinin und Strychnin gegeben, weil e« so arg schrie, und der Mutter gab sie von derselben „Me dizin", um ihre Nerven zu beruhigen. Der Ver dacht gegen die Giftmischerin wurde erst rege, als sie nach dem Tode ihres Bruders eine Hypothek auf dessen Haus einiragen ließ, und al« man ent deckte, daß m dem der Hypothek zu Grunde liegen den Schuldscheine die Zahl 200 in 2000 Dollar abgeändert worden war. Briefträgers Hannchen. Von Georg Paulsen. 86. Fortsetzung. (Nachdruck verboten). Der neue Tag brachte die volle Entscheidung. Die Bulgaren, den Sieg vor sich sehend, gingen mit einer Entschlossenheit i» den Kampf, gegen welchen auch die Tapferkeit der Verzweiflung bei den Serben nichts vermochte. Mit donnerndem Schlachtruf wurden die Serben von Position zu Position zurück gedrängt, und mit Stolz konnte Falkenthal nach Sofia d-peschieren, daß die Schlacht glänzend gewonnen sei. Jetzt galt es den Sieg auSzunützen, dem Feind den Rückzug zu erschweren. Falkenthal brach selbst an der Spitze mehrerer Bataillone auf die serbische Nachhut ein, die eine günstige Wegestelle tapfer ver teidigte. DaS Gefecht kam zum Stehen. Mit seinem Feldstecher beobachtete der Major genau den Feind, und da erkannte er auch den Befehlshaber, es war Graf Zura! Und nnn ward eS doch noch ein Duell zwischen Beiden. Falkenthal führte die Bulgaren zum Sturm, ein wütendes Handgemenge entspann sich, selbst die Verwundeten stachen noch aufeinander los, bis end lich die feindlichen Reihen ins Weichen kamen. Un gestüm drängten die Bulgaren nach, und in diesem Augenblick sank der tapfere Führer, von einer Kugel in die Brust getroffen zu Boden. Woher da- Geschoß gekommen war? Wer konnte das in dem Lärm und in der Aufregung de» Kampfe- wissen oder beurteilen? Der Korporal Krüger, der einstige Sonnenfel der Postillon, trug den schwer verwundeten Komman deur aus dem Feuer. Dabei erhielt er selbst eine Schußwunde am Arm, aber er hielt den Major sest. Und mit Ausbietung aller Kräfte kam er zur Verbandsstelle. „Heiliger Himmel, der Major!" rief vr. Grau entsetzt. Bei den deutschen Worten fuhr der Korporal zusammen. Scharf richteten sich des Arztes Augen auf den Mann. Aber hier war jetzt keine Zeit, zu erzählen, die Pflicht rief. Die Untersuchung deS verwundeten Majors ergab, daß die Verletzung ernst, aber nicht unbedingt tödlich sei, gute Pflege voraus gesetzt. Vor dem Gasthof, in welchem Johanna ab gestiegen war, hielt der Wagen des Fürsten. Dem ritterlichen Herrn war alles nach Wunsch gegangen, gerade wollte er wieder nach dem Schlachtfelde auf brechen, da kam die Nachricht von Falkenthals Fall. Erschüttert brachte er Johanna die traurige Kunde, die von ihr nach einem kurzen heftigen SchmerzenS-Ausbruch gefaßt ausgenommen wurde. Sie mußte zu ihm und im fürstlichen Wagen fuhr sie hinaus nach dem Kampfplatz. „Der Major wird genesen!" sprach der Fürst zuversichtlich. — „Ich hoffe es," war die leise Antwort. „Gott wäre grausam, wenn er soviel Glück nur gewähren wollte, um es wieder zu zerstören." Freudig lächelte der Verwundete, als Fürst Alexander selbst mit Johanna an sein Lager trat, vr. Grau empfand tief den angstvoll flehenden Blick, welchen Johanna ihm zuwarf. „Er wird gerettet werden!" sagte er einfach. (Schluß folgt». Neueste Nachrichten und Depeschen vom 29. Juni. Berlin. Die Landtagswahlen in Preußen werden, einer parlamentarischen Korrespondenz zu folge, erst mitte November angesetzt werden, jedoch mit Rücksicht auf die Doppelmandatare vor der Einberufung des Reichstages. Wien. Gestern empfing der Kaiser den Grafen Wel«hetm in besonderer Audienz. Mit dieser Kon ferenz wird die Demission de« Minister« in Zu- sammenhang gebracht. Nachdem konferierte der ungarische Ministerpräsident Gras Kluen Hedervary über eine Stunde lang mit dem Reich»krteg«minister Pittreich. Wien. Der Tschechenklub hat olle Mitglieder auf gefordert, sich vorzubereiten, damit, wenn im Juli der Reichsrat eröffnet werden sollte, sofort mit der Obstruktion begonnen werden kann. Paris. Die Polizei verhaftete gestern abend den lange von ihr gesuchten Anarchisten Pannegiani. Pannegiani hatte in der Rue des Londres ein HauS gemietet, in dem er zahlreiche Kunstgegenstände auf- häuste. Er gibt an, nicht mehr Anarchist, sondern Antiquitätenhändler zu sein. * Toulon. Gestern wurde in einer Arbeiter- Versammlung beschlossen, sofort in den Au«stand zu treten, fall» da« Arbeitersyndikat nicht eine völlig befriedigende Erklärung betr. die Forderungen der Arbeiter über Arbeitsnot und Arbeitrzeit erhalten würde. Toulon. Das russische Torpedoboot Nr. 120 ist an der EsterebKüste auf eine Algenbank aufge- sahcen. Von Toulon sind Schiffe zur Hilfeleistung abgegangen. Dünkirchen. Zwischen Klerikalen und Anti klerikalen kam e» hier heute früh vor den Kirchen zu Zusammenstößen. Das Militär stellte die Ord nung wieder her. Mehrere Personen wurden ver haftet. Rom. Der häufig offiziös bediente „Popolo Romano" meldet, es sei nicht ausgeschlossen, daß oie nächste Zukunft außer dem Besuch Loubets auch den Besuch Kaiser Franz Josefs in Rom bringe. Doch wird diese Nachricht in militärischen Kreisen dementiert. London. In Ahklow sanden gestern schwere Unruhen statt. 30 Personen veranstalteten Kund gebungen. Da e« der Polizei nicht gelang, die Ruhe wieoer herzustellen, mußte Militär requiriert werden, welches eine Anzahl Demonstranten ver haftete. Newyork. DieNegerbcvölkerung von Vilmington beschloß, sich wegen ungenügenden Schutzes feiten« der Polizei selbst zu beschützen. Infolgedessen durch- ziehen mit Flinten bewaffnete Neger die Straßen der Stadt. Furchtbares Eisenbahnunglück. Madrid, 29. Juni. Ein furchtbares Eisenbahn unglück hat sich auf der Strecke zwischen Miranda und Logrono bei der Stalion Cenicero ereignet. Die zweite Lokomotive eines Postzugcs entgleiste auf einer 15 Meter hohen Brücke über den Nagerilla und riß 16 besetzte Wagen mit sich in die Tiefe, wo sie völlig zertrümmert wurden. Nur 6 Personen blieben unverletzt, über hundert sollen tot sein, 150 verwundet. Genaue Ziffern sind wegen der weiten Entfernung der Unglück-stätte von Cenicero noch nicht eingegangen. Die ganze Einwohnerschaft brach auf, um Hilfe zu leisten. Das Hospital und die Schule sind mit Verwundeten überfüllt; Haufen von Leichen liegen unter den Trümmern von Logrono. Die Behörden sandten Acrzte und Truppen ab. Eine ungeheuereVerwirrungherrscht überall. Die Stationen sind von klagenden Verwandten der Opfer angefüllt. Die Presse greift die bodenlose Vernachlässigung der Verwaltung an und verlangt exemplarische Bestraf ung. Der König sandte sofort seinen Adjutanten, um Hilfsgelder an die Verunglückten zu verteilen. Einem späteren Telegramm zufolge wurden 100 Personen getötet und 300 verletzt.