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s Timm winkte einer Taxe, und Trose warf sich mit ! einem vornehmen Schwung gegen die Polsterung. Das i war Sache, natürlich mußte man mit dem Auto zum I Eisenbahnmuseum. Da staunten Wohl die Leute, daß Trose I mit dem Auto vorfuhr... Den beiden Beamten am Eingang warf er hochmütige ! Blicke zu, aber sie hatten ja Wohl nicht gemerkt, daß er in I einem Auto gekommen war. „Nun sieh dir bloß die Maschinen hier an. Alle » Sorten im Modell hintereinander... Na, und ... kennst ! du die?" strahlte er Timm an. Sie hielten vor einem der vielen Glaskästen, hinter > denen die vielen Modelle der Maschinen und Wagen auf- ; gestellt waren, Timm atmete hastig; aber das lag viel- » leicht an der stickig heißen Luft hier drin. „Ist das nun unsere D.5370 oder nicht...", lobte er, I mit zärtlichen Blicken streichelnd. ! Schlafwagen und moderne Personenwagen, Güter- k Zugmaschinen und das Innere einer Gebirgsbahn, aber I immer wieder fand er im Bogen einen Weg zu der Ma- I schine zurück. Es war, als greife eine mächtige Hand nach i ihm, preßte ihm das Herz und den Atem zusammen und k stieß ihn dann wieder fort. Es gab eine Zeit, in der I Timm eine solche Maschine fuhr. An roten und grünen I Signalen rasselte und dröhnte der Zug vorbei, immer den ! Windungen des Flusses folgend. Der rote Mohn flammte ! über den Bahndamm, und weiße Nebelstreifen wehten den I Fluß entlang in die Ebene hinein. Station hinter Station, und die kleinen Dörfer tanz- » len an der unendlichen eisernen Schienenschnur entlang. ! Ein spitzer Kirchturm schwebte zwischen Feldern. Kinder l winkten mit Fähnchen und flatternden Armen zu der ge- > wattigen Maschine herauf. Ratata... ratata... zerschlug » das Tempo Zeit und Entferungen. Der alte Schmidt > grüßte. Alte Schrankenwärter sahen achtungsvoll auf die I Maschine, die so herrisch und unaufhaltsam vorbeiraste. Bimbam, bimbam, sprangen die>Signale an den schwar- ; zen stählernen Schaltern in die Höhe. Trose kroch zwischen den Glaskästen umher, tat inter- I essiert und ganz versunken und schielte manchmal seit- i wärts dahin, wo Timm seit einer Viertelstunde regungs- ' los stand. Immer stehen lassen, dachte Trose. Der mutz i sich da erst wieder zurechtsinden. Ja, Junge, genau so I sieht unsere Maschine aus. Timm hatte Helle Augen und sah geradeaus, nicht I mehr auf seine Fußspitzen, als sie später nebeneinander I über die Straße marschierten. Trose sprach viel von neuen I Erfindungen und Verbesserungen. Sicher wäre ja noch ! manches da zu ändern. Ein gewisser Timm beschäftigte ! sich ja auch mit so etwas, und nun habe er ja Zeit ge- I habt, und sicher würde die Zeichnung nun bald fertig. Timm nickte. Er nickte wahrhaftig, und Trose wußte, » daß er nun gewonnen hatte. Der Geschäftsführer deH Hotels erschien noch einmal I persönlich und wünschte den Herren gute Reise. Der I Kellner trat vor der Tür dicht heran und flüsterte ihm zu, ' die Dame habe noch nicht wieder angerufen. Es war ihm » jetzt durchaus ernst mit seiner Bestellung. Der Boy riß I die Tür auf und ließ in der Aufregung seine Mütze fallen. I Drei Mark waren in seiner Hand geblieben. Rattata... rattata, stampfte der Zug durch den ! Abend. Tas Abteil war überheizt; aber Timm lehnte I wohlig und befreit in seiner Ecke. Mit geschlossenen I Augen sah er draußen die Landschaft vorübergleiten. » Signale flatterten auf, mit roten und grünen Lichtern. : Timm konnte träumen. Por jedem Wärterhäuschen stand I ein Posten. Streckenläufer bewachten die Geleise. Weichen I führten die Geleise zusammen und wieder auseinander. I Zehntes Kapitel. „Alles in Ordnung... Morgen früh fährt Timm i wieder mit mir auf der Strecke..." schrieb Trose an das i Mädchen Ann. Sie hatte verweinte, traurige Augen. Sie versuchte I einmal zu lächeln, als Troses Karte kam, aber das Lächeln » erstickte in einer Fratze. Ursel war in der Stadt und kehrte » nicht zurück. Der Vater sagte heftige Worte, aber davon I kehrte Ursel auch nicht wieder zurück. Ursel schrieb, sie tanze viel, und nächste Woche würde sie schon wieder ver reisen. Viele Grüße von Bobby... Bobby war also wieder an der Reihe... Timm war Hon wieder überwunden. Er hatte ja Ursel nie etwas bedeutet. - Timm fuhr wieder auf der D. 5370. Heute, morgen und alle kommenden Tage. Er hatte keinen Gruß an sie ausgerichtet. Vielleicht wußte er gar nicht, daß Trose an ie schrieb. Wie still es jetzt hier oben war. Vom Fenster aus konnte man manchmal ein Rudel Rehe beobachten, das bis an den Garten herankam. Krähen wirbelten über den Wald. Der Postbote kam vorbei und manchmal ein Fuhrwerk. Sonst war ringsherum Einsamkeit und das Alleinsein. Der Wald war wie eine fremde, unheimlich kalte Wand, die unüberwindbar vor der übrigen Welt lag. In dreißig Minuten passierte der Zug mit Timm die Strecke. Wie ein froher Gruß sprang sie der Gedanke in ihrer Verlassenheit an. In dreißig Minuten... Ann ging aus dem Haus und trat durch den Weichen Schnee um den Garten herum bis zur Wiese.... Der Himmel war dick verhängt, und über dem Wald gegen das Hohlfenn hin hingen schwarzgraue Schneewolken. Zwi schen den Stämmen rieselte manchmal der fallende Schnee. Irgendwo schrie ein Vogel; aber sonst hing das Schwei gen unbeweglich und schwer wie die Wolken über dem Hohlfenn. Ann zählte die Spuren der Hasen im Schnee, die sich manchmal mit Rehsährten kreuzten. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so verlassen und allein gefühlt wie in diesen Wochen. Man konnte nicht im Garten arbei ten und keine weiten Wege in den Wald hinein machen. Im Zimmer sitzen und lesen oder nähen oder Uebersetzun- gen für die Korrespondenz des Vaters machen, war Ab lenkung nur für Stunden. Aber Tag und Nacht zusam men waren viele Stunden und zuletzt doch wie das Ende der Welt. Vielleicht war Ursel doch im Recht, als sie einfach floh. Fliehen, das Wort brannte sich bei ihr immer fester. Nur so konnte man seinem Schicksal entrinnen. Aus der Ein samkeit in das Leben. So wie Ursel. So wie Timm. Nicht immer treiben lassen, selber springen. Auch wenn man irgendwo zerbrach, es war besser, als im Gleichmaß zu verderben. Eine fremde Macht ergriff von Ann Besitz. Der Wald begann sich zu bewegen. Die Stämme rieben sich dauernd gegeneinander. Schnee sank in dichten Wolken herab, und auch über dem Hohlfenn begannen die Wolken zu wandern. Bis über die Knöchel versank Ann im Schnee. Breit und glitzernd warf sich die Wiese über den Abhang. Das Rauschen kam immer näher. Ann machte noch ein paar Sprünge über den Abhang und blieb dann herzklopfend stehen... Das Rauschen wurde stärker, dann löste sich ein Helles Hämmern heraus und nun schob sich der schwarze, fau chende Schatten um die Biegung. Ich bin hier, Timm. Ann Kurri steht hier und winkt. Sie freut sich, daß du wiedergekommen bist. Einer von euch muß zurückwinken. Timm soll Winken. Hier bin ich, Ann. Es ist sehr einsam in dem Haus auf der Wiese. Ann winkte mit beiden Händen, fröhlich geworden vom Anblick des lärmenden, atmenden, schwarzen Schat tens. Menschen waren da drin, Timm und Trose... Timm... und da hinten saßen noch hundert und mehr Menschen... Die Maschine stieß schwarzen Qualm aus. Trvse feu erte gewiß ... Die Räder hämmerten und polterten: Seht doch her... seht doch her... Der Zug rauschte weiter... rattata... rattata... Ann winkte nur noch mit einer sehr müden Hand... sebt doch her... Der Ruf dröhnte doch im Takt der Näder... weiter... sieht nicht her... sieht nicht her... rattata... Es sah niemand her... Niemand winkte. Wer sollte auch jetzt hier hinaussehen und daran denken, daß um diese Zeit jemand hier wartete. (Fortsetzung folgt.)