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weihalb er dem Ministerium Bericht erstattet habe. Darauf habe letztere- angeordnet, daß von jetzt ab der Leipziger Bank nur noch kleinere Beträge ohne Unterpfand geliehen werden sollten, im übrigen aber Darlehen nur gegen Verpfändung von Effekten zu geben seien. Die- sei von der DarlehnSkasse so aufgefokt worden, daß unter den Effekten auch Wechsel inbegriffen sein sollten und daß nunmehr nur die Ausleihung größerer Darlehen ohne Unterpfand untersagt sein solle. Die Wechsel habe die Darlehens kasse nach dem Gebrauche der Reichsbank nur zu 90 Prozent beliehen. — Der Kontrolleur der Dar lehnSkasse Nebel bezeugt, daß er auf besonderen Wunsch deS Kassierers Eberth die eingehenden Wechsel stets darauf geprüft habe, ob sie daö Giro der Leipziger Bank trugen. DaS sei stet« der Fall gewesen. Nack seiner RechtSauffasiung haftete die Leipziger Bank der LotteriedarlehnSkasie auS ihrem Giro in beiden Fällen — die Diskontwechsel trugen Vollgiro, die Lombardwcchsel Blankogiro — wechsel mäßig. Die drei Zeugen sind unvereidigt geblieben. — AIS Sachverständiger ist vom Gericht der frühere Inhaber der Berliner Handelsgesellschaft Geh. Justiz rat Winterfeld-Berlin vernommen worden. Dieser gibt sein Gutachten, daS er ausführlich begründet, dahin ab, daß nach seiner Ansicht die Leipziger Bank aus den betreffenden Wechseln wechselmäßig hafte, und zwar im vollen Betrage. Durch die Beweisaufnahme sieht der Konkursverwalter der Leipziger Bank, Rechtsanwalt Freytag-Leipzig, der in Nachvollmacht deS Vertreters der Bank, RecktS- anwaltS Hänichen, erschienen ist, folgendes für fest gestellt : ES besteht im Wechselverkehr keine Gewohn heit, daß daS ohne Beschränkung gebliebene Blanko- Indossement deS Verpfänders auf dem verpfändeten Wechsel im geschäftlichen Verkehre in dem Sinne gedeutet werde, daß der Verpfänder die wechselmäßige Haftung übernehme. Jede angesehene Bank pflegt, wenn sie die wechselseitige Haftung auS einem Wechsel übernehmen will, bei. dem sie mit der Möglichkeit rechnet, eS werde der Akzeptant zur Verfallzeit nicht zahlen und es zum Protest kommen lassen, den Wechsel mit einer Notadresse zu versehen. In eingehender Weise wendet sich RechtS- anwaltFreytag gegen daSSachverständigeN'Gutachten, in dem der Geh. Justizrat Winterfeld zwar seiner RechtSauffasiung dahin Ausdruck gegeben habe, daß er eine solche wechselmäßige Haltung de» Ver pfänder« annehme, aber ausdrücklich erklärt habe, daß das Geschäft der Lombardierung von Wechseln zwar regelmäßig von der Reichsbank, der Seehand lung und den Notenbanken, von den übrigen Banken aber so selten betrieben werde, daß man in diesen Fällen von Gewohnheit kaum sprechen könne. Die Aeußerung seiner Nechtsanstcht könne irgendwelchen Einfluß auf die Entscheidung nicht ausüben, da nach dem Bewei«beschluffe sich der Sachverständige nur darüber aussprechen sollte, ob die von ihm be liebte Auslegung im geschäftlichen Verkehre allge mein geteilt werde, und die« habe er verneinen müssen. Da« ganze Gutachten mute befremdend an. Nach den Bewei«erhebungen sei der Sachverständige um Beantwortung der Frage ersucht worden, ob nach einer im Wechselverkehr bestehenden Gewohn heit bestimmte Tatsachen im geschäftlichen Verkehre in einem bestimmten Sinne gedeutet werden. Diese Frage habe er dahin beantwortet, „daß nach seiner Ansicht die Konkursmasse der Leipziger Bank wechsel- mäßig au« den der Klage zu Grunde liegenden Wechseln, und zwar in Höhe de« vollen Nennwerte« der Wechsel, nicht nur in Höhe de« gewährten Dar- lehns, hafte." Das sei doch keine Antwort auf die gestellte Frage. Da schließlich der Sachverständige noch hinzufüge: „andere konkrete Fälle, in denen der Wechsel-Verpfänder au« seinem Blanko-Indosse ment al« Wechselschuldner in Anspruch genommen worden wäre, seien ihm nicht bekannt, e« sei ihm in seiner langjährigen Praxis überhaupt nicht vor gekommen, daß im Wechsel-Lombardverkehre die ver pfändeten Wechsel nicht rechtzeitig wieder eingelöst worden wären", so verliere das Gutachten für die Entscheidung de« Rechtsstreit» jeden Wert. — Der Vertreter de« Staat»fi«ku« Recht«anwalt Geh. Justizrat v. Schütz-Dresden widersprach den recht- lichen Au«führungen seine« Gegner« und stellte den Antrag, eventuell noch einen anderen Sachverstän digen zu hören, dem jedoch Necht«anwalt Freytag seine Zustimmung versagte. Nach etwa zweistündiger Verhandlung wurde die Sitzung abermals vertagt. Fall« nicht noch unvorhergesehene Verzögerungen eintreten, soll, wie die „Dre«dn. Nachr." mitteilen, die Entscheidung de« Berufungsgericht« am 29. Mai erfolgen. 8 Das Einschneiden von Buchstaben in Bäume ist strafbar. Diese Entscheidung ist vor einiger Zeit vom Schöffengericht in Dresden gefällt worden. Vor demselben hatten sich fünf Knaben im Alter von 13—15 Jahren wegen Sachbeschädig ung zu verantworten. Sie wurden beschuldigt, kurz vor ihrer Konfirmation im sogenannten Talgrund bei Rosental in mehrere, einem dortigen Gutsbesitzer gehörige Bäume die Anfangsbuchstaben ihrer Namen geschnitten zu haben. Durch diese weitverbreitete Unsitte können die Bäume arg beschädigt werden oder auch ganz eingehen. DaS Gericht faßte auch daS Vorgehen der angeklagten Knaben als Sach beschädigung auf und verurteilte einen jeden der selben zu 3 Mark Geldstrafe oder einen Tag Gefängnis. 8 Wegen Brandstiftung verurteilte das Schwurgericht in Plauen den Sticker Anton Damm auS Auerbach i. V-, der am 12. Februar am Leißnerschen Hofe zu Auerbach Feuer anlegte, zu 4 Jahren Zuchthaus. Außerdem steht Damm stark im Verdacht, der Urheber von fünf früheren Bränden in Auerbach zu sein. Kleine Chronik. * Berlin, 1k. Mai. Die Tragödie einer Ehe erzählen Berliner Blätter. Sie steht unter den vielen Tragödien, die sich tagtäglich zutragen, ver einzelt da. Aus Liebe zu ihrem Mann hat sich eine 65 Jahre alte Schlosserssrau in Charlottenburg das Leben genommen. Die Frau heiratete vor 25 Jahren ihren zwei Jahrzehnte jüngeren Mann und lebte mit ihm in kinderloser, glücklicher Ehe. Nach und nach aber bildete sie sich ein, daß sie für ihn zu alt sei. Um ihm die Möglichkeit zu verschaffen, eine jüngere Frau zu nehmen, machte sie schon seit einer Reihe von Jahren wiederholt Selbstmordversuche, stets vergeblich. Diesmal aber glückte ihr unseliges Vorhaben. Sie hatte sich er hängt. In einem hinterlassenen Briefe schreibt sie ihrem Manne, daß sie sterben müsse, weil sie ihm nicht länger zur Last fallen wolle und macht ihm eine Frau namhaft, an jdie er sich wenden möge, um sich bald wieder zu verheiraten. Auch Nummer und Aufbewahrungsort eines Sparkassenbuches, das sie heimlich besaß, teilt sie ihm mit. * Berlin. Das „Blumenmedium" Anna Rothe gibt, wie ein Berliner Spiritistenblatt ankündigt, auch im Gefängnis „Proben ihrer mediumistischen Fähigkeiten" zum besten. Sie soll auf die Ge fangenen durch „Trancereden wohltätig einwirken", so daß der Gefängnisdirektor sie als eine — „Heilige" ansehen dürfte. Wer lacht da? * Berlin. Von einer furchtbaren Krankheit ist die Frau des Postsekretärs R. befallen, deren Leiden die medizinische Welt sehr interessiert. Es handelt sich bei dieser Krankheit um eine allmäh lich eintretende Versteinerung des Körpers, die, lang sam fortschreitend, sämtliche Gliedmaßen ergreift. Bisher war nur ein einziger derartiger Krankheits fall bekannt. Es handelte sich um einen Franzosen, bei dem die Versteinerung des Körpers in jahre langer Krankheit die ganze linke Seite ergriff. Der Patient nutzte sein Leiden aus, um sich für Geld sehen zu lassen und bereiste zu diesem Zwecke den ganzen Kontinent. * Berlin, 10. Mai. Selbstmord verübte im Personenzuge Berlin—Stralsund 321 eine gut ge kleidete, anscheinend aus Berlin gebürtige zwanzig jährige junge Dame, indem sie sich zwischen den Stationen Britz und Chorin in einem Abteil dritter Klasse mittels Revolvers erschoß. Die Lebensmüde, deren Persönlichkeit noch nicht festgestelist werden konnte, befand sich in einem lebhaften Gespräch mit einigen in demselben Abteil reisenden Herren, als sie plötzlich aufsprang und einen abgelegenen Ort aufsuchte, wo sie unmittelbar darauf die un selige Tat ausführte. Bei der Ankunft in Anger münde wurde der betreffende Personenwagen mit der Leiche ausgesetzt und die dortige Polizei von dem Vorfälle benachrichtigt. * In Bristol (England) lebt ein braver Junge von 15 Jahren, der das Verdienst in Anspruch nehmen darf, sieben Kinder vom Tode des Ertrin kens gerettet zu haben. Irgend eine Auszeichnung ist dem jungen Retter bisher nicht geworden, und nur in einem Falle händigten die Eltern eines ge retteten Kindes dem Knaben — 20 Pfg. aus. * Potsdam, 19. Mai. Feuer im Neuen Palais bei Potsdam entstand gestern vormittag, und zwar in einem Zimmer des südlichen Flügels, wo ein Probeheizen stattfand. Die Palais-Feuerwehr trat sofort in Aktion und es gelang ihr in Gemeinschaft mit der städtischen Feuerwehr, nach etwa '/^stündiger Arbeit das Feuer zu löschen und jede Gefahr zu beseitigen. Seidene Wandteppiche und ein Teil der Möbel sind teils angebrannt, teils verbrannt. * Breslau, 19. Mai. Zu dem Eisenbahn unglück auf dem Bahnhof Schönborn wird der „Breslauer Morgenzeitung" noch gemeldet, daß im ganzen 25 Personen verwundet wurden. Die schwer verletzte Frau Klein ist bereits gestorben. Der Be amte, namens Mittelmann, welcher den Unfall ver schuldet hat, sollte gestern fest angestellt werden. * Magdeburg, 18. Mai. Dachdeckermeister Thiersch, der mit Arbeiten auf dem Dache der katholischen Kirche in Neustadt beschäftigt war, stürzte heute mittag ab und war auf der Stelle tot. * Kiel, 18. Mai. Die Verhandlung gegen den Fähnrich z. S. Hüsseuer beginnt am 26. d. M. vormittags 9 Uhr; Kriegsgerichtsrat de Bary glaubt, den Prozeß an einem Tage beenden zu können. * Hannover, 18. Mai. Die von der „Hannov. Allg. Ztg." in den letzten Wochen gebrachten sen sationellen Mitteilungen über die Behandlung des Prinzen Arenberg im Gerichtsgefängnis erfahren jetzt eine offizielle Widerlegung durch die Gefäng nisdirektion. Sie fordert die genannte Zeitung auf Grund des 8 11 des Preßgesetzes auf, zu be richtigen, daß die in zwei Nummern gebrachten Meldungen über den Prinzen durchaus unrichtig sind und jeder Begründung entbehren. * Siegen, 18. Mai. Die „Siegener Zeitung" meldet : In der Nacht vom Samstag zum Sonn tag explodierte ein Hochofen der Siegener Hütte. Ein Arbeiter wurde getötet, ein anderer verletzt. * Straßburg, 18. Mai. Zu den Pockener krankungen in den Neichslanden wird der Münch. Ztg. berichtet: In Felleringen liegen gegenwärtig 3 Personen an den schwarzen Pocken darnieder. In Epinal ist eine aus 5 Personen bestehende Familie erkrankt. In Straßburg sind bereits 6 Fälle festgestellt, welche alle im Krankenhaus be handelt werden. Alle diese Pockenfälle sind auf einen einzigen Fall, den eines aus Rußland zuge reisten Franzosen zurückzuführen, welcher behauptet, die Krankheit auf der Reise im Eisenbahnkoupi- ausgenommen zu haben. Behördlicherseits werden die umfassendsten Maßregeln getroffen. * Straßburg, 19. Mai. Der Student Hans Pagel, gegen welchen die Anklage wegen Majestäts- beleidiguug erhoben werden sollte, hat sich in Ge meinschaft mit seiner Geliebten erschossen. * München, 19. Mai. Die ehemalige Stifts oberin Elise v. Heußler ist zur Verbüßung ihrer Strafe in das Zuchthaus zu Würzburg übergesührt worden. Trautcnau, 19. Mai. Auf der Nordwestbahn strecke Trauten-, u-Pilnekau wurde von verbrecherischer Hand eine Sc >ne herausgerissen, um deu Nacht zug 518 zur Entgleisung zu bringen. Der Strecken wärter brachte jedoch schon vor der Unfallstelle den Zug zum Stehen. Man glaubt, entlassene Arbeiter haben die Tat verübt. * Triest, 18. Mai. In Campobasso bei Bontefalcone ist eine geheime Pulverfabrik in die Luft geflogen, wobei zwei Personen getötet und 5 schwer verwundet wurden. * London, 18. Mai. Die Polizei nahm auf der in Liverpool eingetroffenen „Umbria" die den höchsten Gesellschaftskreisen angehörende Amerikanerin Mrs. Bedford in Haft. Die Dame wird beschul digt, am 18. Dezember v. I. vor dem Londoner Standesamt erschienen zu sein, sich als ihre Tante vorgestellt und bekundet zu haben, daß am Tage vorher Mr. Bedford von einer Tochter enibunden worden sei. Ihr Ehemann lag damals in Paris todkrank an Schwindsucht darnieder; er war Nutz nießer eines Fideikommisses, das Mrs. Bedford nach seinem Tode für ihre Tochter beanspruchte Bedfords Verwandte behaupten nun, das Kind sei untergeschoben worden. Handels-Nachrichten. llsrlln, 18. Mai. (Wechsel-CourS.) v»u»c- Amsterdam »lsoout g ST Mark 92,35 6 per 100 st. b. " 2M 102,70 11 Brüste! und Antwerpen 3 ST 92,20 6 pr. 100 Francs. " 3M 102,45 6 Italienische Plätze 5 "T 90.60 6 pr. 100 Lire ° 2M 91,10 6 Schweiz. Pl. 100 Frc. 4 10T 95,50 6 London 8 T 100,60 I! pr. 1 Lstrl. 4 3M 100,— 6 Madrid und Barcelona 5 "T — — o pr. 100 Pesetas ° 2M 99,80 6 Paris 3 »T 98,— 8 pr 100 Franc " 3M 104.— 8 Petersburg 4'„b r 105,70 6 pr. 100 Rubel * ''3M 101,40 L Warschau 100 Rubel 5'/, 8 r 104,90 L Wien s T — .— per 100 Kr. 5 W. ->gM — ReichSbank 3'/,"/<>, Lomb.-- .-F. 4'/,°/«. »«»SoburL, 18. Mai. Kornzucker cxcl. 83'/» Ren- oement 9,40—9,65. Nachproductr excl. 75-/„ Rendement — Stimmung: Ruhig. Krqstallzucker 1 30,07'/,. Brodraffinade r 29,82'/,. Gem. Raffinade mit Faß 29,82'/,. Gem. Melis 29,32'/,. Rohzucker I. Product Trans, f. a. B. Hamburg per Mai 16,80 Gd., 16,90 Br., per Juni 16,90 Gd., 17,00 Br., per Aug. 17,20 Gd., 17,30 Br., per Okt.-Dezbr. 18,15 Gd., 18,25 Br., per Jan.-März 18,45 Gd., 18,55 Br., Stimmung: Ruhig. vswburx, 18. Mai. Weizen fest, Holsteinischer und Mecklenburger 158—162, Hard Winter 131. Roggen ruhig, südrufs. 103—105, Holsteinischer und Mecklenburger 130—140. Mais ruhig, 118—120, american mixed Mai 92. Hafer ruhig, Gerste fest. Wetter: Veränderlich. Zahlungseinstellungen. Paul Schulz, Werdohl-Altona i. W. Friedrich Emil Hengst, Bärenstein-Annaberg. Max Weiß, Beuthen OS. Ludw. Thomas, Burg-Burg b. M. Eduard Oskar Haußner, Chemnitz. Bruno Otto Fiedler, Chemnitz. Emil Simon, Danzig. Tonwarenfabr. Fernsicht, A.-G., Hamburg. Max Kipka, Stettin. Gerhard Gaede, Wil helmshaven. Briefträgers Hannchen. Von Georg Paulsen. 54. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Ach, sie hatte doch recht vieles erlebt! Und sie hatte auch wirklich einmal recht von Herzen geliebt, der spottsüchtige Neuling hatte genau gesehen und beobachtet: Ja, jenem jugendschönen, ritterlichen Dragoner-Offizier Richard von Falken- thal war Johannas Herz entgegcngeflogen; er hatte sie gebeten, beschworen, seine Gattin zu werden, aber ihr klarer Verstand hatte seinem heißen Werben Widerpart gehalten. Sie hatten sich auf einem Rheindampfer kennen gelernt, als Johanna mit ihrer Begleiterin eine heitere Vergnügungsfahrt auf den romantischen Strom unternommen hatte. Wie die Berge und Burgen zu beiden Seiten vorübergewichen waren, wie die Göttin Poesie von jedem Stein jedes ihr entgegenflammende Gemüt grüßte! Nachen und Fahrzeuge aller Art flogen an dem großen Dampfer vorüber. Scherzen und Lachen, Heller Gesang, rauschender Jubel beim blinkenden Gläserklang ge leitete die ganze Fahrt. Herr von Falkenthal, der eine verwandte Familie im alten Köln besucht hatte und nun in seine Garnison zurückkehrte, trug Zivil, aber jeder Zoll seiner Haltung verriet den Offizier. Johanna, seiner Tisch nachbarin an der Mittagstafel, bewies er eine ver bindliche Aufmerksamkeit, ohne das ein aufrichtiges Gespräch bei dem großen Andrang der Fahrgäste in Gang gekommen wäre. Auch späterhin blieb die Künstlerin zurückhaltend, sie nahm am Ende des Dampfers mit der getreuen Aluscha Platz. »Da kam der Lorelei-Felsen! Die SchiffSge- sellschaft drängte sich zusammen, mit gefüllten Gläsern ward der vielbesungene Gipfel begrüßt und dann klang es über die strömenden Fluten dahin: „Ich weiß nicht, was soll eS bedeuten!" Die Stimmung war bei der Mehrzahl der Fahrgäste schon eine recht annimierte, der reichlich vorhandene gute Wille mußte daher in hohem Maße die künstlerische Schulung im Gesänge ersetzen. Als bei der zweiten Strophe der Vortrag in immer schärferen Gegensatz zu Melodie und Inhalt geriet, mußte Johanna vor sich hinlacyen, und mit halblauter Stimme Hub sie nun die Weise an. Niemand war in der Nähe, als sie begann, sie achtete auch nicht darauf, als ihr Tischnachbar heran trat und gespannt lauschte. Jetzt wandte sie sich um, und beide schauten einander plötzlich Auge in Auge. Der junge Mann war verlegener, als die Sängerin, er entschuldigte sich indessen, stellte sich vor und sprach seine hohe Bewunderung des von ihm belauschten Gesanges aus. „Wie schade, daß nicht alle Passagiere Sie haben hören können, gnädiges Fräulein !" rief er begeistert. „Um GotteSwillen," wehrte sic ab. „Wie glück lich bin ich, daß nur Sie mich gehört haben!" „Aber '." „Kein aber, mein Herr!" Und nun nannte sie ihren Namen; „Sie begreifen, daß mein Name nicht bekannt werden darf, ich würde mich vor Auf forderungen zu singen, nicht retten können. Und ich möchte eS doch auch einmal so gut, wie andere Menschen habe», wirkliche Ferien genießen können." Herr von Falkenthal war durch Johannas Per sönlichkeit völlig gefesselt; er hatte sie in Frankfurt am Main singen hören, versicherte, daß eS ihm ganz unbegreiflich sei, sie nicht sofort erkannt zu haben, und strömte von Lobeserhebungen über. (Fortsetzung folgt.) Standesamtliche Nachrichten von Hohenstein-Ernstthal auf die Zeit vom 4«. bi» mit 4«. Mai 4»O». Geburten: Ein Sohn: dem Fabrikwebcr Gustav Emil Goldichadt; dcm Tclcgraphcnarbciter Friedrich Hermann Fröhlich. Eine Tochter: dem Buchdruckercimafchinenmeister Karl Albert Spitzner; dem Weber Paul Emil Kretzschmar; dem Handelsmann Hermann Friedrich Uhlig; dem Fabrik - expedientcn Karl August Baßler; dcm Maurer Ernst Emil Reichelt; dem Handelsmann Karl Hermann Voigt; dem Gastivirt Louis Richard Wolf; dcm Kutscher Franziskus Kolczyk. Aufgebot«: Der Webermeister Gustav Adolf Böhm, hier, mit der Gartenbcsitzerin Klara verw. Bogel geb. Bogel in Falken; der Zementarbeiter Franz Richard Jäger mit der ledigen Fabrikarbeiterin Helene Anna Wols, beide in Remse; der Weber Karl Heinrich Schwabe, hier, mit der ledigen Spulerin Anna Amalie Jungmann in Oberlungwitz: der Handarbeiter Panl Hermann Heinze mit der ledigen Näherin Selma Lina Barth, beide in Wüstenbrand : der Schneider Heinrich Bern hard Neuhaus mit der ledigen Fabrikarbeiterin Anna Panline Schneider, beide in Treuen; der Tapezierer Ernst Albert Walde mit der ledigen Haustochter Martha Helene Richter, beide in Waldheim; der Lagerist Karl Hugo Weber, hier, mit der ledigen Anna Frieda Richter in Frankenberg. Der Fabrikweber Friedrich Richard Finsterbusch mit der ledigen Strickerin Frieda Klara Röhner, beide hier. Sterbefälle: Lina Martha Macht, Tochter des Fcuermanns Karl Her mann Macht, 3 Monate alt. Helene Martha Hcrrbcrger, Tochter des Bahnstreckenarbeiters Max Emil Herberger in Wiesa, 4 Jahre alt. Kurt Walter Resch, Sohn des Strumpf wirkers Karl Friedrich Resch, I Monat alt. Paul Max Reuter, Sohn des Kunstsleinarbeiters Max Woldemar Reuter, 5 Monate alt. Johannes Martin Sieber, Sohn des Webers Emil Hermann Sieber, 8 Monate alt. Die Webermeisters- chesrau Ernestine Opitz geb. Pöhlmann, 64 Jahre alt; außer dcm cin unehelicher Sohn und ein Knabe Fröhlich (ohne Vornamen), Sohn des Tclcgraphenarbciters Friedrich Her mann Fröhlich, 2 Tage alt. Kirchen-Nachrichten. S1. Friuitatis-Narochie. Donnerstag, den2I. Mai 1903, Himmelfahrt Christi, früh 7 Uhr Beichte und heil. Abendmahl. Vormittag 9 Uhr Predigtgottesdienst über Apostel geschichte 1,1—11. Herr Pastor Schmidt. Kirchenmusik: Von I. P. Schulz. Narochie St. ßhrMopyori. Am Feste der Himmelfahrt Jesu Christi früh 7 Uhr Beichte und Kommunion. Vorm. 9 Uhr Hauptgottesdienst. Predigt über Apostelgesch. 1,l—11. Herr Pf. Albrecht. Kirchenmusik: Siegesfürst und Ehrenkönig. Geistliches Lied für gem. Chor von Jsenmann. Nachm. 2 Uhr Kommunion im Waisenhause. Evang. Arbeiterverein Ausflug nach Reichenbach. Sammeln nachm. 2 Uhr im Pfarrgarten, Abmarsch punkt halb 3 Ubr. Ao« Höerlmrgwitz. Himmelfahrtstag vorm. halb 9 Uhr Prebigtgotte«- dienst in der Hauptkirche. Herr k. Werner. Vorm, halb 9 Uhr PredigtgotteSdicnst in der oberen Kirche. Herr Pastor Zeißig. No« Hersdorf. Am HimmelfahrtSfest, den 21. Mai, früh '/,9 Uhr Beichte und nach der Predigt Kommnnion. Herr Pastor Böttger. Nachm. halb 2 Uhr Missionsstunde in der Kirche. Non Nrsprnng. HimmelfahrtSfest, Donnerstag am 21. Mai, srüh 8 Uhr Predigtgottesdienst. Nachm. halb 2 Uhr Missionsstunde. Freitag, am 22. Mai, srüh 9 Uhr Wochcnkommunivn. Neueste Nachrichten und Depeschen vom 19. Mai. Danzig. Der AuSstand der Schiffsstauer und Hafenarbeiter ist beendigt worden, ohne daß die geforderten Lohnerhöhungen bewilligt wurden. Wien. Der Bulgare Karoli Petschkoff, ge nannt Aorghi Minos, der die Dynamilbombe auf den Dampfer Quodolquivir gelegt hat, wurde, wie der „Neuen Fr. Presse" gemeldet wird, vom Stand gericht zum Tode verurteilt. Da« Todesurteil wurde dem Sultan vorgelegt. Budapest. Die beim Bau des neuen Börsen- palasteS beschäftigten Maurer haben gestern vor mittag die Arbeit eingestellt. Nachmittags versuchten sie, ihre weiterarbeitenden Kollegen an der Arbeit zu hindern. Die Polizei schritt ein und nahm 20 Verhaftungen vor. Fiume. Au? den Ortschaften Draga und Porto Re werden Kundgebungen gemeldet, welche sich gegen das ungarische Wappen auf öffentlichen Gebäuden richteten und bei denen Schmährufe gegen den Banus ausgestoßen wurden. Die Teilnehmer an ähnlichen Kundgebungen zerstörten an mehreren anderen Orten die Telegraphen- und Telephonleit ungen. Zwischen Plaze und Meja sperrten die Ruhestörer ein Bahngleis mit Steinen, sodaß ein Lastzug auf offener Strecke halten und, da er von der Menge mit Steinen beworfen wurde, nach Plaze zurückkehren mußte. Gendarmerie zerstreute mit Hilfe von Militär die Ruhestörer überall, ohne Widerstand zu finden, worauf die Telegraphen- und Telephonleitungen wieder hergestellt und auch die Bahngleise freigemacht wurden. Brüssel. Der hiesige spanische Gesandte, ArcoS, dementiert die hier verbreiteten Gerüchte, daß der junge König AlfonS an Schwindsucht, und zwar in einem schweren Stadium, leide. Diese absichtlich verbreiteten Nachrichten bezweckten nur, Spanien in Ungelegenheiten zu stürzen. Petersburg. Dar offizielle Organ meldet: Am 10. Mai fanden in Tifli« Arbeiterunruhen statt. 1200 Mann nahmen an einer Demonstration teil. Vor dem Theater wurden unter Jubel rote Fahnen entfaltet. Der Polizeimeister war sofort ay, Platze und es gelang ihm, die Menge zu vertreiben. 63 Personen wurden verhaftet. Schwerverletzt wurde niemand. Die Verhafteten befinden sich unter strengster Bewachung. Odessa. Nach einer Meldung aus Kischinew sind bereits 62 Personen, in deren Wohnungen von Juden geraubtes Gut gefunden wurde, zu Gefängnis- strafen von 14Tagen bis zu 3 Monaten verurteilt worden.