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dämlich die Invalidenversicherung, sofern der Ver sicherte aus dieser Versicherung keine Rente bezogen hat. Das letztere wird bei den vielen Millionen Versicherten in den weitaus meisten Fällen der Fall sein, und gerade in diesem Falle haben die Hinterbliebenen des Versicherten das Recht, sich die Beiträge, die der Versicherte selbst gezahlt hat, zu- rückerstatten zu lassen. Schon jetzt hat die Summe für diejenigen Arbeiter, die seit Anfang der Ver sicherung Beiträge gezahlt haben, eine anständige Höhe erreicht. Sehr viele Arbeiter haben Beitrags marken zu ZOPfg. geklebt, gleich 15 Pfg. wöchent liche Beitragsleistung. Bis zum Ende des Jahres 1902, nach elfjährigem Bestehen dieses Gesetzes, macht dies aber schon die Summe, von 85,80 M. aus, vorausgesetzt, daß der Versicherte sich stets in versicherungsfähiger Beschäftigung befunden hat. Wenn nun gar ein Arbeiter 40 Jahre Beiträge in die Kaffe gezahlt hat, und das wird später viel fach der Fall sein, so würde der Betrag für die Hinterbliebenen die Summe von 312 Mk. aus machen. Jetzt, wo sogar 36 Pfennig-Marken ge klebt werden, ist das Verhältnis noch höher. Auf eins muß aber aufmerksam gemacht werden, denn das ist die Hauptsache. Die Beiträge werden nicht freiwillig, sondern nur auf Antrag zurückerstattet, und zwar muß der Antrag innerhalb eines Jahres nach dem Ableben des Versicherten gestellt sein. Berechtigt zur Antragstellung sind die Witwe und noch unter 15 Jahre alte Kinder. * — Ueber Eteuereinschätzungen in Sachsen schreibt die „Köln. Ztg.": „Die an der Spitze sächsischer Steuerbezirke stehenden Beamten scheinen es nicht selten als eine unabweisbare Pflicht an zusehen, allmählich einen höheren Einkommensteuer betrag aus ihrem Bezirk für den Staat heraus zuschlagen. Zwar ist von einer solchen Verpflichtung nirgends etwas zu lesen, weder in dem Einkommen steuergesetze, noch in der Ausführungsverordnung, noch in der Anweisung, die für die Ausführungs behörden ausgearbeitet worden ist, aber gleichwohl liegt jedem Bezirkssteuerrat oder Steuerinspektor der Gedanke nahe, daß man im stillen von ihm erwarte, er werde dem Staate alljährlich einen höheren Steuerertrag zuführen und seine dienstliche Befähigung durch Heranziehung neu ermittelter Steuerquellen erweisen. Es gibt eben auch „un geschriebene Gesetze", nur sind sie nicht immer dazu angetan, die Herzen anzuwärmen. Im Gegenteil ist das ungeschriebene Gesetz eine Ursache des sich fortwährend steigernden Mißmuts und Unwillens der Steuerpflichtigen. Aeußerlich findet diese Tatsache ihren Ausdruck in der starken Zu nahme der Einsprüche gegen die Einschätzungen. Seit dem Jahre 1880 ist ihre Zahl in Sachsen von 23 744 ununterbrochen so gestiegen, daß sie im Jahre 1897 bereits 57071 betrug. Seitdem sind die amtlichen Mitteilungen über die Berufungen im Statistischen Jahrbuch für Sachsen eingestellt worden. Von den Beschwerden mußten im Jahre 1893 30505 berücksichtigt werden. 1897 aber schon 35 443, und es ergab sich, daß man in diesem Jahre den Reklamanten 21Millionen Mark Einkommen mehr angesonnen hatte, als sie zu ver- steuern verpflichtet waren. Es gibt Steuerpflichtige, die eine Reihe von Jahren hintereinander wieder und wieder zu hoch eingeschätzt worden sind und deren Einspruch jedesmal berücksichtigt werden mußte, ohne daß jedoch dadurch eine neue Ueber- schätzung verhütet worden wäre. Daß solche Er fahrungen eine stille Verbitterung hinterlassen, ist begreiflich." * — Mit der Aufstellung von Automaten für Postwertzeichen auf den Postämtern beab sichtigt jetzt die Reichtpostverwaltung in erweitertem Umfange vorzugehen. Nach den bisher gemachten Erfahrungen ist ein neuer Typus der Briesmarken- Äutomaten geschaffen worden, der jetzt eingeführt werden soll. Es werden dabei nicht nur ver schiedene Werte von Briefmarken, sondern auch Postkarten durch den Apparat au-gegeben. Der neue Apparat für den Verkauf von Briefmarken ist wesentlich kleiner als der bisherige und ungefähr 30 Centimeter hoch. Bei einem Postamt sollen jedesmal zugleich fünf Automaten ausgestellt werden. Der Einwurf beträgt überall ein Zehnpfennigstück, für da» man dann gleichzeitig fünf Zweipsennig- Marken oder eine Zehnpfennig-Marke oder fünf Postkarten zu 2 Pf. oder auch zwei Postkarten zu 5 Pf. erhält. * Oberlungwitz, 1. Mai. Bei der hiesigen Gemeindesparkasse wurden im Monate April des Jahres 1903 190 Einzahlungen im Betrage von 62 115,63 M. geleistet, dagegen erfolgten 85 Rück zahlungen (Einlagen und Zinsen) im Betrage von 26 558,39 M. Der Barbestand betrug am Schlüsse des Monats April 9201,72 M. * Oberlungwitz, 1. Mai. Eine große Roheit beging dieser Tage auf der hiesigen Nutzungerstraße der als Gewohnheitstrinker bekannte Strumpfwirker Uhlig, indem er unter eine Anzahl Kinder, die ihm wegen seines Zustandes gefolgt waren, einen starken Knüppel warf, wobei erden 12jährigen und an der Sache nicht beteiligten Sohn des Bleicherei arbeiters Barthel derart traf, daß derselbe am Kopf eine bedeutende Verletzung davontrug. Der Fall ist zur Anzeige gekommen und dürfte für Uhlig recht verhängnisvoll werden. * Oelsnitz i E., 1. Mai. Der in Neuwiesa wohnende verheiratete Bergarbeiler Förster, welcher in einer Grube des Hedwigschachtes in Oelsnitz arbeitete, wurde am 28. April abends gegen 7 Uhr an seinem Arbeitsplätze so schwer am Kopfe verletzt, daß er nach dem Otto-Hospital trans portiert werden mußte. Förster war am Fuße des sogenannten Haspelberges beschäftigt, als ein mit Bergstücken beladener Hunt entgleiste und ihm einige Masse durch den wuchtigen Anprall an den Kopf geschleudert wurde. * Stollberg, 1. Mai. Heute vormittag '^12 Uhr brannte in dem feuergefährlichsten Teile der Stadt die Bäckerei von Ascher nieder. Es gelang, die nahestehenden hölzernen Häuser zu schützen. * Lichtenstein-Callnberg, 1. Mai DieKönigs- de bei dem mit dem diesjährigen Frühjahrs-Aus- bundenen Königsscheibenschießen der Schützen gesellschaft Callnberg erhielt Herr Böttchermeister Carl Trenka. * Glauchau, 1. Mai. Ein Weinreisender aus Frankfurt a. M., welcher mit dem gestern abend 6 Uhr 3 Minuten aus Gößnitz eintreffenden Zuge ankam, erlag auf dem Bahnsteig einem Gehirn schlage. — In unserer Stadt und Umgegend taucht wieder einmal falsches Geld auf. Nachdem vor kurzem erst in einem hiesigen Geschäft ein falsches Zweimarkstück dem Verkehr entzogen werden mußte, wurde jetzt auch beim Postamt ein falsches Zwei markstück (Prägezeichen Jahreszahl 1899) au gehalten und beschlagnahmt. * Niederschindmaas, 1. Mai. Mehldieben scheint man in hiesiger Mühle auf die Spur ge kommen zu sein. Als Hehler hat sich ein hiesiger Gutsbesitzer entpuppt, der mehrere Säcke Mehl mit der Firma „Engelmann" in Kartoffelsäcke noch mals verpackte und in Glauchau bei einem Bäcker abzusetzen versuchte. Um dann die Spur zu ver wischen, hat er das Mehl von einem Bruder nach Jerisau holen lassen, woselbst die leeren Säcke als Beweismittel gefunden worden sind. * Dresden, 1. Mai. Nachdem Hosprediger Klemm, den vor etwa Jahresfrist ein Schlaganfall betraf und der seinen Wohnsitz von hier in die Lößnitz verlegt hat, infolge Krankheit von allen seinen Aemtern zurückgetreten ist, was in kirchlichen Kreisen schwer empfunden wird, hat das evangelisch lutherische Landeskonsistorium das Kommissariat für das geistliche und das Lehramt in den Heil- und Strafanstalten des Königreichs Sachsen dem Geh. Kirchenrat Keller übertragen. Geh. Kirchen rat Keller hat das Amt, das von der plötzlichen Erkrankung des Hofpredigers Klemm bis jetzt vom Vizepräsidenten des evangelisch-lutherischen Landes konsistoriums, Oberhofprediger v. Ackermann, interimistisch verwaltet worden ist, am heutigen 1. Mai übernommen. * Leipzig. Die Verhaftung de« Rechtsanwalts vr. Werthauer ist wegen Meineidsverdachts erfolgt; jedenfalls aber steht die Angelegenheit mit Wucher geschäften in Verbindung, welche die mit verhafteten Ossipowitsch Josefson und Alex. Strauß getrieben haben sollen, vr. Werthauer« Verhaftung erregt um so gröbere« Aufsehen, al« sich derselbe in glänzenden finanziellen Verhältnissen befand. Vor längerer Zeit war vr. Werthauer vom Judentum zum Christentum übergetreten; seine Brust zierte u. a. auch da« Komturkreuz de« Erlöserordens. — Der Kutscher einer hiesigen Herrschaft war kürz lich von einem seiner Pflege anvertrauten Pfe.de leicht am Arme verletzt worden; ohne die Wunde besonder« zu beachten, fing diese nach einigen Tagen doch heftig zu schmerzen an und jetzt liegt der Aermste hoffnungslos an Blutvergiftung darnieder. * Leisnig, 30. April. Anläßlich seine« fünf zigjährigen Meisterjubiläums hat die Klempner- Innung für die Städte Döbeln, Leisnig, Waldheim und Roßwein den Klempnermeister Jul. Würkert hier zum Ehrenmeister ernannt. Da« künstlerisch aurgesührte Diplom wurde dem Jubilar am Mitt woch durch eine Deputation der Innung überreicht. * Zwickau, 1. Mai. Die Gnadengesuche so wohl des Fabrikanten Zwicger hier, als auch das jenige des Appreteurs Clauß in Meerane sind, wie die „Zw. Ztg." erfährt, erfolglos gewesen. Auch daS von einer Anzahl Vorstände hiesiger Miltär- vereine zu Gunsten ZwiegerS an Se. Majestät den König gerichtete gleiche Gesuch scheint demnach ab geschlagen worden zu sein. Damit dürften nun alle Mittel erschöpft sein und den beiden Verurteilten weiter nichts übrig bleiben, als die gegen sie er kannten Strafen von einem Jahre bez. 6 Monaten Gefängnis zu verbüßen, wenn nicht noch nachträglich eine Begnadigung eintreten sollte. Zwieger verbüßt bekanntlich schon seine Strafe und »st in den letzten Tagen von der hiesigen in die Strafanstalt zu Bautzen gebracht worden. * Oelsnitz i. B., 30. April Dem vogtländischen Dichter Julius Mosen, dem Dichter der Lieder „Andreas Hofer", „Trompeter von der Katzbach", „Die letzten Zehn vom vierten Regiment" usw., soll hier ein Denkmal gesetzt und am 8. Juli d. I., am 100. Geburtstage des Sängers, eingeweiht werden. * Olbernhau. In der Nacht zum Mittwoch starb im 64. Leben«jahre Schuldirektor Schuster, welcher der hiesigen Schule seit 28 Jahren ange hörte. Er war auch Vorsteher des Jndustrieschul- verein« und der mit demselben verbundenen In dustrie- und Handelsschule, langjährige« Mitglied de« Kirchenvorstande«, Vorsitzender de« pädagogischen Vereins und langjähriger Vorsitzender de« Ge- werbeverein«. * Zittau. Eine empörende Roheit ist hier von einer Waschfrau verübt worden. Dieselbe war bei der Arbeit von Kindern geneckt worden und goß deshalb siedendes Wasser nach den Kindern, traf aber einen an der Neckerei gar nicht beteiligt gewesenen kleinen Schulknaben, welcher derartig verbrüht wurde, daß er in ärztliche Behandlung gegeben werden mußte. Kleine Chronik. * Berlin, 1. Mai. Unter Hinterlassung von 80,000 Mark Schulden flüchtig geworden ist der Kaufmann Albert Moritz, der am Spandauer Schifffahrtskanal im Hause Hochmuth einen Petroleumgroßhandel und ein Restaurant betrieb. * Halle, 1. Mai. An der Mühle zu Trotha wurden die Leichen eines Mannes von etwa 35 Jahren und eines Mädchens von 10 bis 12 Jahren in der Saale gefunden. Die beiden Leichen waren mit einer dünnen Leine verbunden, die um den rechten Arm des ManneS und die Hüften deS Mädchens geschlungen war. Näheres ist noch nicht bekannt geworden. * Falkenberg, 30. April. Auf der Reise plötz lich vom Irrsinn befallen wurde auf der hiesigen Bahnstation die Ehefrau eines Kunstmalers. Bei derselben hatten sich in letzter Zeit Zeichen von Schwermut bemerkbar gemacht, und in der Absicht, diese zu bannen, wurde eine Reise in die Heimat angetreten. DaS Ehepaar kam von» Gestade deS Adriatischen Meeres und hatte hier einige Stunden Aufenthalt bis zur Abfahrt des nächsten Zuges. Da>erfiel die bedauernswerte Frau plötzlich in Wahnsinn, schrie, weinte und tobte, und ärztlicher Beistand mußte in Anspruch genommen werden, ehe der Transport der Unglücklichen nach Eilen burg, dem Reiseziele, bewerkstelligt werden konnte. * Erfurt, 1. Mai. Der Kausmann Paul Spiel berg auS Magdeburg, welcher am Dienstag nach Erfurt reiste, um seine in Marbach wohnenden Ver wandten zu besuchen, wurde unweit deS OrteS auf einem Feldwege von einem etwa 20jährigen Menschen, anscheinend Handwerksbursche, angefallen und nach heftiger Gegenwehr seiner Brieftasche, in welcher sich 75 Mark in Papier, sowie mehrere Legitima tionskarten befanden, beraubt. Der Räuber ist leider entkommen. Als an einem der letzten Tagen eine am Anger wohnende Familie der Gerichtsvollzieher exmittieren wollte, wurde die Ehefrau plötzlich tob- süchtig und versuchte ihre Kinder durch daS Fenster zu werfen. — Schließlich brach sie laut schreiend zu sammen. Polizei und ein Arzt eilten herbei. In Anbetracht der traurigen Szene erklärte der Haus wirt, von dem ihm zustehendcn Rechte Abstand nehmen zu wollen. * Rudolstadt, 1. Mai. Dem hiesigen Schutz mann Müller gelang eS, einen von der Staatsan waltschaft Frankenthal (Reinpflalz) steckbrieflich ver folgten Raubmörder zu verhaften, auf dessen Ec- grelsung eine hohe Belohnung ausgesetzt war. * Mühlheim, 2. Mai. Nach Verübung von Wechselfälschungen in Höhe von 20 Tausend Maik ist der Schlossecmeister Ufer flüchtig. * Danzig, 1. Mai. Der in Rendsburg be heimatete Segler „Ernoie", auf der Fahrt von Memel nach Oldenburg, mit Holz beladen, war vor 12 Tagen auf hoher See gekentert. Der Dampfer „Aurora" schleppte gestern nachmittag das Schiff in den Hafen von Neufahrwasser ein. Man vermutete, daß sich noch Menschen im Schiff befänden, und es wurden Rettungsarbeiten in An griff genommen. Nach mehrstündigen Mühen ge lang es, den Kapitän Engellandt zu befreien. Er hatte 12 Tage, vom Wasser eingeschlossen, in einem Schiffsräume zugebrachl; doch glücklicherweise et was Proviant vorgefunden und seinen Durst mit Seewasfer gelöscht. (Das Letztere ist sehr unwahr scheinlich.) * Mirow i. Meckl. Von einem schweren Un glück ist die Fischerfamilie Lemke in Canow be troffen worden. Der Fischer H. Lemke war mit einer 15jährigen und einer etwas jüngeren Tochter in einem Kahn über den Pälitzsee nach Zerlang gefahren, um eine Fuhre Holz zu holen. Auf dem Rückwege kenterte nicht weil vom Lande der unter Segel gehende, beladene Kahn, und die drei Per sonen stürzten ins Wasser. Der Vater rettete sich zunächst auf das umgestürzte Boot und suchte von hier aus seinen mit den Wellen ringenden Töchtern zu Hilfe zu kommen. Jedoch g-lang ihm das Rettungswerk nicht; vielmehr fanden alle drei Per sonen ihren Tod in den Wellen. Die Mutter mußte vom Ufer aus Man» und Kinder ertrinken sehen. * Angermünde. Die Verhaftung eines Mör derpaares in Niederfinow ist jetzt geglückt. An fang April wurde die Ehefrau des Tischlermeisters Colberg aus Kammin in Pommern an der Land straße ermordet und beraubt aufgesunden. Der Verdacht der Täterschaft lenkte sich auf ein Ehe paar, das in Begleitung zweier Kinder mit einem Handwagen in der Gegend des Tatortes gesehen worden war. Die Staatsanwaltschaft in Stettin erließ darauf eine Bekanntmachung über den Mord, die allen Sicherheitsbehörden des Inlandes zuging. Es war darin die Vermutung ausgesprochen, daß die Täter sich iu der Richtung nach Berlin ge wendet hätten. Das des Mordes verdächtige Ehe paar, namens Schmidt, ist nun vom Gendarm in Niederfinow ergriffen und dem Untersuchungsge fängnis in Angermünde zngesührt worden. Die Kinder des verbrecherischen Paares, 8 und 12 Jahre alt, haben über den Hergang der Tat Aussagen gemacht; danach hat der Vater in ihrem Beisein die des Weges kommende Frau getötet und nach dem er die Leiche beraubt, sie unter Laub verscharrt. * Wie« 1. Mai. Während der heutigen Maiandacht in der Stephanskirche trat, wie die „Neue freie Presse" meldet, ein junger Mann neben den Priester an den Altar nnd feuerte aus einem Revolver mehrere Schüsse in die versammelte Ge meinde. Gymnasialprofessor Juralschek wurde tät lich verletzt und eine Frau von einer Kugel ge- streisr. Der Täter ist irrsinnig. Die Stephans- kirche, in welcher eine Panik ausbrach, wurde, nachdem die Gläubigen sich entfernt hatten, ge schlossen. Vermischtes. Das Schlußkapitel ciucs Romans Tie Frau des Landschaftsmalers Treidler geb. Lepel wurde, so berichtet man aus Berlin, in ihrer Woh nung vergiftet aufgefunden. Treidler verließ seine Frau vor vier Jahren, weil sie zu einem Herrn der Berliner Gesellschaft Beziehungen angeknüpft hatte, und ging nach Amerika. Ein Kind, das aus der Ehe hervorging, ein jetzt vier Jahre alter Knabe, kam ins Waisenhaus. Frau Treidler wohnte seit der Trennung von ihrem Manne in der Muskan- erstraße 8 zu Berlin. Zu Anfang dieses Monats aber verließ auch ihr Freund sie, und nun mußte sie mit ihrem geringen Habseligkeiten eine billige Kellerwohnung am Mariannenplatz beziehen. Durch Kravattennähen wollte sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen. Da sie seit einigen Tagen nicht mehr zum Vorschein gekommen war, ließen die Nachbarn die Wohnung öffnen und fanden die Frau tot auf ihrer Matratze liegen. Ein leeres Glas, aus dem sie Gift getrunken hatte, wurde beschlagnahmt. ch Der Millioncnbauer. Die Witwe des vor 1'/, Jahren verstorbenen Schöneberger „Millwnen- bauers" Albert Hewald ist in ihrer Villa in Pots dam gestorben. Ihrer stattlichen Erscheinung hatte sie es zu verdanken gehabt, daß sie aus den ärm lichsten in die glänzendsten Verhältnisse kam; das Eheleben wurde aber mit der Zeit sehr unglücklich. Jeder Teil ging bald seinen Vergnügungen und Liebhabereien nach. Hewald lebte zurückgezogen in seiner schönen Villa in Schöneberg, in deren großen Garten nie ein Zweig beschnitten werden durfte, seine Frau in Potsdam, wo sie ein gast liches Haus hielt, in dessen Fremdenzimmer 36 Betten standen. das Vermögen geht aus einen Sohn und zwei Töchter über. Albert Hewald war trotz vieler Schrullen sehr gutmütig. Aus Liebha berei hatte er, wie das „Berliner Tageblatt" erzählt, die Schriftsetzerei erlernt, und als er nach dem Tode seines Vaters in den Besitz seines Ver mögens gelangte, war sein erstes, daß er sich eine eigene Druckerei anschaffte. Ec gründete eine eigene Zeitung, deren Reporter, Redakteur, Setzer, Drucker, Verleger und Leser er selbst war. Sie enthielt den größten Unsinn, wirkte aber nicht gemeinge- fährlich, weil nur wenig Auserkorene sie zu Gesicht bekamen. Die häufigen Prellereien, denen er aus gesetzt war, machten den reichen Mann mißtrauisch, und so kam es, daß er oft wochenlang seine Villa nicht verließ und mit seinen, Hausintendanten und Musikdirektor Winter, der aber nie Mnsik machen durfte, tagelang in seinem im Keller liegenden Trink zimmer saß und trank, ohne daß beide ein Wort sprachen. „Reden Sie nicht so viel, trinken Sie!" war seine stehende Redensart. Von Kunstsamm lungen war er ein großer Freund. Sehenswert war seine Porzellansammlung, in der allerdings neben un bezahlbaren Sevrestücken auch ganz wertlose Artikel standen. Nachseinem Tode fand man unter seinem Sterbebette eine große eiserne Kiste. Sie enthielt, blank geputzt und einzeln in Watte verpackt, alle Arten der in Brandenburg-Preußen geprägten Taler. Daß ihm sein Diener jahrelang täglich beim Kleiderreini gen Geld aus der Tasche stahl, ärgerte ihn nicht, aber daß er so dumm war, sich durch Freigebigkeit zu verraten und sich so um seine Einnahme quelle zu bringen, konnte er ihm nicht verzeihen. Trübe Erfahrungen machte ein Gelehrter, der beauftragt war, eine Hewald durch Erbschaft zugefallene Mineraliensammlung zu ordnen. Da er die roten, blauen und grünen Steine bunt durcheinander in die Fächer eines Kastens ordnete, schien er sein Geschäft schlecht zu verstehen, nnd wurde verabschiedet. Eines Tages beschloß Hewald, die Weltausstellung in Chicago zu besuchen, und da mußte die ganze Familie, die Verwandtschaft nnv das Dienstpersonal eiligst englisch lernen. Der Lehrer war klug genug, sich das anständige Hono rar vorher zahlen zu lassen, denn wie vorauszusehen war, hatte man die Sache bald satt und gab die Reise auf, da das Wasser keine Balken hat. ch Beim Fuchsgraben verschüttet. Der 15- jährige Sohn des Kammerherrn von Lettow-Bor- beck in Schönow bei Casekow verunglückte dadurch, daß er beim Graben eines Fuchsbaues von nach stürzenden Sandmassen verschüttet wurde. ch Ein endloser Prozeß. Die Gemeinden Gallio und Foza in den „Setten Communi" an der südosttiroler Grenze prozessieren schon seit 400 Jahren wegen eines großen Waldes mit einander. Dabei scheint der Prozeß noch lange nicht seinem Ende entgegengehen zu wollen. Unterdessen hat der Forst, in dem kein Baum geschlagen werden darf, das Aussehen eines richtigen Urwaldes an- ge rammen und enthält Stämme von ungeheurem Umfang. Neueste Nachrichten nnd Depeschen vom 2. Mai. Friedrichshafen. Der Schnellzug No. 77 Lindau-Radolfzell ist gestern abend 6,10 Uhr bei Nonnenhorn entgleist, wobei die Maschine den Bahn damm hinunterstürzte. Der Lokomotivführer, der Heizer, 1 Gepäckträger und einige Reisende erlitten leichte Verletzungen. Der Materialschaden ist be- dentend. Salzburg. Großherzogin Alic! von Tolkana wurde gestern telegraphisch nach Lmdau berufen und ist vormittag dorthin abgereisi. Man schließt darau«, daß die Niederkunft der Prinzessin Luise nahe bcvorsteht. Rom. Anläßlich der Ankunft Kaiser Wil helms feiert die „Tribuna" die Festigkeit der Al lianz der beiden Länder. Das Blatt schreibt: Kaiser Wilhelm hat sich das Anrecht erworben, im idealen Sinne ein italienischer Bürger zu sein. Der Kaiser wird sofort nach dem Besuch im Quiri- nal dem Pantheon einen Besuch abstatten. Bei der Durchfahrt nach Mailand sind die umfassendsten Vorsichtsmaßregeln getroffen worden. Der Flotten verein Luga Navale wird dem Kaiser eine künst lerische Gründungs-Adresse üb rreichen. Petersburg. Hier verlautet, daß ein Besuch König Eduards am 7. Juli in Aussicht stehe, der drei Tage dauern und sich auf Petershof, Grasnoje Selo und Petersburg erstrecken wird. Petersburg. Der russische Generalstab rüstet gegenwärtig eine wissenschaftliche Expedition nach der Mongolei aus, die bis nach Tibet hinein vor dringen soll. Fancouver Der Bericht des Inspektors der öffentlichen Arbeiten, der nach Franc entsendet worden war, besagt, daß weder von einem Vulkan- Ausbruch noch von einer Explosion die Rede sein kann. Die Explosion ist lediglich durch einen Fels sturz veranlaßt worden. Auch bestehe eine Ueber- schwemmungsgefahr nicht mehr, da das Wasser langsam durch die Lava durchsickert. Budapest. Die Absicht der Bäcker, am 13. Mai in den Au«stand zu treten, wird nicht zur Durchführung kommen, da die in der Majorität befindlichen Arbeitgeber gegen den Streik sind. Sollte der Streik trotzdem au«brechen, so wird da« Militär den hiesigen Meistern Militärbäcker zur Verfügung stellen. Madrid. Wie au» Melilla gemeldet wird, sind 5 Regimenter auS Fez nach Tezza abgegangcn. Der Sultan versichert, er werde nach dem Riff gehen an der Spitze von Kabylenstämmen, um die Rebellen niederzuwerfen.