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die philosophische Schule. (Luther übersetzt das griechische Wort HaersZis im neuen Testament meist mit „Sekte", nur I. Cor. 11, 19 und Gal. 5, 20 übersetzt er „Rotten" und Tit. 3, 10 schreibt er nicht: einen „sektirischen", sondern einen „ketzer ischen" Menschen.) Man darf also eine Gemeinschaft nicht darum schon eine „Sekte" nennen, weil sie nicht zur großen Kirche gehört, sei's nun, daß sie nie dazu gehört hat, oder daß sie sich im Laufe der Zeit von ihr abgesondert hat. Wir verbitten es uns mit Recht, wenn der Papst uwere Kirche eine Sekte nennt, weil wir nicht zur alleinselig machenden römischen Kirche gehören, mit demselben Recht, können Methodisten, Baptisten u. a. dagegen protestieren, daß sie, nur weil sie v bt zur Landeskirche geb ' - . Sek tierer genannt werden lb macht eine stein . ischaft zur Sekte, wenn sie einseitig „einer bestimmten -Lehre folgt". Alle Sekten nehmen aus dem Zusammenhang der ganzen Glaubens- und Heilslehre und -Ordnung einen ihnen besonders wichtig scheinenden Punkt oder Satz heraus (z. B. Bekehrung, Wiedergeburt, Wiederkunft Christi usw.) und lassen alles andere als minderwichtig beiseite. 2. Ein anderes Merkmal der Sekten ist die Verachtung der gott geordnete» Gnadenmittek Ihnen genügen für die christ liche Erkenntnis nnd für das innere Heilsleben Wort Gottes und die beiden Sakramente nicht; sie können es nicht begreifen, daß der Heilige Geist sein Wirken an solche Ord nung gebunden habe, darum erwarten und beanspruchen sie für sich neben den Gnadenmitteln und über ihnen allerlei außerordentliche Dinge: Besondere Offenbarung, Gefühle, Gesichte, Verzückungen und innere Erleuchtungen. Wer diese außerordentlichen Geistesoffenbarungen nicht hat und sich einfältig an das Wort Gottes in der Bibel hält, den ver achten sie oder betrachten ihn wenigstens als auf einer niedrigeren Stufe christlichen Lebens stehend. Weil aber Gott der Herr solchen Schwarmgeistern nicht immer zu Willen ist und ihnen solche besondere Dinge nicht gerade nach ihrem Wunsch zuteil werden läßt, so machen sie solche selbst und gebrauchen zu diesem Zwecke gern allerlei Mittel und Mittelchen, die das Gesühl steigern und erregen, die Phantasie erhitzen, überhaupt das Seelenvermögen in eine krankhafte Spannung versetzen. Wenn dann die ganze Seele gleichsam im Fieber liegt und sich durch Ausrufe, Schreien, krankhafte Beivegungen, Zuckungen und dergl. kundgibt, so heißt es: „das ist des Geistes Wirken", und ist doch nichts anderes, als künstliche, ungesunde Steigerung der natürlichen Seelenkräfte, also überhaupt nicht Geist, sondern Fleisch. Das kann man nicht nur in spiritistischen Versammlungen wahrnehmen, sondern z. B. auch bei den Bußkämpfen oder Bußkrämpfen der Methodisten oder der Heilsarmee. Eine Menge sogen. „Erweckungen", deren sie sich rühmen, sind, bei Licht be trachtet, nichts anderes als solche Steigerungen des natür lichen Seelenlebens. Luther nennt das mit Recht „Schwarm geisterei" und N. Selenncker klagt: Viel Sekten und groß Schwärmerei auf einen Haufen kommt herbei." Sektiererei ist Schwärmerei: da fehlt die evangelische Nüchternheit. Damit hängt ein weiteres Merkmal der Sekten zusammen. 3. Sie wollen eine sichtbare Gemeine der Keikige« dar stelle«. Wir Lutheraner wissen und glauben: Wo das Wort Gottes lauter und rein gelehrt wird und die Sakra mente nach Christi Einsetzung verwaltet werden und aus geteilt, da ist eine heilige christliche Kirche. Wir fragen also nicht nach der Beschaffenheit der Leute, sondern dar nach, ob eine Kirche das lautere Evangelium und die rechte Sakramentsverwaltung hat. Hat sie die beiden Stücke, so find wir zufrieden. Denn diese beiden Gottesgaben können nicht sich unfruchtbar zeigen, sondern müssen innerhalb der Kirchengemeinschast dem Herrn Christo immer auch echte und wahrhaft gläubige Jünger zusükren. Es ist unmöglich, daß das Evangelium, wo es recht gepredigt wird, nicht auch Herzen bekehre und erneuere. Finden wir auch die Gläubigen nirgends auf einen Haufen beisammen, so glauben wir doch auf Grund der Gotteskraft des Evangeliums, daß sie da sind und untereinander den unsichtbaren Kern der sichtbaren Kirchengemeinschaft bilden. So ist es des Herrn Willen, wie aus dem Gleichnis vom Senfkorn, Sauerteig, Unkraut unter dem Weizen, Netz im Meere klar und deutlich hervorgeht. Damit sind aber die Sekten nicht zu- krieden. Sie legen den Nachdruck nicht auf Wort und Sakrament, sondern auf die Personen, die zur Kirche ge hören. Sie wollen die „Gemeine der Heiligen" nicht glauben um der Goueskraft des Wortes willen, sondern sehe«. Sie wollen eine Gemeinschaft von lauter Heiligen und Bekehrten, oder wenigstens Erweckten sei«. Ist das nicht geistlicher Kochmut? Dabei locken sie gerade die kirchlich Ang-regten an sich: „In der Landeskirche seid ihr unter dem großen Haufen, da wisset ihr nicht, neben wem ihr sitzt in der Kirche, mit wem ihr an den Altar treten müßt beim Abend mahl, ob der Pastor, der eure Kinder tauft und euch das hl. Abendmahl reicht, ein bekehrter Mann ist. Verlasset euer Babel, kommt zu uns, da seid ihr unter lauter er weckten Leuten, unter lauter Brüdern und Schwestern, wir haben auch lauter bekehrte Prediger!" Also immer die Menschen, die Prediger, Brüder, Schwestern! Als ob diese di» Kirche machten und nicht vielmehr Christus mit seinem Geist und seinen Gnadenmitteln! Als ob Menschen über „bekehrt" und „unbekehrt" entscheiden könnten! Wie schwankend wird da alles! Luther Hal wohl gewußt, warum er gegenüber dem Treiben der Sektierer und Schwarmgeister immer sagte: „Wo sie mit ihrem Geist hinkommen, gedenke ich nicht hin zukommen. Gott behüte mich vor der Kirche, da lauter Heilige innen sind!" Weil die Sekten im Gegensatz zu dem „Babel" der Landeskirche sich als die wahre Gemeinschaft der Auser wählten ansehen, so handeln sie getrost nach dem Grundsatz: „Ueberall ist meine Weide!" „Die Welt ist mein Kirch spiel!" Ihnen gilt kein geschichtlich gewordener kirchlicher Besitzstand, ihnen genügt es nicht, daß Christus gepredigt werde, nein, wo sie Lust haben, brechen sie ein und nehmen besonders gern die „Weiblein gefangen". Da war Paulus doch ein andrer Mann. Er war „sonderlich geflissen, das Evangelium zu predigen, wo Christi Name nicht bekannt war, auf daß ich nicht auf einem fremden Grund baute". (Röm. 14,20.) — Mit dieser Nichtbeachtung der kirchliche« Hrdnung hängt bei den Sekten zusammen die Neracht««g des geistlichen oder kirchliche« Amtes. Die Pastoren sind ihnen nur „bezahlte Mietlinge, die um Gewinnes willen sich anstellen lassen". Gegen diesen Vorwurf schweigen wir am besten. Aber das Vorhandensein der Sekten muß uns zur Selbstprüfung veranlassen: Was haben wir versäumt? Woran haben wir's fehlen lassen? Versteht vielleicht diese Sekte ein berechtigtes Bedürfnis suchender Gemeindeglieder zu befriedigen, an das wir bisher noch nicht gedacht haben? Und ihr aufdringliches Wesen, das keinen Besitzstand respek tiert, muß uns eine Mahnung sein zu rechter Treue in Lehre, Predigt und Seelsorge und priesterlicher Fürbitte für den Einzelnen. Ihr Ausspruch endlich, eine rechte Gemeinde Bekehrter und Heiliger zu sein, ist eine stete Mahnung an die Glieder unserer Hirche, nicht nur Namenchristen, sondern rechte Jünger Jesu zu sein und mehr und mehr zu werden. Denn der Christ ist immer im Werden, nicht im Sein. Aufmerksam machen wir heute auf ein Büchlein, das jüngst im Sachs. Volksschriflenverlag erschienen ist: „Stückle au? Stollmerich", Gedichte in westerzgebirgischer Mundart, von Ernst Hempel. Preis drosch. 30 Pfg. In nächster Nr. Posten wir eine kur,c Besprechung der letzlerschienenen Schriften des Bolksschriftenverlags zu bringen.