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Nach wenigen Ain Tschang Wuto, dkr neue chinesische Gelände in Berlin. (S. LVOj Ein eigentümlicher dumpfer Larin drang Gaston de Villiers aus dein Innern des mächtigen Zirkusgebäudes entgegen, als er das Vestibül durcheilte. Die Löiven mußten bereits in der Manege sein, denn er vernahm ihr Brüllen, noch ehe sich die letzte Thür vor ihm geöffnet hatte. Aber es war ihm, als hätte dies Gebrüll heute einen wilderen, drohenderen Klang als gestern, und nun hörte er einen verstört ans- nach einem halben Jahre war ich die Besitzerin mehrerer dieser herrlichen Tiere, deren Zähmung und Abrichtung mir init Leichtigkeit gelang. So wurde ich, was ich heute bin — eine Zirkuskünstlerin. Jetzt brauche ich keine Komödie mehr zu spielen und keine Lüge mehr zu ersinnen, um Sie an einer Be werbung um meine Hand zu verhindern, denn jetzt ge hören wir beide ja verschiedenen Welten an, die durch eine unüberbrückbare Kluft voneinander getrennt sind. Sie wissen, daß es heute eine Beleidigung sein würde, mir von Liebe zu sprechen, und Sie sind ritterlich genug, es nicht zu thun. Die Freundschaft aber, die Sie mir groß mütig bieten — nun, Sie missen es, Herr Marquis, weshalb ich sie nicht annehmen kann, und nun werden Sie, wie ich hoffe, nicht länger in mich dringen, Sie zu empfangen. — Ich verlaffe Paris noch in dieser Nacht. Wieder, und jetzt zum allerletztenmal, rufe ich Ihnen Photographische Ausnahme eines Armes mittels Röntgenstrahlen. - <S. 2M) sehenden Menschen im weißen Kittel, der ihn, aus der Arena kom mend, unsanft beiseite stieß, mit heiserer Stimme rufen: „Eisen- stangcn herbei — schnell I Es ist die höchste Gefahr! Die Zaleski muß toll geworden sein, sie legt es förmlich darauf an, die Tiere bis aufs äußerste zu reizen. Jede andere als sie hätten sie längst in Fetzen gerissen." Gaston wußte nicht mehr, wie er in den Jnncnraum des Zirkus gekommen war. Er wußte nur, daß er plötzlich mitten in der Manege stand, daß eine tausendköpsige, angstvoll erregte, schreiende und gestiku lierende Menschenmenge ihn umgab — daß unmittelbar vor ihm Unia inmitten ihrer Löwen-stand, und daß eines der Tiere mit einem gräß lichen Ausdruck der Wut in den glitzernden Augen sich drei Schritte von ihr entfernt niederduckte, wie eine Katze sich niederduckt, wenn sie auf das belauerte Vögelchen springen will. „Unia!" schrie er in Todesangst über all den Lärm hinweg, „Lenia!" Die junge Bändigerin, die ihn bis jetzt nicht hatte sehen können, da sie ihm halb den Rücken zukehrte, wandte sich mit einer raschen Be wegung nach ihm um. Sie hatte seinen Ruf gehört, und sie las in seinem Gesicht, daß er in keiner anderen Absicht hergckommen sein konnte, als um eine Brücke über den Abgrund zu schlagen, der seine Welt von der ihrigen trennte. Hell und klingend, wie ein jauchzender Freuden schrei kam es von ihren Lippen, und ihre zierliche Ge stalt richtete sich auf, daß sie plötzlich um Haupteslänge gewachsen schien. „Pascholl!" ein Lebewohl zu. Alls guten Geister mögen Ihnen lohnen Freundliches an mir zu thun gedachten! Unia Iwanowna Saburow. mich mit Beifall, bezahlte mich sehr gut, und bald hatte ich Gefallen an meinem neuen Beruf gesunden. Die eigentümliche Erscheinung, daß selbst die scheuesten und wildesten Tiere mir von vornherein eine gewisse Zuneigung entgegenbringen, zeigte sich auch jetzt wieder. """ Wochen ging ich bereits furchtlos in den Löwenkäfig, und , was Sie mädchenhaften Zügen. „Und ist es wirklich wahr, was sie alle glaubten — du wolltest dick von diesen schrecklichen Tieren zerreißen lassen?" Unia schloß die Augen, und ein Erzittern ging über ihre feine Gestalt. „Ja," flüsterte sie, „ich wollte sterben, denn jetzt, nachdem ich dick wiedergesehen hatte, jetzt hätte ich nicht mehr leben können ohne dich. Äaston beugte sich herab, um ihre halbgeöffneten Lippen wieder und wieder stürmisch zu küssen. Erschien es ihm doch wie ein Wunder, das; er sich die verlorene Geliebte im wahren Sinne des Wortes unter der solchen Umständen doch nicht daran denken dürfen, einen anderen dadurch, daß ich ihm meine Hand reichte, in unser trauriges Ge schick zu verstricken. Darum faßte ich, als ich erfuhr, daß Sie wirklich kommen wür den, den Entschluß, mich vor Ihnen zu verstecken, und flüchtete mich in einen Teil unseres Hauses, von dem ich annchmen konnte, daß Sie ihn während Ihrer An wesenheit nicht betreten würden. Meine Gefangenschaft würde, wie ich wähnte, nur von kurzer Dauer sein, denn ich zweifelte nicht, daß Sie noch vor Ablauf der ersten vierundzwanzig Stunden vor dem wüsten Leben auf Tereszewicze die Flucht er greifen würden. Aber ich hatte mich darin getäuscht, und Sie wissen, was weiter ge schah. Als ich Ihnen jenen Brief schrieb, den Sie aus den Händen meines Vaters empfingen, begrub ich jede Hoffnung auf künftiges Glück. Es hatte mich einen harten Kampf gekostet, meinen Vater von der Notwendigkeit dieser Handlungsweise zu überzeugen und mich seiner Mitwirkung zu versichern-, denn er mußte Sie in meinem Auftrage be lügen. Ich war nicht nach Moskau gereist, sondern ich befand mich nach wie vor im Schlöffe, und ich blickte vom Fenster meines Zimmers aus Ihrem Schlitten noch immer nach, als er schon manche Werst von Tereszewicze entfernt war. Dann ging es mit Riesenschritten weiter abwärts. Mein Vater starb, und ich war eine Bettlerin. Willig ließ ich mir- alles nehmen, aber als der neue Herr des Gutes auch meine Wölfe erschießen lassen wollte, machte ich energisch meine Eigen tumsrechte geltend. Freilich tonnte ich sie nicht bei mir behalte», denn ich hatte damals eine Stellung als Gesellschafterin in Moskau ange nommen und mußte froh sein, als der Besitzer einer dortigen Menagerie sich bereit erklärte, sie ohne Entschädigung in Pflege zu nehmen. Auf meinem Posten fühlte ich mich grenzenlos unglücklich, denn ich bin nun einmal nicht geschaffen, mich in die Launen anderer Leute zu fügen, und war zuweilen nahe daran, meinem Leben selbst ein Ende zu machen. So oft ich eine freie Stunde hatte, lief ich in die Menagerie zu meinen Wölfen, deren Anhänglichkeit sich verdoppelt zu haben schien, wie wenn sie wüßten, daß sie jetzt meine einzigen Freunde seien. Natürlich ging ich in ihren Käfig nur, wenn die Schaustellung für das Publikum ge schlossen war. Aber als mir der Besitzer der Menagerie eines Tages halb im Scherz sagte, daß ich durch die wunderbare Dressur meiner Lieblinge gewaltiges Aufsehen erregen und viel Geld verdienen würde, wenn ich sie öffentlich zeigte, da durchfuhr mich blitzartig der Gedanke, mir auf diese Art die so heiß ersehnte Freiheit zurückzugewinnen. Acht Tage später produzierte ich mich zum erstenmal mit der Larve vor dem Gesicht und unter einem angenommenen Namen. Man überschüttete Der Zuruf hatte dem sprungbereiten Löwen gegolten, und scheu kroch das gewaltige Tier zur Seite. Eine Eisenthür wurde klirrend zugeschlagen und unmittelbar danach eine zweite. Beifallssturm tobte brausend durch das Haus und übertönte das Brüllen der Löwen, wie, den schmetternden Tusch der Musik. Aber ob sich die begeisterten Zukchauer auch die Hände wundklatschten und die Kehlen heiser schrieen, die mas kierte Bändigerin erschien nicht wieder, um ihnen zu danken. Drüben in ihrem Ankleidezimmer, wohin kein unberufener Blick dringen konnte, ruhte ihr dunkles Köpfchen ohne die verhüllende Larve an der Brust des geliebten Mannes, zwar totenbleich, doch mit einem Aus druck höchsten Glückes in den noch immer unverändert,