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184 Mannigfaltiges. v°rd°.°...> Anfere Mikder. — Ein Jahrhundert ist seit der Geburt Karl Baedekers verflossen, des Verfassers der ersten deutschen Reisehandbücher und Gründers des nach ihm benannten, auf der ganzen Erde bekannten und geschätzten Ver lags. Baedeker wurde am 3. November 1801 in Essen geboren, errichtete 1827 in Koblenz eine Buchhandlung und kam durch die den Rhein bereisenden Eng länder, in deren Hand man stets das damals erste Reisehandbuch von Murray erblickte, auf den Gedanken, ein deutsches Reisehandbuch zu verfassen. Der Er folg war so glänzend, daß bald eine Reihe weiterer Bände erscheinen konnte, die an p.attischer Brauchbarkeit und Gründlichkeit ihr englisches Vorbild weit überflügelten. Karl Baedeker starb am 4. Oktober 1859, gegenwärtiger In haber der Firma, die 1872 nach Leipzig verlegt wurde, ist sein Sohn Fritz. — Nm nordwestlichen Ende des Persischen Golfes liegt der Hafen Kuweit, dessen Name infolge der Versammlung englischer Kriegsschiffe daselbst in jüngster Zeit viel genannt wurde. Es scheint, daß England beabsichtigt, sich in den Besitz desselben zu setzen. Für Deutschland ist der Ort wichtig, weil er der Endpunkt der von einer deutschen Gesellschaft projektierten und von der deutschen Negierung geförderten Bagh- dadbahn werden soll. Die projektierte Bagh- dadbahn ist die Fortsetzung der kleinasiatischen Linie Skutari—Konia oder Skutari-Augora durch Anatolien und Mesopotamien bis zum Persischen Golfe. Das ältere und kürzere Pro jekt geht von der bisherigen Endstation Angora aus und trifft bei Diarbekr mit der Linie zu sammen, die Konia als Ausgangspunkt nimmt, welches dieser beiden Projekte ansgeführt werden wird, ist noch nicht entschieden. Von Diarbekr geht die Bahn dann weiter über Maidin, Mosul, Erbil und Kerkuk nach der allberühmten Kalifenstadt Baghdad; von dort über die mohammedanischen Pilgerstädte Ker bel« und Nedjcf nach Basra am Euphrat und erreicht in Kuweit die Meeresküste. Die Burg von Stokahin Bosnien. <Mit Abbildung.) — Oberhalb der Bezirksstadt Sto- latz in Bosnien an der Bregava erhebt sich auf schroffem Felsen die uralte Burg gleichen Namens, die nicht nur in früheren Zeilen harte Kämpfe gesehen hat, sondern auch mit einer Reihe von dramatischen Begebenheiten aus der neueren Geschichte Bosniens ver knüpft ist. Dort herrschte in der erstell Hälfte des 19. Jahrhunderts Ali Pascha Riswan- begowitsch. Während des bosnischen Auf standes im Jahre 1831 war er eine der Säulen des Osmanentums, schloß dann aber im Jahre 1842 mit dem Wladika Peler Petro witsch ein geheimes Bündnis gegen den Sul tan. Die Sache wurde verraten, und als im Jahre 1850 die türkischen Heerführer Omer Pascha und Iskander Beg die Bosnier unter worfen hatten, lockten sie Ali Pascha, den sie auf seiner Feste nicht glaubten bezwingen zu könueu, durch List und Areundschaftsversiche- rungen nach Buna und ließen ihn dort er morden. Der Brief im „Don Garlos". — Bekanntlich spielt in Schillers „Don Carlos" der Brief des Königs Philipp an die Prinzessin Eboli, mit dem der Prinz am Ende des achten Auftrittes des zweiten Aktes triumphierend abgeht, eine große Rolle. Die Eboli wirft sich dem Prinzen händeringend in den Weg und sucht ihn aufzuhalten. Als ihr das nicht gelingt, steht sie betäubt und ohne Fassung da, dann sinkt sie in einen Sessel. Bei der ersten Vorstellung deS „Don Carlos", die während der französi schen Kriegszeiten in Berlin stattfand, gab die berühmte Bethmann f-f 1815) die Eboli, Mattausch den Prinzen. Letzterer verlor in jener Scene den ver hängnisvollen Brief, der vor den Augen deS Publikums auf der Bühne liegen blieb. Die Bethmann bemerkte den Brief zunächst nicht, weil sie auf der anderen Seite der Bühne stand. Unter den Zuschauern entstand große Un ruhe, lautes Murmeln erhob sich; die Bethmann hielt dies jedoch für die Folge treffenden Abschnittes aus dem genannten Buche folgen. „Nachdem der künftige Praktikus in guter Ordnung und mit treuem Flciße seine Studien auf niedern und hohen Schulen vollendet, darauf öffentlich disputiert und des Hippokrates Eid geschworen, soll er sein Werk angreifen und in der Welt hervortreten, aber nicht parfümiert, nicht in blitzenden Kleidern, sondern einfach angethan und mit einer Perücke. Er soll sein wohlgewachsen, der Weiblein halber reinlich, gesprächig, nicht schwatzhaft, von gutem Gedächtnis, von großer Urteilskraft, herablassend, nicht gewinnsüchtig, nicht trunksüchtig, nicht aufgeblasen wie ein Pfau, nicht verliebt, wohl aber beweibt. Er soll mitten in der Stadt wohnen und sich fein auf warme Hände von wegen des Pulses schicken. Er soll nicht so stetig schnupfen und bei sothanen Besuchen ein fein und reinlich Tüchlein mit sich führen." sM. L—l.s Eine Miefenuhr. — Am Bahnhofe der Livcrpoolstraße in London, an dem Endpunkte der großen Osteisenbahn, ist eine Niesenuhr aufgestellt worden, die, von einem Elektrotechniker gebaut, sowohl betreffs ihrer Größe, als auch ihrer Einrichtung kaum einen Nebenbuhler auf der Welt besitzen dürfte. Sämtliche übrigen Uhren der 624 Bahnhöfe des Schienennetzeü der großen Osteisenbahn sind mit der Riesenuhr verbunden und wer den durch sie im richtigen Gange erhalten, sie werden durch denselben elektrischen Strom reguliert und erhalten ihre Bewegung von demselben Apparate, so daß ihr Gang ein. völlig gleichmäßiger ist. An der Riesenuhr ist eine große Zeigertafel angebracht, welche die geringsten Störungen im Uhrgangc und die kleinsten Abweichungen von der richtigen Zeit bis zu Bruchteilen der Sekunde für jeden beliebigen Punkt des Eisenbahnnetzes anzeigt. Die Genauigkeit der Uhr ist eine so vollkommene, daß die Schwankung ihres Ganges seit ihrer Einstellung am 15. Juni 1898 nicht den fünfhundertsten Teil einer Minute betragen hat. Das Zifferblatt der Uhr hat einen Durchmesser von 6'/- Meter, die Minuten sind durch Striche so groß wie eine Handfläche abgeteilt, und der kleine Uhrzeiger hat allein ein Gewicht von beinahe 1',e Zentner. sO. v. B.j Ein königlicher Kinderfreund. — Auf dem Trottoir der Hohenwegstraße in Potsdam spielte eines Tages ein Schwarm munterer Knaben mit Kreiseln, als König Friedrich Wilhelm III. mit seinem Adjutanten daher geschritten kam. Letzterer beeilte sich, die lärmenden, ihre Kreisel peitschenden Bürschchen auseinander zu treiben, damit der König un behindert seinen Weg fortsetzen könne. Aber rasch siel der König dem Adjutanten in den Arm und sagte: „Haben Sie in Ihrer Jugend auch Kreisel gespielt?" Auf seine verneinende Antwort versetzte Friedrich Wil helm III.: „Dann ahnen Sie auch schwerlich, wie es einen Jungen ärgert, wenn ihm so ein tanzendes Ding über den Haufen ge worfen wird. — Wenn ich als Knabe kreiselte, sind mir stets die Leute aus dem Weg ge gangen. Kommen Sie mit hinüber auf die andere Straßenseite!" Und der König schritt, den Kreisel treibern ausweichend, mit seinem Adjutanten über den schmutzigen Fahrweg hinüber. sJ. W.s ZSechfek-Ziätfef. Bei Frost und Winterkühle Holt man'S mit e hervor; In feuchter Sommerfchwüle Schießt cs mit i empor. Auflösung folgt in Nr. 47. Tic Burg von Stolah in Bosnien. von damals oft ins Theater eindringenden Kriegsnnchrichten und Bulletins. Plötzlich fiel ihr Blick auf den Brief. Jetzt entdeckte sie die Ursache der Auf regung im Publikum. Was thun in dieser Lage? Diese Frage legte Heinrich Schmidt, der als Vorsteher deS fürstlich Ester- hazyschen Theaters damals in Berlin geweilt hatte, später Goethe und dessen Gemahlin vor. Letztere meinte, sie hätte an der Bethmann Stelle so gcthan, als sähe sie den Brief nicht. „Da wäre sie freilich wohlfeilen Preises davon gekommen," sagte Goethe hierauf, „aber wer kann erraten, was eine kluge, verständige Schauspielerin in so kritischem, dringendem Augenblick thut?" Schmidt erzählte nun weiter. Die Bethmann stürzte mit bewunderns werter Geistesgegenwart auf den Brief zu, öffnete und durchflog ihn, dann warf sie ihn mit einer Gebärde getäuschter Erwartung gleichgültig zu Boden, als ob der Prinz ein anderes Schreiben zurückgelassen hätte, und fuhr in ihrer Rede weiter fort. Durch diese einzige Gebärde hatte sie das Kunstwerk eines unserer größte» Dichter vor der Lächerlichkeit gerettet. Ein gewaltiger Bei fallssturm war ihr Lohn. sD.s AUo Rortzto vorvohaitorr. Erfordernisse eines praktischen Arztes. — In einem älteren medizinischen Werke vom Jahre 1775 ist davon die Rede, welche Eigenschaften ein praktischer Arzt besitzen muß. Der Ergötzlichkeit halber mag hier der Wortlaut des be Verantwortlicher Redakteur: Th. Freund. Druck und Brrlag dir Union Deuljche BkrtugogrßUjchast in Stuttgart.