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Fein gesponnen oder Das Fastnachtsgeheimnitz. Miminal-Roman von Lawrence F. Lynch. — Deutsch von E. Kramer. (Nachdruck verboten.) 88. Fortsetzung. Fünfundzwanzig st es Kapitel. ! Für Rufus Carnow folgte eine schlimme Zeit; Marly Jenkins hatte sich wohl wieder etwas erholt; er Mr nicht krank genug, um zu sterben, aber ebensowenig M Stande, aufzustehen und sich hinrichten zu lassen. U Einmal hatte Carnow, als Seelsorger verkleidet, den Mefangcnen ausgesucht, um einen Eindruck von seiner Mersönlichkeit zu gewinnen; auch Joseph Larsen hatte er Wöchentlich einen Besuch abgestattet, aber der Wahnsinn Der und das Fieber dort wollten nicht weichen, und Mr Detectiv fing an, an der Schwierigkeit seiner Aufgabe Md tur Unthätigkeit, zu der er verdammt war, zu ver- Rveifeln. Inzwischen war Steinhoff in New-Jork um so be- I häftigter. Kaum war er dort angekommen, so suchte er seinen I freund Jones auf und erfuhr auch sofort den Grund, I er den Reporter zu einem Telegramm veranlaßt hatte. I „Ich wußte, daß Du nicht zögern würdest, Dick," Redete er Steinhoff, mit dem er von Jugend aus be- Rreundet war, an. „Ich habe, wie Du es wünschtest, Mie Theaterburcaux nach der verschwundenen Dame ab- I iesucht und bei Wilkens eine Spur gefundeu. Direktor I Wilkens, der ein ganz geriebener Bursche ist, verhandelt I tets persönlich mit allen Bewerberinnen, die ein viel- I ^sprechendes Aeußeres haben. Als ich ihm die Photo- Dzraphie zeigte, erkannte er sie sofort. Das Original Matte vor zwei Tagen um ein versuchsweises Engagement Igebeten. Er hatte ihr gesagt, daß ein neues Ausstatt. Dungsstück in Scene gehen sollte, bei dem eine Anzahl »Damen gebraucht würden; sie möchte sich nach Ablauf Deiner Woche wieder melden. „Und ist die Woche schon um?" fiel Steinhoff schnell D ein. „Morgen ist der letzte Tag, Du kommst aber gerade Rzur Zeit! Du willst natürlich gleich mit Wilkens »sprechen?" „Ja. Je eher, desto besser. Hinterließ die Dame Meine Adresse bei dem Director?" „Nein. Wie der alte Fuchs meint, thun das die »jungen Mädels selten. Nun, Dick, höre! Wieviel »willst Du mir von der Sache anvertrauen?" „Alles!" lachte Steinhoff. » Am Abend desselben Tages machten die Freunde DMrs. Wilkens, dem Director eines der größten Theater s New-Jorks, einen Besuch. Es wurde Steinhoff nicht schwer, einem Manne, k wie Mr. Wilkens, die Bedeutung seines Anliegens klar Izu machen, und der Direktor sicherte seine Hilke zu. „Ich bin gespannt, ob sie bei Ihnen eintreten wird," l bemerkte Steinhoff. „Das hoffe ich sicher," erwiderte der Director. „Die I junge Dame sprach so bestimmt, daß ich glaube, es war I ihr Ernst mit ihrem Wunsche. Sie hat eine wunder- I volle Stimme, tief und süß, voll Kraft und Fülle. Eine » bessere Soubrette könnte ich mir gar nicht denken. Das t Mädchen interessirt mich." „Und glauben Sie, daß sie Sie bald wieder auf- I suchen wird?" „Ich würde mich nicht wundern, wenn sie schon I morgen käme; denn, wie Sie vielleicht aus den Zeit- L ungen ersehen haben werden, beginnt morgen die erste I Probe unseres großen Ausstattungsstückes." „Schön," sagte Steinhoff, „dann werde ich auch I hier sein." Obgleich der Detectiv von den Anstrengungen des I letzten Tages sehr ermüdet war, so stellte er sich doch I am nächsten Morgen als einer der ersten zu der Theater- I Probe ein. Er war nicht wenig überrascht, als er auf seine I Frage, ob Mr. Wilkens in seinem Bureau sei, noch ehe I er seinen Namen genannt hatte, die Antwort erhielt: „Ja, Herr. Er läßt Sie bitten, so schnell als mög- lich zu ihm zu kpmmen." „Beim Himmel, Mr. Steinhoff," rief der Director, nachdem der Detectiv die Thür kaum geschlossen hatte. „Ich bin froh, daß Sic da sind! Guten Morgen, guten Morgen! Ich hoffe, Sie haben gut geschlafen und fühlen sich frisch und munter! Ich glaube, Sie stehen nahe vor der Erfüllung Ihres Wunsches! WaS bekomme ich, wenn ich Ihnen Nachricht über die ge suchte Schöne gebe?" Er mußte Athem schöpfen, und Steinhoff fand jetzt Zeit, zu fragen: „WaS? Sie haben von ihr gehört?" „Gehört? Ich habe sie gesehen, Mann!" „Gesehen? Heule schon?" „Nein, gestern Abend. Sie war, kaum zehn Minuten, nachdem Sie fortgegangen waren, hier. WaS halten Sie von solchem Eifer?" „Ich werde besser wissen, waS ich davon zu halten habe, wenn Sie mir Ihre Unterredung mit ihr er zählen wollen. Ich fange an, zu fürchten, diese junge Dame hat Sie für sich zu gewinnen gewußt, und Sie sind ins feindliche Lager übergegangen." „Ich kann Ihnen sagen, mein Herr," bemerkte der Director mit mehr Ruhe als bisher, „ich war in großer Versuchung dazu, aber ich bin ein alter Graukopf, und so verlor ich nicht ganz die Besinnung. Nun, ich will Ihnen erzählen, wie es war." Steinhoff beugte sich vor, sein Gesicht drückte die größte Spannung aus. „Sie hatten mich kaum verlassen, als die junge Dame in mein Zimmer trat. Sie fing, gerade wie das erste Mal, gleich beim Geschäft an. „Ich sah in der Zeitung, daß morgen die Proben zu dem neuen Stück beginnen," sagte sie, „und ich dachte, eS wäre am besten, schon heute Abend zu kommen. Haben Sie mir einen Platz darin zugedacht?" Ich erwiderte ihr, daß ich es gethan, und nach einigen geschäftlichen Fragen wollte sie wieder gehen. Ich hielt sie zurück und sagte: Sie haben mir Ihre Adresse nicht angegeben, Miß — ich zögerte, denn sie hatte mir auch ihren Namen genannt. „Mein Name ist Miß Burton," erwiderte sie, „und meine Adresse — verzeihen Sie, die möchte ich nicht gern angeben." „Der Tausend!" stieß Steinhoff hervor. „Sonderbar, nicht wahr? — Gut, ich setzte ihr auseinander, daß es bei uns Geschäftsgebrauch sei, Name und Aufenthalt eines jeden Mitgliedes unserer Truppe zu notiren, aber sie war so unwiderstehlich in Rede und Blicken, daß ich nicht weiter forschte. Sie ging, nachdem sie noch versprochen hatte, heute pünktlich um zwei Uhr hier zu sein. Steinhoff sprang auf. „Und Sie ließen sie so gehen?" rief er entrüstet, „O bewahre! Ich hatte zwar versprochen, ihr nie mand nachzuschicken, und das lhat ich auch nicht. Ich stülpte meinen Hut auf und ging selbst." „Ah," lachte Steinhoff. „An der nächsten Ecke nahm sie eine Droschke." „Und Sie?" „Ich auch." „Weiter!' Sie fuhr durch einige Straßen, dann hielt der Wagen an der fünften Avenue. Sie stieg aus und ich auch. Dann ging sie über den Damm und nahm die selbe Droschke, aus der ich eben ausgestiegen war." „Und dann?" „Dann" — Mr. Wilkens stand auf und fing an, hin und her zu gehen. „Dann fiel mir ein, daß ich bisher nur an Sie gedacht hatte, Mr. Steinhoff; jetzt besann ich mich auf mich selber und mein Versprechen. Ich war kein Detectiv, und hatte daher kein Recht, zu spioniren und ihr nachzulaufen. Ich wandte mich um und ging in mein Bureau zurück. — „Ah," sagte der Detectiv mit einem Seufzer der Enttäuschung. Ich kann Sie nicht tadeln. Was Sie thaten, war nur richtig. Ich muß also warten, bis sie zur Probe kommt." Aber die Theaterprobe ging vorüber, und die junge Dame, die Mr. Wilkens, ohne ihre Adresse zu kennen, engagirt hatte, erschien nicht. „Sie müssen mir noch einmal behilflich sein," sagte Steinhoff zu dem Direktor, als er sich verabschiedete, „ich will Sie dann auch nicht mehr bemühen. Welches war die Nummer der Droschke, die Sie benutzten, als Sie der Dame folgten?" „Das weiß ich wirklich nicht! Ich habe gar nicht darauf geachtet und ich kannte auch den Droschenkutscher nicht. Es kann keiner von unserem Stand hier gewesen sein." „Nun, wenn er noch unter den Lebenden weilt, werde ich ihn schon finden!" rief Steinhoff. Zwei Tage später schrieb er einen langen Brief an Carnow. In dem Postbeutel, der ihn enthielt, wurden noch zwei andere zierlich geschriebene und fein parfümirte Briefe befördert, deren Inhalt für uns von Inte resse ist. Steinhoffs Schreiben an Carnow begann mit einem genauen Bericht über sein Zusammentreffen mit dem Thcaterdirector Wilkens und über seine ferneren vergeb lichen Bemühungen, daS Mädchen, welches er für Bertha Warham hielt, aufzufinden. (Fortsetzung folgt.) Eingesandt. Wieder naht die Zeit, wo abermals weiteren Kreisen unserer Einwohnerschaft Gelegenheit geboten wird, in sittlicher, ästhetischer und intellektueller Beziehung sich zu heben event. vorhandenes Streben nach Bildung zu befriedigen. Macht sich doch gegenwärtig ein solches Streben immer mehr und mehr geltend. Dieses ist eine erfreuliche Thatsache und umsomehr zu begrüßen, als es einer der größten Nationalökonomen, Prof. Schmöller, gewesen ist, der den letzten Grund aller sozialen Gefahr in der Dissonanz nicht so sehr der Besitz- als der Bild ungsgegensätze erblickt hat. Diese Gegensätze auszu gleichen, haben sich eine große Anzahl von Vereinen in unserem deutschen Varerlande theils zur Neben- theils zur Hauptaufgabe gemacht, und zwar durch Verbreitung von Flugblättern, durch Einrichtung von Lesezirkeln und Volksbibliotheken uno mittelst Abhaltung von volks verständlichen Vorträgen. Seit Jahren schon verfolgen dergleichen Bestrebungen auch in unserer Stadt der Kaufmännische Verein, die beiden Gewerbevereine und in sanitärer Hinsicht auch der Naturheilverein. Daß diese Thäligkeit eine im hohen Grade ersprießliche und segensreiche ist, unterliegt wohl keinem Zweifel, mithin Grund, rückhaltslose Anerkennung und tiefgefühltesten Dank hierfür zu zollen. Aber weit mehr schöne Früchte würde es tragen, wenn man in den Leitungen der beiden erstgenannten Vereine dazu sich verstünde, daß man die Einrichtung träfe, durch Verausgabung von Arbeiterkarten zu ermäßigten Preisen unsern Fabrik arbeitern, Hauswebern u. s. w. auch dazu behilflich zu sein, des Genusses solcher Vorträge theilhaftig zu werden. Des aufrichtigsten Dankes dürften sie sich versichert halten. Und wären es auch anfänglich nur wenige Wissensdurstige, die diese Gelegenheit ergriffen, sich weiter zu bilden, mit dieser und jener Materie vertraut sich zu machen, so wäre jedenfalls ein finanzielles Risiko damit nicht verknüpft. Welch schöner Lohn, dessen bewußt zu sein, das geistliche und kulturelle Leben, wenn auch nur einzelner unserer Mitbürger, über das Durchschnittsniveau zu erheben mitgeholfen zu haben. Telegraphische Nachrichten vom s. Oktober. (Hirsch's Telegr. Bureau.) Berlin. Ueber die gestriche Audienz des Ober bürgermeisters Kirschner und des Stadtbauraths Hoff mann beim Kaiser berichten mehrere Blätter: Die Audienz ist der eigensten Initiative des Kaisers zu danken, da von Herrn Kirschner nicht der geringste Ver such gemacht worden ist, eine solche zu erlangen. Völlig unvermuthet traf am Montag Nachmittag nach der Be endigung der Magistratssitzung, in der sich dieser mit dem Bescheid des Oberpräsidenten in der Sache Kauff mann beschäftigt hatte, ein an den Oberbürgermeister gerichtetes Telegramm ein, worin Herr v. Lucanus im Auftrage des Kaisers Herrn Oberbürgermeister Kirschner und Herrn Stadtbaurath Hoffmann ersucht, in Ange legenheit der städtischen Bauten morgen (Dienstag) Vormittag nach Hubertusburg zu kommen. Der Em pfang gestaltete sich überaus gnädig, und nach der Audienz zog der Kaiser die beiden Herren zur Tafel.. Der Kaiser ergriff hierbei die Initiative nnd erörterte neben den schwebenden und Verkehrsfragen auch die Angelegenheit Kauffmann. Breslau. Hier ist das sensationelle Gerücht ent standen, daß in dem Nachlaß des durch Selbstmord geendeten Directors der „Rhederei Vereinigter Schiffer" u. A. der Goldschmuck der vor einigen Jahren von unbekannter Hand ermordeten Breslauer Halbweltdame Else Groß gefunden und beschlagnahmt worden sei. Der „Bresl. Gen.-Anz." theilt hierzu auf Grund zuver lässiger Information mit, daß in der That eine Untersuchung der Behörde in dieser Richtung schwebt. Dieselbe hat jedoch bis jetzt noch keinen Anhaltspunkt dafür gegeben, daß unter den beschlagnahmten Schmuck gegenständen solche der Else Groß befinden. Rom. König Viktor Emanuel verlieh dem Grafen Waldersee den Groborden des Ordens von Savoyen. Prag. Die Landtagewahlen in Böhmen haben eine Veränderung der Stärkeverhältnisse zwischen Deutschen und Tschechen nicht gebracht; die Deutschen behalten 30, die Tschechen 49 Mandate. Von den deutschen Mandaten sind viele von den Alldeutschen gewonnen worden. Brüssel. Wie verlautet, soll für den 1. November der Generalstreik der belgischen und sranzösischen Berg leute beschlossen sein. Liverpool. Gelegentlich der gestrigen Vertheilung der Kriegsmedaillen an Soldaten hielt Lord Roberts eine Ansprache, in welcher er dem Wumche Ausdruck gab, den Krieg in Südafrika bald beendigt zu sehen. Die Behauptung, daß nicht Alles gethan werde, um den Krieg schleunigst zum Abschluß zu bringen, sei un- begründt. Sowohl von den Befehlshabern in Südafrika, wie von den verantwortlichen Behörden werde Alles gethan, um den Krieg zu beenden. Lord Kitchener, zu dem Alle unbedingtes Vertrauen hätten, habe auch nicht ein einzige» Mal eine Forderung um Entsendung von Mannschaften, Pferden oder Vorräthen gestellt, welche nicht sofort erfüllt worden sei und das werde auch fernerhin, so lange der Krieg dauere, geschehen. Lord Roberts kam dann auf die Schwierigkeiten der Kriegs führung zu sprechen, wies dabei auf die Geländekennt- niß des Feindes hin und betonte, daß noch erst kürzlich die englischen Heerführer einen Erfolg zu verzeichnen ge habt hätten. Lord Roberts schloß mit der Aufforderung, die Nation möge auch ferner eine bewunderswerthe Geduld zeigen, wie während der trüben Tage des Monats December 1899. Leeds. Herbert Gladstone hielt hier eine längere Rede, in der er erklärte, das Land müsse einsehen, daß eine Fortsetzung des Krieges nur eine Zunahme der Ausgaben und eine Abnahme des Handels be deute. Die Regierung verdiene nicht das Vertrauen des Landes. Durban. Die Buren haben sich verschanzt und versuchen, ihre Familien und das Vieh nach Norden zu entsenden, um später zu folgen. In den umliegen den Distrikten wurden alle Pferde von ihnen requirirt.