Volltext Seite (XML)
würde. „Lieben" — das gebührt ja auch den Eltern gegenüber ' den Kindern oder den Geschwistern untereinander; „ehren", das gebührt den Kindern den Eltern gegenüber allein. Liebe hat ihren Gegenstand neben sich, Ehrerbietung hat ihn über sich, und für Kinder gehört es sich, daß sie an ihren Eltern hinaussehen. Darum sagt Luther im Großen Katechismus: „Dem Vater- und Mutterstand hat Gott sonderlich den Preis gegeben vor allen anderen Ständen, daß er gebeut, sie zu ehren. Er setzt sie neben sich. Denn es ist viel ein höher Ding, ehren denn lieben, als das nicht allein die Liebe begreift, sondern auch eine Zucht, Demuth und Scheu, als gegen einer Majestät, alldaverborgen, also, daß man viel von ihnen halte und nach Gott als die Obersten ansehe." Ja, es ist eine Gottesmajestät, die aus den Eltern und allen Vorgesetzten oder „Herren" bis hinauf zum König und Kaiser, ruht. Alles Vatersein auf Erden weift hinauf zum Vater im Himmel als zu dem, von dem es kommt und in dem es ausmündet; alles Hccrsein auf Erden weift hinauf zum höchsten Herrn im Himmel, von dem es stammt und in dem es endigt. — Dabei ist zu be achten, daß Vater und Mutter je besonders genannt sind. Manche machen hier bösen Unterschied, sind ehrerbietig gegen den Vater, aber nicht gegen die Mutter, oder umge kehrt. Und doch sind Vater und Mutter Eins; daruni wer den Vater ehren will, muß auch die Mutter ehren, und wer die Mutter verunehrt, verunehrt auch den Vater. Aber auch für die Eltern erwächst hier die Pflicht, daß sie den Kindern gegenüber wirklich Eins sind und sich Eins wissen, und daß nicht, wie dies in manchen Familien trauriger Weise der Fall ist, der Vater eine Parthei sei und die Mutter eine, und jede Parthei die Kinder auf ihre Seite zu ziehen sucht, und dann jedes eifersüchtig sei auf die Ehre und Liebe, die von den Kindern dem Andern entgegengebracht wird. Das sind böse Ehen und friedelose Familien. Wie leicht pflanzt sich dieses Partheiwesen auch fort auf die Dienstboten, so daß auch diese nicht mehr Herr und Frau gleichmäßig ehren und lieben, sondern die Einen zum Herrn halten, die Andern zur Frau und der Hader und die Eifersucht kein Ende nehmen will! Die Majestät, die Gott auf Vater und Mutter gleicher maßen gelegt hat, ist von ihren persönlichen Eigenschaften gänzlich unabhängig; sie beruht überhaupt nicht auf der Person, sondern auf dem Elternamt und Elternnamen. Sünden, Fehler, Schwachheiten, die wir an Eltern und Vorgesetzten bis hinauf zum König entdecken, entbinden uns keineswegswegs von der Pflicht der Ehrerbietung. Wohin Die evangelisch-luth. Mission Bei dem Jahresfest der Leipziger Mission in der Pfingstwoche erstattete, nach einer Predigt des Herrn Decan Kohl aus München über Matth. 9, 35—38 („Unser Mis sionsfest eine Lehrstunde über und für das Reich Gottes, darin wir lernen: Missionssinn, Missionsglauben, Missions arbeit"), Herr Missionsdirector von Schwartz den Jahres bericht. Er sprach von den Schwierigkeiten und Hinder nissen, welche die katholischen Missionare mit ihrer Gewalt- thätigkeit und ihrem herrischen Wesen unseren Missionen am Kilimandscharo bereiten, und klagte über den Mangel an Ver- ständniß für das, was den Eingeborenen noth thut, bei den unter geordneten Beamten der Colonialverwaltung. „Nicht nur die Männer, auch die Frauen werden zur Arbeit comman- dirt und können sich dann nicht um Essen und Kinder be kümmern. Wochenlang müssen Hunderte umsonst arbeiten, so daß die Arbeiter, die auf der Missionsstation Geld ver dienen, bedroht werden. Man gönnt es ihnen nicht, daß kämen wir in der Welt, wenn wir den Gehorsam gegen das Gesetz, gegen die obrigkeitliche Ordnung abhängig machen wollten von der persönlichen Beschaffenheit derer, denen das Amt gerade anvertraut ist? Dann kämen wir aus der Unordnung und Revolution gar nicht mehr heraus; denn das ist wahrlich keine Kunst, an Eltern und Herren immer etwas heraus zu finden, was unvollkommen, fehlerhaft ist und was man in diesem Falle als Vorwand für Unge horsam und Unbotmäßigkeit gebrauchen könnte. „Wenn dein Vater ein Verbrecher in Ketten wäre, und du schämtest dich seiner und verachtetest ihn, du erwiesest ihm nicht die Ehr erbietung, die das Kind dem Vater nach Gottes Willen schuldig ist, so wärest du ein schändliches unv verfluchtes Kind. Wenn deine Mutter tief vor Gott und Menschen gefallen wäre und du verachtetest sie deswegen und wendetest dein Herz und schämtest dich, sie Mutter zu nennen und als Mutter zu ehren, so bist du nicht minder ein schändliches und verfluchtes Kind." Gott sei Dank, wenn wir Eltern haben, die zu ehren uns leicht und ganz natürlich ist! Aber wenn es nicht so wäre—das Wort: Du sollst Vater und Mutter ehren! gilt dennoch, und Gottes heilige, dräuende Majestät steht dahinter. Nun aber auch noch die Verheißung: „Auf daß dir's wohl gehe und du lange lebest auf Erden." Jede heilige Gottesordnung trägt in sich einen Segen für den, der sie hält, und einen Fluch für den, der sie miß achtet. So mancher, der wohl begabt ist, auch etwas Ordent liches gelernt hat, kommt doch im Leben nicht recht vor wärts, und wie Bleigewicht hängt's immer an ihm, wenn er eben meint, jetzt sei er am Ziel. Warum das? Frage seine Eltern, den Vater, den er erzürnt, die Mutter, die er betrübt und verachtet hat, so wird sich das Räthsel lösen. Ein Anderer, vielleicht weniger begabt, aus weniger günstigen äußeren Verhältnissen herkommend, kommt vor wärts, er weiß selbst nicht wie, und Alles, was er macht, geräth wohl. Warum? Frage seine Eltern, deren Freude er durch Gehorsam und Kindlichkeit von jeher gewesen ist, die werden es dir sagen. Ja, auch wenn es solchen Kindern im Aeußeren nicht so glücklich geräth, wenn sie sich noth dürftig und kümmerlich durchschlagen müssen, der Segen ihrer Eltern ruht doch auf ihnen, daß es ihnen auch in der Armuth, wie die Verheißung lautet, wohl geht, daß sie glückliche, mit Gott uud seiner Führung zufriedene Leute sind, die ihr bestes Erbe drüben erwarten in dem Land, das ihnen der Herr unser Gott geben wird nach diesem armen Leben, um Jesu Christi willen. zu Leipzig im Jahre 1900. sie es besser haben, als die anderen, die umsonst schwere Arbeit thun müssen. Und wenn die Nachbarn, die regel mäßig zum Gottesdienst zu kommen pflegen, am Sonntag fehlen, weil sie gezwungen werden, einen großen Lawn- Tennis-Platz für die Europäer zu bauen, so kann man sich nicht wundern, wenn unsere Brüder niedergeschlagen sind wegen der Hindernisse ihrer Arbeit, die von christlichen Landsleuten ausgehen, kann sich auch nicht wundern, wenn die Eingeborenen die Herrschaft der Europäer nicht lieb gewinnen.— Trotz mancher Hinderniffe in der Arbeit dürfen wir von einigen Fortschritten in unserer Dschagga- Mission berichten. „Man sieht doch, daß es vorwärts geht", schreibt einer unserer Brüder. Es wurden 20 Erwachsene und das erste Kind aus einer christlichen Ehe getauft, so daß die Seelenzahl im Jahre 1900 sich gerade verdoppelt hat; von 21 auf 42. Und am Schluffe des Jahres standen 29 Heiden im Taufunterricht. Auch die Zahl der Schüler