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Nr. 88. Pulsnitzer Wochenblatt. — Sonnabend, den 13. Mai 1916. Seite 6. Hinterkorn. Das Direktorium der Reichsgetreidestelle hat die weitere Freigabe von Hinterkorn abgelehnt. Es werden deshalb die Besitzer von Hinterkorn, gleichviel, ob hierüber der Königlichen Amtshauptmannschaft Groben zur Prüfung vorgelegt worden sind oder nicht aufgefordert, alles Hinterkorn sofort und längstens dis zum 31. Mai 1916 an die Firma: M. E. Schöne-Kamenz oder Bombach L Paatz-Pulsnitz oder F. G. Söhnel Nachf-Königsbrück abzuliefern. Die Ablieferung hat nur an eine dieser 3 Stellen zu erfolgen. Für das Hinterkorn wird ein einheitlicher Preis von 10 M pro Zentner bezahlt werden. Sollten von der Neichsgetreidestelle dem Kommunalverbande doch noch einige Mengen Hinterkorn zum Verschroten freigegegen werden, so werden in er ster Linie die Abgeber des Hinterkorns berücksichtigt werden. vsr vszirksvsrband Osr königNcven Nmtsvauptmannscdakt Kamenz, den 12 Mai 1916 Srssentlicht Impfung 1916. Die dieljährigr öffentliche Impfung und Revision, welche unentgeltlich durch den hiesigen verpflichteten Jmpfarzt Herrn vr. meck Kreyßig oorgenommen wird, erfolgt in hiesiger Stadt, und zwar im Ratskeller 1s Treppe an folgenden Tagen: I. Impftermin: Lrst-Imxflinge, Donnerstag, den f8. Mai M6, nachmittag» 3—»/,5 Uhr, Wieder-Impflinge, Freitag, den fy. Mai 1(9(6, Knaben von nachmittag» 5—»/,6 Uhr, Mädchen „ , >/,6— 6 „ II. Jmpfrevisionstermin: Freitag, den 26. Mai 1916 - /Knaben nachmittag» */,6— 6 Uhr, Lrst-Impflinge nachmittag» 8—»/,5 Uhr, Wieder-Zmpflinge j 8—'/,6 Zu impfen sind im laufenden Jahre alle Sinder, a) welche 1. im Jahre 1916 geboren, 2. im vorigen Jahre von der Impfung »urückgestellt und 3. da» 1. oder 2. Mal ohne Erfolg oder überhaupt noch nicht geimpft worden sind (Erstimpflinge). b) dergleichen alle Schüler, die 1. im Jahre 1916 ihr 12. Lebentjahr zurücklegen, 2. im vorigen Jahre von der Impfung zurückgestellt und 8. da» 1. oder 2. Mal ohne Erfolg geimpft worden sind (wiederimxflinge). Eltern, Pflegeeltern und Vormünder werden unter ausdrücklichem Hinweis auf die im 8 14 Absatz 2 de» ReichSgesetzeS vom 8. April 1874 angedrohten Stra fen aufgefordert, mit ihren impfpfl'chtigen Kindern in den anberaumten Terminen der Impfung und ihrer Kontrolle wegen zu erscheinen oder die Befreiung vor der Impfung durch ärztliches Zeugnis bei dem unterznchneten Stadtrate nachsuweisen; ebenso ist selten» der Schulbehörde dm Vorschriften in Z 11 Aosatz 6 und 7 der Au»sührungsoerordnung zum Jmpfgesetze vom 14. Dezember 1899 nachzukommen. Die Impflinge haben zu den Terminen mit reingewaschenem Körper und mit reinen Kleidern zu kommen Au« einem Hause, in dem ansteckende Krankheiten, wie Scharlach, Masern, Diphterie, Croup, Keuchhusten, Flecklyphu», rosenartige Entzündungen oder die na türlichen Pocken herrschen, dürfen die Jmpflmge in keinem Falle zu den öffentlichen Terminen gebracht werden, auch haben sich Erwachsene au« solchen Häusern vom Impftermine fernzuhalten. - Eltern, Pflegeeltern und Vormünder, die ihr« im Jahre 1916 impfpflichtigen Sinder, wie ihnen freigestellt ist, durch Privatärzte impfen lassen wollen, werden aufgefordert, bi» spätesten» zum 30 September M6 die erforderlichen Impfungen au»führen zu lassen. Die hierüber autzustrllenden Impfschein« sind sofort nach der Revision bei dem unterzeichneten Stadtrate vorzulegen. Befreiungen von der Impfung find durch ärztliche« Zeugni« nachzuweisen. Zuwiderhandlungen werden nach 8 14 de» genannten Gesetze- bestraft. Pulsnitz, am 8. Mai 1916. vor Stavtrat. Am Montag, den 15. Mai 1916 findet 300 8- 9 Uhr V Pulsnitz, am 13. Mai 1916. vor StaQtrat. 600 9—10 900 10—ll " " " " * „ » „ . „ Nr. 600— „ Nr. 900-1200 11-12 „ An Konsumvereinsmitglieder werden solche Eier in der hiesigen Filiale des Konsum-Vereins abgegeben werden. MW voll MWWll MM zum Preise von 21 Pf. für ein Ei gegen Abgabe der yelden LedsnsmMoimarko Nr. 6 statt. Jede gelbe Lebensmittelmarke 6 berechtigt zum Kauf von 1 Ei. Dieser Eierverkauf findet im städtischen Freibanklokale in nachstehender Reihenfolge statt: An die Inhaber der Fleischmarkenausweiskarte Nr. I- Die „Totogräfin". Roman von O. E 1 st e r. 31) (Nachdruck verboten). War es so ganz unmöglich, daß er sie hier in den frem den Land wieder finden sollte? Aber konnte die Marquise von Hautepiere wirklich Wanda, die Witwe des Herrn Wold mann sein? Er hörte hinter sich das Rascheln seidener Klinder. Er wollte sich umdrehen, da legte sich eine weiche Hand auf seine Schulter und eine volltönende, tiefe Frauenstimme sprach: „Bleiben Sie ruhig sitzen, lieber Freund — Sie wünsch ten mich zu sprechen — da bin ich!. Wanda die Totogräsin stand vor ihm —nur noch schöner und strahlender denn je, mit einem Lächeln um die leicht be benden Lippen. „Wanda — Verzeihung, Frau Marquise . . ." entrang es sich seinen Lippen, während ihm das Blut Heitz in die Wangen flotz und in den Schläfen pulste. „I-, das bin ich — Marquise de Hautepierre auf Chateau Mon Rezos — aber ich denke," setzte sie lächelnd hinzu, .für Sie bleibe ich immer noch Wanda, die Totogrä fin." Er erhob die Hand. „O, nennen Sie diesen hgtzlichen Namen nicht," sagte er rasch. „So waren Sie es doch, die die erste Nacht an mei nem Bette stand?" „Ja, ich war es lieber Freund," entgegnete sie mit wei cher Stimme. Weshalb sind Sie nicht früher gekommen? Ich habe so ost an Sie gedacht — von Ihnen geträumt." „In der Tat?" erwiderte sie mit ihrem früheren, etwas spöttischen Lächeln. .Doch nein — ich durfte nicht kommen. Sie waren noch krank, mutzten vor jeder Erregung behütet werden. Ich wartete daher, bis Sie mich riesen." „Wie konnte ich ahnen, dah Sie mich so gastfreundlick, so barmherzig aufqenomuen hatten." „Vielleicht hätte es Ihnen Ihr Traum sagen können — doch ohne Scherz — ich erkannte Sie gleich, als Sie auf meinen braven Macbeth auf dem Schlotzhos zusammenbra chen Der Fuchs hat sich übrigens schon wieder ganz erholt. Nicht wahr, es ist ein wackres Tier?" „Ihm verdanke ich meine Rettung." „Das freut mich. So hat das brave Pferd Ihnen und mir einen schönen Dienst erwiesen. Das Armee-Jagdrennen habenfSie nicht mit ihm geritten?" „Nein — ich hatte keine Freude mehr an der Renn reiterei, seit Sie mich verlassen." Schade, ich hätte Ihren Namen gern in den Sieges berichten und Sportzeitungen gelesen. Aber freilich, — der Krieg - da gilt ein anderes Reiten!" „Wanda — Marquise — erklären Sie mir. . ." „Ach, Sie wollen wissen, ^vie aus der Totogräfin die Marquise de Hautepierre geworden ist? Nun, hören Sie, zu.„ Sie zog einen Gartensessel heran und setzte sich an seine Seite, doch so, datz sie ihm voll ins Gesicht blicken konnte, dann fuhr sie fort: „Erinnern Sie sich noch des Rennens in Hamburg?" „Gewiß — es war ja der letzte Tag, an dem ich mit Ihnen zusammen war." Nun dann, so wissen Sie auch, datz mein „Iron Duke" von dem französischen Pferd „Mon Nepos" geschlagen wurde." „Ja - durch eine Betrügerei Ihres Jockeis." „Mag sein," entgegnete sie mit einem Achselzucken. ^Aber erinnern Sie sich auch noch des Besitzers von „Mon Nepos?" Er besuchte mich in unserer Loge." Ein Blitz der Erinnerung durchzuckte seine Seele. Er sah deutlich die elegante Gestalt des Franzosen wieder vor sich. „Marquis de Hautepierre? Ihr Gatte?" „Ja — ich traf den Marquis auf dem Rennplatz von Longchampe wieder — wir trafen uns öfter — er erklärte mir seine Liebe und warb um meine Hand. Ich hatte keinen Grund, ihm mein Jawort zu verweigern, und so ward ich Marquise de Hautepierre." Sie schwieg, ihre dunklen Braueu zogen sich fast fin ster zusammen, ihre Augen blickten ernst in die Ferne. Fritz vermochte nichts zu erwidern. Ihm klopfte das Herz in der Brust. Endlich sagte er leise- „Und Sie sind glücklich . .. Sie zuckte die Achseln. Ein hartes Lächeln verzerrte ihre Lippen. „Was man so glücklich nennt," entgegnete sie mit tie fer Stimme. „Was hätte ich auch anders tun können, um meine gesellschaftliche Stellung zu rehabilitieren? Der Mar quis ist sehr reich, von altem Adel — in Deutschland wäre ich stets Frau Woldtmann, die Totogräfin, geblieben. Frei lich," setzte sie plötzlich ernst hinzu, „das war vor einem Jahre - in diesem Sommer würde ich die Hand eines Franzosen nicht angenommen haben!" Sie hatte sich erhoben und schritt einige Male in in nerer Erregung auf der Terrasse auf und ab. Das bronze- farbige, seidene Kleid, das ihre prächtige Gestalt knapp um spannte, glitzerte metallisch in der Sonne, die auch ihr röt lich blondes Haar wie eine Goldkrone erscheinen ließ. Stolz erhoben trug sie das schöne Haupt, um dessen Nacken sich eine kostbare Perlenkette schlang. Noch nie war sie ihm so schön, so verführerisch erschie nen. Sein Blut wallte heiß auf, aber zugleich warnte ihn eine innere Stimme. Die schlanke Frauengestalt glich einer schillernden Schlange, oder einer jener märchenhaften Meer nixen, deren weitze Arme den armen Menschen in die kalte Meerestiese ziehen. Wanda blieb plötzlich vor ihm stehen und sah ihn for schend an. „Glauben Sie, datz ich meine deutsche Heimat verges sen habe?" fragte sie scharf und hart. „Nein, Wanda," entgegnete er leise, den Blick abwen dend. „Ach!" fuhr sie fort, „Sie brauchen sich nicht zu scheuen, mir ins Auge zu sehen. Trotz meiner Heirat mit dem fran zösischen Marquis bin ich eine Deutsche geblieben. In mei nen Adern rollt deutsches Blut, das Blut meiner Vorfahren, die für König und Vaterland zu sterben mutzten. Nur mein Vater — doch still davon, er schlafe in Rude." Wieder machte sie einen Gang über die Terrasse, dann blieb sie abermals stehen und lachte spöttisch aus. „Sie hätten nur die Augen sehen müssen," sagte sie, „mit denen man mich in Pans betrachtete, als ich diesen wahnsinnigen Krieg gegen Deutschland bekämpfte, als ich für Deutschland eintrat und die Lügennachrichten der Boule vardpresse verlachte. Ich wurde einfach gesellschaftlich boy kottiert, und wenn mein Gatte nicht Deputierter gewesen wäre, ich alaube, die Regierung hätte mich als deutsche Spio nin auf eine Festung geschickt." Sie lachte wieder spöttisch auf. „Und Ihr Gatte — war er mit Ihnen einverstanden?" „Durchaus nicht!" lachte sie. „Im Gegenteil, er war sehr böse — wollte sich von mir scheiden lassen — nun, ich habe nichts dagegen — vorläufig schickte er mich aber aus Paris fort, hierher in diese Waldeinsamkeit, nach Chateau Mon Revos, wo wir unsere Flitterwochen verlebt haben, und das er mir als Morgengabe schenkte . . Es war ein Glück für mich, denn diese Verbannung gab mir Gelegenheit, Sie wiederzusehen und Ihnen nützlich sein zu können." Die kalte, spöttische Art, von ihrem Gatten zu sprechen, berührte ihn unangenehm. Förmlich erwiderte er- „Ich bin Ihnen von Herzen dankbar für Ihre Sorge um mich, Marquise." Sie sah ihn mit grotzen, erstaunten Augen an. Dann schlug sie sie nieder, und eine feine Röte stieg auf ihren Wangen empor. Fortsetzung folgt.