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78 geschnittenen. Dieser Vorsprung ist auf das Vor handensein der Seitcntricbe und die dadurch bedingte bessere Ernährung zurückzuführen. Das Ergebnis der Beobachtung spricht zweifel los für die Ausführung des ersten regelrechten Kronenschnittes beim Pflanzen unter den obwaltenden Verhältnissen. Bei der zur Zeit ausgeführten Er weiterung der Obstanlage um ca. 2000 Bäume werden alle Bäume bei der Pflanzung geschnitten. Behandlung der Baumscheiben. Für alle Obstbäume in jugendlichem Alter ist es notwendig, daß eine Baumscheibe unterhalten wird, sofern die Bäume nicht im offenen gut bearbeiteten Lande stehen. Die Baumscheibe ist denn auch in den ersten Jahren der gegebene Ort zur Düngung der Bäume. Verrotteter Stalldünger, Kompost, künstliche Düngemittel rc. werden hier, und zwar vornehmlich am Rande, untcrgebracht.' In der Praxis wird das Düngen und Bearbeiten der Baumscheibe zumeist in die Spätherbstmonate bis in den Winter hinein fallen. Die Baumscheibe muß alsdann in rauher Scholle liegen bleiben, damit das Erdreich durchfriert. Bei frisch gepflanzten Bäumen wird man dies freilich nicht thun, sondern nahe dem Stamme, zum Schutze gegen das Erfrieren der Wurzeln, den Boden mit Dünger re. belegen und denselben auch den Sommer über belassen. Nicht zu übersehen ist das Bedürfnis der Obst bäume nach Kalk und überall da, wo Kalkmangel im Boden vorhanden ist, bestreue man die Baum scheibe mit Kalk und grabe diesen unter. In leichtem Boden wählt man kohlensauren Kalk oder Kalkmergel, in schwereren Böden Ätzkalk. Wirkung der Kalkdüngung auf Obstbäume. Ein Obstbaumfreund hat in seinem Hofe einen prächtigen Hochstamm „Kaiser Alexander". Im Herbste 1899 sah ich den Baum zum erstenmal. Die Früchte waren größtenteils schon am Baume faul, die wenigen gesunden waren klein und unan sehnlich, von der Farbenpracht des „Kaiser Alexander" keine Spur. Der Besitzer zweifelte an der Sortenechtheit des Baumes, allein der ganze Habitus wies darauf hin, daß es wirklich „Kaiser Alexander" war. Der Boden, auf dem der Baum steht, ist Keuper sand. Eine analysierte Bodenprobe zeigte genügenden Phosphorsäure-, Kali- und Stickstoffgehalt, letzterer war sogar sehr hoch, dagegen war von Kalk kaum Spuren zu finden. Ich gab den Rat, die Erde im Umkreis von 2 in Durchmesser soweit auszuheben, bis die Wur zeln zu Tage treten, diese Erde mit ca. 10 kx kohlensaurem Kalk (feingemahlen) zu mischen und dann wieder einzufüllen. Im Jahre 1900 trug der Baum nichts. Im Jahre 1901 war er reichlich mit Früchten beladen, wie ich sie schöner noch auf keiner Aus stellung gesehen habe. Ein Durchschnittsapfel wog 240 x, einige Exemplare über 500 Dabei hat der Baum noch stark ins Holz getrieben. Es ist mir unbegreiflich, warum man gerade bei der Obstkultur den Kalk so wenig benutzt, ja wes halb ihm von manchen Seiten jede Bedeutung ab gesprochen wird. Es ist doch eine uralte Erfahrung, daß eine Obstbaumdüngung mit Bauschutt die besten Erfolge zeigt. Es kann hier als wirkendes Moment doch nur der Kalk in Betracht kommen. In vielen Gegenden ist es unmöglich, Obst zu bauen, die Bäume kränkeln kurze Zeit nach dem Pflanzen, bekommen Krebs und sterben ab. Schon anfangs der 90 er Jahre habe ich Kalk gegen Krebs empfohlen und meistens zeigte sich eine volle Wirkung. Bon der Wahl des Obstbaumes. „Was meinen Sie dazu? Soll ich Hochstamm oder Halbhochstamm pflanzen? — So wird man oft von Leuten gefragt, die eine Obstbaumplantage anlegen wollen. Da es sich um ein umfriedigtes Stück Land handelt, kann die Antwort nur lauten: Halbhochstamm! „Weshalb nicht Hochstamm?" fragt der Ratholende weiter? Hier die Antwort: Der Hochstamm ist zu teuer, zu hoch, zu spät rentabel. Zu teuer? Ja! Ein anständiger Hochstamm kostet wenigstens 1.50 M., dagegen kann ein Mittel hochstamm für 1 M. wohl abgegeben werden, denn letzterer ist spätestens mit dem zweiten Jahre auszupflanzen; ja, manche geben ihn: schon im ersten Jahre die Kronenbildung. Ein anständiger Hoch stamm bedarf dagegen 3 — 4 Jahre, bis er ver kaufsfähig ist, und bedarf also doppelt längerer Pflege und doppelte Zeit, ehe man seinen Standort weiter benützen kann. Beim Halbhoch stamm ist auch der Baumpfahl zu entbehren, der ebenfalls ein schönes Stück Geld kostet. Baum- bänder fallen ebenfalls fort. Zu hoch? Ja! Ein 20- oder noch mehrjähriger Hochstamm ist für die gewöhnlichen höchsten Haus leitern zu hoch, um mit der Hand zu allen obersten Zweigen zu gelangen; durch Klettern in den höchsten Wipfel ist das auch nicht zu erreichen. Und welche Geldausgaben verursacht eine große, zweckmäßige, die Zweige nicht verletzende Leiter, welcher Vorsicht be darf es beim Klettern, um kein Unglück zu nehmen und um die Äste nicht zu beschädigen! Obst pflücker kosten Geld, und es bedarf vieler Zeit, um alle Früchte abzunehmen. Also bleibt die Hauptthätig- keit der Ernte das ganz zu verwerfende Schütteln. — Ganz anders beim Mittelhochstamm. Da kann nian von allen Seiten mit der Hand die Früchte pflücken und nur hier und da ist bei älteren Bäumen eine kurze Leiter nötig. Da giebt es keine durch Schütteln herbeigeführten Fall- und Druckflecken, jede Frucht kann mit Handschuhen gefaßt und sortiert werden.