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Pulsnitzer MckendlaN "Dienstag 8. Wovemöer MO. Beilage zu Ar. 132. 62. Jahrgang. Von der Reise des Deutschen Kronprlnzenpaares. Der Kronprinz (XX) und seine Gemahlin (x) begeben sich in Genua an Bord des Lloyd» Kampfers „Prinz Ludwig". Die Einschiffung des Aron- prinsenxaares in Genua Der Kronprinz und die Kronprinzessin haben in Genua den prächtigen Dampfer „Prinz Ludwig" des Norddeutschen Lloyd bestiegen, der das hohe Paar zunächst nach Colombo aus Ceylon bringt. Nach der Ankunst in Genua fuhren „der Graf und die Gräfin Ravens berg" direkt zum Hafen. Am Anlegeplatze hatte sich die deutsche Kolonie Genuas voll zählig versammelt. Gefolgt von den Glückwünschen ihrer Landsleute begaben sich die hohen Reisenden an Bord des Schiffes, wo sie von den Ver tretern des Norddeutschen LlooS und den Schiffsoffizieren ehr- furchtSvoll begrüßt wurden. Nus aller >Vslt, Dortmund, 7 Nov. (Gün stige Versuche mit Ehr lich Hata 606.) In einer gestern abgehaltenen äußerst zahlreich besuchten Versamm lung der Aerzte im Regierungs bezirke Arnsberg machten die Oberärzte des Dortmunder städtischen Krankenhauses vr, Rindfleisch und vr. Fabry Mit teilung über Erfolge, die in dem genannten großen Kran kenhaus mit Ehrlich Hata 606 erzielt worden sind. ES sind etwa 283 Fälle verzeichnet worden, b.i denen unter Be obachtung der größten Vor sichtsmaßregeln äußerst gün- stige, ja staunenswerte Er folge erzielt worden sind. ES kamen insgesamt nur 4 Rück- fälle vor. Ein abschließendes Urteil konnten die Redner je doch in Anbetracht der Kürze der Versuchsdauer noch nicht abgeben Hamanrg, 7. Nov. (Die Strandung der „Preu ßen.) Nach einem soeben bei der Reederei Laeisz eingetrof fenen Telegramm aus Dover des Kapitäns Nissen vom Seg ler „Preußen" befindet sich die Mannschaft wohl. Vermisstes * (Eine Lokomotive von 250^> P f e r d e st ä r - ken.) Aus der Brüsseler Ausstellung yat eine aus einer deutschen Werkstatt« für die bayrischen Eisenbahnen her, vorgegangene Lokomotive ein erhebliches Aufsehen erregt- das sich auch in besondern Beschreibungen in den tech ¬ nischen Zeitschriften des Auslandes bekundet. Diese Ma schine, die für eine Entwicklung von 2500 Pferdestärken bestimmt ist, lenkt schon durch ihre ungewöhnliche Aus maße die Aufmerksamkeit auf sich, bietet aber auch sonst dem Fachmann Interesse durch manche neuartige Kon- struktion. Sie besitzt statt der üblichen zwei Zylinder deren vier, von denen zwei mit Hochdruck und zwei mit Niederdruck arbeiten. Diese nehmen den Dampf auf, der aus jenen entweicht, so daß eine doppelte Ausnutzung erfolgt. Der Dampf wird aber in die Hochdruckzylinder auch nicht unmittelbar aus dem Kessel geleitet, sondern erst, nachdem er eine Ueberhitzung erfahren hat. Dies geschieht in einem besonderen Apparat, wo dem Dampf eine höhere Temperatur mitgeteilt wird, als er sie bei dem Vorgang der Verdampfung selbst erhält. Durch eine solche Ueberhitzung des Dampfes, die eine große Rolle bei den Dampfmaschinen der Neuzeit spielt, werden bestimmte wertvolle Folgen erreicht. In dem Dampf wird eine größere Zahl von Wärmeeinheiten aufgespeichect, und dadurch trotz des Wärmeverlusts in den LeitungS- wegen seine Verdichtung zu Wasser verzögert. Auf diese Weise wird es möglich ihn länger auszunutzen, und zwar durch die beschriebene Anordnung von Hochdruck und Ntederdruckzyltndern. Die eigentliche Lokomot've hat eine Länge von rund 14 Metern, wozu der Tender mit beinahe 8 Meter Länge kommt. Das Gewicht der leeren Maschine beläuft sich auf 78ff, Tonnen, das der Maschine im Betrieb 86ff, Tonnen, während der Tender mit Belastung noch weitere 54 Tonnen wiegt. Der Kes sel enthält über 7 Kubikmeter,Wasser und faßt 200 Röhren. Des Königs „LMMel" gestorben. 82K. Die weit und breit bekannte Besitzerin der herrlich mitten im Tale der Schloitzbach bet Tharandt ge legenen Klippermühle, die im Volksmunde kurzweg die „Klippermüllerin" genannt wird, ist jetzt nach längerem Leiden gestorben. Mit der „Klippermüllerin" ist eine Per son dahingegangen, die wegen ihrer Originalität sich der größten Volkstümlichkeit erfreute und die selbst einmal dem Könige Friedrich August ein köstliches Abenteuer be reitete, daS bisher noch unbekannt geblieben ist, da der König nur Herren seiner Umgebung davon Mitteilung machte. Der König hatte sich — es sind jetzt etwa 3 Jahre darüber vergangen — mit den zwei ältesten Prinzen nach Tharandt begeben, um von hier aus, da er ein «nragierter Fußgänger ist, war er nach der im Schloitz- bachtale gelegenen Klippermühle gegangen. Dort bestellte er, der den Lodenrock trug, während die beiden Prinzen Matrosenanzüge anhatten, Kaffee. ES war gerade ziem ich viel in der gutbesuchten Wirtschaft zu tun und daher dauerte eS etwas lange, ehe der Küng, den von den an- rvefenden Gästen niemand erkannt hatte, obwohl das Bild deS Monarchen neben dem des Kaisers über demselben Sofa hing, auf dem der König saß, das Bestellte erhielt. Er fragte daher die „Klippermüllerin", Frau Linke, ob der Kaffee noch nicht bald komme. Die in der ganzen Gegend durch ihre burschikose Gemütlichkeit bekannte Wirtin, die den König ebenfalls nicht erkannt hatte, ant wortete: „Met (Kaffee)-Sack läuft heute schlecht, Ihr müßt noch warten, ich hab' auch warten müssen, bis ihr kommen seid!" Den König amüsierte diese Antwort der Wirtin höchlichst und als er, noch immer unerkannt, fortging, sagte er zur Wirtin: „Na, bleiben Sie nur so, wie Sie Der Urinz-HemachL. Roman von Henriette v. Meerheim b. 11 (Nachdruck verboten.) »Der ist lange versetzt." Werner fuhr mit der Hand über sein scharf gemeißelte», abgezehrte« Gesicht. „Nein — wenn es kalt wäre, würde ich mal «in große» Feuer mit all meinen Ma« nuskriplen anzünden. Die sollten brennen! Da wären sie doch >u etwa» nütze!" „Sie werden die Arbeiten schon noch einmal anbringen, Werner. Nur Geduld I" tröstete Norbert. „Geduld? Wie viel« Treppen bin ich schon in Pari» de»« wegen gestiegen! Sech»mal den Eiselturm hinauf und hinunter langt noch lange nicht, um einen Verleger, eine Redaktion zu finden, di« mkine Schrift«» nahm. O, ich bin längst eine be« kannte Persönlichkeit in den Redaktionen. Die Setzer und Drucker stoßen sich mit den Ellenbogen an, dir Herren in den Büro» lächeln. Heute, wie man mir mein Manuskript zurückgab, lachte einer sogar ganz laut." „Zufall, mein Lieber — Du siehst Gespenster!" meinte Norbert. „Warum sollt« er auch nicht lachen? E» muß sehr komisch sein, wenn jemand immer etwa» Unbrauchbare» hartnäckig wieder anbringen will. Freilich — eine Seele in ihrer Qual verspot» ten, da» ist etwa» Grausige». Aber woher können die wissen, daß ich so elend bin? Mir geht» ja auch nur wie so viel«» anderen!' Werner» Kopf sank vornüber. Eine Weile blieb er still. „Wenn Du Dich entschließen lönntest, einig«» zu änd«rn, Werner!" bat Norbert. Werner schüttelte nur stumm den Kopf. Plötzlich sah er auf, tief in Norbert» scharf auf ihn gerichtete Augen hinein, al» ob er dessen Gedanken herau»l«se. „Ja — ja, mal mich nur!" sagte er kurz. „Dazu bin ich gut." „Vielleicht versuche ich e» einmal," entgegnete Norbert ruhig. „Aber Du wirk au» all Deinen traurigen Erfahrungen auch noch etwa» schaffen, da» sich Bahn bricht." „Zu spät! In mir ist da» Beste zerstört worden hier in Pari«." „DummerUsug! Niemand kann einen anderen vernichten, nur selbst kann man da» tun." Norbert» Worte waren direkt an Werner gerichtet, aber sie schienen auch Nadine zu gelten; wenigsten» streift« ein Blick sei ner Augen ihr halbabgewandte» Gesicht. Georg fühlte ein deutliche» Unbehagen, Die schwermütige Gesellschaft de» Dichter» drückte ihn. Am liebsten hätte er ihm 100 Franken angeboten, aber er fürchtete ,ine beleidigende Zu rückweisung. Er wollte gerne noch mit Nadine in dem eleganten Palasthotel am E.ysee die berühmte Zigeunerkapelle hören, und trotz der vorurteiltlosen Ansichten, auf di« «r sich viel «inbildet«, hätte ihn bei diesem Unternehmen dis Begleitung von Norbert und Werner denn doch gewaltig geniert. Aber die beiden dachten garnicht daran, da» teuere Hotel aussuchen zu wollen „Wir bleiben noch eine Weile hier sitzen und sehen die Sterne sich im Wasser spiegeln," sagte Werner. „Und wenn der Mond heraufkommt und hier durch die Buchen zweige scheint, dann gehen wir heim, trinken und schlafen. Schließ lich ist da» doch noch da» beste. Da merkt man« nicht, ob da» Bett hart oder weich, schmutzig oder sauber ist E» ist ja alle» ein», ob man schläft oder tot ist — wa», Norbert?" „Ach, red' keinen Unsinn!" schalt der verdrießlich. „Absynth bekommst Du heut keinen Tropfen, verlaß Dich darauf!" Werner lachte nur. Aber hinter dem fast kindlich klingen den Lachen hörte Georg» scharfe» Ohr einen heimlichen Triumph herau». Natürlich hat er beständig irgend etwa» bei sich um sich zu betäuben, dachte er angewidert. Die Gesellschaft Wer ner» wurde ihm unheimlich. Er ging solchen Eindrücken gerw au» dem Wege. „Kommen Sie, Fräulein Nadine, da» Konzert geht bald an.7 Er hing ihr ihr Kaps um und schlug den Kragen hoch. Wie reizend ihr zarte«,Gesicht von dem dunkelroten Plüschkragen «bflach. Norbert grüßte stumm. Mit finsteren Blicken sah er ihnen nach, al« die beiden schlanken Gestalten neben einander her dem Aukgang de» Boi» de Boulogne zugingen. „Sie ist die Erste nicht!' sagte Werner spöttisch vor sich hin. „Wa« willst Du damit sagend fuhr Norbert heftig auf. „Nicht». Ich zitiere nur eine Stell« au» dem Faust." „Da» paßt nicht hierher." „Ein Zitat von Goethe paßt meisten» — hier sogar auß« «gezeichnet." „Du bist ewig stoffhungrig und witterst überall Roman motive." „Die» wäre jedenfall« ein schon tausendmal behandelte» Thema I Freilich, alle Konflikte setzen sich au» denselben Urstof« fen zusammen." Norbert zog den Freund mit sich. „Für Dich ist heut nach Deinem vielen Herumwandern da» Bett der beste Platz. Aber ich bleibe bei Dir sitzen, b!» Du schläfst. Du bist imstande, nochmal» fortzurennen. Weißt Du, daß ich heute Deinetwrgen viele Rrbeit»stund«n versäumt habe?" „Warum läufst Du hinter mir her? Laß mich in Frieden! Geh lieber der kleinen Nadine Holzinger nach. Helfe» würde da» zwar auch nicht», denn wer sich hängen will, findet immer einen Strick — und wer in sein Unglück rennen w ll, hat e» meist sehr eilig." Norbert sagt« nicht« darauf. S«in Gesicht sah in dem graublaffen Licht de« langsam verschwimmrnden Frühlinglabend« hart und gespannt au«. Statt der Antwort seufzt« «r nur «in paarmal tief auf. In dem Palasthotel unter breitblätterigen Musa«, schlank aufstrebend«» Palmen und bunten Azale«nsträuchrrn jauchzten amd schluchzten die Beigen.