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Nr. 134. Pulsnitzer Wochenblatt. — Sonnabend, den 12. November 1910. Seite 6. Unwetter - Nackrickten. Ueber heftige Schneestürme in Mittel- und Westdeutschland liegen folgende Meldungen vor: Cuxhaven, 11. November. Seit frühmorgens herrscht im Gebiet der Elbmündung schwerer Schneesturm aus Südoit. Die Winterlandschaft ist prächtig. Magdeburg, 11. November. Heute vormittag trat hier ein heftiger Schneesturm ein. Die Telegraphen- und Telephonverbindungen nach dem Westen sind unterbrochen. Kassel, 11. November. Hier wütet ein starker Schnee sturm seit heute nacht, der noch anhält. Viele Schäden und Verkehrsstörungen der Telephonleitungen, des Eisen- bahn- und PostbetrtebeS sind zu verzeichnen. Eisenach, 11. November. Die Thüringer Waldberge tragen bei heftigem Schneesturm ein weißes Winterkleid. Berlin, 1!. November. (Verkehrsstörungen infolge Schneefalls.) Wie über die durch den heu tigen starten Schneefall verursachten Telegraphen- und Telsphonstörungen einem Mitarbeiter des „B. T." im Haupttelegraphenamte mttgeteilt wird, ist von den Stö rungen hauptsächlich der Westen und Nordwesten Deutsch lands betroffen. Mit dem Ausland ist fast aller Verkehr abgeschnitten. Die Leitungen nach dem Süden sind vor läufig noch im Gebrauch, doch sind auch hier bereits empfindliche Störungen eingetreten. Nach Norddeutsch land zu sind sämtliche Leitungen unterbrochen, nur die Verbindung noch Hamburg ist noch offen. Am meisten in Mitleidenschaft gezogen sind die Provinzen Sachsen, Hannover, Westfalen und das Rheinland. Auch derTele- phonverkchr ist nach dem Westen, besonders mit dem Rheinland, sehr beeinträchtigt. Metz, 11. Nov. (Hochwasser.) Sturm und Regen wüten weiter und bringen stündlich neues Unheil Bei La garde wurden zwei Pferde in den Kanal gerissen und er- tranken; mit ihnen kam ein dreizehnjähriges Kind um, das die Pferde hielt In vielen Vordörfern kann nur durch Kähne der Verkehr bewerkstelligt werden. Seit 1848 hat ma i ein solches Hochwasser nicht erlebt. Genf, 11. Noveniber. Der aus den Ufern getretene Bodensee richtet in der Nähe von Basel enormen Schaden an. Das Unwetter hält an. Paris, 11 November. (Schwere Schiffsunfälle infolge Sturmes.) Das seit gestern abend herrschende Sturmwetter hat zahlreiche Schiffsunfälle zur Folge ge habt. Bei Boulogne sue Mer ist ein Fischerboot mit 24 Mann Besatzung gestrandet. Ein Rettungsboot ver suchte, den Schiffbrüchigen Hilfe zu bringen, was ihm aber nicht gelang. Ein zweites kleineres Rettungsboot, welches hierauf auslief, war so glücklich, das gestrandete Fischerboot zu erreichen. Als es aber die Insassen des Fischerbootes an Bord nahm, kippte dar Boot infolge d«S starken Wellenganges um, und mehrere Mann der Besatzung des Fischerbootes ertranken. Ferner wird ge meldet, daß die aus 11 Personen bestehende Besatzung eines anderen Bootes vermißt wird. Stanvssamts - Nackrlckten vom 5 bis 11. November 1910. Geburten: Elsa Elisabeth, T. deS Schuhmachers Ernst Gustav Rasche in Pulsnitz. — Oskar Erich, S. des Tuchscherers Julius Os kar Voigt in Pulsnitz. — Frida Herta, T. des Wirtschaftsbesitzers Emil Oswin Oswald in Ohorn — Martha Hilda, T. der ledigen Bandweberin Martha Anna Wehner in Obersteina. — Arno Wal- ter, S. des Schlossers Arthur Bernhard Schöne in Ohorn. — Georg Martin, S. des Schulhausmanns Georg Schwiebus in Pulsnitz. Lheschliestuugen: Emil Max Ziegenbalg, Fabrikarbeiter in Niedersteina, mit Elsa Minna Quosdorf, Fabrikarbeiterin in Nie dersteina. — Ernst Erhard Werner, Tischler in Obersteina, mit Auguste Elsa Richter, Fabrikarbeiter in Obersteina. — Franz Emil Mägel, Fabrikarbeiter in Pulsnitz M. S., mit Louise Margaretha Wilhelm, Fabrikarbeiterin in Pulsnitz M. S. — Max Otto Freu denberg, Fabrikarbeiter in Ohorn, mit Auguste Martha Haufe, Fabrikarbeiterin in Ohorn. — Willi Walter Köhler, Eisendrcher in Bernsdorf, mit Auguste Marie Günther geb. Doebelt, Näherin in Pulsnitz. — Gustav Alfred Richter, Gärtner in Dresden-A., mit Rosa Helene Brückner, Dienstmädchen in Pulsnitz M. S. — Fried rich Albert Morche, Färbereigehilfe in Pulsnitz M. S., mit Anna Theresia Glaser, Hausmädchen in Pulsnitz M. S. Sterbefäbe: Privatus Karl August Mager in Pulsnitz M. S., 78 I., 8 M., 16 T. alt. — Jnvalidenrentenempsänger Karl Wil helm Rietschel in Obersteina, 83 I., 4 M., 20 T. alt. — Emil Paul S. des Bandwebers Hermann Bernhard Anders in Ohorn, 8 M., 2b T. alt. Nus dem Sericktssaais. 8 (Der unglückliche Schütze von Zittau vor der Strafkammer in Bautzen.) Vor der 1. Strafkammer unter Vorsitz des Landgerichtsdirektors Dautenhahn wurde am Dienstag gegen den am 30. November 1875 zu Goldbach geborenen verhei rateten Bäckermeister Paul Ma.r Alwin Caspar in Zittau wegen fahrlässiger Tötung verhandelt. Der Verhandlung zugrunde lag jener unglückselige Unglücksfall, der sich am Nachmittag des 10. Ok tober auf der inneren Weberstraße in Zittau vor dem Hause Nr. 36 Caspars abspielte und dem das Leben des 52 Jahre alten Handels schuldirektors Prof. Dr. Goldberg und des 20-jährigen Ratskanz listen Zwicker zum Opfer fiel. Caspar war angeklagt, die Tötung beider Personen durch Fahrlässigkeit in der Handhabung eines Jagdgewehres, eines sogenannten Drillings herbeigeführt zu haben. Wie bekannt, waren beide Personen an jenem Nachmittag gegen V-2 Uhr auf einem Straßenbahnwagen an dem Hause Caspars vorübergefahren, in seiner Ladenstube hatte Caspar mit dem Ge wehre hantiert, dabei hatte sich ein Schuß im Kugellauf des Dril lings entladen, die Kugel hatte das Schaufenster durchschlagen und Goldberg und Zwicker, die auf der Hinteren Plattform des Wagens standen, in den Kopf getroffen und getötet. Caspar ist Mitglied der Schützengesellschaft und ging seit 2 Jahren mit dem Privatus Hübner aus Zittau auf Neichenauer Jagdrevier mit auf die Jagd, dazu hatte er sich vor 5 Monaten einen Drilling nngeschafft. Ueber die Ursache des Unglücks gab Caspar heute an, er habe auf der Jagd, besonders Huf laufendes und fliegendes Wild, keine Treffer erzielt und sich über seinen Mißerfolg sehr geärgert. Um seiner Unsicherheit abzuhelfen, habe er u. a. sich auch in seiner Wohnung mit dem Drilling geübt und nach allen möglichen Gegenständen an den seinem Schaufenster gegenüberliegenden Häusern durch das Fenster gezielt, dabei aber sei es ihm aufgefallen, daß er beim schnellen Anschlag regelmäßig das Korn des Gewehres nicht mit der Disierrinne zusammengebracht habe. Dieser Fehler sei ihm schon immer beim Scheibenschießen auf dem Schützen-Schießstand unterlaufen. Am 7., 8. und 9. Oktober sei er in Rohnau auf dem Anstand gewesen und habe stets hinterher aus dem Gewehr wohl beide Schrotpatronen herausgenommen, die Kugelpatronen aber im Laufe stecken lassen und so das Gewehr in seiner Ladenstube stehen gehabt. Er habe damals schon die feste Absicht gehabt, die Jagd aufzugeben, eben wegen seiner Mißerfolge, und dies auch seinem Jagdsreimd Hübner gesagt. Am Nachmittag des 10. Okto ber gegen '/z2 Uhr habe er in seiner Ladenstube das Gewehr zur Hand genommen und geöffnet, um nachzusehen, ob sich in den Läufen etwa Rostangesetzt habe, dabei aber nicht bemerkt, daß die Patone noch im Kugellauf st ckte, möglicherweise habe er das Gewehr geschlossen und damit durch das Schaufenster nach zwei an dem gegenüberliegenden Brendler'schen Hause befindlichen Has pen gezielt. Schließlich habe er versucht, durch Vorschieben des Umstellschiebers auf dem Kolbenhals das Visier für Kugelschuß hochzustellen und bei dieser Bemühung sei der Schuß losgegangen. Das Vorüberfahren des Straßenbahnwagen und die daraufstehen den Menschen habe er nicht beobachtet. Vom Vorsitzenden wurde dem Angeklagten vorgehalten, daß sich seine Angaben mit dem Sachbestand nicht deckten, sonst hätte die Kugel das Schaufenster mehr in der Mitte und an einem höheren Ort durchschlagen müs sen, das Kugelloch saß aber am Schaufenster ganz rechts, der Straßenbahnwagen davor links nach rechts vorbeigefahren, so daß die Annahme begründet erscheine, daß Caspar nach den Personen auf dem Hinterperron gezielt, mit dem Gewehr gefolgt sei und kurz vor dem Verschwinden des Wagens aus dem Gesichtsfeld zur Uebung abgedrückt habe. Caspar bestritt dies entschieden und blieb bei seinen Angaben, daß er im Moment des Schusses nicht gezielt habe. Aus der Vernehmung der Zeugen ging hervor, daß Caspar nicht die Absicht geäußert hatte, die Jagd anfzugebem, daß ihm einmal auf der Jagd in Reichenau und einmal auf dem Schießstand der Schützen das Gewehr vorzeitig losgegangen war. Auch hatte er am 8. Oktober in seiner Wohnung zum Schaufenster hinaus gezielt, während sein Dienstmädchen das Fenster geputzt hatte. Wie er das Gewehr in dem Moment des unglücklichen Schusses gehalten hatte, konnte nicht festgestellt werden. Büchsen macher Preußger aus Hirschfelde war als Sachverständiger der Ansicht, Caspar habe das Gewehr zu wenig gekannt und vielleicht nicht gewußt, daß es 3 Schlösser hatte Bezirksarzt Medizinalrat Dr. von Stieglitz-Löbau erklärte, daß die Kugel den Hinterkopf Zwickers durchbohrt habe, dann in die Schläfe Goldbergs ringe- drungen und auf der anderen Seite des Schädels stecken geblieben sei. Die Schußrichtung sei horizontal gewesen. Das Gericht hielt nicht für erwiesen, daß Caspar nach dem Straßcnbahnwegen ge zielt habe, verurteilte ihn aber zu 1 Jahr Gefängnis und zog das Gewehr ein. Verteidiger war Rechtsanwalt Dr. Linck-Zittau. Z Berlin, 10. November. (Vertag ring des Moabiter Krawallprozesses.) Im Moabiter Krawallprozeß, der, wie gemeldet, bis 12 Uhrsstnittags vertagt wurde, erschien der Gerichts hof (3. Strafkammer des Landgerichts I) jedoch erst gegen 2»/« Uhr nachmittags >m Gerichtssaal. Der Vorsitzende Landgerichtsdirektor Lieber verkündete: Der Beisitzer, Landgerichtsrat Mufiol, ist plötz lich erkrankt, infolgedessen ist als Ergänzungsrichter Gerichtsassessor Doost in das Kollegium eingctrcten. Ich habe nunmehr zwei neue Ersatzrichter gestellt. Da die Verhandlung jetzt vollständig von neuem begonnen werden muß, vertage ich die Verhandlung auf Sonnabend 9flr Uhr. Die Verteidiger Rechtsanwälte Dr. Chon und Bahn bitten ums Wort. Der Vorsitzende bemerkt ihnen jedoch, daß er die Verhandlung geschlossen habe und niemand mehr das Wort erteilen könne. Verteidiger Rechtsanwalt Bahn: Ich bitte doch dringend mir das Wort zu geben, es ist mir bereits gestern abgeschnitten worden. Der Gerichtshof bezeichnet diesen Ausdruck als ungehörig. Rechtsanwalt Bahn: Ich wiederhole, daß mir gestern das Wort abgeschnitten worden ist. Der Gerichtshof tritt darauf zu einer Beratung zusammen und nach 15 Minuten ver kündet der Vorsitzende, daß der Rechtsanwalt Bahn wegen Unge bühr vor Gericht zu einer Geldstrafe von 100 Mark verurteilt worden sei. Inzwischen wird den Angeklagten der schriftliche Be scheid der Beschlußkammer 'zugestellt, wonach der gestern von der Verteidigung gestellte Antrag auf Ablehnung des gesamten Richterkollegiums wegen Besorgnis der Befangenheit als unbe gründet zurückgewiesen wird. Die Angeklagte Frau Reinhard ver fiel, als sie auf die Anklagebank geführt wurde, wiederholt in laute Weinkrämpfe. vuttsrprelss auf dem blsslgsn >Vocbenmarkts. Sonnabend, den 12. November. 4 Stück Mk. 2,60—2,70. Marktpreise zu Kamenz am 10 Nov. 1910. höchster niedrigst. Preis. Preis. 50 Kilo M. Pf. M Pf- M. Pf- Korn Weizen 7 9 20 25 7 9 — Heu 50 Kilo (^Mer ( medr. 8 — Gerste 8 — 7 — 1200( Schütt- S»oh Pfv. Maschin. 27 — Hafer aller — — — —- 20 — „ neuer Öeidekorn 7 9 70 7 8 50 Butter Ko ( ^mrer »o. gelingst. 2 2 50 10 Hirse 17 — 16 — Eier 10 Kartoffeln 2 70 Erbsen 50 Kilo 17 58 Marktpreise für Schweine u Ferkel in Kamenz am 10. Nov. 1910. Läuferschweine: pro Paar: Ferkel: höchster Preis O0 Mk., höchster Preis 40 Mark, initiier „ 100 Mk., mittler „ 34 „ niedrigster „ 80 Mk., niedrigster „ 28 „ Zum Verkauf waren gestellt 42 Läufer und 221 Ferkel. Für ausgesuchte feine Ware wurden Preise über Notiz gezahlt. Uebersicht über die an den Hauptmarktorten Deutsch lands in der letzten Woche gezahlten Fettviehpreise. Die Preise sind in Mark für 50 1z Schlachtgewicht bezw. Lebendgewicht (1 bedeutet Lebendgewicht) angegeben.^ Die erste Zahl bedeutet den niedrigsten, die zweite den höchsten für die betr. Viehgattung gezahlten Preis. (Unberechtigter Nachdruck verboten.) , Hammel, Rindvieh S chafe u. Aufgestellt am 10c Nov. 1910. Mitberücksichtigt sind noch die am 9 Nov. abgehaltenen Märkte. Großvieh Kälber Lämmer Schweine Aachen .... 70—84 82—118 80—85 66—70 Barmen . . . 68-82 80—100 75—80 65-70 Berlin . . . 56—87 69—132 67—83 62-70 Bremen . . . 60-78 80-110 50-85 63-71 Breslau . . . 55—80 83-98 68-88 65—73 Bromberg. . . — — — — Chemnitz . . . 54—90 48— 631 35—42 l 63—75 Dortmund . . 55-83 75-105 67-80 64—69 Dresden . . . 55-89 79-94 70-90 64—72: Elberfeld . . . 63—84 75—100 55-70 60-70 Essen . . . 65-83 42-85 l 70-83 60-69 Frankfurt a M. 44-93 85-100 65—78 64-73: Hamburg . . . 50- 90 84-134 65-82 52-68 l Hannover . . . 60-83 72—110 60—75 60-70 Husum .... 48—8l>/,. — 58-75 40-481 Kiel 50—77 85—120 55-75 46-541 Kölu a. Rh. . . 62-93 45—86 l 68—84 60-69 Leipzig.... 62-93 44—651 32—44l 63-70 Magdeburg . . 35—50 l 32—73 l 30—41 l 60—71 Mainz ..... 64-92 95-98 — " 65-75 Mannheim . 58-82 90-105 70—78 71—73 Nürnberg . . . 65—102 65—78 l 45-68 70—73 Stettin — 55-85 — 82-66 Zwickau . .. . 55—90 52—62l 30—41 l 61—74 Dresdner Produkten - Börse, 11. Nov. 1910. Wetter: Bedeckt Stimmung: Ruhig. Um 2 Uhr wurde amtlich notiert t IBeizen, weißer, — — — M. brauner, alter, 74—78 Kilo, M, do. neuer, 75-78 Kilo, 189—ISS M, do. feuchter, 73—74 Kilo, 183—186 M, russischer rot 2l0—224 M, do. russ. weiß M, Kansas , Argentinier 218—221 M, Australischer — M, Manitoba M. eine entlegene Zeit, in völlig überlebte Empfindungen »urückver- setzen mußte. Die Stellung ist gesucht, der bunte Hintergrund wirkt unruhig zu dem roten Bewand«. Da« ist Effekthascherei, aber kein« wahr«, ursprünglich« Kunst." S«ine Worte klangen schärfer, al» er selbst wußte und br- abfichtigte. „Da« ist Geschmacksachr," entgegnete Georg kalt. „Wenn e« nur Kunst ist, alt« Frau«n und schmutzig« Interieur« zu malrn, dann haben Sie freilich recht. Aber dagegen^ließe sich doch wohl auch manch«» einwenden." „Die Kunst soll der Wahrheit, nicht der Schauspielerei dienen," beharrte Norbert. „Keinen Zank, meine Herren!" begütigte Olhardt. „Wir sind alle Stechow dankbar, daß er un» diesen schönen Anblick verschaffte nicht wahr?" — Und Sie streiten um de» Kaiser» Bart, mein guter Norbert. Skechow d nkt noch gar nicht daran, selbständig rin Bild nach eigen«« Entwurf zu malen. Vor- läufiz ist «r Kunflschüler, noch lange kein Meister. Nur eine Meisterhand dürfte sich an solch «inen schwierigen Vorwurf heranwagen." Georg preßt« die Lippe» zusammen. Tausendmal mehr wie Norbert» absprechende» Urteil verdrossen ihn Olhardt» freund» liche Worte, obgleich er ihnen natürlich keinen Glauben schenkte. „Sie hatten ganz recht", sagte er zu Nadine, die mit Lucy O'Reilly, nachdem die übrigen Gäste fortgegangen waren, noch etwa» Ordnung in seiner Wohnung schaffm half. „Unter diesen Kunstjüngern herrscht ebensoviel Neid und Mißgunst, wie in an« deren Berufen. Nun, ich werde ihnen allen, auch dem Professor Olhardt, beweisen —" Lucy» wegen, di« erstaunt aushorchte, brach erzmitten im Satz« ab. Aber bereit» am andern Tage entwarf «r ein« lrbemgroße Ski,;« von Nadin« im Kostüm drr Salome. Ec schaff:« in «inem war«n Fieber dr» Enthusiaemu». Ein Taumel de» Ent« zücken» ergriff ihn, al» ihre reizende Gestalt sich deutlich erkenn« bar von der Leinwand abhob. Er verlor denn auch üb«r dieser «igenen selbständige» Ar« beit bald vollkommen di« Lust an sein«» and«r«n Studien, be« suchte nur noch unregelmäßig die Malklass« und den Privat unterricht bei Olhardt, der unzufrieden über den erst so eifrigen, jctzt so lässigen Schüler den Kopf schüttelte. „Strohfeuer!" meinte Norbert wegwerfend. Er ahnte ja nicht, mit welchem rastlosen Fleiß Georg an seinem Werk arbeitete. Die häufigen Sitzungen unterbrachen auch Nadine» Unter« richt oft. Aber sie kehrte sich ebensowenig wie Georg an Ol« Hardt» Vorwürfe und der Mitschüler Spott. An dem Gelingen der Salome hing ihre und Georg» Zukunft. Da» Bild mußte glücken, ein Meisterstück werden! Stundenlang stand sie geduldig in dem, so lang« e» Som mer war, sonnendurchglühten, später herbstlich kühlen Atelier in der ermüdenden Stellung und hielt krampfhaft den vorgeschrie. denen Au»druck in ihren Zügen fest. Bei der Zeichnung glückte jeder Strich. Aber al» da» Malen anfing, «»gaben sich ungeahnte Schwierigkeiten. „Ich sehe e» vor mir, wie ich e» machen muß, und bringe da» doch nicht heraus!" rief Georg ost. In Verzweiflung zerknickte er den Pinsel und warf sich auf den lürkifchen Diwan. Nadine kniet« neben ihm nieder, sprach ihm Mut rin, lobte und bewunderte da» bi» jetzt Geschaffene. Aber raten konnte sie auch nicht, und ihren Vorschlag, Olhardt oder gar Norbert in» Vertrauen zu ziehen, wie» Georg hartnäckig zurück. Sollte er sich vor denen demütigen oder von ihnen außlachen lassen? Nein, «st da» vollendete Bild durste Urteil und Bewun derung de« Lehrer«, der Mitschüler herau«fordern! Im Park von Versaille« und in den Wäldern von Fon tainebleau schattierte da« Laub vom lichten Gelb bi« zum golde nen Orange. Schön wie eine Vision hoben sich die Märchen schlösser von dem Hintergrund der noch sterbend so schönen Wälder ab. Aber Georg und Nadine genossen nur selten di« herbstbunt« Pracht. Um Pari«, dem müden, sonnenverfiäubten Pari«, den Rücken ,u kehren, dazu fehlt« ihnen meisten« die Zeit. Georg rß sich kaum mehr von seiner Arbeit lo«. Wenn Nadine ihm nicht Modell stehen konnte, malte und übermalte er beständig die Gewänder, deren schillernder Faltenwurf durchau» kein« naturwahren Töne annehmen wollte. Steif wie «in Br«tt, hart wie getünchte« Holz erschienen ihm di« in Wirklichkeit so glän,enb schönen Farben der Seid«. Sollte Olhardt recht gehabt haben, und er wirklich noch nicht so weit sein, um ein große«, schwierige« Bild selbständig zu malen? Ihm wurde heiß und kalt bei dem Gedanken. Von seinen Mitschülern zog «r sich immer mehr zurück. Sein Geheimni«, da« ein unvorsichtige« Wort verraten konnte, lähmte den zuerst freundlich harmlosen Verkehr. Nur Nadine wußte um all sein« Kämpf« und Nöte. Da er in der Tat kein Geld mehr von daheim erhielt, außer geringen Summen, di« sein« Mutter sich jedenfall« von ihrem Haußhalt«- und Toilettengeld absparte, so befand er sich oft in drückender Verlegenheit. Sein« kostbare Einrichtung wurde nach und nach verkauft. Seitdem begnügte er sich außer dem Atelier, da« er nicht aufgeben konnte, mit einem winzigen Schlaskabinrtt. Die Autflüge mit Nadine, wenn sie überhar-p' roch vorge nommen wurden, mußten, statt im Wagen erster Ktasss, zu Fuß oder dritter Klaffe gemacht werden. Unsäglich quälte ihn dies« «rbärmlich« Lag«. Auch Nadim« Gelt quell« versiegte natürlich bei Georg« Knappheit vollständig. Angeblich war der „alt« Käuf«r in Passy" für unbestimmt« Zeit verreist. Nadine mußte die ihr so verhaßte Malerei der Bilderbücher und Tschkarten wieder aufnehme«. (Fortsetzung folgt.)