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Pulsnitzer MckenblaN Dienstag, 3V. August MO. Beilage zu Ar. 102. 62. Jahrgang. OertNcbes und Säcksisebes. — (Vor Sedan vor 40 Jahren.) Der 29. Au gust 1870 brachte von neuem die Sachsen mit dem Feinde zusammen. Nachdem die Meldung eingegangen war, daß Teile des V. französischen Korps die Ortschaften Grand- und Petit Champy besetzt, hielten, erging der Befehl, den Feind aus diesen Ortschaften zu vertreiben. Die Artille, rie der Avantgarde des Xll. deutschen Korps, bestehend aus dem 3. und 4. sächsischen Infanterieregiment, eröff net daraufhin das Feuer. Nun erhält auch das 4. säch sische Infanterieregiment den Befehl zum Vorwärtsgehen. Wie auf dem Exerzierplätze rücken die Sachsen an. Ein harter Kamps entbrennt. Der Feind ist in der Überzahl. Die ganze Division Lespart vom V. französischen Korps ist es, die entgegen steht. Der Feind ist nichtsdestoweni ger bereit, seine Defensive aufzugeben, die Offensive zu ergreifen. So entschließt sich auch die deutsche Heereslei tung, ein weiteres Blutvergießen zu vermeiden. Das 4. sächsische Infanterieregiment erhält den Befehl bis Nou- art, das sächsische Ulanenregiment nebst der übrigen Rei- terei die Ordre, bis Barricourt zurückzugehen, während das 3. sächsische Infanterieregiment auf den Höhen nord- westlich von Nouart Aufstellung nimmt. Die größten Verluste erlitt heute vor 40 Jahren das 4. sächsische In fanterieregiment. Im ganzen betrug der Verlust 12 Of- fiziere und 365 Mann. Doch dieses Opfer war kein ver gebliches gewesen, denn durch dar Gefecht bei Nouart war der östlich vorgerückte Teil des französischen Heeres am Weitermarsche verhindert worden, waren die Franzo sen vor die Wahl gestellt worden, sich zu schlagen auf dem linken oder aber auf dem rechten MaaSufer gestützt auf Sedan. Und schon 3 Tage später schlugen sie sich, ereilte sie ihr Schicksal bei Sedan. 82K. Dresden, 30. Aug. (Sitzung des Landes- kulturrateS.) Der Ständige Ausschuß des LandeS- kulturrateS trat dieser Tage zu einer Sitzung zusammen und beschäftigte sich u. a. mit folgenden Angelegenheiten: Zufolge eines Schreibens des landwirtschaftlichen Vereins zu Sadisdorf, der darüber Beschwerde führt, daß Land wirte in der Zeit der Ernte zu militärischen Uebungen einberufen worden sind, wird beschlossen, das Königliche Ministerium zu ersuchen, dahin zu wirken, daß im Hin blick auf den immer noch herrschenden Leutemangel, von dem die bäuerlichen Betriebe besonders schwer getroffen werden, während der Erntezeiten die Einziehung von Landwirten und landwirtschaftlichen Arbeitern nach Mög lichkeit vermieden wird, bezw. daß diesbezügliche Befrei ungsgesuche tunlichst Berücksichtigung finden. — In Er ledigung einer Verordnung des Königl. Ministeriums des Innern spricht der Ständige Ausschuß sich dahin aus, daß die Einführung verantwortlicher Ausstellungsleiter dringend notwendig sei. — Hinsichtlich der Errichtung eines Unterrichtskurses für Güterbeamte und praktische Landwirte an der landwirtschaftlichen Kreisschule zu Wurzen beschließt man, diese Angelegenheit ihrer grund- sätzlichen und weittragenden Bedeutung wegen der Plenar versammlung zu unterbreiten. — Als Termin für die 50. Gesamtsitzung wird die Zeit um Ende November in Aussicht genommen. — Zur Ausbildung von Beamten für Rindvieh-Kontrollvereine soll in der Zeit vom 26. Sep tember bis 29. Oktober d. I. ein 3. Lehrgang an der landwirtschaftlichen Schule zu Annaberg abgehalten wer den. Die Dauer des theoretischen Unterrichts wird auf Das neue Sebiiudc des MiHs-AilltiiMichls am Witzlebenplatz zu Char lottenburg wird am Sedan tage in Anwesenheit des Kai sers in feierlicher Weise ein geweiht werden. Der statt liche Monumentalbau mit seiner mächtigen Bronzekuppel bildet eine Zierde des neuen Stadtviertels am Lietzensee. An das eigentliche Gerichts gebäude schließt sich ein Re- präsentationShauS, das von zwei turmartigen Eckbauten flankiert wird und dessen Mittelteil die Kuppel krönt. Das neue Gebäude wird schon jetzt, also noch vor der feier lichen Einweihung, von dem Präsidenten des Reichs-Mili tärgerichts bewohnt. fünf Wochen erweitert und dementsprechend der Lehrplan abgeändert, wodurch vor allem der Fütterungslehre eine größere Stundenzahl zufällt. Die Zuweisung der Kur- sisten an bereits bestehende Kontrollvereine zwecks wei terer praktischer Ausbildung hat durch den Leiter der Kurse zu erfolgen. Die Kontrolle während dieser Zeit liegt jedoch den KreiSvereinen ob. Der Antrag des land wirtschaftlichen Kreisvereins Dresden, betreffend die wei tere Ausgestaltung der vorgenannten Lehrgänge, wird dem erweiterten Ausschuss« zur Beratung überwiesen. Vermisstes. * („Die Dame aus Reisen.") In Velhagen 8- Klasings Monatsheften plaudert darüber Eduard v. Goll: Der Decksteward eines Ozeanriesen erklärte mir einmal, woher es kommt, daß die Amerikanerinnen besser bedient werden als die Deutschen. Liegen die Damen bei beweg ter See auf ihren Deckstühlen, nicht gewillt, sich zum Essen in den Speisesaal zu begeben, so wandert der Deck steward, mit dem Menu und dem Notizblock bewaffnet, von Stuhl zu Stuhl, um die Bestellungen entgegenzu nehmen. Die Amerikanerin ließt das Menu durch, trifft ihre Wahl und gibt ihre Befehle kurz und klar. Die Deutsche dagegen: „Na, was haben sie denn heute? Ox- tailsuppe? Unmöglich. Ich will überhaupt keine Suppe. Und Fisch schon gar nicht. Und ewig diese MultonchopS. Auf Kücken hab' ich auch gar keinen Appetit. Wie ist es denn mit dem Gemüse? Natürlich Büchsengemüse. Sa gen Sie, sind die MuttonchopS gut? Na ja, dann brin gen Sie mir MuttonchopS. Od.er nein, bringen Sie mir lieber ... Ich weiß nicht, ob ich Lachs vertragen werde. Am besten, ich nehme nur etwas Fruchteis. Aber das genügt doch nicht. Also gut, zuerst Oxtailsuppe, dann gemischtes Gemüse . . . Oder lassen wir die Suppe ganz weg. Ich möchte also Kücken, hören Sie . . . Aber so lausen Sie doch nicht gleich davon, ich habe mich ja noch gar nicht entschieden!" Der Decksteward (der es übrigens faustdick hinter den Ohren hat) hat natürlich maßlos übertrieben. Ich überlasse ihm daher die volle Verant wortung. Wenden Sie sich an ihn. ES ist ein nettes schlankes Kerlchen. Wenn ich nicht irre, heißt er Schulz. * (Die Höhe der Dämmerungsfarben.) ES ist nicht ganz leicht, zu bestimmen, in welcher Höhe die Vorgänge stattfinden, die zur Erscheinung der herrlichen Farben vor Aufgang und nach Untergang der Sonne führen. Wo eine besonders klare Lust herrscht, kann man den Schatten der Erde fast unmittelbar nach dem Unter gänge der Sonne am östlichen Himmel erscheinen sehen. Sein oberer Rand bewegt sich erst langsam, dann schneller auswärts. Wenn er den Zenit erreicht hat, scheint sein Fortschritt ungefähr einen Himmelsgrad in der Sekunde zu betragen, vr. Caron, der von Toulon aus die mit der Dämmerung verbundenen Erscheinungen seit Mona ten sorgfältig beobachtet und darüber im Jahrbuch der Pariser Meteorologischen Gesellschaft berichtet hat, gibt für den Weg des Erdschattens von dem Augenblick, in dem die Mitte der Sonnenscheibe unter den Horizont taucht, bis zur Erreichung des Zenits 30 Minuten an. Wenn der Erdschatten den Zenit überschreitet, befindet sich der Mittelpunkt der Sonnenschetbe etwas mehr als 5 Grad unter dem Horizont. Diese Ziffern schwanken Ursula. Roman von CourthS-Mahler. 6. Nachdruck verboten. „So will ich mich zu bessern suchen, gnädige» Fräulein. Ich wünsche nicht» sehnlicher, al» Ihnen zu gefallen." „Ach lassen Sie mich mit dem Unsinn zufrieden." Er sah sie traurig an. „Für mich ist da» kein Unsinn." „Herrgott — nun seien Sie doch nicht immer so schrecklich sanftmütig. Ich komme mir neben Ihnen immer doppelt ruppig und unlieben»würdig vor.' Da» ist kein erhebende» Gefühl, glauben Sie mir. Können Sie nicht auch einmal «in bi»chen grob zu mir werde», wenn ich ungezogen zu Ihnen bin?" Er sah sie mit seinen Hellen, blauen Augen treuherzig an. „Nein, da» kann ich nicht. Aber Sie sollen sich de»halb keinen Zwang auferlegen und sich geben, wir r» Ihnen der Augenblick eingibt. Ich weiß, Sie meinen e» gar nicht so schlimm." „Doch, ich bin ein garstige», unliebeniwürdigr» Ding. Sie sollten Ihre Güte nicht an mich verschwenden." „Liebe», treue», gnädige» Fräulein", sagte er mit innigem Au»druck. Sie erschrak. Um Himmel» willen. Dieser Mann war imstande, jetzt eine Liebe»«rklärung von Stapel zu lassen. Sie konnte ihn noch so schlecht behandeln, er blieb ihr treuster Verehrer. Wenn «» nicht so sehr peinlich gewesen wäre, e» hätte sie rühren können. Sah er denn nicht «in, wi« Hoffnung«!»« d«r Fall war? N«in — ein Mann, dem sie ihr Her, schenken sollte, der durfte e» nicht nötig haben, um ihr« Liebe zu betteln. Zwingen mußte er sie mit einem Blick seiner Augen, sodaß sie gar nicht ander» konnte, al» ihn lieben. Aber wa» fiel ihr nur heute ein, sich mit solchen Gedanke» herumzuschlagen. Daran war bloß der weichmütige Mensch an ihrer Seite schuld. Mit flinken Füßen eilte sie voran und atmete erlöst auf, al» sie die anderen erreicht. Sofort wurde sie wieder von allen Seiten umringt, und Kurt Arnstetten gelang e» nicht mehr, mit ihr allein zu sprechen. Nach Tisch wurde getanzt. Zuerst mußte die Hau»frau dazu aufspielen, dann versuchte dieser oder jener sein Heil, Die Gesellschaft wurde sehr lustig. Sogar die älteren Herrschaften versuchten Tänzchen. Der dicke Herr v. Bühren drehte sich wie Kreisel, und al» ihm seine Gattin entfloh, mußten sich die ander«« Damen ausopfern. E» wurde behauptet, er wolle bei dieser Gelegenheit Karltbad sparen. Ursula war eine vielbegehrte Tänzerin. Man ließ sie kaum zur Ruhe kommen. Die Brüder Herrenfelde liefen sich gegen seitig den Rang bei ihr ab. Han» versicherte ihr, daß die Reise nach Ostende nun jeden Reiz für ihn verloren habe, da sie nicht mitgeh« und Dolf be hauptete, daß «r, auf Ehre, unsagbar unglücklich wäre — au» demselben Grunde. Lies« schmollte ein wenig mit ihr, und die Hau»frau spielte sehr auffällig die Gekränkte. Dabei stand Kurt Arnstetten todunglückich in den Ecken herum, voll Eifersucht auf da» Brüderpaar — überhaupt auf jeden, der mit Ursula tanzte. Er selbst war ein sehr mangel hafter Tänzer und wagte sich nicht, sie zu engagieren. Sie hatte ihn einmal, al» er einen Walzer mit ihr tanzte, gefragt, ob sie nicht lieber aufhören wollten,«» sei eine furchtbare Plage. Da» war allerding« schon lange her. Er hatte e» aber noch nicht vergiss«». — — — — — — — — — — — Erst am Spätnachmittag trat Erlenhorst mit s«iner Tochter den Heimweg an. Ursula hatte ihr Reitkleid wieder angelegt und freute sich sehr auf den Heimritt. Zu ihrem Leidwesen bat Arnstetten, die Herrschaften begleiten zu dürfen. Sein Gut lag seitwärt» zwischen Erlenhorst und Herrenfelde. Herr v. Erlenhorst nahm erfreut seine Begleitung an. Er mochte Arnstetten sehr gut leiden. Freilich etwa» kühner und forscher hätte er ihn auch gern gehabt. Aber alle» Gute ist nun einmal nicht leicht beieinander. Da« Alter bescheidet sich mit dieser Einsicht eher al» die Jugend. Arnstetten strahlte Glück, al» er an den gemeinsamen Heim ritt dachte. Seine Freude sollte ihm jedoch getrübt werden. Han» und Dolf hatten ihre Pferde satteln lassen und erklärten, den Herrschaften da» Geleit geben zu wollen. Ursula war sehr ärgerlich. Sie hatte sich so sehr darauf gefreut, mit ihrem Vater allein im flotten, fröhlichem Trabe heimzukehren. Nun sollte sie noch länger verdammt sein, Phrasen anzuhören und wiederzugeben. Sie ritt schweigend voran und ließ ihren Auch» durch launen hafte Zügelführung an ihrem Unmut teilnhmen. „Fifi" machte allerhand Quersprünge und bezeugte dadurch seine Unzufrieden heit mit seiner Herrin. Die Brüder pirschten sich sofort an ihre Seite, während Arnstetten betrübt neben Ursula» Vater herschritt. Er zuckte jede«mal zusammen, wenn „Fifi" zur Seit« sprang. Ursula» wild« Ritte machten ihm längst Sorge. Er war selbst ein ruhiger, bedächtiger Reiter und begriff nicht, wi« H«rr v. Erlenhorst seine Tochter auf einem so jungen, feurigen Tiere reiten lassen konnte. Er fürchtete immer einen Unfall und konnte e» auch heute nicht unterlassen, sie zur Vorsicht zu ermahnen. Sie beantwortete seinen Zuruf mit spöttischem Achselzucken. Han» Herrenfelde stimmte ihm jedoch bei. „Ihr Pferd ist entschieden nervö«, gnädige» Fräulein. Bitte, reizen Sie e» nicht unnötig." „Unbesorgt, Herr von Herrenfelde. Ich weiß, wie ich mit „Fifi" dran bin." „Sie find eine exzellente Reiterin. Aber auch eine solche verliert einmal die Herrschaft über ihr Tier." Sie warf den Kopf zurück und lachte hell auf. Dann lauschte sie in die Ferne. Man war der Barrier« nahe, die eben vom Bahnwärter geschloffen wurde weil ein Zug herannahte.