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Nr. 78. Pulsnitzer Wochenblatt. — Dienstag, den 5. Juli 1910. Seite 6. Wahrzeichen harrt immer noch seiner Weihe. Kosre Lev -L-/V77 /-7 Vorwurf erhoben werden, aber wie fast in allen großen Sensationsprozessen hat sich auch diesmal auf das Schärfste gezeigt, wie reformbedürftig unser ganzes Strafprozeß wesen ist. War eine derartig weitschweifige Beweisfüh rung wirklich notwendig? Mußte man in die tiefsten Winkel des Schmutzes leuchten, wo man von vornherein annehmen mußte, daß doch keine Klarhe t gewonnen wer- den könnte. Immer neue Punkte wurden erörtert, die mit der eigentlichen Angelegenheit kaum in irgend welchem Zusammenhang standen, die man aber heranholen zu müssen glaubte. Immer neue Zeugen marschierten auf, aber Wesentliches zum eigentlichen Tatbestände, die Sache, auf die es ankam, wußte auch nicht ein einziger zu be kunden. Leider gab es keine Handhabe gegen diese Aus- dehnung, und so mußte man das Unvermeidliche über sich ergehen lassen. Bedauerlich war auch der halbe Aus schluß der Oeffentlichkeit. Entweder man soll einen voll kommenen Ausschluß der Oeffentlichkeit, auch der Presse, bestimmen oder garnicht. Gewiß ist ja das Bestreben des Vorsitzenden anzuerkennen, daß er auf diese Weise zeigen wollte, daß man nicht hinter verschlossenen Türen verhandele, um eine den besseren Kreisen entstammende Angeklagte nach Möglichkeit zu schonen. Aber auch in diesem Falle war die Berichterstattung keine solche, wie sie im Hinblick auf den ganzen Stoff hätte sein müssen: Gerade die peinlichsten Punkte wurden in ausführlichster Breite dargestellt und da diese Berichte abgedruckt wurden, waren auch Zeitungen, die sich sonst mit derlei Dingen nicht befassen, um nicht zurückzustehen, gezwungen, gleich, falls die Veröffentlichungen zu bringen. Wären aber die Bestimmungen über die Prozeßhandhabe andere, als wir sie heute haben, dann wäre eine derartige Berichterstatt, ung kaum möglich, denn Vieles, was heute vor Gericht weitschweifig erörtert werden muß, könnte in daS Vorver fahren fallen, ohne zu nochmaliger Erörterung vor den Gerichtshof zu führen und es sind auch Maßnahmen er forderlich, welche einer derartig abschweifenden Beweis ;r ff- M, böhmi' Hafer, sächsischer 157-. !r- le M.' dritte erlitt schwere Verletzungen. W Petersburg, 3. Juli. (Cholera.) Die Cholera- epideMle nimmt in verschiedenen Gegenden Ruß lands in entsetzlicher Weise zu. In Charkow zählt man 466 Fälle, im taurischen Gouvernement 515 Fälle, von denen mehr als die Hälfte tödlich ver laufen sind. — Während der Flugkonferenz in Bethany (Frankreich) stürzte der Aviatiker Wachter aus einer Höhe von 100 Metern herab. Er war sofort tot. l^le» Geschwätz gewesen", entgegnete Anita. M solche Gerüchte, wenn zwei junge Menschen ^freundschaftlich ? Zu- M »tue MnMlimn in And MW. Im Sommer 1908 regten viele Kurgäste des Bades Bertrich die Errichtung eines Bismarck-Tur mes aus der Hohenlay an. Am 5. August jenes Jahres fand die Grundsteinlegung statt, und bald war ein Teil der Kosten durch Sammlungen auf gebracht worden, der Rest der Kosten kam im fol genden Sommer ein. Unterdessen schritt der Bau des schönen Turmes rüstig fort. Am 18. August 1909 konnte daS Richtfest stattfinden, und am 2. September, dem Sedantage, sollte der Turm feier- lich eingeweiht werden, Infolge des schlechten Wet ters und auch aus Gründen politischer Natur kam eS indes nicht zu der Feier. So hat denn der rheinische Badeort feinen Bismarck-Turm, aber das steckte. »Freilich wundern sich alle, baß OlferS den Grafen mit .du" anredet, aber daß ist auch alle«, was ihnen auffällt. Al» ob da» der Brief «ine» jungen, heißblütigen Menschen an einen alten Mann wäre! Lächerlich! Ein Liebhaber hat ihn geschrieben — ein Liebhaber an seine getreue Liebste und diese Liebste ist die Anita Brusio I Für die Anita war der Brief) bestimmt — ^für niemand sonst! Und die Anita hat ihn dem Grafen ge geben? Aber warum? War bezweckte sie damit? Wollte sie seinen Schutz gegen die ihr angedrohte Rache ihre» Land»mannr» anrufen?" Brümmel ging in tiefen Gedanken hin und her. Daß Olfer« der Mörder de» Grafen war schien auch ihm zweifello», aber diese Ueberzeugung nützte ihm nicht», sofern er sie nicht zu beweisen vermochte. Man hatte die Italienerin natürlich einem Verhör unter worfen, aber hatte kühl und sicher «»»gesagt, daß Sie nicht» über den Mord wüßte, und alle ihre Worte trugen derart den Stempel der Wahrheit, daß niemand an ihnen zweifelte. Auf die Frage wie ihre Beziehungen zu Olfer» gewesen, hatte sie zur Antwort gegeben, daß sie bi» vor einem Jahr «in Freund- schaftkverhältni» mit ihm verknüpft, daß ihre Beziehungen aber nie über die Grenze derselben hinaurgegangen seien. Sie wären an verschiedenen Varietee» zusammen engagiert gewesen und hätten sich auf Grund der Tatsache, daß sie beide italienischer Abkunft waren, einander genähert; Olfer» hätte zwar, wie sie bald erkannt, eine Leidenschaft für sie gefaßt, da sie dieselbe jedoch nicht erwidert, so hätte er sie, wie sie angenommen, bald unterdrücke. »Aber unter Ihren Kolleginnen herrsche doch allgemein die Annahme, daß Sie verlobt gewesen wären?" fragte der Unter- suchumMM«^ ver Setreivemarkt. Wochenbericht vom 25. Juni bis 2. Juli 1910. Die Witterung in letzter Berichtswoche war für die Körner bildung günstig, da Regen und Sonnenschein fast täglich vielmals wechselten. Die Farbe des Kornes soll nach Ansicht mancher hier durch allerdings eine etwas dunklere werden, ebenso ist stellenweffr- Lagerung eingetreten, in wie weit hierdurch die Körnerausbildung beeinträchtigt wird, hängt ganz davon ab, wie sich die Witterung weiterhin gestalten wird. Durch die Verhältnisse hat die Heuernte ebenfalls eine starke Störung erfahren. Futtermittel sind für prompte Lieferung so gut wie geschäftslos, für späterhin scheinen die billigen Preise dem und jenem zu Abschlüssen Veranlassung zu geben. Alte Kartoffeln wurden sehr gefragt, waren aber trotz hoher Preisbewilligung nicht zu beschaffen. Stroh verhält sich sehr ruhig. Neues Heu hat, wie oben erwähnt, durch die wechselnde Wit terung gelitten, besonders in den Heugegenden, wo alles zum größten Teil noch in Schwaden lag. Dieses konnte die etwas ge sunkenen Preise für altes Heu auch wieder auffrischen. Dresdner Produkten-Börfe, 4. Juli 1910. Wetter: Bewölkt. — Stimmung: Geschäftslos Um 2 Uhr wurde amtlich notiert: weifen, weißer, — — — M, brauner, neuer, 74—78 Kilo, 200—208 M, do. feuchter M, russischer rot 208-215 M, do. russisch, weiß M, Argentinier 205—214 Australischer 218 M, Manitoba 221—225 M. Roggen, sächsischer 70-78 Kilo 145—151 M, russ. 160-163 M. Gräfin Wrtthofen werden, ein« ang«srh«ne gesellschaftlich« Stillung einnehmen, im Reichtum leben und sich die Aufre gungen de» Dasein» möglichst fernhalten — da» war die An sicht, welche der Untersuchung»richter von ihr gewann. Trotz ihrer feurigen Augen und ihre» südlichen Autsehen» schlummerte wenig von südlicher Glut in ihr. Schließlich zeigte man ihr noch einen Brief, den man in der Nachttischublad« de» Grafen gefunden und fragten, ob sie die Handschrift Olfer» erkenne. Sie verneinte, da st« behauptet« nie einen Brief von Olser» empfangen zu haben und seine Schriftzüge nicht kenne. Dies« Ding« ging«« Brümm«! durch d«n Kopf, währ«nd er vor dem Haus«, in dem Anita Brusio wohnte, auf und ab schritt. Agent sei. Ebenso hatte er auch in dem vertraulichen Beweise an die Versicherungsgesellschaft die Frage, ob der Antragsteller sich in günstiger Vermögenslage befände, bejaht. Bachmann ist aber seit dem Jahre 1905 fortgesetzt selbst wegen rückständiger Steuern und Schulgelder erfolglos gepfändet worden. Bachmann wurde zusätzlich zu der wegen Brandstiftung erhaltenen Strafe zu weite ren 3 Monaten Zuchthaus und 50 M Geldstrafe, Bürger zu 40 M Geldstrafe verurteilt. K. 8 Unschuldig im Zuchthaus. Das Schwurgericht zu Dortmund sprach im Wiederaufnahmeverfahren den Kellner Karl Bremer aus Dortmund von der Anklage des zweifachen Straßen raubes frei. Bremer war seinerzeit zu 7 Jahren Zuchthaus ver urteilt worden, wovon er bereits lN/z Jahr verbüßt hat. Wettervorhersage der Kgl. S. Landeswetterwarte zu Dresden. Mittwoch, den 6. Juli 1910. Westwind, veränderliche Bewölkung, etwas wärmer, zunächst zeit- weise Regen, später aufheiternd. Magdeburger Wettervorhersage. Mittwoch, den 6. Juli 1910. Teilweise heiter, bei Tage etwas wärmer, keine wesentlichen Nie- derschläge. führung Zügel anlegen. Auch der Inquisition über Vor- gänge, welche in der Hauptsache den seit Jahren unbe scholtenen Zeugen bloßstellen könnten, muß endlich ein Riegel vorgeschoben werden. Hoffentlich wird die Straf prozeßreform uns ein Verfahren bringen, welches die jetzt so oft in Erscheinung getretenen bedenklichen Schwächen und Unzugänglichkeiten beseitigt und jene Prozesse, wie wir sie jetzt noch gerade genug gehabt haben, in einer Weise zur Verhandlung bringt, daß ihnen alles Pikante genommen wird und die Sensation eben aufhört. DaS ist die Lehre, die der Allensteiner Prozeß bringt. * * * Berlin, 4. Juli. Justizrat Sello, ein Verteidiger im Schönebergprozeß gab in einer Unterredung seiner be stimmten Ueberzeugung Ausdruck, daß es niemals wieder zu einem neuen Prozeß gegen Frau von Schöne beck-Weber kommen kann und wird. Die formelle Ver tagung lautet zwar auf unbestimmte Zeit, in Wirkl'' 'eit aber ist es eine Vertagung auf immer. Der Verteidiger begründet seine Ansicht auf die Beobachtungen, die er während der vier Wochen bet der Angeklagten gemacht hat. Attenstein. Ueber dem düsteren forensischen Drama, welches sich während der letzten Wochen in Allenstein abspielte, hat sich jetzt der Vorhang gesenkt, um hoffentlich nicht wieder ausgezogen zu werdest. Einer jener großen Sensations- prozeffe, wie sie leider in den letzten Jahren mehrfach zu verzeichnen waren, hat durch nicht minder sensationelle Vorgänge ein vorzeitiges Ende gefunden, ohne daß der Gerechtigkeit Genüge geschehen wäre. Man glaubte den Prozeß mit aller G.. lt durchführen zu müssen, um ja nicht den Anschein zu erwecken, als ob nicht alle Staats angehörigen vor dem Gesetze gleich wären und gerade in Meiem Bemühen wurde man zu einseitig, man gab dem kW^esse eine Ausdehnung und eine Beweisführung, die zweifellos in ihrer Psyche kranken Angeklagten Di einer seelischen Folter werden mußte. Auch ein Stär kerer hätte diesen Qualen wohl kaum Stand gehalten und wäre zusammengebrochen. Auf der einen Seite wurde der Angeklagten die weitgehendste Freiheit gewährt, viel leicht sogar zu weitgehende, während man auf der ande ren Seite in der Verhandlung auf das allerschärfste vor ging. So mußte denn ein Ausgang kommen, annormal, wie das ganze Milieu, in dem sich die Affäre abgespielt hatte. ES soll an dieser Stelle gegen die Richter, die doch nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt haben, kein dem waren unsere Beziehungen längst abgebrochen, al« wir nach Wien kamen. Olfer» verlobte sich mit Frida Sasse und ich mit dem Grafen Wetthofen." »Und wie lange sind Sie mit Graf Wetthosen verlobt gewesen?" »Ungefähr acht Monate. Veröffentlicht haben wir unsere Verlobung allerdings «rst unmittbar vor dem Tode de» Grafen." »Glauben Sie, Fräulein Brusio, daß Olfer» de» Grafen Mörder ist?" „Nein, ich glaube e» nicht. Ich wüßte nicht den mindesten Grund, warum Olfer» den Grafen ermordet haben soll." „Halten Sie «» für möglich, daß der Graf selbst seinem Lrben ein Ende gemacht hat?" „Ich kann nicht die geringste Vermutung in dieser Richtung hin hegen, denn wenn ich auch de» Grafen Braut war, so hat er mir nie «inen Einblick in seine persönlichen Verhältnisse ge währt. Unsere Beziehungen waren nie derartig intime oder ver trauliche." „Aber Sie waren doch s«ine Braut —" »Gewiß — ich gefiel ihm, er huldigt« mir, warb um mein« Hand und ich gab ihm mein Jawort. Dann verkehrten wir streng formell unter Wahrung der in der guten Gesellschaft üblichen Formen miteinander. Graf Wrtthofen besuchte mich am Vormittag auf «in bi» zwei Stunden, doch waren wir selten allein — meine Gesellschafterin Mariette Verdi war stet» bei un». Außerdem haben wir zusammen zuweilen Spazierfahrten unternommen oder in Restaurant» zusammen gespeist. Darauf beschränkte sich unser Verkehr. Graf Wettbofrn wünscht« drn« selben so zu gestalten, damit niemand den Namen seiner künf. tigen Gemahlin wagen durste zu verunglimpfen und ich — ich war durchau» seiner Meinung." Andere» war au» der Jtalienin nicht herau»zubekommen. Sie machte im den Eindruck einer kühl«»., berechnenden Herzen wenig 152—156 M, do. neu, feucht — — M. Erbsen, 160—180 M, Wicken, sächs. 168—180 M. Buchweizen, inländischer 180—185 M, do. fremder 180—185 M. Gelsaaten, Winterraps, feucht —, trocken M. Leinsaat, feine —,— ,— M, mittl. —, M. Laplata 310,00-315,00 M. Bombay 335,00-340,00 M. Rüböl, raffiniertes 61,00 M. Rapskuchen (Dresdner Marken) lange 11,50 M, runde M Leinkuchen (Dresdner Marken) l 17,50 M, II 17,00 M. Mal? 26,00—31,00 M. Weizenmehle (Dresdner Marken): Kaiserauszug 34,50—35,00 M, Grießlerauszug 33,50—34,00 M, Semmelmehl 32,50—33,00 M, Bäckermundmehl 31,00—31,50 M, Grießlermundmehl 22,00 bis 23,00 M, Pohlmehl 16,00 -17,00 M. Roggenmehle (Dresdner Marken) Nr.O 24,00—24,50 M, Nr. 0/1, 23,00-23,50 M, Nr. 1 22,00—22,50 M, Nr. 2 19,50-20,50 M Nr. 3 16,00—16,50 M, Futtermehl 11,80—12,00 M, ercl. der städtischen Abgabe. wei?enkleie (Dresd. Mark.): grobe 9,80—10,00 feine 8,80-9,20 Roggenkleie (Dresdner Marken): 10,60—11,00 M. — 5. Kapitel. — Plötzlich öffnete sich da» Portal de» Haus«» und eine Frau, die einen großen Karton im Arm trug, tat herau». Sie mochte etwa vierzig Jahre zählen, sah aber bedeutend älte^MU weil Leidenschaften und unregelmäßige« Leben wahrscheiuM der Zeit ihre Züge verwüstet halten. Sie war eil« mit einer gewissen Vornehmheit gekleidet und tablen Person in einer besseren dienenden haben, wenn nicht eben eine bewegt« Vergangenheil^M lich ihrem ursprünglich sicher schönen Gesicht ihren gedrückt hätte und wenn sie nicht stark geschminkt gew^M^ Da« Rot auf ihren faltigen Wangen, sowie die gesqW^'A Augenbraunen trugen aber nur noch mehr dazu bei, erscheinen zu lassen, al« sie in Wirtlichkeit war. , BruHMH kannte diese Frau von Ansehen, e« war dir Gesells^t,nnH Brusio, die Mariette Verdi. (Fortsetzung folgt.) plus aller Welt. n, I. Juli. (Ueb erfahren.) Bei der Schalksmühle wurden drei italienische Ar- " die sich auf dem Heimwege befanden, von Zuge überfahren. Einer von ihnen war aus stelle tot, der andere starb bald darauf und i, schlesische —M, Posener M, Futtergerste 116—130 M beregneter —M. schlesischer 157-163 M., russischer lvco —,— M. Mais Cinquantine 164—170 M, alter M, Laplata, gelb, — M, amerikan. Mired-Mais , Rundmais, gelb,