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Nr. 67. Pulsnitzer Wochenblatt. — Donnerstag, den 9. Juni 1910. Seite 2. Zeit auch wieder wolkenbruchartige Niederschläge erfolgten. Ueber sonst durch die Gewittw in der Umgegend verur sachte Schädigungen liegen zahlreiche Meldungen vor. In Panschwitz schlug der Blitz in den Holzschuppen des Schlossermeisters Böhme, ohne jedoch zu zünden; das Gebäude ist teilweise beschädigt worden. In Laußnitz schlug der Blitz ohne zu zünden in das Wohnhaus Kat.- Nr. 50 6 des Steinbrucharbeiters Böhme und in das Wohnhaus Nr. 77 K des Maurers August Zornstein. Im erstgenannten Hause wurde der dort wohnende 20 Jahre alte Fabrikarbeiter Otto Alfred Böhme durch den Blitz aus der Treppe betäubt. B. stürzte einige Stufen herab und zog sich eine Verletzung am Kopfe zu. Ein nennenswerter Materialschaden ist in beiden Fällen nicht entstanden. Aus Möhrsdorf wird berichtet, daß am Dienstag mittag Schloßen in großer Menge nieder gingen, darunter solche bis Haselnußgröße. Sie fielen so dicht, daß die Fluren aussahen, als hätte eS geschneit, und blieben bis nachmittags liegen. Das Schloßen wetter kam von Rehnsdorf her und zog gegen Obersteina. Die zeitigen Kartoffeln und Küchengewächse sind sehr zer schlagen, auch die Kornfelder arg mitgenommen. Möhrs dorf ist, soweit sich die ältesten Leute entsinnen könne? , noch von keinem Schloßenwetter betroffen worden. Be deutenden Schaden an Getreide und Pflanzen hat das Schloßenwetter auch auf den Fluren von Ohorn, Bret nig und HauSwalde angerichtet, in welchen Orten vereinzelt sogar Fensterscheiben von den Schloßen zer trümmert wurden. Vielfach sind im ganzen Bezirke Blitzableiter, Telegraphenleitungen, Bäume usw. durch Blitzstrahlen beschädigt. — Vor 100 Jahren am 8. Jnui 1810 wurde der Meister des Volksliedes, Robert Schumann zu Zwickau geboren. Wie viele Komponisten, so war auch er ein Wunderkind und komponierte bereits in seinem 12. Le bensjahre selbstständig Chor und Orchesterwerke. Die ersten musikalischen Anregungen mochte der Knabe wohl gelegentlich eines Aufenthalts in Karlsbad im Jahre 1819 durch den Klaviervirtuosen Maschelles empfangen haben. Wenigstens war er ganz entzückt von dem meisterhaften Spiele dieses Virtuosen und wandte sich von Stund an mit großem Eifer der Tonkunst zu. Diese Liebhaberei für die Musik hielt bei dem Knaben bis zum 16. Lebens jahre an und erhielt erst durch einen äußeren Vorfall eine Aenderung. Im Jahre 1826 starb nämlich sein Va ter. Die Mutter war mehr für das Praktische und ihr zu Liebe bezog Schumann denn auch 1826 die Leipziger Universität, um sich der Rechtsgelehrsamkeit zu widmen. Allein das trockene JuS hielt den Kampf mit der Macht der Töne nicht auf die Dauer aus. Die Mutter gab schließlich ihre Zustimmung zum Berufswechsel, und nun widmete sich Schumann mit ganzem Eifer der Musik. Schon 1833 wurde er am Leipziger Konservatorium Leh rer. Aber er gab die Stellung auf und wandte sich nach Dresden, wo er di Liedertafel und den Chorgesang verein dirigierte und später im Jahre 1854 nach Düssel dorf, wo er Anstellung als städtischer Musikdirektor fand. Hier war es auch, wo sein Gehirnleiden immer krassere Formen annahm, die ihm das Leben zur Qual werden ließen. In einem Zustande geistiger Umnachtung stürzte er sich am 7 Februar 1854 in den Rhein. Man brachte den Lebensmüden noch einmal lebendig aufs Land, allein seine Gehirnfunktionen waren erloschen. In einem höchst beklagenswerten Zustande vegetierte der geniale Kompo nist noch zwei Jahre in einer Heilanstalt zu Endenich bei Bonn. Am 28. Juli 1856 erlöste ihn daselbst der Tod. Man kann Robert Schumann getrost als den glänzendsten Vertreter der romanischen Epoche in der deutschen Musik bezeichnen. ES liegt etwas Großartig-Tiefes in allen seinen Kompositionen. Innigkeit und Empfindung zeichnen seine Tonschöpfungen aus. Seine Lieder sind Perlen der deutschen Vokalmusik und wo Lied und Sang eine Heim statt im deutschen Hause gefunden haben, da klingen und singen an traulichen Abenden auch heute noch die innigen Weisen deS Meisters des Volksliedes, des Kam- ponisten Robert Schumann, der heut vor 100 Jahren das Licht der Welt erblickte. — Für den Monat Mai 1910 sind behufs Ver gütung des von den Gemeinden resp. Quartierwirten innerhalb der l etreffenden Lieferungsverbände im Monat Juni 1910 an Militärpferde zur Verabreichung gelan genden Pferdefutters in den Hauptmarktorten der Liefe rungsverbände des Regierungsbezirks Bautzen folgende Durchschnitte der höchsten Preise für Pferdesutter mit 'einem Aufschläge von fünf vom Hundert festgesetzt worden: Hafer 100 Kilo. Heu 100 Kilo. Stroh 100 Kilo' Zittau: 16 M 09 Pf. 9 M 71 Psi 5 M 37 Pf. Bautzen: 16 „ 17 „ 10 „ 50 „ 5 „ 51 „ Kamenz: 15 „ 12 „ 9 „ 79 „ 5 „ 30 „ Löbau: 15 „ 23 „ 9 „ 40 „ 4 „ 15 „ — DaS König!. Sächsische Landgendarmerie korps ist mit einer neuen, das bisherige Obergewehr ersetzenden Schußwaffe in diesen Tagen ausgerüstet wor den. Die neue Waffe ist eine Draise'sche Selbstladebüchse mit einem Magazin für sieben Patronen. Die Büchfe ist nicht nur handlicher, sondern auch ein Pfund leichter als das bisherige Gewehr. Die Gendarmen benützen die Büchse bereits bei den diesjährigen Preisschießen. Kamenz. Am Sonnabend vormittag 9 Uhr fand im Sitzungssaale der hiesigen Königlichen AmtShauptmann- schaft unter dem Vorsitze des Herrn AmlShauptmann Ge heimen Regierungsrat von Erdmannsdorff öffentliche Bezirksausschußsitzung statt. Nach Eröffnung der Sitzung wurden die auf der Tagesordnung befindlichen Gegenstände zum Vortrag gebracht und vom Bezirksaus schüsse u. a. folgende Beschlüsse gefaßt: Die AuSbezirkung eines 8,75 ka großen Teiles der Abteilungen 18, 19 und 22 vom Reoierteil „das Hauptrevier" aus dem Lauß- nitzer StaatSsorstreviere (Blatt 258 deS Grundbuchs für die Parzellen des zerschlagenen Kammergutes Laußnitz) und die Einbezirkung in den GutSbezirk des „Truppen übungsplatzes Königsbrück" (Blatt 282 desselben Grund buchs) wurden genehmigt; dasselbe gilt für die Einzieh ung eines Teiles des sogenannten „ObermühlwegeS" Nr. 953 des Flurbuchs für Ohorn, und Weiterbenutzung als Wirtschaftsweg betreffend, jedoch erst von dem Zeit punkte ab, wo der Ersatzweg fertiggestellt und dem Ver kehr übergeben worden ist. — Auf die vorliegenden Ge suche um Genehmigung zur Abtrennung von den Grund stücken u. a. Blatt 282 des Grundbuchs für Großröhrs dorf, Besitzer: die Erben des MühlenbesttzerS Ernst Moritz Haufe in Großröhrsdorf, werden die erforderlichen Dis pensationen erteilt, und zwar wird bei dieser Abtrennung vorbehältlich der Zustimmung des Gemeinderates die Ab trennung der Flurstücke 1098, 1099, 1100, 1101 des Flur buchs für Großröhrsdorf unter Konsolidationsbedingung genehmigt. Wegen der Zurücknahme der DismembrationS- beschränkung mit Konsolidationsbedingung hinsichtlich der Abtrennung vom Grundstücke Blatt 47 für Ober steina (früher Eigentümer: Bandweber Friedrich Ernst Ziegenbalg in Obersteina, jetzt Gutsbesitzer Heinrich Julius Berndt in Möhrsdorf) wird beschlossen, die Genehmigung zur Di.-membration zu versagen. Die Uebernahme blei bender Verbindlichkeiten seitens der Gemeinde Gelenau und der Gemeinde Bretnig, bei letzterer wegen Einlegung einer Rohrschleuse von 26 Meter Länge in den Straßen graben der Staatsstraße bei Icm 5,610 bis km 5,636 in Bretnig wird genehmigt. Ebenso findet Genehmigung der ortSstatutorische Beschluß der Gemeinde Großröhrs dorf über Beitritt zum Gemeindeverbande „Landes pensionsverband für Gemeindebeamte Sachsens". Auf die vorliegenden Gesuche um Erteilung von Schank konzessionen usw. wurde Entschließung gefaßt und dabei u. a. folgende Konzessionen erteilt: dem Gärtner Emil Paul Zöllner in HauSwalde zum Bier- und Brannt weinschank im Grundstücke Kat.-Nr. 19 für Hauswalde unter der Bedingung, daß die Pissoir- und Abortanlagen einwandfrei hergestellt werden; dem Gastwirt Martin Schurig in Ohorn zum Bier- und Branntweinschank in der gegenüber des Schurig'schen GasthofeS Kat.-Nr. 36 gelegenen neuerbauten Laube in Flur Ohorn (der Ge meinderat in Ohorn wird noch gehört werden); dem Gartennahrungsbesitzer Fr. Aug. Prescher in Obersteina zum Ausschank von selbstgekelterten Obst- und Beeren weinen in dem Grundstück Kat.-Nr. 1 für Obersteina am 12. und 13. Juni d. I. gelegentlich der Fahnenweihe des Turnvereins daselbst; dem Gebirgs- und Verschöne rungsverein für Pulsnitz und Umgegend zum L.einschank auf dem Schwedensteine, diese Schankstätte wird der im übrigen geltenden Polizeistunde unterstellt. Königsbrück, 7. Juni. Zu dem Unglücksfall geht uns noch folgender Bericht zu: Der heutige Tag wird für die Mannschaften der 3. Kompagnie des 177. Infan terie-Regimentes für immer in furchtbarem Andenken blei ben. Das Regiment hatte auf dem Truppenübungsplätze bei Königsbrück Gefechtsübungen abgehalten und rückte kurz nach Mittag kompagnieweise in das Barackenlager deS Platzes ein. Die 3. Kompagnie war am weitesten zurückgeblieben und wurde von dem über die Gegend he raufziehenden Gewitter überrascht. Trotz des strömenden Regens waren die Soldaten guter Dinge und ließen ihre frohen Marschweisen erschallen. Schon hatte man die „Wettinhöhe" überschritten und bald mußte das Lager er reicht sein. Da — ein blendender Blitzstrahl, ein prasseln der Donnerschlag, und im nächsten Augenblicke bildete die ganze Kompagnie einen wirren, am Boden liegenden Knäuel, aus dem das Stöhnen und Jammern der Ge troffenen drang. Drei Mann aber lagen stumm und starr da — sie waren vom Blitzstrahl getötet. Vierzehn Mann wurden als Verletzte vom Platze geschafft; ihre Verletzungen sind zum Teil schwerer Natur. Die übrigen kamen mit dem Schrecken davon. Heute rot — morgen tot, zur furchtbaren Gewißheit ist hier das Wort gewor den. Tot sind Gefreiter Klinkicht aus KunnerSdorf bei Pirna, Soldat Hornickel aus DreSden-Löbtau und Soldat Boden aus Dippoldiswalde. Schwer verwundet wurde der eine achtwöchige Uebung ableistende Leutnant der Re serve vr. Weißwange-DreSden, dem ein großer Teil der Gesichtshaut verbrannt wurde, ferner der im vierten Dienst jahre stehende unverheiratete Unteroffizier Steinfeld, der ebenfalls Verbrennungen im Gesicht erlitt und 3 Solda ten. Außerdem erlitten noch zwei Unteroffiziere und acht Mann Brand- und Rißwunden leichterer Art. Die Toten und Verletzten wurden sofort von ihren aufs höchste be stürzten Kameraden nach dem Kön'gSbrücker Lazarett ge bracht. Der Zustand der Verletzten soll nicht besorgnis erregend sein. — Ein weiteres Menschenleben haben die Gewitter im Halbachschen Steinbruche bei Bernbruch ver nichtet. Dort tötete der Blitz einen 17 jährigen Steinar beiter namens Lauke. — Eine rührende Szene spielte sich, wie den „Dresdn. Nachr." berichtet wurde, am Mon tag abend in der Wachtstube der Regimentskaserne ab. Zu den Jour habenden Unteroffizier kam mit besorgter Miene und zitternden Gliedern ein junges Weib und erbat sich Auskunft, ob ihr gleichfalls der 3. Kompagnie angehörender Mann sich etwa unter den Verletzten befinde. Einer der Unteroffiziere ließ sich telephonisch mit Königs brück verbinden. Nach langem Harren war endlich die gewünschte Verbindung hergestellt. In der düsteren Wachtstube herrschte Totenstille. Der Unteroffizier ließ sich die bekannten Namen der Toten bestätigen und fragte sodann nach dem Namen der Verletzten, insbesondere der Unteroffiziere. Er hielt lange das Hörrohr am Ohre und sagte dann — für die Umstehenden zunächst nicht recht erklärlich — er könne nichts verstehen. Die Unteroffiziere trösteten, so gut sie eS vermochten, die junge Frau mit dem Hinweis, daß sie falls ihr Mann sich unter den Ver letzten befinde, doch sicher bereits benachrichtigt worden wäre. Der Unteroffizier aber, der das Gespräch mit Kö nigsbrück geführt hatte, ging hinaus und nahm einen seiner Kameraden mit sich, dem er draußen aus dem Ka sernenhofe die betrübende Mitteilung machte, daß der Mann jener Frau, der Sergant Blümel, sich tatsächlich unter den Verletzten befinde. Er hätte doch, so meinte er betrübt, es der Frau nicht sagen können. Die Aermste wird freilich früh genug noch von dem Leid, das auch sie mit so manchen anderen betroffen, erfahren haben. 8. Dresden, 8. Juni. (Robert Schumann-Ge- denktafel,Schumann als Freiheitskämpfer.) Der Tonkünst lerverein zu Dresden ließ am heutigen 100. Geburtstage Ro bert Schumanns am Hause Reitbahnstraße 24, in dem Schumann vom 1. September 1846 bis 1. September 1850 im ersten Obergeschoß gewohnt, eine aus schwarzem polierten schwedischen Granit hergestellte Gedenktafel an bringen. — In die Zeit seines Dresdner Aufenthalts fie len die Ereignisse des Maiaufstandes in Dresden. Ueber die Erlebnisse schreibt Frau Klara Schumann in ihrem Tagebuche folgendes: Am 3. Mai 1849 wurde die ah nungslose Familie durch Sturmläuten und Generalmarsch schlagen überrascht. Das Herüberfallen der Schüsse deu tet an, daß man Ernst gemacht. Der König hat die Reichsverfassung nicht anerkennen wollen, bevor es nicht Preußen getan, und da hatte man die Stränge seines Wagens, in dem er entfliehen wollte, zerschnitten und ihn somit gezwungen zu bleiben. Die Folgen des ersten Sturmes wirken erschütternd auf die Schumanns Auf unserer Promenade durch die Stadt wurde uns der schreck liche Anblick von 14 Toten, die tags vorher gefallen und schrecklich zugerichtet zur Schau des Publikums im Hofe res Klinikums lagen. Der Schrecken steigert sich, da man bei der Formierung der Wache auch Robert zu den Waf fen ruft. Nachdem ich ihn zweimal verleugnet, die Leute aber drohten ihn suchen zu wollen, flüchteten wir zur Gartentür hinaus auf den böhmischen Bahnhof. Man kam heimlich aus der Stadt und fand zunächst in Strehla ein Asyl, von dem aus man den Wandel der Dinge be obachtete. ES ist schrecklich, solche Dinge erleben zu müs sen, so müssen sich die Menschen das bischen Freiheit er kämpfen! 8. Dresden, 8. Juni. (Große Kunstausstellung 1912.) Als Vertreter der Sächsischen Regierung für die große Kunstausstellung Dresden 1912 ist der Geheime Rat Schelcher abgeordnet worden. 8. Dresden, 8. Juni. ' (Das Todesopfer der Er presser.) Am Grabe seines vor zwei Jahren verstorbe nen außerehelichen Kindes erschoß sich auf dem Friedhöfe zu Potschappel der Stationsgehilfe Enge. Jetzt hat dieser Selbstmord seine Aufklärung gesunden. In Leipzig nämlich sind zwei Erpresser festgenommen worden, die schon längere Zeit das Geschäft betrieben haben. Sie lauerten in den parkähnlichen, bis in die Stadt reichen den Waldungen und in den städtischen Anlagen abends hauptsächlich auf Liebespärchen und erpreßten von ihnen Geld. Sie gaben sich dabei meistens als Polizeibeamte aus und versprachen gegen eine sofort zu erlegende „Strafe" den Ueberraschten, daß sie eine Anzeige nicht erstatten würden. DaS gefährliche Treiben der beiden - Erpresser kam durch einen Beamten ans Licht, den sie während der letzten Messe mit einem 13 Jahre alten Mädchen hinter dem Meßplatze getroffen und beschuldigt hatten, sich an dem Kinde in unsittlicher Weise vergangen zu haben. Obgleich dies nicht der Fall war, schüchterten sie ihn doch derart ein, daß sie sofort 40 M und später noch eine höhere Summe als Schweiggeld verlangten. Als es dem Beamten zu viel wurde, veranlaßte er die Verhaftung der Erpresser. Er selbst jedoch, der 31jährige Eisenbahngehilfe Enge, hat sich in Potschappel erschaffen. 8. Dresden, 8. Juni. („Meine Mutter hat nur ihr Tuch vergessen!") Das reizende Frankfurter Ge- schichtchen von „seller Fraa ihrem Dichle" fand kürzlich, wie das „Meiß. Tagebl." erzählt, ein nicht minder er götzliches Settenstück in Meißen. Machte da eben am Landungsplätze ein Dampfschiff los, um seine Fahrt nach Riesa fortzusetzen. Die Bootsleute mühten sich mit den schweren Staken, die Maschine machte die ersten Stöße, die Schaufelräder setzten sich in Bewegung, um das be reits mit dem Vordersteven nach der Strommitte ge wendete Fahrzeug rasch vorwärts zu treiben. Auf dem Schiffe winkte eS und am Ufer desgleichen. Da entstand hier plötzlich eine andere Bewegung. In einiger Ent fernung war eine rasch dahineilende weibliche Gestalt be merkt worden. Ihre Röcke flatterten, und es flattert daS Tuch, das sie mit erhobenem Arme trug. „Halt, eS will noch jemand mit!" Mehrere der am User Stehenden rufens der Schiffsbesatzung zu. Wenn auch nicht gerade erfreut, aber doch auch nicht widerwillig, gibt der Kapitän in bekannter Bereitwilligkcit, einen verspäteten Passagier noch mitzunehmen, seine Befehle: „Halt rückwärts!" Langsam bewegte sich das Fahrzeug nach der Brücke zu rück, und Kondukteur und Bootsleute machen sich bereit, den verspäteten Ankömmling, der vom Publikum zu noch größerer Eile angespornt wird und keuchend daherfliegt, galant über den zwischen Schiffsbord und Landungs brücke gähnenden Spalt zu heben. Endlich ist sie da. „Nu aber fix!" Doch nein, die junge Frau sträubt sich, den Schritt zu tun, den alle von ihr erwarten. Sie hält nur fortgesetzt das wehende Tuch in die Höhe, und als sie endlich zu Atem kommt, reißt sichs von ihren Lippen los: „Ich will joa goarnich mitfoahre — meine Mutter hat nur ihr Tuch vergessen!" Und das Tuch, um dessentwillen die Fahrt aufgehalten worden war, ist dann auch glücklich noch mit fortgenommen worden. Ihre Bringerin hatte keine Ahnung gehabt, daß lediglich ihretwegen das Schiff gehalten hatte. Dresden, 7. Juni. Ueber die Einführung einer Wertzuwachs st euer hatten die Stadtverordneten den Nat bekanntlich vor einiger Zeit ersucht, ihnen eine Vor lage zugehen zu lassen. Der Rat zu Dresden hat sich in seinen letzten Sitzungen mehrfach mit dieser Ange legenheit beschäftigt und beschlossen, dem Anträge deS Stadtverordneten-Kollegiums stattzugeben. Gleichzeitig wurde der im Entwürfe liegende erste Nachtrag zur Ge meindesteuerordnung für die Stadt Dresden vom 10. De-